Promemoria des Vorstandes des Rostocker Lokal-Handelsvereins. 1850. Teil 1
Aus: Mecklenburgisches Gemeinnütziges Archiv, Band 1
Autor: Redaktion, Erscheinungsjahr: 1850
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Hansestadt Rostock, Handel, Schifffahrt, Handelswege, Handelsstraßen, Kaufleute, Schifffahrtsstraßen, Häfen,
In dem Streben der Neuzeit tritt eine Tatsache uns siegreich vor das Auge, die von Niemandem weggeleugnet werden kann, der irgendwie den Lauf der Dinge prüfend verfolgt hat: es ist der Drang, Neues zu schaffen, Altes zu beseitigen oder auf dem Alten fortzubauen, — es ist die immenseste Beweglichkeit nicht nur im Gebiete der Ideen, sondern auch im Gebiete der materiellen Interessen, die den jetzigen Zeitraum charakterisiert. Der Einfluss dieser Tatsache auf das Gebiet des Handels und Verkehrs im allgemeinen ist zu schlagend, als dass darauf hingewiesen zu werden brauchte, und wir sehen überall jene Rührigkeit und jenes Streben des Einzelnen es dem Andern zuvortun, welches wir gewöhnlich mit dem Namen Konkurrenz bezeichnen, alte Verkehrswege verlassen, neue Bahnen einschlagen und mit unermüdlichem Eifer jegliche Erscheinung in der Handelswelt benützen, um sie zu ihrem Vorteile auszubeuten. Wer nur einigermaßen die Vorgänge in den uns umgebenden Ländern beachtete, der wird gefunden haben, dass nicht nur weise Regierungen, voraussichtige Kommunen, sondern einzelne Gesellschaften und Vereine Anstrengungen jeder Art machen, um dem gewaltsamen Drange nach vorwärts gewachsen zu sein. Ein einfacher Hinweis auf Lübecks glänzendes Beispiel dürfte hier Platz finden. Nur Mecklenburg und in demselben besonders Rostock scheint eine Ausnahme zu machen; wir müssen mit Bedauern sehen, dass die frische Lebendigkeit, die uns umgibt, noch nicht im Stande gewesen ist, unsere Handelswelt aus dem Zustande der inneren Versumpfung und der trostlosesten Indolenz zu retten, die notwendig den Untergang unserer ganzen kommerziellen Bedeutsamkeit nach sich ziehen muss. Wir sehen klar ein, dass Rostocks Handel sich täglich vermindert, dass Import und Export abnehmen, dass die Konkurrenz fremder Flaggen unsere Schifffahrt im eigenen Hafen empfindlich berührt, und fragen wir uns, was ist Energisches geschehen, um dem großen Unheil vorzubeugen, welches uns droht? — so kann die Antwort nur ein bedauerliches Achselzucken sein. Wir mussten allerdings als ein freudiges Aufblitzen frischer Tatkraft die Begründung einer überseeischen Dampfschifffahrtverbindung durch den Bau zweier Schraubendampfer begrüßen, aber man glaube ja nicht, dass damit schon genug getan sei; es bleibt unendlich viel mehr zu tun, und zwar ist das Schwerste noch zu schaffen. Wir wollen versuchen, in Nachstehendem eine übersichtliche Darstellung der handelspolitischen Lage Rostocks zu geben; wir verhehlen es uns nicht, dass, unvollkommen, wie die Darstellung sein möge, wir darin auf entgegenstehende Ansichten stoßen werden, aber wir sehen ein, dass vor allen Dingen Klarheit über unsere Lage uns vonnöten ist, dass wir den wunden Fleck rücksichtslos sondieren müssen, um das Heilmittel bemessen und gehörig anwenden zu können.
Es wird nötig sein, auf eine frühere Zeit zurückzublicken, um den Umfang dessen zu erwägen, was für Rostocks Handel und Verkehr bereits verloren ging; vielleicht werden uns dann die Mittel deutlicher, deren wir bedürfen, um das Verlorene wieder zu erlangen, um Neues an dessen Stelle zu setzen. Zur Zeit, als Mecklenburg weder Chausseen noch Kanäle hatte, war Rostock jedenfalls der nächste Platz, wohin die Erzeugnisse des Landes abgesetzt, woher der Bedarf an Kolonial-Waren bezogen wurde, und vielleicht 3/4 des ganzen Handels (Ein- und Ausfuhr) ging durch die Hände des Rostocker Kaufmanns. Der Landmann aus beiden Mecklenburg bis an die preußische Grenze brachte sein Getreide nach Rostock , bis dorthin vertrieb der Rostocker Händler seine Importe. Es lässt sich nicht verkennen, dass die schwankende Zollskala in England der Spekulation in Getreide großen Vorschub leistete, und bei dem vorherrschenden Kauf auf Spekulation Rostock den Produzenten größere Vorteile bot, als andere Plätze. Ebenso legte der hiesige Importeur in Ermangelung billiger Transportwege im Inneren die Kolonialwaren wohlfeiler bis in die entfernteren Gegenden des Landes, als mancher in anderer Hinsicht bevorzugtere Handelsplatz vermochte. — Die Zeit vernichtete diese Vorteile nach und nach. Durch Anlage des Elde-Kanals kam das südliche Mecklenburg in direkte billige Verbindung mit Hamburg ; die Verbesserungen der Schifffahrt auf der Trebel und Peene entfremdeten dem Handel Rostocks den östlichen und südöstlichen Teil des Landes. In verhältnismäßig kurzer Zeit wurden die vorteilhafteren Verbindungen mit den besseren Häusern jener Gegend gelöst, nur die schlechten Zahler, die den langen Kredit des Rostock-Kaufmanns nutzen mussten, blieben diesem als Kunden; das regelmäßige vorteilhafte Geschäft war für immer verloren. —
Freilich versuchte man durch Anlage von Chausseen, namentlich der Neu-Brandenburger Chaussee den lähmenden Einfluss der Kanalfahrt auf den Rostocker Handel zu paralysieren, aber es ist leicht begreiflich, dass der Transport auf der Chaussee nimmt die Vorteile der Wasserfahrt zu bieten vermochte, und so ist es denn erklärlich, dass schwere Güter, als Eisen, Kohlen etc. bis nach Malchin und Sülze von Stettin , bis Waren von Hamburg bezogen werden, während Getreide nach wie vor den Wasserweg nach Hamburg geht, welches als Wellmarkt immerhin Vorteile zu gewähren im Stande ist, die Rostock mindestens zu Zeiten nicht geben kann. Ja die Konkurrenz der Wasserwege ist so groß, dass der kleine Ort Sülze Kleesamen von Breslau bezieht und einen großen Teil des Landes damit versorgt.
