Mecklenburg, vom Anfang der historischen Kenntnis 730 bis 1130.

Aus: Geschichte von Mecklenburg von der ältesten bis auf die neueste Zeit
Autor: Dehn, Wilhelm Heinrich Martin (1801-?) Mecklenburger Theologe und Pädagoge, Autor von Schulbüchern, Erscheinungsjahr: 1836
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Mecklenburg, Landesgeschichte, Sitten-, Kultur- und Sozialgeschichte, Landeskunde, Geschichtsschreiber Tacitus, slawische Völkerschaften, Slawen, Wenden, Obotriten, Wilzen, Anten, Lutezier, Radegast, Czernobog, Belbog, Flins, Arkona auf Rügen, Prowe, Wilzan, Wilzlaw, Thrasiko, Gottlav, Slaomir, Ceodrag, Hochbuchi (Hamburg) Ansgarius, Gozomvil, Tabamvizil, Otto I., Mizislav, Misteroy, Mizudrag, Zwarin (Schwerin), Udo, Gottschalk, Ratibor, Siritha, Herzog Bernhard, Ratzeburg, Oldenburg, Heinrich, Kruka von Rügen, Slawina, Herzog Magnus von Sachsen, Zwentepolk, Kanut, Lübeck, Daso, Zwinike, Niklot
1. Die eigentliche Geschichte unsres Vaterlandes beginnt erst mit dem Schlusse des 8ten Jahrhunderts, da alle Quellen uns fehlen, um über die Schicksale der früheren Bewohner eine nur einigermaßen sichere Kunde zu erhalten. An vaterländische Schriftsteller war damals noch nicht zu denken; nur aus den Schriftwerken der Römer ersehen wir, dass, wie ganz Deutschland, so auch Mecklenburg in früherer Zeit im Besitze eines der vielen germanischen Volksstamme war, über dessen Ursprung uns indessen jede Nachricht abgeht, wenn wir nicht unverbürgte Sagen als historische Gewissheit gelten lassen wollen. Was jedoch die römischen Schriftsteller, und unter ihnen vornämlich Tacitus, von der Lebensweise, der Sittenreinheit, dem kriegerischen Geiste und der Freiheitsliebe der alten Deutschen berichten, gilt natürlich auch von unsern Vorfahren, bis im Anfange des 6ten Jahrhunderts jene große Völkerflut sich aus Asiens Steppen ergoss, vom schwarzen Meere und dem Ausflusse der Donau über Ungarn, Böhmen, Oestreich und das süd-östliche Deutschland bis zum adriatischen Meer sich erstreckend. Wenn nun gleich der mächtigste Hauptzweig dieser in Deutschland einbrechenden slawischen Völkerschaften, welcher vorzugsweise den Namen Slawen führte, in der Folge durch innere Parteiungen sich schwächte, seine Einheit verlor und daher mit dem Völkerverband, der das große fränkische Reich später umfasste, leicht verschmolzen wurde, so hatte sich doch ein zweiter slawischer Hauptzweig, Anten genannt, nach dem nördlichen Russland gewandt und dort neue Reiche gestiftet: die Wenden aber, ein dritter Hauptzweig des Slawenvolkes, hatten nach und nach sich in den zwischen der Elbe und der Weichsel gelegenen Landerstrecken festgesetzt, sich mit den früheren Bewohnern vermischt und ihnen ihre Religion, ihre Sitten und Gebrauche mitgeteilt, während sie selbst manche der Tugenden der Germanen sich aneignen mochten, da nicht ein verheerender Vertilgungskrieg, sondern mehr eine friedliche Besitznahme sie zu Herren des Landes machte. Dies mag gegen Ende des 6ten Jahrhunderts erfolgt sein. Diejenige wendische Völkerschaft nun aber, welche in dem heutigen Mecklenburg wohnhaft geworden war, zerfiel in zwei Hauptstämme, die Obotriten und Wilzen; eine genaue Beschreibung von der geographischen Lage und den Grenzen der von ihnen um diese Zeit besessenen Ländergebiete lässt sich nicht geben. Die Obotriten hatten ihren Hauptsitz in Rereg (deutsch: Mikilenburg, d. h. starke Stadt, das heutige Kirchdorf Mecklenburg); ihnen dienstpflichtig waren einige wendische Völkerschaften von minderen Belange. Der Hauptort der Wilzen (auch Lutezier genannt), die in der heutigen Mark Brandenburg vornämlich ihren Sitz hatten, war Rhetra, berühmt durch seine Größe; wo dieser Ort aber, den man am östlichen Ufer der Müritz gesucht hat, gelegen war, ist nicht mit Bestimmtheit anzugeben. Hier hatte Radegast, der Gott des Krieges, von riesiger Größe, mit einem Büffelhaupte geziert und eine Hellebarde führend, einen Haupttempel und ward ihm daselbst die glänzendste Verehrung. Dennoch war die Religion der Wenden, nachdem sie die herrschende geworden war, nicht so heiterer und freundlicher Art, wie früher die der Germanen, denen nach Odins Götterlehre selbst nach dem Tode in Walhallas seligen Gefilden noch ein an Freuden und Genüssen reiches Leben zugesichert wurde. Bei den Wenden aber ward dem Czernobog (dem schwarzen Gott, dem bösen Geist), unter dem Bilde eines grimmen, mit Schlangen umwundenen Löwen dargestellt, eine größere Verehrung, als dem Belbog (dem guten Gott), da die Macht des Ersteren, dessen Zorn nur durch die größten, unter Trauergesängen überbrachten Opfer besänftigt werden konnte, die des Letzteren überstieg. Auch besaß er einen heiligen Becher, zu Blutopfern und Weissagungen bestimmt; ihm zur Seite stand Flins, der Gott des Todes, ein Gerippe mit einer Fackel und einen Löwen auf den Schultern tragend. Außer einer Menge anderer Gottheiten geringeren Ranges finde hier noch Swantewit, der Gott der Zeiten und der Verkünder der Zukunft, Erwähnung, der als ein vielköpfiges Ungeheuer, in den Händen einen Bogen und ein Horn führend, neben ihm Zaum und Sattel von ungewöhnlicher Größe, abgebildet und zu Arkona auf Rügen auf das Feierlichste verehrt wurde. In der Pflege eines ihm geheiligten weißen Rosses, das zu den Weissagungen gebraucht wurde, bestand der tägliche Gottesdienst; von aller Kriegsbeute kam ihm der dritte Teil zu und 300 Reiter standen in seinem Dienst. Dorthin wallfahrten aus der Nähe und Ferne die slawischen Volker mit den reichsten Geschenken versehen, um sich den Segen des Götzen für ihre beabsichtigten Unternehmungen zu erkaufen oder durch der Priester Mund sich die Zukunft deuten zu lassen. So konnte die Statue Swantewits, von dem eine im Eingange der Kirche zu Altenkirchen auf Rügen eingemauerte Steinplatte eine Abbildung enthält, bald aus reinem Golde prangen und sein Oberpriester zu der unbeschränktesten Macht über die in den Banden des Aberglaubens festgehaltene, mit dem Zorn des grimmen Götzen bedrohte Menge gelangen. Wenn vormals in einem schattigen Eichenhaine, an einem einfachen Steinaltare den Gottheiten die Erstlinge des Feldes oder ein Stier der Herde als Dankopfer dargebracht wurde; so bluteten jetzt in den festlich geschmückten, glanzerfüllten Hallen des Tempels die Kriegsgefangenen, gleich Opfertieren von den rachgierigen Priestern am Altare geschlachtet!

