PFORTA. Pr. Sachsen Kr. Naumburg.

Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bd.1, Mitteldeutschland
Autor: Dehio, Georg (1850-1932), Erscheinungsjahr: 1914
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PFORTA. Pr. Sachsen Kr. Naumburg.

Ehem. Cisterc.-Klst. S. Mariae de Porta gegr. 1136, seit 1543 Sitz der berühmten Schule. — Der künstlerische Charakter des Kirchengebäudes wird wesentlich bestimmt durch den 1251 (Inschr.) begonnenen got. Umbau; 1268 (I.) der Chor vollendet; Fortsetzung bis nach 1300. Der rom. Bau ist, bis auf den östl. und westl. Abschluß, im got. erhalten, und es ist kein Grund gegeben, seine Ausführung wesentlich später als die Gründung anzusetzen; also in runder Schätzung M. 12. Jh. Demgemäß für Deutschland das älteste Beispiel einer Cistercienser-K. von schon ausgeprägtem Typus: Kreuzf. Basilika mit stark gestrecktem Lhs. und je 2 Doppelkapellen an der OSeite des Qsch. Bergner fand an diesen Kapellen Ansätze zu Apsidiolen; es ergibt sich daraus eine staffelförmige Anordnung ähnlich den gleichzeitigen Kirchen in Talbürgeln und Georgental. Das ist die älteste Fassung des Cistercienserchors. Das Lhs. war eine flachgedeckte stützenwechselnde Basilika von 4 Doppeljochen, das letzte Joch im O zum Chor gezogen und voraussetzlich durch eine Lettnerschranke gegen das Laienschiff abgeschlossen. Erhalten haben sich die (gedrückten) Blendbögen, die je eine Doppelarkade zusammenfaßten; ferner die Oberlichter, ungewöhnlich niedrige Raumverhältnisse dokumentierend, und die ganz schlichten Profile der Pfll. Ursp. L. 55 m, erweitert auf 75 m. — Der got. Umbau begann nach M. 13. Jh. mit der Einwölbung des Qsch.; Detail verhältnismäßig reich, romanische Erinnerungen wechseln mit vorgeschrittenen (14. Jh.) Formen; nicht leicht zu erklären. Vielleicht war das Qsch. im 13. Jh. niedriger angelegt und ist gleichzeitig mit dem Chor noch einmal überarbeitet. — Chor. Inschr. am südöstl. Strebepfl. nennt das Jahr der Grundsteinlegung 1251. Anlage und Ausführung zeigen aber die reife Kunst der Spätzeit des Jahrhunderts. Sie haben auch nichts Cisterciensisches mehr an sich. Im Gr. ein gerades Joch und regelmäßig aufgeteilter 5/8 Schluß. Das Erdgeschoß, (4,40 m h.) hat keine Arkatur, sondern eine Folge vom Sitznischen, Piscinen und Wandschränken. Das Hauptgeschoß ist völlig aufgelöst. Auf der 2 m starken Sockelmauer ein Laufgang, die Fenster in tiefen Nischen, deren [pg 329] Wände von den äußern Widerlagern zu den inneren Dienstbündeln keilförmig verlaufen. Die Fenster im Polygon 2teilig, im geraden Teil 4teilig (Öffnung 9,7 m h., 1,25 m bzw. 2,50 m breit). Maßwerk aus Dreipässen, schon mit Nasen; an Kaptt. und Schlußsteinen reiches naturalistisches Laubwerk. Schulcharakter mittelrheinisch-hessisch. Ein abweichendes System im ersten Joch: hier öffnet sich ein weiter Spitzbogen gegen die über den alten rom. Querschiffskapellen angeordneten Oberkapellen (S. Trinitatis und S. Margarethe) und über diesen ist die Fensteröffnung als reich gemusterte Rose gestaltet. — Im Gegensatz zum vornehm formenreichen Charakter des Innern, das zu den hervorragenden Leistungen der Epoche gehört, ist das Äußere des Chors von herber Sparsamkeit; die Strebepfll. ohne Fialen oder sonstigen Schmuck, das Hauptgesims ohne Laubfries. — Verhältnismäßig unerfreulich wirkt das Langhaus; Altes und Neues sind im Umbau ungeschickt verbunden, die Bauführung wurde durch wiederholte Unterbrechungen konfus. Der gegebene Stützenwechsel ist beibehalten mit der bizarren Eigentümlichkeit, daß die Zwischenstütze höhere Kämpfer hat als die Hauptstütze, woraus für die Arkadenbögen ungleiche Schenkel entstehen. Erst das Hochschiff gewinnt reinere Formen in Anlehnung an diejenigen des Chors. Die Gwbb. sind schön zu nennen; ihre Dienste auf Konsolen wenig oberhalb der Arkadenpfll. Widerlagerung durch offene Strebebgg. (in der älteren Cisterc.-Archit. verpönt). Das äußere System hat Strebebgg., die ohne Vermittlung von Wandpfll. direkt gegen die Mauer stoßen. Die Strebepfll. am Ssch. spiegeln den Stützenwechsel des inneren gebundenen Systems wieder. Zum Schluß (nach 1300) erfolgte Verlängerung um 2 Doppeljoche gegen W und Herumführung des südl. Ssch. um das Qsch. — Die, wie immer bei den Cisterciensern, turmlose WFassade hat außerdem das Eigentümliche, daß sie allein auf das Msch. komponiert ist, während die Sschiffsfronten zurückspringen und durch wagerechten Abschluß mit abgewalmtem Dach noch unscheinbarer werden. Die eigentliche Fassade ist also ein sehr schmales und hohes Gebilde, eingerahmt zwischen 2 weit vorspringende Strebepfll., horizontal geteilt in 3 jedesmal zurückspringende Stockwerke: zu unterst großer Nischenvorbau, in dessen Hintergrund das an sich einfache Portal und über diesem an der Wand eine Statuengruppe; im Mittelgeschoß weites, 5teiliges Maßwerkfenster; zu oberst vor dem abgetreppten Giebel noch einmal eine spitzbg. Nische mit reicher Brüstung und Statuenwand. Sicher eine originelle Idee! Aber um sie überzeugend auszugestalten, reichte die künstlerische Kraft des Meisters nicht hin (von den Einzelheiten [pg 330] Mehreres freie Erfindung der Rest. 1854). Völlig ungenügend waren dann die Hände, denen die Ausführung des Statuenschmuckes, der in der Gesamtkomposition eine so wichtige Rolle spielen sollte, zugewiesen war; man sieht erschreckend deutlich, daß der große Naumburger Meister keine Schule hinterlassen hatte.

