Promemoria des Vorstandes des Rostocker Lokal-Handelsvereins. 1850. Teil 4
Aus: Mecklenburgisches Gemeinnütziges Archiv, Band 1
Autor: Redaktion, Erscheinungsjahr: 1850
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Hansestadt Rostock, Handel, Schifffahrt, Handelswege, Handelsstraßen, Kaufleute, Schifffahrtsstraßen, Häfen,
Wie sehr die hiesigen Ölmühlen gegen das angrenzende Ausland im Nachteile sind, leuchtet aus der einen Tatsache ein, dass preußische Fabrikanten das Rapssaat, welches sie für den geringen Zoll von 1 Sgr. pr. Berliner Scheffel einführen dürfen, hier zu Lande aufkaufen und die Preise desselben selbstverständlich verteuern, weil der hiesige Fabrikant ihnen keine Konkurrenz bieten kann, indem der Zentner fremdes Öl 1 ½ Thlr. Eingangssteuer in Preußen kostet, während der preußische Ölschläger bei Wiederausfuhr seines Fabrikates den erlegten Zoll zurückerhält. Nun beträgt aber der Eingangszoll in Preußen des Quantums Rohmaterial, aus dem 20 Zentner Öl geschlagen werden, ca. 2 1/2 Thlr., während diese 20 Zentner Öl 30 Thlr. Eingangssteuer zahlen müssen. Ferner ist die Steuer auf alle in hiesigem Lande erzeugten Öl-Sämereien, außer Rapssaat, eine unmäßig hohe, dagegen die Akzise auf fremdes Öl eine so überaus geringe, dass die Abwehr fremder Konkurrenz die größten Schwierigkeiten haben muss. —
Keine bessere Stellung haben die hiesigen Gerbereien, denen die Konkurrenz mit den Landstädten überaus viel zu schaffen macht, welche die Lohe gar nicht, die rohen Häute aber mit wenigerem Gelde versteuern, während die hier versteuerten rohen Häute, als Leder noch einmal in den Landstädten der Steuer unterworfen sind, ja es kann sich, nicht bloß in diesem Falle, sondern in tausend anderen, ereignen, dass zum dritten oder vierten Male von einem und demselben Gegenstande gesteuert werden muss, je nachdem das rohe Material durch die Hände eines oder mehrerer Zwischenhändler ging. Dagegen steuert der Fremde für sein Fabrikat unter allen Umständen nur einmal. —
Wir dürfen wohl keine weiteren Beispiele anführen, um zu beweisen, welchen lähmenden Einfluss die durch die herrschenden Steuergesetze hervorgerufene Unfreiheit der gewerblichen Bewegung im Innern unseres Landes, auf die Rostocker Fabrikanten und Gewerbe überhaupt ausübt. Es mögen die in Obigem angezogenen hauptsächlichsten Tatsachen genügen.
Um das oben Gesagte kurz zusammenzufassen, so haben wir zu beweisen versucht,
1) dass durch die neueren Verkehrswege und demnach eingetretenen Veränderungen in dem Handelsverkehre der Rostocker Handel in seinen Grundlagen bedroht ist, dass bereits der Kolonialwarenhandel in der traurigsten Abnahme begriffen und der Getreidehandel auf ein sehr bescheidenes Maß zurück . gebracht ist, und dass dieser Fall noch fortdauert!
2) dass Rederei und Schiffbau die Folgen dieser Verminderung des Handels empfinden und dass denselben überall keine günstige Zukunft bevorsteht.
3) dass Fabriken und Gewerbe in jeder Hinsicht eine bedrohte Existenz führen.