Doch dürfen wir den sächsischen Schriftstellern, aus denen der Nationalhass redete, nicht unbedingten Glauben schenken, wenn sie im Allgemeinen unsre wendischen Vorfahren als blutdürstige Unmenschen schildern. Aus ihrer früheren Heimat wogten sie immer die leicht aufbrausende, schnell erglühende Sinnesart des Asiaten mitgebracht haben, die durch augenblickliche Ausbrüche wilder Heftigkeit und Rachgier sich kund tat; dafür wohnten ihnen aber auch des Morgenländers Gastfreundschaft und andere Tugenden desselben im hohen Grade inne, wenn schon sie den germanischen Ureinwohnern hierin bei Weitem nachstanden. Dabei waren sie betriebsam und lagen dem Landbau mit großem Eifer ob, so dass sie bald mit dem hohen Norden in Handelsverbindungen standen, dem sie die selbstgewebte Leinwand und den Ertrag ihrer blühenden Saaten zuführten, kostbares Pelzwerk dafür eintauschend, das sie wieder im südlichen Deutschland absetzten; doch war auch Seeraub nichts Unerhörtes. An Kunst und Wissenschaft war aber noch nicht zu denken. Ob sie eine eigene Schriftsprache besaßen, oder ob ihre Priester sich vielleicht die alte Runenschrift der Germanen angeeignet hatten, bleibt gleichfalls unbestimmt. Was die innere Landesverfassung belangt, so stand den einzelnen Stämmen ein Oberhaupt vor, das durch Kriegstaten oder Reichtum zu Macht und Ansehen gelangt und zu dieser Würde erwählt worden war; diesem lag, ähnlich der früheren Gewohnheit der Germanen, im Frieden die Erhaltung der inneren Ruhe, im Kriege die Führung der gewaffneten Schaaren ob. Die Pflege des Rechts ruhte aber größtenteils in den Händen der Priester, die in waldumkränzten Hainen, welche dem Prowe, dem aus der germanischen Götterlehre entnommenen Gott der Gerechtigkeit, geheiligt und eine Freistatt der Flüchtigen waren, sich versammelten und dem Volke, im Beisein des Fürsten, Recht sprachen.