Innere Ausstattung. Spärlich erhalten; bedeutender nur der prächtige Dreisitz aus M. 14. Jh. und die schöne frgot. Mensa des Hochaltars. Unter den Grabdenkmälern das wichtigste die Tumba des Markgrafen Georg v. Meißen † 1402; 1641 von den Franzosen verstümmelt, 1705 notdürftig wiederhergestellt, Kupferstich in S. Reyhers Monumenta Landgraviorum; an den Seitenwänden Arkatur mit Kielbogenabschluß, in den 14 Nischen das leidtragende Gefolge (vgl. Arnstadt, Querfurt); das Werk läßt hohe Tüchtigkeit der Ausführung ahnen. Von den z. T. stark abgetretenen Grabsteinen fallen 11 ins 13. und 14. Jh., die besten der des Ritters Heinrich Varch † 1294, schöne Umrißzeichnung in der Typik der Naumburger Stifterbilder (Nordmauer der Evangelistenkapelle) und der eines »bürgerlichen Ehepaares«, nicht Kinderpaares, aus 1. H. 14. Jh. (3. Pfl. der SSeite). Von 1586 ab eine Reihe von Magisterdenkmälern. — Sonst zu beachten: Christuskopf aus Pappelholz, wahrscheinlich Rest des rom. Triumphkreuzes; got. Triumphkreuz, um 1400, der Gekreuzigte aufgemalt; Schmerzensmann aus Bronze etwa 1520-30, 80 cm h., Pietas aus Stein (Steinguß?), die Beschreibung läßt den Salzburger Typus vermuten. Bronzener Schmerzensmann aus der letzten Klosterzeit.

Klausur. Sie liegt, ein seltener, wenn auch nicht beispielloser Fall, auf der NSeite der K. Die inneren Gebäude mit der Zeit völlig entcharakterisiert. Etwas besser erhalten der Kreuzgang. Die nördl., südl. und westl. Front vom rom. Bau, wenn auch verstümmelt; die erhaltenen Pfll. und Bgg. umschlossen eine Gruppe von wahrscheinlich je 3 kleinen Arkaden auf Säulchen. Ähnliche Gruppen zeigt noch der am OFlügel gelegene Kapitelsaal; er war ursp., wie auch der Kreuzgang, ungewölbt. Das Refektorium am WFlügel ist in der Anlage zu erkennen, aber ohne ältere Kunstformen. — Die Abtwohnung lag abgesondert im O und ist im Erdgeschoß des späteren »Fürstenhauses« erhalten. Zugehörig die Abtskapelle, eine der feinsten Leistungen des Übergangsstils in Deutschland; um 1230-40 von einem Meister der Maulbronn-Magdeburger Schule, Ornament mehr thüringisch. Kleiner, in 2 kuppelige Kreuzgwbb. geteilter Saal mit polygonaler (5/10) Apsis. An Gewölbstützen und Fenstergewänden [pg 331] ein reicher Apparat gewirtelter Sll. Die Gurten durch starke Betonung des Anlaufs und somit der Entwicklung der reichen Profile aus rck. Werkform charakterisiert. Die Fenster gepaart, bis auf den Sockel herabgezogen; Abschluß der Gruppe durch Okulus. — Aus rom. Zeit noch die Klostermühle, wenn auch stark verändert. — Friedhofslaterne südöstl. vom Chor, gestiftet 1268, archäologisch eine große Merkwürdigkeit. — Betsäule 1521, das Bildwerk stark verwittert. — In der Schulbibliothek Bilderhandschr. (Augustin) des sp. 12. Jh.