Rostock 1807 - Einwohner - Charakteristische Eigenschaften - Bewegung
Aus: Bemerkungen aus dem Gebiete der Heilkunde und Anthropologie in Rostock. Bd 1. Medizinische und anthropologische Bemerkungen über Rostock und seine Bewohner
Autor: Nolde, Adolf Friedrich Dr. (1764-1813) Professor der Medizin, Erscheinungsjahr: 1807
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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Hansestadt Rostock, Bewegung, Ruhe, Lebensart, Geschäfte, körperliche Anstrengung, Handwerker, Kaufleute, Arbeitsleute, Landleute, Phlegma, Mecklenburger, Körperkräfte, Zeitmaß, Speisen, Bedürfnisse, Pflichterfüllung, Nichtstun,
Bewegung und Ruhe, Schlafen und Wachen stehen unter einander in so genauer Verbindung, dass wir diese verschiedenen, und zum Teil entgegen gesetzten Zustände unserer Organisation nicht füglich von einander trennen können. Ihr wechselseitiges Verhältnis hat aber einen zu mächtigen Einfluss auf die Integrität unserer Körper, als dass die Bestimmung desselben in der Charakteristik eines Ortes, oder einer gewissen abgesonderten Gesellschaft von Menschen übergangen werden dürfte. Zugleich beziehen sie sich so ganz auf die unter ihr eingeführte Lebensart, dass ich dieser Untersuchung keinen schicklicheren Platz, als gerade hier, anweisen zu können glaube.
Mit Ausnahme der Arbeitsleute und derjenigen Handwerker, deren Geschäfte eine körperliche Anstrengung erfordern, und in der freien Luft vorgenommen werden müssen, führt der größte Teil der hiesigen Einwohner eine mehr ruhige, als tätige Lebensart. Selbst jene Ausnahmen verdienen hier noch eine besondere Bemerkung. Aus so verschiedenen Landsleuten auch insgemein die Klasse der Handwerker an einem Orte bestehen mag, und bei uns wirklich besteht: so findet man doch überhaupt, und besonders in Rücksicht desjenigen Punkts, wovon ich gegenwärtig rede, nur wenig Verschiedenheit unter ihnen; da sie sich bald mit der eingeborenen Masse zu amalganieren, und selbst ihren Charakter anzunehmen scheinen. Nach dieser Vorerinnerung muss ich aber die wichtige Bemerkung hinzufügen, dass, so wie Industrie in Rostock, eben so wenig, als in dem ganzen Mecklenburg, zu Hause gehört, auch selbst jene Abteilungen von Handwerkern, die vermöge ihrer eigentümlichen Beschäftigungen eine tätige Lebensart führen müssten, sich doch im Ganzen, und wirklich unter sehr sparsam vorkommenden Ausnahmen, nicht mit ihrer Arbeit zu übereilen, und so anzustrengen pflegen, dass sie sich dadurch auf eine in die Augen fallende Art von den übrigen Einwohnern unterscheiden sollten. Dasselbe gilt von den hiesigen Arbeitsleuten. So wie nämlich der gemeine Mann in Mecklenburg alles, was er tut, mit einem gewissen Phlegma unternimmt und ausführt, selten aber das vorgeschriebene Maß überschreitet, und, wo er nur kann, der Ruhe pflegt: so finden wir auch alles bei den Arbeitsleuten in Rostock. Es ist nicht zu leugnen, dass sie ziemlich allgemein viele Kräfte besitzen, um die schwersten körperlichen Arbeiten ausführen zu können; aber sie setzen dabei ihre Kräfte auch nur selten aufs Spiel, und schonen sie lieber auf eine so in die Augen fallende Art, dass das dazu gebrauchte Zeitmaß mit der Quantität ihrer körperlichen Kräfte in ein für letztere sehr günstiges Verhältnis zu stehen kommt.