Fragen wir uns nun, was ist zu tun, um dem Unheil abzuwehren? so müssen wir einsehen, dass neue Verkehrsmittel und Wege geschaffen und die Hindernisse, die den Handels- und gewerblichen Interessen sich entgegenstellen, weggeräumt und zwar ohne Verzug weggeräumt werden müssen. Nun stellt sich aber als eins der ersten und beklagenswertesten Hemmnisse unsere Steuergesetzgebung dar, und darum ist es die Reform der Steuergesetze, die vor allen Dingen erreicht werden muss. Ob unsere Stimme von einigem Gewicht sein wird, die Lösung dieser schon so lange schwebenden Frage zu beschleunigen, es sei dahin gestellt; aber es ist an der Zeit, dass wir sie erheben und nicht müde werden zu rufen: Reform der Steuergesetze! — ehe es zu spät ist. Dem Vernehmen nach ist man beschäftigt, einen Grenzzoll-Tarif für Mecklenburg auszuarbeiten, der ein Mittelding sein soll zwischen dem Finanzzollsystem und dem Tarife des Zollvereins. Wenn wir uns aber ernsthaft fragen, ob diese Vermittlung uns von den Nebeln heilen könne, die eine Reform des bisherigen Steuersystems so dringend, so unerlässlich machen, so müssen wir entschieden mit einem „Nein“ darauf antworten. Wenn das Eine, was uns frommen kann, ein mäßiger Finanzzoll, der an der Landesgrenze erhoben wird, den Verkehr im Inlande aber freilässt, nicht zu erreichen ist, weil die Finanzen des Landes eine höhere Einnahme erheischen, als dieser Finanzzoll gewähren kann, wenn demnach ein Zoll eingeführt werden soll, der die hauptsächlichsten Konsumtions-Artikel schon ziemlich hoch besteuert, möge man immerhin die Schlacht- und Mahlsteuer abschaffen wollen, ein Zoll also, der alle Nachteile des Zollvereins-Tarifs in sich trägt, ohne die Vorteile zu bieten, die der Anschluss an den Zollverein durch Eröffnung eines größeren Feldes für den Handel und die naturwüchsige Industrie des Landes und speziell Rostocks uns bieten muss, — wenn, sagen wir, dies geschehen soll, so müssen wir eine solche Reform unserer Steuergesetzgebung, wenngleich wir sie als eine Verbesserung des jetzigen dem Handel verderblichen und der Industrie feindlichen Systems anerkennen, doch für völlig ungenügend erklären, und ziehen mit ruhigem Gewissen den unbedingten und zwar ehebaldigsten Anschluss an den Preußischen Zollverein einer halben Maßregel vor, die immer nur die Übergangsbrücke zu dem letzteren bilden wird. Man möge uns keine einseitige Auffassung der Frage vorwerfen, man möge uns nicht der schutzzöllnerischen Sympathien beschuldigen; wir erklären, dass wir entschieden frei davon sind, wir behaupten gradezu, dass unsere Industrie keines Schutzes bedarf, wir sind die entschiedensten Gegner jeder durch Zollschutz künstlich erzeugten und auf Kosten der Gesamtheit genährten Fabrikation, aber wenn wir, von der Erkenntnis unserer beklagenswerten Lage erfüllt und von dem Wunsch beseelt, zur Besserung derselben beizutragen, wählen sollen, zwischen einem vermittelnden Zolltarife und dem Zollvereine selbst, so entschließen wir uns unbedingt für den letztem. Wir sind dem einzig vernünftigen Prinzipe mach für den Freihandel, wie wir überhaupt einsehen, dass auf dem Gebiete der materiellen Interessen die vollständigste Befreiung von jedem Zwange, die größte Ungebundenheit zu den befriedigendsten Resultaten führen kann, sobald als alle Bedingungen zu dieser Befreiung erfüllt sind, und dass es unablässiges Streben sein müsse, die Idee zur endlichen Verwirklichung zu bringen. Aber wir begreifen, dass die Prinzipien des Freihandels nur dann erst zur vollen Wahrheit werden können, wenn alle Staaten, und vor allem die angrenzenden, sich darin mit der vollkommensten Reziprozität entgegenkommen. Mecklenburg, eingeschlossen von Zollvereinsstaaten, ohne einen Stapelplatz, einen Weltmarkt, wie Hamburg, wird mit diesem Konkurrenten den Wettlauf nie bestehen können, wenn es sich durch eine eigne Zolllinie absperrt, nach der Seite hin absperrt, wohin einzig und allein die Ausdehnung unsrer kaufmännischen Tätigkeit möglich ist.
