Protokolle der deutschen Bundes-Versammlung. Band 3. 44. Sitzung, Frankfurt, den 17. Juli 1817

§. 353. Seeräubereien der Barbaresken
, Erscheinungsjahr: 1817
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Barbaresken, Piraten, Seeräuber, Freie Hansestädte, Sklavenhandel, Menschenraub
Präsidium: wolle dem für die Großherzoglich Badische Stimme substituierten Herrn Gesandten, Grafen von Mandelsloh, zur Abstimmung über den Kommissions-Vortrag, die Seeräubereien der Barbaresken betreffend, Gelegenheit geben.

Baden: Das Gutachten der Kommission konzentriert sich dahin, dass die Europäischen Seemächte einstweilen den Grundsatz handhaben möchten, die Barbaresken nur im Mittelmeere als Seemächte, außerhalb der Meerenge von Gibraltar aber, und besonders im Kanal und der Nordsee als Seeräuber zu erkennen und dem gemäß zu behandeln; in so lange wenigstens, bis spätere Unterhandlungen dem deutschen Handel auch im Mittelmeer eine Sicherheit gewährten, deren er bis auf die neueste Zeit, wenigstens im Frieden, außerhalb jenes Meeres genoss. Die Kommission machte aber gleich im Eingange ihres Gutachtens darauf aufmerksam, dass England diese Ansicht nicht zu hegen scheine, sondern in den Barbaresken auch im Kanale nur mit gültigen Kaperbriefen versehene Kreuzer eines anerkannten Seestaates erkenne, dass es nur, weil die deutschen Schiffe beinahe unter den Kanonen seiner Küsten genommen worden, nach gemeinüblichem Seerechte, solche den Tunesern wieder genommen habe, sich aber die Rettungskosten bezahlen ließ, und fügt das Geständnis bei, dass ohne die kräftige Mitwirkung Englands wenig Erfolg sich versprechen lasse, indem ohnehin mehrere Europäische Seemächte mit den Barbaresken Traktaten hätten, welche sie wohl aus Furcht eines Bruches im Mittelmeere, von ernstlichen Maßregeln im Ocean abhalten dürften.

Man könnte zu allen diesen Bedenklichkeiten noch die Wahrscheinlichkeit einer aus den durchkreuzenden Handels-Interessen entspringenden Handels-Politik hinzufügen, und die Frage, ob bei doch wechselseitigen Vorteilen eines vor Kaperei gesicherten Handels mit und von Deutschland, der wenn er deutscher Aktiv-Handel ist (und nur dieser läuft bei den Räubereien der Barbaresken Gefahr), den Vorteil vorherrschend auf Seite Deutschlands erscheinen lässt, man den Seestaaten mit Anstand zumuten könne, die Kosten des Schutzes allein auf sich zu nehmen?

Allein, auch davon abgesehen, scheint die strengere Konsequenz, in dem Benehmen Englands bei den neuesten Ereignissen nicht zu verkennen, und in dem Völkerrechte Europas schwer ein Satz aufzufinden, wonach jenseits einer gezogenen Linie in den Meeren eine Flagge völkerrechtliche Anerkennung, diesseits derselben aber die Farbe der Räuberei gewinnen soll. So lange man von diesen kleinen Raubstaaten Afrikas die Handelsflaggen Europas noch im Mittelmeere misshandeln lässt, und mit ihnen, als Staaten, Verträge schließt, so lange scheint ihnen auch das Kriegsrecht nach ihrer Art nicht auf eine andere als völkerrechtliche Art jenseits der Meerenge erwidert werden zu können, und Krieg oder Vertrag das einzige konsequente Gegenmittel.

