Rostock 1807 - Nahrungsmittel - Bier

Aus: Bemerkungen aus dem Gebiete der Heilkunde und Anthropologie in Rostock. Bd 1. Medizinische und anthropologische Bemerkungen über Rostock und seine Bewohner
Autor: Nolde, Adolf Friedrich Dr. (1764-1813) Professor der Medizin, Erscheinungsjahr: 1807

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Hansestadt Rostock, Bier, Brauereien, Malz, Brauherren, Schiffsbier, Malz, Brauer, Großbrauer, Kleinbrauer, Rostocker Bier, Fasselkanne, Porter, Doppelbier, Mannheimer, Merseburger, Braunschweiger Mumme, Danziger Lachs,
Außer den ansehnlichen Quantitäten von Malz, welches von hier verschickt wird, benutzt man einen großen Teil desselben auch in den hiesigen Brauereien. Es wird fast durchgehends auf der Darre getrocknet, und gibt daher dem Bier eine ziemlich dunkle Farbe. In der Luft getrocknetes Malz findet man bei uns nur selten. Das eigentliche Rostocker Bier war vor Zeiten sehr berühmt, und ward auch zum Teil zu Schiffe weit und breit versandt *). In neueren Zeiten hat es sehr an seinem Wert verloren, indessen kann man nicht leugnen, dass es in einigen Häusern wirklich noch immer sehr gut gerät. Ein solches Bier hat denn, wenn man es nur eine Zeit lang auf der Tonne liegen lässt, und mit Vorsicht abzapft, eine dunkelbraune Farbe, ist dabei ganz klar und hat einen angenehmen bitterlichen Geschmack, ist auch dabei kräftig und stärkend.

*) S. Detharding a. a, O. S. 40. Zytopoei huius loci quotannis 250.000 Cupas cerevisiae extaris vandiderunt.

Wird es hingegen zu früh von der Tonne verbraucht, oder ist es beim Brauen schon auf irgend eine Art versehen: so bekommt es einen wirklich unangenehmen Geschmack, hat eine schmutzig-braune Farbe und ein dickes, trübes Ansehen. Von dieser Beschaffenheit ist es gewöhnlich in den Krügen und auf den Herbergen, wo gleichwohl sehr viel getrunken, und mancher durch den Rausch, welchen es verursacht, in verdrießliche Händel verwickelt wird. Um dieses zu verhüten, mag es an dergleichen Orten, vielleicht aus der besten Absicht, etwas schwächer gemacht werden. Dass übrigens dieses Bier im Ganzen jetzt nicht mehr so gut ist, als vor Zeiten, hat wohl mehr als eine Ursache. In manchen Jahren liegt die Schuld offenbar an der Gerste, die dazu genommen wird, bisweilen auch wohl an dem Hopfen, der besonders in den letzten Jahren nicht so sehr an Güte gewonnen hat, als er im Preise gestiegen ist. Nicht selten mag aber außerdem die zum Brauen erforderliche Gerätschaft nicht so gehalten werden, wie sie es wohl eigentlich sollte. Es gibt hier nämlich zwar besondere Brauknechte, Schopenbrauer genannt, aber keine abgesonderten Brauhäuser, sondern ein jeder, der zur sogenannten Brauerkompanie gehört, hält sich das Geschirr in seinem Hause, gibt auch selbst alles zum Brauen erforderliche Material her. Vielleicht könnten wir ein gleichförmigeres Bier haben, wenn wir eigene Brauhäuser hätten; aber ihrer Einführung widersetzen sich so manche Hindernisse, die nicht leicht zu beseitigen sind. Insbesondere wird sie dadurch erschwert, dass jeder Brauer nicht nur mit dem nötigen immer sehr kostbaren Geschirr schon einmal versehen ist, sondern dieses auch zum Teil bei seinen Mälzereien gebrauchen kann. Sollten eigene Brauhäuser angelegt werden: so müsste notwendig auch neue Gerätschaft dazu angeschafft werden; und dieses würde der Brauerkompanie, die bei den teuren Kornpreisen überdem mehr Schaden als Vorteil hat, sehr zur Last fallen; auch würde ein jeder von dem ihm eigentümlichen Gerät nicht mehr den ganzen Nutzen haben, den er bisher davon genießen konnte. So schwer hier also an eine Verbesserung zu denken ist: so wenig lässt es sich indessen leugnen, dass die Saumseligkeit, Unordnung und der Mangel an dem erforderlichen Nachsatz bei manchen Brauern die Veranlassung des schlechteren Gebräues wird.