Möge immerhin die jetzt im Werke seiende, oben angezogene Reform der Steuergesetze des Landes ein Übergang zum Bessern sein, — ist, es doch eben nicht schwer, Besseres zu schaffen, als das System, welches besteht; möge man gegen den Anschluss an den Zollverein anführen den Nachtheil, den das Land Mecklenburg durch hohe Konsumtionszölle erleiden müsse, wir können uns dessenungeachtet nicht davon überzeugen, dass ein Palliativmittel in so gefahrvoller Lage ausreichend sei, und wir müssen dreist behaupten, dass die Höhe der Zölle des Zollvereins nur relativ hoch genannt werden könne, wenn der Anschluss an denselben anderweitige Vorteile gewährt. Wer wird denn leugnen können, dass es dem Kaufmann wie Handwerker in der Tat nicht drauf ankommen dürfe, jährlich 20 bis 50 Thlr. indirekter Steuer mehr zu zahlen, wenn ihm die Möglichkeit geboten wird, durch erweiterten Betrieb das Doppelte und Dreifache wiederzugewinnen? Diese Bettachtung würde namentlich für Rostock platzgreifend sein. — Überhaupt scheint sich die irrige Meinung verbreitet zu haben, dass der Zollvereinstarif uns notwendig zu der Gewerbefreiheit führe, wie sie in Preußen durch das Patentwesen ausgeübt wurde. Dieser Irrtum ist durch nichts begründet und wird durch die in süddeutschen Zollvereinsländern bestehenden Zunftgesetze hinreichend widerlegt.
Welche Wahl man nun auch treffen möge, so viel ist gewiss, dass Rostock auf jede eigne Steuererhebung wird verzichten müssen, die uns wiederum gegen die Landstädte benachteiligen würde. Soll Rostock aber diese Intraden einbüßen, die hauptsächlich zur Erhaltung des Hafens verwandt wurden, so muss das Land die Erhaltung desselben übernehmen. Dass dies baldmöglichst geschehe, liegt im eigensten Interesse der städtischen Finanzen, denen die Last des Hafenbaues sehr bald eine erdrückende werden muss, da voraussichtlich bei der zu erwartenden verminderten Steuereinnahme der Kommune neue Schulden, neue Zinsenlasten aufgebürdet werden müssen.
Was nun die neu einzuschlagenden Handelswege betrifft, so ist neuerdings anderen Ortes auf die Heranziehung des Speditions- und Transithandels durch Errichtung einer Dampfschifffahrtverbindung mit überseeischen Häfen als das einzige Mittel hingewiesen, dem vollständigen Ruine des Rostocker Handels vorzubeugen. Wird nun auch sicherlich diese Anbahnung eines neuen Geschäftszweiges allein diesen Ruin nicht abwehren können, so ist doch wie schon oben erwähnt durch das gesicherte Dampfschifffahrtunternehmen ein erster großer Schritt getan, um Rostock in seine frühere Bedeutsamkeit wiedereinzusetzen. Wenn nun die möglichst zweckmäßige Reform der Steuergesetzgebung hinzutritt, und dann noch ein drittes Unternehmen ausgeführt werden kann, welches fast eine conditio sine qua non nun für den Transit- sowie den eignen Handel ins Innere ist, wir meinen die Schiffbarmachung der Warnow und Nebel und die Kanalisierung in die Müritz zur Verbindung mit der Elbe und Havel, so kann Rostock vollkommen beruhigt in die Zukunft blicken, wenn seine Kaufmannschaft es nicht unterlässt, kräftig und umsichtig, vor allem aber im Inneren einig dem Zuge der Neuzeit zu folgen. Rostock liegt nämlich in jeder Beziehung günstig für den Handel nach dem Innern Deutschlands, sobald eine Wasserstraße