2. (780-795) Auf den geschichtlichen Schauplatz treten unsre Vorfahren erst zu jener Zeit, als Karl der Große das mächtige Frankenreich begründete und in seinen eroberungssüchtigen Plänen durch die Freiheitsliebe der noch unbezwungenen, in dem nördlichen Teile des zwischen der Elbe und dem Rheine liegenden Ländergebietes wohnhaften Sachsen aufgehalten wurde. Nichts konnte der Erreichung seiner Absicht förderlicher sein, als ein eben unter den Wilzen und den minder mächtigen Obotriten entbrannter Kampf. Unter dem Anscheine eines Vermittlers ihrer Streitigkeiten suchte Karl selbige zu schlichten, machte dann die beiden wendischen Stämme zu seinen Verbündeten und bediente sich nun ihres Beistandes, um die sich mit verzweifelter Tapferkeit verteidigenden Sachsen von zwei Seiten bekämpfen und überwältigen zu können. Nannte Karl unsre wendischen Vorfahren auch Verbündete, so waren sie im eigentlichen Sinne doch nur Dienstpflichtige geworden, die seine Schlachten auf sein Geheiß schlagen mussten. Wilzan oder Wilzlaw, das Oberhaupt der Obotriten, fiel im Kampfe mit den Sachsen. 7us