Bei der Bereitung dieses Bieres pflegen die Brauherren gewöhnlich den zuerst gewonnenen Teil unter dem Namen der Fasselkanne von den übrigen abzusondern. Diese macht nur einen verhältnismäßig kleinen Teil des ganzen Gebräues aus, der überwiegend als Geschenk an gute Freunde verteilt wird und viele Liebhaber findet. Sie zeichnet sich durch ihr trübes Ansehen, eine dickliche Konsistenz, bitterlich süßen Geschmack und ihre klebrige Eigenschaft aus. Sie ist sehr nahrhaft, aber zugleich etwas blähend, weil sie selten völlig ausgegoren hat. Eine andere Sorte von Bier, die schwächer als die gewöhnliche ist, wird unter dem Namen des Schiffsbiers verkauft. Diejenigen, auf deren Häusern die Gerechtigkeit, alle diese Sorten von Bier zu brauen, ruht, sind hier übrigens unter dem Namen der Großbierbrauer bekannt. Alle Wirtsleute in der Stadt sowohl, als in einem Umfange von 2 Meilen sind gezwungen, das Bier, welches sie schenken, von ihnen zu nehmen.

Dagegen sind die sogenannten Kleinbierbrauer nicht in dem Besitze dieses Privilegiums. Sie brauen daher auch in kleineren Quantitäten und verkaufen es nur in der Stadt an Familien, die ein leichteres und wohlfeileres Bier zu haben wünschen. Allein dafür erhalten sie denn auch ein ungleich schlechteres, fades und zum Sauerwerden sehr geneigtes Getränk, das selten recht klar ist, auch nicht immer gehörig gegoren hat, und bei seiner anscheinenden Schwäche doch etwas zu berauschen pflegt. Wodurch sie ihm diese letzte Eigenschaft geben, wage ich nicht zu bestimmen. Ungleich besser und nicht selten wirklich ausgezeichnet gut ist aber das Bier, was in einzelnen Haushaltungen zur eigenen Konsumtion gebraut wird. Nicht selten ist es bis auf den letzten Tropfen klar, und hat bald eine hellere, bald eine dunklere Farbe, schmeckt dabei sehr gut und zeichnet sich in aller Hinsicht besonders aus. Überwiegend ist es indessen doch nicht so schwer und stark, als das eigentliche Rostocker Bier der Großbrauer. Seine Güte verdankt es hauptsächlich der größeren Sorgfalt und Pünktlichkeit, mit welcher die Hausfrauen für die Reinhaltung des Gerätes, und die Operation des Brauens selbst sorgen.

Außerdem findet noch das englische Bier, Ale sowohl, als Porter, zwar manchen Liebhaber, wird gleichwohl im Ganzen nicht häufig, und am meisten nur von denen getrunken, die es aus Hamburg oder unmittelbar aus England sich zu verschaffen wissen. Selten ist nämlich das, was hier verkauft wird, von rechter Art, und dabei doch ausnehmend teuer. Das schwedische einfache sowohl, als Doppelbier, ist verhältnismäßig besser, und dabei auch merklich wohlfeiler; allein man kann es nicht zu allen Zeiten haben. Braunschweiger Mumme und Danziger Lachs gehören an den Seltenheiten, womit der Liebhaber nur dann und wann seinen Gaumen zu kitzeln Gelegenheit hat. Mannheimer, Merseburger und ähnliche andere Arten von Bier kann man hier gar nicht haben. Jeder trinkt zwar bei uns das Bier, an welches er sich einmal gewöhnt hat, der größte Teil gibt übrigens, wenn er nicht selbstgebrautes Bier trinken kann, dem stärkeren der Großbrauer mit Recht den Vorzug.

Rostock - Giebelhäuser bei der Nicolaikirche

Rostock - Giebelhäuser bei der Nicolaikirche

Rostock - Markt, Marienkirche und Blutstraße

Rostock - Markt, Marienkirche und Blutstraße

Hansestadt Rostock - Stadtansicht

Hansestadt Rostock - Stadtansicht

Hansestadt Rostock, Neuer Markt (zum Zeitpunkt der Aufnahme: Erst-Thälmann-Platz) 1967

Hansestadt Rostock, Neuer Markt (zum Zeitpunkt der Aufnahme: Erst-Thälmann-Platz) 1967

Rostock - Kröpeliner Tor

Rostock - Kröpeliner Tor

Rostock vor dem Steintor

Rostock vor dem Steintor

Rostocker Umland mit Bauernhof, 1968

Rostocker Umland mit Bauernhof, 1968

Rostock, Stadthafen, 1968

Rostock, Stadthafen, 1968