Vielleicht ist der Grund davon größtenteils in den Speisen und Getränken zu suchen, wovon diese Menschen leben. Diese scheinen Wenigstens ihrer Fiber eine gewisse Unerregbarkeit und Untätigkeit zu imprimieren, die insbesondere einem ohnedies nur schwachen Seelenreize zu sehr widersteht, als dass eine übermäßige Anstrengung sie irgend erschöpfen und zu Grunde richten könnte. Gemeinschaftlich mit dieser eben genannten Ursache scheint aber auch ein überwiegend trüber und bedeckter Himmel, eine raue, nicht selten feuchte Luft, und ein gewisses ungünstiges Verhältnis ihrer elektrischen Eigenschaft, jene Untätigkeit hervorzubringen und zu unterhalten. Genug, selbst diejenigen Verhältnisse der hiesigen Einwohner, welche sie durch die Bestimmung zu einer körperlichen Anstrengung von den übrigen Ständen unterscheiden, bringen, im Ganzen eine wirklich so geringe Verschiedenheit hervor, dass ich gegenwärtig kaum einige Rücksicht darauf zu nehmen habe.
Der Meister fühlt sich entweder in dem Besitze seines Vermögens so sicher, oder glaubt in der Qualität eines Meisters sich nur auf die Oberaufsicht über seine Gesellen einschränken zu dürfen, und noch mehr Entschuldigung zu finden, wenn er irgend ein Amt bei der Stadt bekleidet, welches mehr oder weniger, auf kürzere oder längere Zeit, ihm die leichte Befriedigung seiner Bedürfnisse sichert. Selten kürzt er sich daher etwas von seinem Schlaf, und der ihm vermeintlich so nötigen Ruhe ab, tut überdem alles mit der größten Gemächlichkeit, und scheut jeden Schweißtropfen. Seinem Beispiele folgt der Geselle um so lieber; da er Zeit genug findet, ohne die Aufsicht seines Meisters zu arbeiten, auch wohl eigenmächtig sich erdreisten darf, mehrere Tage in der Woche mit Nichtstun hinzubringen, und seinem Vergnügen nachzugehen. Nun muss zwar der Lehrling seine Pflicht erfüllen, und sich dem Zwang der über ihn herrschenden Gewalt unterwerfen; aber wo er es nur ungestraft tun kann, legt auch er die Hände in den Schoß, oder weiß durch andere Kunstgriffe der Arbeit zu entgehen.
Was ich eben gesagt habe, gilt im Allgemeinen so sehr, dass ich zwar dabei nicht die hiervon vorkommenden Ausnahmen leugne, aber diese doch nur für zu gering und unbedeutend halten muss, um das einmal gefällte Unheil umzustoßen. Gleichwohl haben die Handwerker, von denen ich bisher geredet habe, die Zimmerleute, Maurer, Schmiede, Tischler u. s. w. noch den Vorteil, dass sie doch wenigstens einen großen Teil des Tages in der freien Luft zubringen, und sich an diese mehr gewöhnen, als die bei ihrer Beschäftigung immer, oft in kleinen eingeschlossenen und dunstigen Stübchen, sitzenden Handwerker. Diesen wird dagegen das Nichtstun und Müßiggehen um so wohltätiger sein, da sie hierdurch noch Gelegenheit bekommen, die frische Luft zu genießen; aber ihre Kräfte strengen sie denn doch noch weniger an, und von dem Schlaf und der Ruhe entziehen auch sie sich nicht gern etwas, wenn gleich unter ihnen ebenfalls einige Ausnahmen vorkommen. Wer in beiden Fällen entweder nicht Verdienst genug hat, um sich Gesellen halten zu können, oder eine zahlreiche Familie erhalten muss, der sieht sich zwar durch seine individuellen Verhältnisse mehr, als mancher andere, zur Arbeit gezwungen; aber deswegen opfert er doch gewiss nur selten seine Kräfte dem Fleiß und der Tätigkeit auf. Gewöhnlich beneidet er daher andere, die ohne solche Anstrengung ein bequemeres Leben führen, und stimmt nicht selten in die hier sehr allgemeine Verwunderung ein, wenn Leute, die durch ihre Vermögensumstände nicht gerade gezwungen werden, dennoch sich gern beschäftigen und tätig sein mögen. Fürwahr man kann die Seligkeit des Far niente [Nichtstun] in Italien nicht höher schätzen, als in Rostock!