3. (795-819) Ihm folgten gleichzeitig drei Oberhäupter: Thrasiko, Gottlav und Slaomir, die mit gleichem Eifer den Krieg gegen die Sachsen fortsetzten und nach Beendigung desselben zum Lohn ihrer Hilfsleistung einen Teil des eroberten Landes empfingen: Thrasiko aber ward durch die Königswürde über das nördliche Wendenland belohnt. Als hernach die Dänen feindlich ins Land fielen 804) und bei dieser Gelegenheit das feste Mecklenburg zerstörten, blieb Gottlav im Kampfe wider sie. Durch Karls Beistand wurden die Dänen vertrieben, allein nicht lange darauf fiel Thrasiko durch die Hand eines gedungenen Meuchelmörders (809). Jetzt war nur noch Slaomir am Leben, der aber mit Karls Nachfolger, Ludwig dem Frommen, zerfiel, weil er dem ihm gewordenen Befehle, Thrasikos Sohn, Ceodrag, zum Mitregenten anzunehmen, nicht nachkommen wollte; er ward besiegt und seiner Würde entsetzt. (819) Die früher von den Sachsen gewonnenen Länder hatten Diese, nachdem sie sich zur christlichen Lehre bekannten, bereits wieder erhalten.

4. (819-833) Ceodrag, ein staatskluger Fürst, suchte durch Niederdrückung innerer Unruhen und Schließung auswärtiger Verbindungen nicht nur seine Macht zu verstärken, sondern auch so viel wie möglich seine Unabhängigkeit zu erringen. Nachdem er den Verdacht des Kaisers erregt hatte und ihm das Schicksal seines Vorgängers drohte, fasste er einen schnellen Entschluss und reiste, mit kostbaren Geschenken versehen, nach dem Hoflager Ludwigs, dessen Zorn er auf eine geschickte Weise zu besänftigen wusste. Später führte er glückliche Kriege gegen die Dänen; das Jahr seines Todes ist unbekannt, um das Christentum unter den Obotriten zu verbreiten, hatte um diese Zeit bereits Ludwig ein Erzbistum zu Hochbuchi (Hamburg) gegründet und Ansgarius dem selben vorgesetzt; seine Bemühungen waren ohne großen Erfolg. (833)

5. (833-929) Es folgt jetzt ein langer Zeitraum, über welchen die Geschichte uns wiederum fast ohne alle Nachricht lässt. Bei den inneren Spaltungen nämlich, welche unter den nachfolgenden Kaisern das einst so starke fränkisch-deutsche Reich auflösten, wurden auch die Bande, welche unser Vaterland an dasselbe knüpften, lockerer und gewann es dadurch wieder seine Unabhängigkeit. Wusste auch Ludwig der Deutsche die abgefallenen Obotriten, während der Regierung ihres Fürsten Gozomvil, wieder abhängig zu machen und unter die Aufsicht des Herzogs Ludolf von Sachsen zu stellen (844); so errangen sie doch später, nach hartem Kampfe gegen den König Arnulf, unter ihrem Oberhaupte Tabamvizil die alte Freiheit und kamen außer jeder Verbindung mit Deutschland, in das sie nur von Zeit zu Zeit verheerende Einfälle taten, um ihre frühere Unterdrückung zu rächen.