in die Elbe und Havel führt. Rostock ist der nächste Hafen für Verschiffungen von Norwegen und Schweden, Dänemark und (durch die Dampfschiffverbindung) von Russland. Die schweren Güter, die hier transitieren sollen, können auf der Eisenbahn der hohen Fracht wegen nicht befördert werden, es muss daher notwendigerweise ein billigerer Wasserweg hergestellt werden, der es möglich macht, schwere Güter als Talg, Pottasche, Eisen, Kohlen, Salz u. dgl. mit Nutzen zu befördern; und dann, welche Vorteile kann der eigene Handel Rostocks aus der Wasser-Kommunikation ziehen? Der Kornproduzent hat dann die Wahl zwischen den kleinen Städten und Rostock, er wird ohne Zweifel lieber sein Getreide, seine Saat hierher senden, ohne seine eigne teure Anspannung zu benutzen, die er eben dann nicht entbehren kann, wenn die Schifffahrt auf dem Fluss offen ist, ohne den teuren Eisenbahntransport zu tragen, Rostock kann, mit Hamburg und Stettin konkurrierend, Steinkohlen, Eisen, Heringe u. s. w. in die entfernteren Gegenden Mecklenburgs absetzen, und wenn dann außerdem noch die Scheidewand zwischen Preußen fallen sollte, diesen Warenvertrieb nicht unbeträchtlich weiter ausdehnen. Freilich bedarf es zu diesem Unternehmen großer Mittel; allein wenn es sich um die Wohlfahrt des Handels und der Industrie nicht einer einzelnen Stadt, nein des ganzen Landes handelt, so muss der Staat oder die Kommune, wenn sie nicht ihre Aufgabe völlig verkennen wollen, die nötigen Mittel zu schaffen wissen. In der Tat ist die Idee der Schiffbarmachung der Warnow und Nebel bis in die Müritz schon alt, sie datiert sich aus dem Jahre 1828, als wann schon die nötigen Nivellierungen und Kostenanschläge gemacht wurden. Man bestimmte sich nach dem Urteile des Baumeisters Weier für den direkten Weg in den Planer See. Indes blieb die Sache bis zum Jahre 1844 ruhen, wo in Folge Aufforderung der Stadt eine Kommission zur Prüfung und Berichterstattung eingesetzt wurde, welche zu dem Resultate gelangte, dass der Kanal von Plau bis zur Nebel die Rektifizierungen der Nebel und Warnow, sowie die nötigen Schleusenanlagen usw. das Anlagekapital von mindestens 405.000 Thlr. N 2/3, erfordern werde. In Berücksichtigung, dass diese Summe auf dem Wege der Aktienzeichnung nicht würde aufgebracht werden können, richtete die Stadt im Jahre 1846 Gesuche an die Regierung um Beihilfe des Landes, welche dieselbe etwa in der Weise, wie bei den Chausseebauten und Elde-Kanal in Aussicht stellte. Diese würde nach demselben Verhältnisse 15.000 Thlr. pr. Meile, also etwa die Hälfte der ganzen Summe betragen. Die Deputierten der verschiedenen Kommunen konstituierten sich darauf zu einer Aktiengesellschaft, die Zeichnungen wurden eröffnet, und Rostock ging mit der Beteiligung von 50.000 Thlr. voran, Schwann, Bützow, Güstrow sagten gleichfalls Summen zu, deren Größe wir nicht anführen, ebensowenig als wir über den weiteren Verlauf der Aktienzeichnung berichten können, welche plötzlich aus uns unerklärlichen Gründen ins Stocken geriet und seitdem bedauerlich nicht wieder aufgenommen worden ist. Es dürfte jetzt an der Zeit sein, die Sache mit Energie wiederaufzugreifen, jetzt, wo dieselbe die Wohlfahrt Rostocks so nahe berührt, dass in fernerem Verzuge die größte Gefahr liegt.