Das wirksamste Mittel zur Beseitigung eines großen Teils jener Übelstände würde rechtzeitig in der Schiffbarmachung der Warnow und der Nebel gefunden worden sein; man schien dies vor Jahren auch schon zu fühlen und arbeitete darauf hin, aber das Projekt scheiterte, obgleich umfängliche Vorlagen darüber gemacht waren, und eine ziemlich ausgedehnte Aktienzeichnung dasselbe zu sichern schien. Wir werden weiter unten darauf zurückkommen.
Es wird nötig sein, auf eine frühere Zeit zurückzublicken, um den Umfang dessen zu erwägen, was für Rostocks Handel und Verkehr bereits verloren ging; vielleicht werden uns dann die Mittel deutlicher, deren wir bedürfen, um das Verlorene wieder zu erlangen, um Neues an dessen Stelle zu setzen. Zur Zeit, als Mecklenburg weder Chausseen noch Kanäle hatte, war Rostock jedenfalls der nächste Platz, wohin die Erzeugnisse des Landes abgesetzt, woher der Bedarf an Kolonial-Waren bezogen wurde, und vielleicht 3/4 des ganzen Handels (Ein- und Ausfuhr) ging durch die Hände des Rostocker Kaufmanns. Der Landmann aus beiden Mecklenburg bis an die preußische Grenze brachte sein Getreide nach Rostock , bis dorthin vertrieb der Rostocker Händler seine Importe. Es lässt sich nicht verkennen, dass die schwankende Zollskala in England der Spekulation in Getreide großen Vorschub leistete, und bei dem vorherrschenden Kauf auf Spekulation Rostock den Produzenten größere Vorteile bot, als andere Plätze. Ebenso legte der hiesige Importeur in Ermangelung billiger Transportwege im Inneren die Kolonialwaren wohlfeiler bis in die entfernteren Gegenden des Landes, als mancher in anderer Hinsicht bevorzugtere Handelsplatz vermochte. — Die Zeit vernichtete diese Vorteile nach und nach. Durch Anlage des Elde-Kanals kam das südliche Mecklenburg in direkte billige Verbindung mit Hamburg ; die Verbesserungen der Schifffahrt auf der Trebel und Peene entfremdeten dem Handel Rostocks den östlichen und südöstlichen Teil des Landes. In verhältnismäßig kurzer Zeit wurden die vorteilhafteren Verbindungen mit den besseren Häusern jener Gegend gelöst, nur die schlechten Zahler, die den langen Kredit des Rostock-Kaufmanns nutzen mussten, blieben diesem als Kunden; das regelmäßige vorteilhafte Geschäft war für immer verloren. —
Freilich versuchte man durch Anlage von Chausseen, namentlich der Neu-Brandenburger Chaussee den lähmenden Einfluss der Kanalfahrt auf den Rostocker Handel zu paralysieren, aber es ist leicht begreiflich, dass der Transport auf der Chaussee nimmt die Vorteile der Wasserfahrt zu bieten vermochte, und so ist es denn erklärlich, dass schwere Güter, als Eisen, Kohlen etc. bis nach Malchin und Sülze von Stettin , bis Waren von Hamburg bezogen werden, während Getreide nach wie vor den Wasserweg nach Hamburg geht, welches als Wellmarkt immerhin Vorteile zu gewähren im Stande ist, die Rostock mindestens zu Zeiten nicht geben kann. Ja die Konkurrenz der Wasserwege ist so groß, dass der kleine Ort Sülze Kleesamen von Breslau bezieht und einen großen Teil des Landes damit versorgt.
Das wirksamste Mittel zur Beseitigung eines großen Teils jener Übelstände würde rechtzeitig in der Schiffbarmachung der Warnow und der Nebel gefunden worden sein; man schien dies vor Jahren auch schon zu fühlen und arbeitete darauf hin, aber das Projekt scheiterte, obgleich umfängliche Vorlagen darüber gemacht waren, und eine ziemlich ausgedehnte Aktienzeichnung dasselbe zu sichern schien. Wir werden weiter unten darauf zurückkommen.
Rostock - Markt, Marienkirche und Blutstraße
Rostock - Giebelhäuser bei der Nicolaikirche
Hansestadt Rostock, Giebelhäuser und Marienkirche
Rostock, Stadthafen, 1968
Rostock, Stadthafen, Segelschulschiff "Wilhelm-Pieck", 1968
Rostock, Stadthafen mit Großsegler, 1968
Rostock-Warnemünde, Alter Strom, Eisgang 1968