Auch in den höheren Ständen verbürgt der langsame Gang der Geschäfte die Indolenz und Trägheit, als eine charakteristische Eigenschaft des Mecklenburgers. Spekulationen und Unternehmungsgeist charakterisieren im Ganzen eben so wenig den Kaufmann, als schnelle und ununterbrochene Arbeit den Gelehrten und Geschäftsmann. Was heute nicht geendigt werden kann, dazu findet sich wohl morgen noch Zeit genug; und warum wollte man denn nicht auch gern mit jedem Aufschub vorlieb nehmen, wenn die Kräfte dabei geschont werden können? Der Kaufmann steht in der Regel des Morgens nur spät auf, und die gelehrten Geschäftsmänner, die mit ihm überhaupt in Rücksicht ihrer Lebensart manche sehr übereinstimmende Verhältnisse und annähernde Berührungspunkte haben, mögen größtenteils eben so gern unter dem Schutz des Morpheus ihrer Ruhe genießen. Beiden geht der Vormittag unter Geschäften hin, wobei sie kaum das Zimmer verlassen dürfen, selten eine wirkliche Bewegung für ihren Körper haben, und noch seltener durch Geistesanstrengungen erschöpft werden. Der Mittag verändert die Szene, und nach der Mahlzeit fühlt man oft nur zu sehr, dass ein voller Magen keine Anstrengung erträgt; indessen weiß man doch die Zeit mit Geschäften, die einer solchen Stimmung entsprechen, bis etwa fünf Uhr zu passieren, wo dann die Gesellschaften beginnen, und den Arbeiten des Tages ein Ziel setzen. Im Ganzen weichen also die höheren Stände nicht sehr von den unteren ab; denn auch sie führen größtenteils eine mehr ruhige und sitzende Lebensart, als, dass körperliche Anstrengung, sie ermüden, oder das Meditieren und Spekulieren einen, nachteiligen Einfluss auf ihre körperlichen Kräfte haben sollten. Die Bewegungen des Geschäfte suchenden Schiffers sind selten von der Art, dass sie ermüden können, und die Promenaden werden an den Wochentagen fast gar nicht, oder doch nur bei schönem Wetter von Einzelnen besucht. Die fleißigsten Spaziergänger sind noch die hiesigen Professoren, die aber bei ihrer sitzenden Lebensart, und bei der anhaltenden Geistesanstrengung einer solchen körperlichen Bewegung und, Zerstreuung auf einige Stunden auch gewiss gar sehr bedürfen, wenn sie sich selbst zur Fortsetzung ihrer gelehrten Arbeiten nicht ganz ungeschickt, machen wollen. Übrigens gehen die meisten Einwohner Rostocks frühzeitig genug zu Bett, um sich durch einen Schlaf von 8, 9 und mehreren Stunden zu erquicken, und für den folgenden Tag Kräfte zu sammeln. Nur selten dauern die Gesellschaften bis spät in die Nacht hinein, und in diesem Fall weiß man sich durch den Morgen- oder Mittagsschlaf immer schadlos zu halten.
Das hiesige Frauenzimmer glaubt zwar bei seinen häuslichen Beschäftigungen immer Bewegung genug zu haben; allein ich nehme mir doch die Erlaubnis, etwas verschieden zu denken. Nur die groben Arbeiten in der Küche könnten allenfalls dazu dienen: aber diese überlässt man doch überwiegend den Domestiken und gemieteten Weibern; auch werden sie gewöhnlich unter solchen Umständen verrichtet, dass sie wenigstens für der Gesundheit besonders zuträgliche Bewegungen eben nicht gelten können. Die wiederholten Gänge in die Küche und Vorratskammer, das Auf- und Niedersteigen, wenn sie bald etwas unten im Hause, bald wieder auf dem Boden, oder im Keller zu besorgen haben, kann zwar ermüden, aber deswegen verdient es noch lange nicht den Namen einer heilsamen Bewegung; und überdem bringen sie doch den größten Teil des Tages bei dem Spinnrad, am Nähtisch, mit Stricken, Sticken, oder ähnlichen Beschäftigungen nicht nur in ihrem Zimmer zu, sondern sie können alles dieses auch nur im Sitzen, und sogar nur in einer oft unbequemen, der Gesundheit nachteiligen Stellung verrichten. Gehen sie aber des Abends etwa in Gesellschaften: so verlassen sie auch da selten den Stuhl, und haben also fast gar keine körperliche Bewegung, deren Gewinn für ihre Gesundheit sie sich selbst noch mehr durch den seltenen Besuch der öffentlichen Spaziergänge zu schmälern pflegen. Sie führen also im Ganzen eine mehr sitzende, als tätige Lebensart; und hierin ist unstreitig eine Ursache ihres leicht auffallend werdenden Embonpoints [Spitzbauch, Beleibtheit] zu suchen.