6. (929-985) So nahte denn die Zeit, wo der Herzog der Sachsen, Heinrich der Vogler, zum deutschen Könige erwählt wurde, (929) der den festen Entschluss fasste, die Wenden für ihre früheren Einfälle ins deutsche Reich zu züchtigen, sie zur Annahme der christlichen Lehre zu zwingen und durch die Gewalt der Waffen seiner Herrschaft zu unterwerfen. Die Ausführung seines Vorhabens, zu welcher er demnächst schritt, (931) war von glücklichem Erfolge; er stiftete alsdann in Oldenburg ein Bistum und in Brandenburg ein Markgrafentum, um die Überwundenen wie im Glauben so auch im Gehorsam festzuhalten. Allein nach allen erlittenen Niederlagen folgte immer nur eine scheinbare Unterwerfung der Wenden, da sie, den Tod der Knechtschaft vorziehend und von ihren Priestern begeistert, schon wieder zu Felde zogen, wenn eben die Sachsen sie für immer überwältigt zu haben glaubten; ja, als Heinrichs Nachfolger, Otto I., das deutsche Reich beherrschte, krönte der Sieg zuletzt ihre mutvollen Bestrebungen zur Abschüttlung des fremden Joches dergestalt, dass sie für eine Zeitlang ihre vormalige Freiheit sich erringen konnten. Doch vermochten sie für die Dauer der feindlichen Übermacht nicht zu widerstehen und gelang es Ottos Statthalter in Sachsen, Herrmann Billung, der mit neuen Kriegsschaaren ins Land rückte, den Obotritenfürsten Mistav zu unterwerfen und ihn zur Annahme des Christentums zu bewegen. Bei der Taufe nahm er den Namen Billung an. Dann bekriegte er sogar gemeinschaftlich mit den sächsischen Statthaltern den Fürsten der stammesverwandten Wagrier und eroberte dessen Hauptstadt Oldenburg, wo er aufs Neue ein Bistum gründete und sich mit der Schwester des Bischofs Wago vermählte. (973) Auch stiftete er ein Nonnenkloster zu Mecklenburg und erbaute mehrere Kirchen im Lande. Bei dem Allen war seine Unterwerfung nur eine scheinbare, von der Notwendigkeit geboten gewesen, denn als bald darauf Otto I. dem Tode erlag, fiel Mistav vom Christentum wieder ab, zerstörte alle von ihm gegründeten Stiftungen, vertrieb die Christen, verstieß seine Gemahlin und überzog selbst den Bischof Wago von Oldenburg mit Krieg; ein rascher Angriff des Markgrafen zwang ihn zum Frieden.

7. (985-1025) Mizislav, Mistavs Sohn, folgte in der Regierung des Landes, die durch fortwährende Kämpfe mit den Sachsen bezeichnet ist, da die selben sich Gewalttätigkeiten jeglicher Art bei der weiteren Verbreitung des Christentums erlaubten. Das fasste endlich Mistevoy, Mitzislavs Sohn, in Verbindung mit dem wagrischen Fürstensohn Mizudrag, den kühnen Entschluss, Alles an Alles zu setzen und durch einen letzten Versuch entweder das Vaterland zu retten oder heldenmütig unterzugehen. Racheglühend fallen sie über die verhassten Feinde her und blutige Spuren bezeichnen ihre Bahn, die ihr verheerender Zug genommen hat. Und während im feindlichen Gebiete ihr entfesselter Grimm jede Schranke niederwirft, die Bischöfe aus Oldenburg und Brandenburg vertreibt und die gefangenen Christen in Hamburg mordet, werden im eigenen Lande die Kirchen und Klöster dem Erdboden geichgemacht, die Bekenner des christlichen Glaubens vertilgt und die heidnischen Götzen empfangen wieder, mit dem Dank für den errungenen Sieg, die frühere Verehrung. In späteren Jahren jedoch soll Mistevoy sich dem Christentume geneigt gezeigt haben und dieser Umstand mag die Veranlassung zu einem Kriege mit den Wilzen gewesen sein, die kurz vor seines Vaters Tode in Obotritien einbrachen, die Hauptfeste Zwarin (Schwerin) erstürmten, ihn zur Flucht zwangen und aus dem Lande verbannten. (1025) Im Kloster zu Badewick soll er in der Stille sein Heidenleben geendigt haben.

8. (1025-1032) Udo, Mistevoys Sohn, erhielt wahrend der jetzt von ihm übernommenen Regierung die erkämpfte Unabhängigkeit; doch war er von grausamer Gemütsart und ward schon nach wenigen Jahren durch einen Sachsen ermordet. Seinen Sohn Gottschalk hatte er auf Anraten des Herzogs Bernhard von Sachsen im Michaelis-Kloster zu Lüneburg erziehen lassen, indem dieser sich des Sohnes wahrscheinlich als Geißel gegen den Vater zu bedienen dachte. Gottschalk wäre rechtmäßiger Weise der Erbe seines Vaters gewesen, allein er ward von der Thronfolge ausgeschlossen, da der Volkshass gegen seinen Vater zu tief war, und dessen Bruder oder Oheim Ratibor zum Oberhaupt erwählt.

