Rekorde und Extreme im Naturreich

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1928
Autor: Fritz Groißmayr, Direktor der Wetter- und Sonnenwarte St. Blasien, Erscheinungsjahr: 1928

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Reko Naturreich, Pflanzenreich, Tierreich, Niederschlag, Temperatur,
Rekorde erregen stets die Aufmerksamkeit weitester Kreise, besonders solche auf dem Gebiete des Sportes und der Technik. Wenig bekannt sind aber die Extreme im Naturreich, so dass gerade eine kleine Zusammenstellung nicht überflüssig und für manchen von Wert sein dürfte.

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Beginnen wir mit der Tierwelt, so finden wir als gewaltigsten Vertreter den Walfisch, dessen Gewicht bis zu 16 Tonnen beträgt. Das Gegenstück zu diesem Ungetüm ist der erst bei tausendfacher Vergrößerung im Mikroskop sichtbare Grippebazillus. Aber wie harmlos ist der erstere im Vergleiche zu seinem winzigen Gegenstück. Das lauteste Tier ist der Glockenvogel. Im Pflanzenreich gilt als „höchster“ Vertreter der australische Gummibaum, dessen Höhe bis zu 200 Meter beträgt. Hinsichtlich des Umfangs schlägt jedoch der afrikanische Baobab- oder Affenbrotbaum mit 20 bis 25 Meter alle Rekorde. Von allen Weltmeeren ist der Stille Ozean nicht nur das größte, sondern es weist auch mit 10.430 Meter die größte Tiefe auf. Von den Binnenseen ist das Kaspische Meer das flächen-größte, die tiefste Stelle findet sich jedoch mit mehr als 1400 Meter im Baikalsee. Von den Strömen ist der Nil mit 5.900 Kilometer der längste, die größte Stromtiefe findet sich im Unterlaufe des Kongo mit 300 Meter. Der breiteste Strom ist der Amazonenstrom mit 80 bis 83 Kilometer. Der höchste Berg ist der Everest mit 8.840 Meter, die größte Insel Australien. Der hellste Stern ist der Sirius. Von besonderem Interesse sind die klimatischen Extreme, greifen sie doch unmittelbar in das Leben und das Wirken des Menschen ein. Dies gilt vornehmlich für die Temperatur, deren Spielraum auf der Erdoberfläche fast 130 Grad erreicht. Azizia, ein unbedeutendes Arabernest, 40 Kilometer südlich Tripolis, erlangte durch seinen Hitzerekord mit 58,8 Grad Celsius am 13. September 1922 Weltruf. Das ist die bisher höchste Tagestemperatur. Das höchste Temperaturjahresmittel hat aber Massau am Roten Meere mit 30,2 Grad; die höchste Monatstemperatur hat hinwiederum das Todestal in Kalifornien mit einem Julimittel von 39 Grad. Das Gegenstück zu diesen „Bratöfen“ ist der nordostsibirische Kältepol, der Ort Werchojansk, wo bis zu 70 Grad Celsius Kälte gemessen wurden. Die mittlere Januartemperatur dieses Kältepols beträgt — 51,2 Grad Celsius. Das tiefste Jahresmittel mit — 25,8 fand Amundsen in der Antarktis. Der regenreichste Ort unserer Mutter Erde ist Cherapoonji in den Khassia Hills in Assam, woselbst die mittlere jährliche Niederschlagshöhe sich auf 12 1/2 Meter, also das Zwanzigfache wie in Deutschland, beläuft. Im Jahre 1861 wurden sogar 23 Meter gemessen. Baguio auf den Philippinen hatte die größte Regenmenge innerhalb 24 Stunden mit 1168 Millimeter. Das trockene Gegenstück ist der Ort Iquique am kalten Perustrom an der Westküste Südamerikas mit einer jährlichen Niederschlagssumme von nur 5 Millimeter. Welch gewaltiger Gegensatz! Der heiterste Ort ist Husseinabad in Seistan mit nur 5 Prozent Bewölkung, die trübste Gegend ist ein Küstenstrich am Weißen Meer mit 88 Prozent. Die größte Anzahl Regentage hat die Insel Jaluit in der Südsee mit 336 Niederschlagstagen. Die meisten Gewitter, etwa 214 im Jahr, toben sich auf den Hochflächen Abessiniens aus. Der gewaltigste Orkan war wohl der Manilataifun am 20. Oktober 1882, wobei das Anemometer eine Windstärke von 54 Sekundenmeter anzeigte, ein noch stärkerer Stoß entführte das Instrument und legte die aufblühende Stadt in Trümmer. Von allen atmosphärischen Katastrophen forderte die Sturmflut des Jahres 1767 an der Mündung des Hugli die meisten Opfer. 100.000 Menschen wurden von den entfesselten Elementen, den Wogen des Indischen Ozeans, verschlungen.

Diese Zusammenstellung ließe sich noch weiter fortführen, denn unerschöpflich ist die Natur; ihre geheimnisvollen, unergründlichen Kräfte rüsten stets zu neuen Rekorden.

Rekorde und Extreme im Naturreich

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