Der Vorstand des Rostocker Handelsvereins übergibt Letzterem in dem Vorstehenden seine Ansichten über die handelspolitische Lage Rostocks und über die Mittel zur Verbesserung derselben. Er wird sich weitere bestimmte Anträge zur Verwirklichung der letzteren vorbehalten. —
Rostock, den 27. November 1850.
Der Vorstand des Rostock-Lokal-Handelsvereins.
Keine bessere Stellung haben die hiesigen Gerbereien, denen die Konkurrenz mit den Landstädten überaus viel zu schaffen macht, welche die Lohe gar nicht, die rohen Häute aber mit wenigerem Gelde versteuern, während die hier versteuerten rohen Häute, als Leder noch einmal in den Landstädten der Steuer unterworfen sind, ja es kann sich, nicht bloß in diesem Falle, sondern in tausend anderen, ereignen, dass zum dritten oder vierten Male von einem und demselben Gegenstande gesteuert werden muss, je nachdem das rohe Material durch die Hände eines oder mehrerer Zwischenhändler ging. Dagegen steuert der Fremde für sein Fabrikat unter allen Umständen nur einmal. —
Wir dürfen wohl keine weiteren Beispiele anführen, um zu beweisen, welchen lähmenden Einfluss die durch die herrschenden Steuergesetze hervorgerufene Unfreiheit der gewerblichen Bewegung im Innern unseres Landes, auf die Rostocker Fabrikanten und Gewerbe überhaupt ausübt. Es mögen die in Obigem angezogenen hauptsächlichsten Tatsachen genügen.
Um das oben Gesagte kurz zusammenzufassen, so haben wir zu beweisen versucht,
1) dass durch die neueren Verkehrswege und demnach eingetretenen Veränderungen in dem Handelsverkehre der Rostocker Handel in seinen Grundlagen bedroht ist, dass bereits der Kolonialwarenhandel in der traurigsten Abnahme begriffen und der Getreidehandel auf ein sehr bescheidenes Maß zurück . gebracht ist, und dass dieser Fall noch fortdauert!
2) dass Rederei und Schiffbau die Folgen dieser Verminderung des Handels empfinden und dass denselben überall keine günstige Zukunft bevorsteht.
3) dass Fabriken und Gewerbe in jeder Hinsicht eine bedrohte Existenz führen.
Fragen wir uns nun, was ist zu tun, um dem Unheil abzuwehren? so müssen wir einsehen, dass neue Verkehrsmittel und Wege geschaffen und die Hindernisse, die den Handels- und gewerblichen Interessen sich entgegenstellen, weggeräumt und zwar ohne Verzug weggeräumt werden müssen. Nun stellt sich aber als eins der ersten und beklagenswertesten Hemmnisse unsere Steuergesetzgebung dar, und darum ist es die Reform der Steuergesetze, die vor allen Dingen erreicht werden muss. Ob unsere Stimme von einigem Gewicht sein wird, die Lösung dieser schon so lange schwebenden Frage zu beschleunigen, es sei dahin gestellt; aber es ist an der Zeit, dass wir sie erheben und nicht müde werden zu rufen: Reform der Steuergesetze! — ehe es zu spät ist. Dem Vernehmen nach ist man beschäftigt, einen Grenzzoll-Tarif für Mecklenburg auszuarbeiten, der ein Mittelding sein soll zwischen dem Finanzzollsystem und dem Tarife des Zollvereins. Wenn wir uns aber ernsthaft fragen, ob diese Vermittlung uns von den Nebeln heilen könne, die eine Reform des bisherigen Steuersystems so dringend, so unerlässlich machen, so müssen wir entschieden mit einem „Nein“ darauf antworten. Wenn das Eine, was uns frommen kann, ein mäßiger Finanzzoll, der an der Landesgrenze erhoben wird, den Verkehr im Inlande aber freilässt, nicht zu erreichen ist, weil die Finanzen des Landes eine höhere Einnahme erheischen, als dieser Finanzzoll gewähren kann, wenn demnach ein Zoll eingeführt werden soll, der die hauptsächlichsten Konsumtions-Artikel schon ziemlich hoch besteuert, möge man immerhin die Schlacht- und Mahlsteuer abschaffen wollen, ein Zoll also, der alle Nachteile des