9. (1042) Ratibors Regierung war nicht von langer Dauer. Für die Verbreitung des Christentums soll er tätig gewesen sein; als er aber mit den Dänen in Krieg verwickelt wurde, blieb er nebst seinen acht Söhnen in einer Schlacht. (1042)

10. (1045-1066) Bei der Nachricht von der Ermordung seines Vaters war Gottschalk aus dem Kloster entflohen; den Sachsen schwor er Rache und Hass gegen die Christen beseelte ihn. Er hielt seinen Schwur nur zu sehr, denn mit einer schnell gesammelten Kriegsschar fiel er plündernd und mordend in Sachsen ein und erfüllte bald das Land mit Furcht und Entsetzen. Da soll irgend ein Begebnis plötzlich seine wilde Sinnesart umgewandelt und ihn zum Frieden geneigt gemacht haben. Die deshalb gepflogenen Unterhandlungen führten aber zu keinem Ziele, der Kampf begann aufs Neue und schon in der nächsten Zeit fiel Gottschalk in die Gefangenschaft des Herzogs Bernhard. Dieser gewann ihn bald lieb, löste seine Fesseln und schenkte ihm die Freiheit, wozu ihn vielleicht auch politische Gründe bewegen mochten. Gottschalk begab sich zum dänischen Könige Kanut, bei dem er Kriegsdienste nahm, dann bald durch seine kühne Taten Ruhm und Ehre erwarb und Siritha, eine nahe Verwandte des Königs, zur Gemahlin empfing. Als ihm aber die Kunde von Ratibors Untergang ward, da richteten sich seine Blicke wieder nach dem Lande seiner Geburt und die Sehnsucht nach dem Erbe seiner Väter erwachte mit verstärkter Gewalt in ihm. Mit der Schnelle des Gedankens erscheint er, von dänischer Hilfsmannschaft unterstützt, in seinem Vaterlande, unterwirft alle ihm widerstrebenden Parteien, besiegt die verwandten Stämme, macht sie zinspflichtig und setzt die Königskrone auf sein Haupt, sich zum Oberhaupte des ganzen nördlichen Wendenlandes machend. (1045) Aber mit seinem Heldenmut ging seine Herrscherweisheit nicht gleichen Schritt. Wie er die Kriegsscharen vor sich niedergeworfen hatte, wollte er auch die Geister binden und suchte, durch die Schmeicheleien der christlichen Geistlichkeit gewonnen und durch die enge Verbindung mit dem sächsischen Herzoge Bernhard angespornt, trotzend auf seine Herrschermacht, seine Untertanen gewaltsam zur christlichen Lehre zu bekehren. Nicht genug, dass er Kirchen und Klöster erbaute und zu Mecklenburg und Ratzeburg neue Bistümer, gründete, er schonte auch nicht des Eigentums seiner nicht vom Glauben ihrer Vater lassen wollenden Untertanen, das er zu geistlichen Stiftungen einzog, und indem er die Bilder der geheiligten Götzen zertrümmern ließ, wurden die Priester derselben an den umgestürzten Altären hingerichtet. Da endlich durchbrach der lang verhaltene Grimm alle Dämme und in einer allgemeinen Empörung, die sich über das ganze Land fortwalzte und an der selbst Gottschalks Schwager Teil hatte, verfiel er dem Tode, indem er zu Lenzen von seinem eigenen Volke ermordet wurde. (1066) Eines ähnlichen Todes starben alle christliche Geistliche, deren man habhaft werden konnte; überall wütete der Mord in seiner furchtbarsten Gestalt; die Kirchen und Klöster wurden niedergebrannt, die Städte Hamburg und Schleswig in einen Aschenhaufen verwandelt. So war denn durch Gottschalks unzeitigen Eifer und unerlaubte Gewalttätigkeit wiederum das Christentum in diesen Landen vertilgt und dem Götzendienste wurde aufs Neue Anbetung und Verehrung im verstärkten Grade!

