Meisterwerke der Malerei. Die Ruhe auf der Flucht.
Lucas Cranach D. Ä. Geb. zu Kronach 1472, Gest. zu Weimar 1553. Deutsche Schule
Autor: Bode, Wilhelm von (1845-1929), Erscheinungsjahr: 1900
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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Kunst, Kultur, Malerei, Meisterwerke, Cranach, Reformation, Luther, Rübezahl, Heinzelmännchen
Lucas Cranach hat dank der Rolle, die er in der Reformation gespielt hat, und dank Verbreitung seiner Holzschnitte und Stiche durch Jahrhunderte seinen Platz neben unseren größten deutschen Meistern, neben Dürer und Holbein, eingenommen. Aber sein Ruhm ist in neuerer Zeit sehr verblichen: gerade seine Dutzendporträts der Reformatoren und der großen Fürsten, unter deren Förderung die Reformation durchgeführt wurde, und die unerfreulichen dogmatischen Bilder seiner späteren Zeit hat man ihm mit Recht zum Vorwurf gemacht; man hat über solchen Bildern seiner späteren Zeit und aus seiner Werkstatt die trefflichen früheren Arbeiten zu sehr vergessen. In den neuesten billigen Künstlerbiographien, die „weiteste Kreise“ für die Kunst gewinnen wollen, hat man ihn gar zum hausbackenen kurfürstlich-sächsischen Philister gemacht, der sich seine Butterbemme zum Bliemchenkaffee wohlschmecken lässt, einen frommen Fürstendiener, der aber nebenbei ein heimlicher Sünder war — ohne eine lüsterne Anspielung auf Perversität geht’s ja in dieser modernen Literatur nun einmal nicht ab! Lucas Cranach war ein ganzer Mann, würdig der Freundschaft Martin Luthers: das beweist sein ganzes Leben; er war aber auch ein voller Künstler: das beweist eine Reihe seiner Bilder, namentlich seiner früheren Zeit, beweisen vor allem seine trefflichen Stiche und Holzschnitte, gleichfalls Werke der früheren Zeit. Unter diesen Jugendwerken steht eines obenan, das unsere Heliogravüre wiedergibt: „Die Ruhe auf der Flucht“, eine neue Erwerbung der Berliner Galerie, die früher die fürstliche Galerie Sciarra in Rom schmückte. Selbst von Albrecht Dürer besitzen wir wenige Kompositionen von solcher Poesie, von so naiver, frischer Erfindung und echt deutscher Empfindung, von so feinem Sinn für die Landschaft. Das Bild mutet uns an wie ein altes Märchen aus dem deutschen Wald, wo der Rübezahl und die Heinzelmännchen hausen. Nicht im Wüstensande unter dem Sinai, sondern am schattigen Waldesrand der eigenen Heimat, am Südrande des Thüringer Waldes, dessen blaue Höhen zwischen den Wipfeln der Bäume in der Feme schimmern, lässt der deutsche Meister die heilige Familie Rast machen. An einem Quell unter einer alten weißbärtigen Tanne hat sie sich niedergelassen. Junge Engel sind zur Stelle, das Kindlein zu bedienen, bringen ihm Früchte des Waldes und Wasser vom Quell zur Erfrischung und bunte Vögel und Schmetterlinge zum heitern Zeitvertreib. Das Elternpaar, echt deutsche Gestalten aus dem Handwerkerstande, wie die herzigen Kinder, sind keine klassischen Schönheiten, aber brave Leute von herzgewinnendem Blick. Die ganze Szene ist in die reichsten harmonischen Farben gekleidet, und ein sonniges Licht breitet heiteren Frieden darüber aus.
Lucas Cranach d. Ä. Die Ruhe auf der Flucht
Königl. Gemälde-Galerie, Berlin
Lucas Cranach d. Ä. Die Ruhe auf der Flucht
Königl. Gemälde-Galerie, Berlin
Lucas Cranach d. Ä. Die Ruhe auf der Flucht. Königl. Gemälde-Galerie, Berlin
Lucas Cranach d. Ä. Die Ruhe auf der Flucht. Königl. Gemälde-Galerie, Berlin (1)
Abb. 092 Luther, Martin (1483-1546) theologischer Urheber der Reformation
Abb. 003. Luthers Vater. 1527. Gemälde von Lukas Cranach. (Die Datierung von Hans Luthers Tod ist nachträglich von anderer Hand daraufgesetzt. Solche Benutzung des Porträts zur späteren Hinzufügung von Erinnerungsnotizen geschah häufig.)
Abb. 004. Luthers Mutter. 1527. Gemälde von Lukas Cranach