PIRNA. K. Sachsen Amtshauptstadt.

Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bd.1, Mitteldeutschland
Autor: Dehio, Georg (1850-1932), Erscheinungsjahr: 1914
Themenbereiche
PIRNA. K. Sachsen Amtshauptstadt.

Stadt-K. S. Marien. Schon die vorangehende K. war bedeutend; die Urkunden nennen 15 Altäre von 1338-1462. Von einem 1466 begonnenen Neubau der unregelmäßig in die SWEcke eingeschobene Turm. Der Hauptbau 1502-1546. — Hallenkirche mit schwach ausgebildetem Chor; die Ssch. schließen gerade mit abgeschrägten Ecken, das Msch. mit 3 Seiten des 8Ecks. Der 47 m lange Hauptbau geteilt in 7 Joche. Gesamtbreite 25 m, die Ssch. wenig schmäler als das Msch., H. 18 m. Also sehr weite und freie Raumverhältnisse. Die 8eckigen Pfll. von äußerster Schlankheit. Die in der Erzgebirgsschule zum Prinzip erhobene Vereinheitlichung der Decke durch Verwischung der Jocheinteilung noch konsequenter als dort durchgeführt; Grundform des Gwb. 1/2kr. Tonne mit Stichkappen, darauf einmaschiges Rippennetz im Msch., Sterne in den Ssch. Im Chorpolygon die Rippen von den Kappen ganz abgelöst und in kräuselnde Verschlingungen (»gewundene Reihungen«) gebracht, etwa an Hobelspäne erinnernd; die tiefsten Ausläufer ganz naturalistisch als Baumstämme charakterisiert; »wilde Männer« klettern an ihnen empor; die Kappen mit Rankenwerk bemalt. (Auch an den Gewölbeanfängern des Lhs. befanden sich 12 Freifiguren, 1778 abgeschlagen). Fenster hoch, schmal, mit abgeflachtem Spitzbg. geschlossen, Maßwerk spärlich und matt. Als Beispiel spätestgotischer Formengebung bmkw. die Sakristeitür. An der NSeite Renss.Emporen von 1570.

Altarwerk aus Sandstein 1611 von David Schwenke, Skulpturen von Antonius v. Saalhausen; 10 m hoch, 5 m br., ursp. reich in Farbe und Gold staffiert; an der Staffel Abendmahl zwischen Geburt und Kreuzigung; in der Mitte des Hauptgeschosses Sintflut und Auferstehung des Herrn, seitlich Jakobsleiter und Elias Himmelfahrt; an der Staffel des Obergeschosses [pg 333] die Geschichten des Jonas und Simson, in dem Hauptfeld Christi Himmelfahrt. — Kanzel aus Sandstein 1543 verkünstelt spgot., Schalldeckel 1576. — Taufstein 1561, Fuß 1802 (der alte zeigte Kindergruppen wie in Annaberg). — Unter den zahlreichen Grabsteinen und Epitaphen mehrere hervorragende Stücke: D. v. Sebottendorf 1585; M. L. Lauterbach 1569; Joh. Rosig 1612; besonders Sup. Kademann 1607, höchst lebendiges Bildnisrelief, Umrahmung nüchtern. Unter den Grabsteinen an der Außenwand hervorzuheben H. W. v. Schönberg † 1645. — Epitaphgemälde von H. Göding d. Ä. [Antependium aus 14. Jh. in Seidenstickerei, jetzt Altert. Ver. Dresden.] — An den Gwbb. großer Gemäldezyklus aus M. 16. Jh., »ein protestantisches Kunstwerk von hoher Bedeutung und Seltenheit«. — Orgel 16. Jh., verändert 1678. — Glocke 2. H. 14. Jh.

Dominikaner-Klst. Erhalten die K. und der Kapitelsaal. Die K. Rck. 35 : 12,5 m. Aufbau 2sch., Chor 1sch., etwas eingezogen (zerstört). Im Schiff 8eck. Pfll. von äußerster Schlankheit, Kreuzrippengwbb. auf reich skulptierten Kragsteinen (Farbspuren), der Kämpferpunkt an den Pfll. selbst nicht betont. Stilformen der 1. H. 14. Jh. Der kleine an der SOEcke angefügte Turm 15. Jh. Aus letzterer Zeit das 2sch. und 3jochige Kapitelhaus.

Rathaus spgot. nach Brand 1485 und ren. 1549 und 1581; aus der ersten Epoche die reich umrahmten Türen des Erdgeschosses.

Privathäuser. Pirna hat mehr als die meisten anderen Städte Sachsens vom Gepräge älterer Jahrhunderte bewahrt. Spätgotisches z. B. Markt 3 und 46, Dohnaische Str. 24, Schustergasse 5, Badergasse 6, Kirchplatz 2. — Aus Renss. besonders das Portal Niedere Burgstr. 1 von 1540, ganz in den Formen des oberitalienischen Terrakottastils, gekrönt mit dem Reliefbildnis des Architekten W. B. Ferner Markt 13, Schuhgasse 15, Markt 12 von 1548 im Charakter des Moritzbaues am Dresdener Schloß; Ecke Barbiergasse und Dohnaische Str. mit zierlichen Ecken; Markt 18, Schustergasse 4; Obere Burgstr. 1 von 1624, Markt 9 von 1673, Schustergasse 2 von 1676. Rokoko: Langestr. 10, Badergasse 5.

Schloß Sonnenstein, jetzt Irrenanstalt; von älteren Bauzeiten kaum etwas erkennbar.