Hingegen sind die Beschäftigungen der Handwerksfrauen, besonders wenn sie viele Gesellen zu speisen, oder für eine zahlreiche Familie zu sorgen haben, überwiegend von der Art, dass es ihnen dabei an körperlicher Bewegung nicht fehlt. Selten werden diese daher auch so stark, als unsere vornehmen Damen, obgleich einzelne Individuen, die sich mehr pflegen können, auch eine sehr stattliche Figur präsentieren. Den Schlaf lieben sie übrigens wie die Vornehmen, und ihre meisten Geschäfte verrichten sie nur in ihren Häusern, und Stuben, die, wenn sie auch noch so rein gehalten werden, doch immer eine eingeschlossene Luft enthalten.
Mit Ausnahme der Arbeitsleute und derjenigen Handwerker, deren Geschäfte eine körperliche Anstrengung erfordern, und in der freien Luft vorgenommen werden müssen, führt der größte Teil der hiesigen Einwohner eine mehr ruhige, als tätige Lebensart. Selbst jene Ausnahmen verdienen hier noch eine besondere Bemerkung. Aus so verschiedenen Landsleuten auch insgemein die Klasse der Handwerker an einem Orte bestehen mag, und bei uns wirklich besteht: so findet man doch überhaupt, und besonders in Rücksicht desjenigen Punkts, wovon ich gegenwärtig rede, nur wenig Verschiedenheit unter ihnen; da sie sich bald mit der eingeborenen Masse zu amalganieren, und selbst ihren Charakter anzunehmen scheinen. Nach dieser Vorerinnerung muss ich aber die wichtige Bemerkung hinzufügen, dass, so wie Industrie in Rostock, eben so wenig, als in dem ganzen Mecklenburg, zu Hause gehört, auch selbst jene Abteilungen von Handwerkern, die vermöge ihrer eigentümlichen Beschäftigungen eine tätige Lebensart führen müssten, sich doch im Ganzen, und wirklich unter sehr sparsam vorkommenden Ausnahmen, nicht mit ihrer Arbeit zu übereilen, und so anzustrengen pflegen, dass sie sich dadurch auf eine in die Augen fallende Art von den übrigen Einwohnern unterscheiden sollten. Dasselbe gilt von den hiesigen Arbeitsleuten. So wie nämlich der gemeine Mann in Mecklenburg alles, was er tut, mit einem gewissen Phlegma unternimmt und ausführt, selten aber das vorgeschriebene Maß überschreitet, und, wo er nur kann, der Ruhe pflegt: so finden wir auch alles bei den Arbeitsleuten in Rostock. Es ist nicht zu leugnen, dass sie ziemlich allgemein viele Kräfte besitzen, um die schwersten körperlichen Arbeiten ausführen zu können; aber sie setzen dabei ihre Kräfte auch nur selten aufs Spiel, und schonen sie lieber auf eine so in die Augen fallende Art, dass das dazu gebrauchte Zeitmaß mit der Quantität ihrer körperlichen Kräfte in ein für letztere sehr günstiges Verhältnis zu stehen kommt.
Vielleicht ist der Grund davon größtenteils in den Speisen und Getränken zu suchen, wovon diese Menschen leben. Diese scheinen Wenigstens ihrer Fiber eine gewisse Unerregbarkeit und Untätigkeit zu imprimieren, die insbesondere einem ohnedies nur schwachen Seelenreize zu sehr widersteht, als dass eine übermäßige Anstrengung sie irgend erschöpfen und zu Grunde richten könnte. Gemeinschaftlich mit dieser eben genannten Ursache scheint aber auch ein überwiegend trüber und bedeckter Himmel, eine raue, nicht selten feuchte Luft, und ein gewisses ungünstiges Verhältnis ihrer elektrischen Eigenschaft, jene Untätigkeit hervorzubringen und zu unterhalten. Genug, selbst diejenigen Verhältnisse der hiesigen Einwohner, welche sie durch die Bestimmung zu einer körperlichen Anstrengung von den übrigen Ständen unterscheiden, bringen, im Ganzen eine wirklich so geringe Verschiedenheit hervor, dass ich gegenwärtig kaum einige Rücksicht darauf zu nehmen habe.