Zollvereins-Tarifs in sich trägt, ohne die Vorteile zu bieten, die der Anschluss an den Zollverein durch Eröffnung eines größeren Feldes für den Handel und die naturwüchsige Industrie des Landes und speziell Rostocks uns bieten muss, — wenn, sagen wir, dies geschehen soll, so müssen wir eine solche Reform unserer Steuergesetzgebung, wenngleich wir sie als eine Verbesserung des jetzigen dem Handel verderblichen und der Industrie feindlichen Systems anerkennen, doch für völlig ungenügend erklären, und ziehen mit ruhigem Gewissen den unbedingten und zwar ehebaldigsten Anschluss an den Preußischen Zollverein einer halben Maßregel vor, die immer nur die Übergangsbrücke zu dem letzteren bilden wird. Man möge uns keine einseitige Auffassung der Frage vorwerfen, man möge uns nicht der schutzzöllnerischen Sympathien beschuldigen; wir erklären, dass wir entschieden frei davon sind, wir behaupten gradezu, dass unsere Industrie keines Schutzes bedarf, wir sind die entschiedensten Gegner jeder durch Zollschutz künstlich erzeugten und auf Kosten der Gesamtheit genährten Fabrikation, aber wenn wir, von der Erkenntnis unserer beklagenswerten Lage erfüllt und von dem Wunsch beseelt, zur Besserung derselben beizutragen, wählen sollen, zwischen einem vermittelnden Zolltarife und dem Zollvereine selbst, so entschließen wir uns unbedingt für den letztem. Wir sind dem einzig vernünftigen Prinzipe mach für den Freihandel, wie wir überhaupt einsehen, dass auf dem Gebiete der materiellen Interessen die vollständigste Befreiung von jedem Zwange, die größte Ungebundenheit zu den befriedigendsten Resultaten führen kann, sobald als alle Bedingungen zu dieser Befreiung erfüllt sind, und dass es unablässiges Streben sein müsse, die Idee zur endlichen Verwirklichung zu bringen. Aber wir begreifen, dass die Prinzipien des Freihandels nur dann erst zur vollen Wahrheit werden können, wenn alle Staaten, und vor allem die angrenzenden, sich darin mit der vollkommensten Reziprozität entgegenkommen. Mecklenburg, eingeschlossen von Zollvereinsstaaten, ohne einen Stapelplatz, einen Weltmarkt, wie Hamburg, wird mit diesem Konkurrenten den Wettlauf nie bestehen können, wenn es sich durch eine eigne Zolllinie absperrt, nach der Seite hin absperrt, wohin einzig und allein die Ausdehnung unsrer kaufmännischen Tätigkeit möglich ist.
Möge immerhin die jetzt im Werke seiende, oben angezogene Reform der Steuergesetze des Landes ein Übergang zum Bessern sein, — ist, es doch eben nicht schwer, Besseres zu schaffen, als das System, welches besteht; möge man gegen den Anschluss an den Zollverein anführen den Nachtheil, den das Land Mecklenburg durch hohe Konsumtionszölle erleiden müsse, wir können uns dessenungeachtet nicht davon überzeugen, dass ein Palliativmittel in so gefahrvoller Lage ausreichend sei, und wir müssen dreist behaupten, dass die Höhe der Zölle des Zollvereins nur relativ hoch genannt werden könne, wenn der Anschluss an denselben anderweitige Vorteile gewährt. Wer wird denn leugnen können, dass es dem Kaufmann wie Handwerker in der Tat nicht drauf ankommen dürfe, jährlich 20 bis 50 Thlr. indirekter Steuer mehr zu zahlen, wenn ihm die Möglichkeit geboten wird, durch erweiterten Betrieb das Doppelte und Dreifache wiederzugewinnen? Diese Bettachtung würde namentlich für Rostock platzgreifend sein. — Überhaupt scheint sich die irrige Meinung verbreitet zu haben, dass der Zollvereinstarif uns notwendig zu der Gewerbefreiheit führe, wie sie in Preußen durch das Patentwesen ausgeübt wurde. Dieser Irrtum ist durch nichts begründet und wird durch die in süddeutschen Zollvereinsländern bestehenden Zunftgesetze hinreichend widerlegt.
