Modernes und Merkwürdiges in der Vergangenheit - Technik, Mechanik, Automaten

Aus: Kultur-Kuriosa. Band 1.
Autor: Kemmerich, Max Dr. (1876-1932) Philosoph, Kunsthistoriker, Privatgelehrter, Schriftsteller, Erscheinungsjahr: 1910
Themenbereiche
Die Taxameterdroschke wird bereits im 9. Kapitel des 10. Buches von Vitruvius „de architectura“ beschrieben. Es waren das Wagen, die an ihren Achsen Stunden- und Meilenzeiger hatten, indem nämlich jedesmal, wenn eine Meile zurückgelegt war, ein Steinchen mit hörbarem Tone in ein im Innern des Wagenbodens untergestelltes Bronzegefäß fiel. Zählte man die Steine, dann wusste man auch, wie viele Meilen man zurückgelegt hatte. Dass solche natürlich sehr teuren Wagen auch im Gebrauch waren, steht fest. Im Nachlass des verschwenderischen Commodus befanden sich einige, die Pertinax mit anderen Kostbarkeiten versteigern ließ. Aber sogar Automobile besaß Commodus. Anders wenigstens ist die von Julius Capitolinus im 8. Kapitel der Biographie des Pertinax gegebene Beschreibung nicht zu verstehen. Er spricht von vorspannlosen Wagen von neuartiger Konstruktion, deren Räder sich mit Hilfe eines sinnreichen Mechanismus und eines verwickelten Räderwerkes von selbst um ihre Achse drehten. Die Sitze waren so angebracht, dass sie dem Wagenführer Schutz vor den Sonnenstrahlen boten. Auch ließen sie sich so drehen, dass der Reisende auf der Fahrt stets Rückenwind hatte.

Auch ein Araber kam auf diesen Gedanken. Im arabischen genealogischen Werke Lubâb (zitiert von Wüstenfeld, Genealogische Tabellen der arabischen Stämme und Familien, Register p. 377) ist ein Araber er - Rabî ibn Zijâd erwähnt, der vor 656 starb. Er trug den Beinamen „Fâris el-Arrâde“, d. h. der Maschinenreiter, weil er eine Maschine erfunden hatte, auf der er fahren konnte, als ob er auf einem Kamel säße. (Nach einer Notiz des Herrn Hauptmann E. v. Zambaur in Wiener-Neustadt.) Im Mittelalter spricht zuerst der geniale Roger Bacon (1214—1294) im 13. Jahrhundert einen ähnlichen Gedanken aus, doch dürfte es sich nur um einen Schlitten mit Segeln gehandelt haben. Interessant aber ist die weitere Notiz: „Man kann ferner Instrumente zum Fliegen machen, so dass ein in der Mitte sitzender Mann eine Kurbel dreht, durch die besondere Flügel nach Art der Vögel die Luft treffen“ 22). Also ein Vorläufer der Gebrüder Wright! Allerdings erging es ihm schlechter wie diesen, denn die Kirche ließ ihn als „Zauberer“ lange Jahre im Kerker schmachten!

Von Automaten, in deren Konstruktion das Altertum so außerordentlich erfindungsreich war, interessiert uns im Zeitalter der Luftschifffahrt besonders eine hölzerne Taube des Archytas von Tarent, die tatsächlich imstande war, auf kürzere Strecken in der Luft umher zu fliegen. Wenn die Taube nach beendetem Fluge sich auf die Erde niedergelassen hatte, konnte sie sich allerdings nicht wieder erheben. (Vgl. Gellius X, 12.) Demetrius von Phaleron hatte eine kriechende Schnecke, in Olympia aber war ein flügelschlagender eherner Adler (Pausanias VI, 20, 12).

Sogar Warenautomaten kannte das Altertum. Heron von Alexandrien im 2. Jahrhundert v. Chr. (vgl. die Ausgabe von W. Schmidt, Leipzig 1899-1901 mit Illustrationen) erzählt außer von vielen anderen auch von Weihwasserautomaten, die in den Tempeln aufgestellt waren und aus denen Wasser floss, wenn man eine Drachme oder einen Obolus hineinwarf.

Besonders merkwürdig ist der Automat, den nach Erzählung der byzantinischen Chronographen der oströmische Kaiser Theophilus (829—842), durch die Schriften des genialen Heron angeregt, sich anfertigen ließ. Er ließ nämlich zu beiden Seiten seines Thrones zwei Löwen aus reinem Golde anbringen. So oft der Kaiser nun auf dem Throne Platz nahm, erhoben sie sich mittels einer mechanischen Vorrichtung, brüllten und legten sich dann wieder nieder.

Der Gedanke des Taucherbootes begegnet uns bereits zur Zeit der Kreuzzüge. Es war allerdings sehr primitiv. Im Gedichte Salomon und Morolf (Vers 174 und 342, Voigt) heißt es nämlich: „Môrolf im bereiten hiez Ein schiffelîn von ledere Er ûf daz mere stiez. Daz was mit beche wol berant; Zwei venster (glase fenster) gâben im daz liecht: Alsô meistert ez sîn hant.“ „An ir aller angesicht Senkt er sich nider ûf den grunt. Ein rôre in daz schiffelîn ging. Da mit Môrolf den âtem ving. Daz het er gewirket dar an Mit eime starken ledere Môrolf der listige man. Ein snuore die lag oben dar an, Daz der dugenthafte man Daz rôre nit liez brechen abe. Er barg sich zuo dem grunde Volleclîchen vierzehen tage 23).“ Ob ein ähnliches Fahrzeug in der Wirklichkeit existierte, sei dahingestellt. Keinesfalls war es ein behaglicher Aufenthalt. Die Abbildung eines Unterseebootes bzw. einer Taucherglocke aus dem 14. Jahrhundert befindet sich im cod. germ. 5 der Münchner Hof- und Staatsbibliothek.