Der Meister fühlt sich entweder in dem Besitze seines Vermögens so sicher, oder glaubt in der Qualität eines Meisters sich nur auf die Oberaufsicht über seine Gesellen einschränken zu dürfen, und noch mehr Entschuldigung zu finden, wenn er irgend ein Amt bei der Stadt bekleidet, welches mehr oder weniger, auf kürzere oder längere Zeit, ihm die leichte Befriedigung seiner Bedürfnisse sichert. Selten kürzt er sich daher etwas von seinem Schlaf, und der ihm vermeintlich so nötigen Ruhe ab, tut überdem alles mit der größten Gemächlichkeit, und scheut jeden Schweißtropfen. Seinem Beispiele folgt der Geselle um so lieber; da er Zeit genug findet, ohne die Aufsicht seines Meisters zu arbeiten, auch wohl eigenmächtig sich erdreisten darf, mehrere Tage in der Woche mit Nichtstun hinzubringen, und seinem Vergnügen nachzugehen. Nun muss zwar der Lehrling seine Pflicht erfüllen, und sich dem Zwang der über ihn herrschenden Gewalt unterwerfen; aber wo er es nur ungestraft tun kann, legt auch er die Hände in den Schoß, oder weiß durch andere Kunstgriffe der Arbeit zu entgehen.
Was ich eben gesagt habe, gilt im Allgemeinen so sehr, dass ich zwar dabei nicht die hiervon vorkommenden Ausnahmen leugne, aber diese doch nur für zu gering und unbedeutend halten muss, um das einmal gefällte Unheil umzustoßen. Gleichwohl haben die Handwerker, von denen ich bisher geredet habe, die Zimmerleute, Maurer, Schmiede, Tischler u. s. w. noch den Vorteil, dass sie doch wenigstens einen großen Teil des Tages in der freien Luft zubringen, und sich an diese mehr gewöhnen, als die bei ihrer Beschäftigung immer, oft in kleinen eingeschlossenen und dunstigen Stübchen, sitzenden Handwerker. Diesen wird dagegen das Nichtstun und Müßiggehen um so wohltätiger sein, da sie hierdurch noch Gelegenheit bekommen, die frische Luft zu genießen; aber ihre Kräfte strengen sie denn doch noch weniger an, und von dem Schlaf und der Ruhe entziehen auch sie sich nicht gern etwas, wenn gleich unter ihnen ebenfalls einige Ausnahmen vorkommen. Wer in beiden Fällen entweder nicht Verdienst genug hat, um sich Gesellen halten zu können, oder eine zahlreiche Familie erhalten muss, der sieht sich zwar durch seine individuellen Verhältnisse mehr, als mancher andere, zur Arbeit gezwungen; aber deswegen opfert er doch gewiss nur selten seine Kräfte dem Fleiß und der Tätigkeit auf. Gewöhnlich beneidet er daher andere, die ohne solche Anstrengung ein bequemeres Leben führen, und stimmt nicht selten in die hier sehr allgemeine Verwunderung ein, wenn Leute, die durch ihre Vermögensumstände nicht gerade gezwungen werden, dennoch sich gern beschäftigen und tätig sein mögen. Fürwahr man kann die Seligkeit des Far niente [Nichtstun] in Italien nicht höher schätzen, als in Rostock!