Welche Wahl man nun auch treffen möge, so viel ist gewiss, dass Rostock auf jede eigne Steuererhebung wird verzichten müssen, die uns wiederum gegen die Landstädte benachteiligen würde. Soll Rostock aber diese Intraden einbüßen, die hauptsächlich zur Erhaltung des Hafens verwandt wurden, so muss das Land die Erhaltung desselben übernehmen. Dass dies baldmöglichst geschehe, liegt im eigensten Interesse der städtischen Finanzen, denen die Last des Hafenbaues sehr bald eine erdrückende werden muss, da voraussichtlich bei der zu erwartenden verminderten Steuereinnahme der Kommune neue Schulden, neue Zinsenlasten aufgebürdet werden müssen.
Was nun die neu einzuschlagenden Handelswege betrifft, so ist neuerdings anderen Ortes auf die Heranziehung des Speditions- und Transithandels durch Errichtung einer Dampfschifffahrtverbindung mit überseeischen Häfen als das einzige Mittel hingewiesen, dem vollständigen Ruine des Rostocker Handels vorzubeugen. Wird nun auch sicherlich diese Anbahnung eines neuen Geschäftszweiges allein diesen Ruin nicht abwehren können, so ist doch wie schon oben erwähnt durch das gesicherte Dampfschifffahrtunternehmen ein erster großer Schritt getan, um Rostock in seine frühere Bedeutsamkeit wiedereinzusetzen. Wenn nun die möglichst zweckmäßige Reform der Steuergesetzgebung hinzutritt, und dann noch ein drittes Unternehmen ausgeführt werden kann, welches fast eine conditio sine qua non nun für den Transit- sowie den eignen Handel ins Innere ist, wir meinen die Schiffbarmachung der Warnow und Nebel und die Kanalisierung in die Müritz zur Verbindung mit der Elbe und Havel, so kann Rostock vollkommen beruhigt in die Zukunft blicken, wenn seine Kaufmannschaft es nicht unterlässt, kräftig und umsichtig, vor allem aber im Inneren einig dem Zuge der Neuzeit zu folgen. Rostock liegt nämlich in jeder Beziehung günstig für den Handel nach dem Innern Deutschlands, sobald eine Wasserstraße in die Elbe und Havel führt. Rostock ist der nächste Hafen für Verschiffungen von Norwegen und Schweden, Dänemark und (durch die Dampfschiffverbindung) von Russland. Die schweren Güter, die hier transitieren sollen, können auf der Eisenbahn der hohen Fracht wegen nicht befördert werden, es muss daher notwendigerweise ein billigerer Wasserweg hergestellt werden, der es möglich macht, schwere Güter als Talg, Pottasche, Eisen, Kohlen, Salz u. dgl. mit Nutzen zu befördern; und dann, welche Vorteile kann der eigene Handel Rostocks aus der Wasser-Kommunikation ziehen? Der Kornproduzent hat dann die Wahl zwischen den kleinen Städten und Rostock, er wird ohne Zweifel lieber sein Getreide, seine Saat hierher senden, ohne seine eigne teure Anspannung zu benutzen, die er eben dann nicht entbehren kann, wenn die Schifffahrt auf dem Fluss offen ist, ohne den teuren Eisenbahntransport zu tragen, Rostock kann, mit Hamburg und Stettin konkurrierend, Steinkohlen, Eisen, Heringe u. s. w. in die entfernteren Gegenden Mecklenburgs absetzen, und wenn dann außerdem noch die Scheidewand zwischen Preußen fallen sollte, diesen Warenvertrieb