Es ist oft besser sich ein Übel ganz in seiner unverhüllten Gestalt zu zeigen, als hoffend getäuscht zu harren. Es ist zwar nicht zu erwarten, dass, nachdem man die Sklaverei der schwarzen Afrikaner abgeschafft, und im Mittelmeere nur Kriegsgefangene den Nordafrikanern zu machen erlaubte, man diesen einen neuen Markt an den wehrlosen deutschen Küsten eröffnen lassen werde; aber die von der Kommission sehr treffend aufgefassten Besorgnisse scheinen es unentbehrlich zu machen, wenn auch der Anruf um Schutz an nicht deutsche Seestaaten von Seiten des Bundes ergehen soll, welches auf diese Art die erste offizielle Kommunikation desselben mit jenen würde, doch zugleich an die Möglichkeit von Mitteln zu denken, durch eigene Kraft, sei es der seehandelnden Bundesstaaten allein, sei es der Gesamtheit aller Bundes-Staaten, für dieses Gesamt-Interesse ihrer Handels-Industrie und ihres Völkerwohles, wieder angetanen Schmach und Verletzung zu sichern. Der Handel des Rheins und der in ihn mündenden Flüsse, der Ems und Weser, der Elbe und Oder, und aller jenen Küstenplätze an der Nord- und Ostsee, wo deutsche Schifffahrt getrieben wird, verästet sich in unzählbaren Zweigen mit dem Binnenverkehr der meerentferntesten deutschen Staaten, und es ist wohl anerkannt, dass der schwunghafte Handel der Seeplätze geradezu auf Wohlstand und Kraft-Entwicklung der rückwärts liegenden Bundesstaaten sehr folgenreich wirken müsse, zumal wenn, wie der Art. 19. der Bundesakte verspricht: „die Bundesglieder bei der ersten Zusammenkunft der Bundesversammlung wegen des Handels und Verkehrs, so wie wegen der Schifffahrt in Beratung treten.“ Wer weiß nicht von weiland Türkenhilfe und Normannensteuer, obschon in Ostfriesland, Hamburg und Holstein von Türken so leicht nichts nachteiliges zu befahren sein konnte, und Normannen nie nach dem Schwarzwalde zogen. Auch damals war ein staatenteilendes Territorial-System in Deutschland dennoch schon in vielfacher Wirkung vorhanden.

Wendet man aber den Blick von solcher Gesamtwirksamkeit ab, so kann er noch auf jener ruhmwürdigen Periode der deutschen Handelsgeschichte ruhen, wo die bloßen Kraft. Vereine von Handelsgesellschaften Flotten hervorriefen, mit welchen Lissabon erobert, und den Seeräubereien der Vitalien-Brüder in den deutschen Meeren ein Ende gemacht ward.

Ein paar elende Raubschiffe des Mittelmeers abenteuern in der Nordsee, und ihre Erscheinung sollte genügen, den Handel der Seestädte zu lähmen und Schrecken und Pest und Sklaverei auf den Küsten der Nord- und Ostsee zu verbreiten? Es scheint fürwahr keiner sehr großen Kraftanstrengung zu bedürfen, um im Vereine wenigstens der seehandelnden Bundesstaaten, gegen dieses Übel, selbstständigen Schutz zu erringen, und das selbst zu üben, was jetzt nur von dem guten Willen fremder Staaten erwartet werden will. Deutsche verstehen Schiffe zu bauen und zu rüsten, unsere Seeleute dienen auf allen Meeren, sollte dich vorliegende große Interesse der National - Ehre und des Vorteils und der Notwendigkeit nicht Beschlüsse hervorrufen und verwirklichen, die allem den Zweck sicher und dauernd zu erreichen verheißen? Auch, wenn alle Bundesstaaten zu solcher Mitwirkung in Anspruch genommen werden sollen, würde seine Königliche Hoheit der Großherzog sich der Ihrigen nicht entziehen.

Nach diesen Ansichten macht man den Antrag dieser hohen Versammlung, unabhängig von den vorgeschlagenen Eröffnungen an die fremden Seemächte, durch eine zu ernennende Kommission, weitere Vorschläge zum Schutz gegen die Seeräubereien der Barbaresken, sofern solcher von den Deutschen Bundesstaaten selbst ausgehen sollte, vorbereiten und vorlegen zu lassen, wenn man nicht einstweilen den seehandelnden Bundesstaaten allein Mitteilungen in dem ausgesprochenen Sinne zu machen für gut finden sollte.