Auch in den höheren Ständen verbürgt der langsame Gang der Geschäfte die Indolenz und Trägheit, als eine charakteristische Eigenschaft des Mecklenburgers. Spekulationen und Unternehmungsgeist charakterisieren im Ganzen eben so wenig den Kaufmann, als schnelle und ununterbrochene Arbeit den Gelehrten und Geschäftsmann. Was heute nicht geendigt werden kann, dazu findet sich wohl morgen noch Zeit genug; und warum wollte man denn nicht auch gern mit jedem Aufschub vorlieb nehmen, wenn die Kräfte dabei geschont werden können? Der Kaufmann steht in der Regel des Morgens nur spät auf, und die gelehrten Geschäftsmänner, die mit ihm überhaupt in Rücksicht ihrer Lebensart manche sehr übereinstimmende Verhältnisse und annähernde Berührungspunkte haben, mögen größtenteils eben so gern unter dem Schutz des Morpheus ihrer Ruhe genießen. Beiden geht der Vormittag unter Geschäften hin, wobei sie kaum das Zimmer verlassen dürfen, selten eine wirkliche Bewegung für ihren Körper haben, und noch seltener durch Geistesanstrengungen erschöpft werden. Der Mittag verändert die Szene, und nach der Mahlzeit fühlt man oft nur zu sehr, dass ein voller Magen keine Anstrengung erträgt; indessen weiß man doch die Zeit mit Geschäften, die einer solchen Stimmung entsprechen, bis etwa fünf Uhr zu passieren, wo dann die Gesellschaften beginnen, und den Arbeiten des Tages ein Ziel setzen. Im Ganzen weichen also die höheren Stände nicht sehr von den unteren ab; denn auch sie führen größtenteils eine mehr ruhige und sitzende Lebensart, als, dass körperliche Anstrengung, sie ermüden, oder das Meditieren und Spekulieren einen, nachteiligen Einfluss auf ihre körperlichen Kräfte haben sollten. Die Bewegungen des Geschäfte suchenden Schiffers sind selten von der Art, dass sie ermüden können, und die Promenaden werden an den Wochentagen fast gar nicht, oder doch nur bei schönem Wetter von Einzelnen besucht. Die fleißigsten Spaziergänger sind noch die hiesigen Professoren, die aber bei ihrer sitzenden Lebensart, und bei der anhaltenden Geistesanstrengung einer solchen körperlichen Bewegung und, Zerstreuung auf einige Stunden auch gewiss gar sehr bedürfen, wenn sie sich selbst zur Fortsetzung ihrer gelehrten Arbeiten nicht ganz ungeschickt, machen wollen. Übrigens gehen die meisten Einwohner Rostocks frühzeitig genug zu Bett, um sich durch einen Schlaf von 8, 9 und mehreren Stunden zu erquicken, und für den folgenden Tag Kräfte zu sammeln. Nur selten dauern die Gesellschaften bis spät in die Nacht hinein, und in diesem Fall weiß man sich durch den Morgen- oder Mittagsschlaf immer schadlos zu halten.
Das hiesige Frauenzimmer glaubt zwar bei seinen häuslichen Beschäftigungen immer Bewegung genug zu haben; allein ich nehme mir doch die Erlaubnis, etwas verschieden zu denken. Nur die groben Arbeiten in der Küche könnten allenfalls dazu dienen: aber diese überlässt man doch überwiegend den Domestiken und gemieteten Weibern; auch werden sie gewöhnlich unter solchen Umständen verrichtet, dass sie wenigstens für der Gesundheit besonders zuträgliche Bewegungen eben nicht gelten können. Die wiederholten Gänge in die Küche und Vorratskammer, das Auf- und Niedersteigen, wenn sie bald etwas unten im Hause, bald wieder auf dem Boden, oder im Keller zu besorgen haben, kann zwar ermüden, aber deswegen verdient es noch lange nicht den Namen einer heilsamen Bewegung; und überdem bringen sie doch den größten Teil des Tages bei dem Spinnrad, am Nähtisch, mit Stricken, Sticken, oder ähnlichen Beschäftigungen nicht nur in ihrem Zimmer zu, sondern sie können alles dieses auch nur im Sitzen, und sogar nur in einer oft unbequemen, der Gesundheit nachteiligen Stellung verrichten. Gehen sie aber des Abends etwa in Gesellschaften: so verlassen sie auch da selten den Stuhl, und haben also fast gar keine körperliche Bewegung, deren Gewinn für ihre Gesundheit sie sich selbst noch mehr durch den seltenen Besuch der öffentlichen Spaziergänge zu schmälern pflegen. Sie führen also im Ganzen eine mehr sitzende, als tätige Lebensart; und hierin ist unstreitig eine Ursache ihres leicht auffallend werdenden Embonpoints [Spitzbauch, Beleibtheit] zu suchen.
Hingegen sind die Beschäftigungen der Handwerksfrauen, besonders wenn sie viele Gesellen zu speisen, oder für eine zahlreiche Familie zu sorgen haben, überwiegend von der Art, dass es ihnen dabei an körperlicher Bewegung nicht fehlt. Selten werden diese daher auch so stark, als unsere vornehmen Damen, obgleich einzelne Individuen, die sich mehr pflegen können, auch eine sehr stattliche Figur präsentieren. Den Schlaf lieben sie übrigens wie die Vornehmen, und ihre meisten Geschäfte verrichten sie nur in ihren Häusern, und Stuben, die, wenn sie auch noch so rein gehalten werden, doch immer eine eingeschlossene Luft enthalten.