nicht unbeträchtlich weiter ausdehnen. Freilich bedarf es zu diesem Unternehmen großer Mittel; allein wenn es sich um die Wohlfahrt des Handels und der Industrie nicht einer einzelnen Stadt, nein des ganzen Landes handelt, so muss der Staat oder die Kommune, wenn sie nicht ihre Aufgabe völlig verkennen wollen, die nötigen Mittel zu schaffen wissen. In der Tat ist die Idee der Schiffbarmachung der Warnow und Nebel bis in die Müritz schon alt, sie datiert sich aus dem Jahre 1828, als wann schon die nötigen Nivellierungen und Kostenanschläge gemacht wurden. Man bestimmte sich nach dem Urteile des Baumeisters Weier für den direkten Weg in den Planer See. Indes blieb die Sache bis zum Jahre 1844 ruhen, wo in Folge Aufforderung der Stadt eine Kommission zur Prüfung und Berichterstattung eingesetzt wurde, welche zu dem Resultate gelangte, dass der Kanal von Plau bis zur Nebel die Rektifizierungen der Nebel und Warnow, sowie die nötigen Schleusenanlagen usw. das Anlagekapital von mindestens 405.000 Thlr. N 2/3, erfordern werde. In Berücksichtigung, dass diese Summe auf dem Wege der Aktienzeichnung nicht würde aufgebracht werden können, richtete die Stadt im Jahre 1846 Gesuche an die Regierung um Beihilfe des Landes, welche dieselbe etwa in der Weise, wie bei den Chausseebauten und Elde-Kanal in Aussicht stellte. Diese würde nach demselben Verhältnisse 15.000 Thlr. pr. Meile, also etwa die Hälfte der ganzen Summe betragen. Die Deputierten der verschiedenen Kommunen konstituierten sich darauf zu einer Aktiengesellschaft, die Zeichnungen wurden eröffnet, und Rostock ging mit der Beteiligung von 50.000 Thlr. voran, Schwann, Bützow, Güstrow sagten gleichfalls Summen zu, deren Größe wir nicht anführen, ebensowenig als wir über den weiteren Verlauf der Aktienzeichnung berichten können, welche plötzlich aus uns unerklärlichen Gründen ins Stocken geriet und seitdem bedauerlich nicht wieder aufgenommen worden ist. Es dürfte jetzt an der Zeit sein, die Sache mit Energie wiederaufzugreifen, jetzt, wo dieselbe die Wohlfahrt Rostocks so nahe berührt, dass in fernerem Verzuge die größte Gefahr liegt.
Der Vorstand des Rostocker Handelsvereins übergibt Letzterem in dem Vorstehenden seine Ansichten über die handelspolitische Lage Rostocks und über die Mittel zur Verbesserung derselben. Er wird sich weitere bestimmte Anträge zur Verwirklichung der letzteren vorbehalten. —
Rostock, den 27. November 1850.
Der Vorstand des Rostock-Lokal-Handelsvereins.
Rostock - Markt, Marienkirche und Blutstraße
Hansestadt Rostock - Stadtansicht
Rostock - Giebelhäuser bei der Nicolaikirche
Hansestadt Rostock, Große Wasserstraße mit Kerkhoffhaus (1470) Sommer 1968
Rostock - Kröpeliner Tor
Rostock, Lange Straße, Marienkirche in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts
Hansestadt Rostock, Neuer Markt (zum Zeitpunkt der Aufnahme: Erst-Thälmann-Platz) 1967
Hansestadt Rostock, Stadthafen mit Großsegler, 1968
Rostock-Warnemünde, Alter Strom, Eisgang 1968
Rostock, Stadthafen, Segelschulschiff "Wilhelm-Pieck", 1968
Rostock, Stadthafen, 1968