11. (1074) Siritha, Gottschalks Gattin, rettete sich mit ihrem jüngeren Sohne Heinrich glücklich nach Dänemark, wo ihr Vater Sueno Estridson unterdessen die Königswürde erlangt hatte; Buthue aber, der ältere Sohn, suchte Hilfe bei den Sachsen, da Dänemark gerade selbst durch Bürgerkrieg zerrissen wurde. Inzwischen bemächtigte sich der Fürst Kruko von Rügen der Alleinherrschaft, schlug die Sachsen aus dem Felde und belagerte Buthue zuletzt in der Festung Plön im Lande Wagrien. Der Hunger zwang diesen zur Übergabe, und Kruko, obgleich er ihm vorher die Erhaltung des Lebens zugesichert hatte, ließ ihn hierauf dennoch grausamer Weise (1074) mit seinem ganzen Anhange niedermachen. Übrigens wusste Kruko nicht nur die alte Unabhängigkeit seines neuen Reiches zu sichern, sondern er vergrößerte dasselbe sowohl durch die Verbindung mit seinem Erblande Rügen, als auch durch manche andere wichtige Eroberungen. Mit dem Frieden und seinen segenreichen Künsten mochte er sich nicht befassen, denn nur nach Kampf dürstete sein wilder Sinn und im Gewühl der Schlacht fand er seine Lust. So verheerte er denn auch Nordalbingien und das aus der Asche kaum erstehende Hamburg ward abermals von ihm niedergebrannt.

12. (1105-1126) Im Laufe der Zeit bestieg jedoch Niklot, des geflüchteten Heinrichs Oheim, den dänischen Thron und fand Letzterer an Jenem eine so mächtige Stütze, dass er ein Heer ausrüsten und mit demselben in Wagrien einfallen konnte. Das Glück begünstigte sein Unternehmen; er eroberte Oldenburg und brachte Kruko dahin, dass er ihm einen Teil von Wagrien abtreten musste. Seines Gegners, den die Gewalt der Waffen nicht zu besiegen vermocht hatte, suchte Kruko sich nunmehr durch Meuchelmord zu entledigen; aber Slawina, des betagten Kruko jugendliche Gemahlin, eine pommersche Fürstentochter, durch Heinrich gewonnen, warnte ihn vor den ihm gelegten Fallstricken, und als bei einem zu Plön gehaltenen Bankett Kruko trunken wurde, ließ Heinrich ihn durch einen Dänen niederstoßen. (1105) Diese blutige Tat verschaffte ihm den Besitz Slawinas und des väterlichen Erblandes, welchem vor vierzig Jahren er sich mit seiner Mutter durch eine schmähliche Flucht hatte entziehen müssen. Um sich im Besitze der gewaltsam errungenen Herrschaft zu sichern, schloss er sofort mit dem Herzoge Magnus von Sachsen einen Bund, mit dessen Hilfe er diejenigen wendischen Volksstämme, welche sich wider ihn erhoben und wozu auch die Rügen gehörten, bekämpfte und die inneren Parteiungen unterdrückte. Mag jener Mord, der ihm den Thron erwarb, auch als ein Flecken auf seiner Fürstenehre haften, so ist doch nicht zu leugnen , dass fortan in allen seinen Handlungen seine Herrschergröße hervorleuchtete, da sie von seinem Mute, seiner Klugheit, seiner Gerechtigkeit und Mäßigkeit Zeugnis ablegten und nur dahin zielten, die Liebe des Volks zu erwerben. Ruhe und Friede wurden wieder heimisch im Obotritenlande, dessen Grenzen sich bis an die Eider und Oder erstreckten, und um jeden Anlass zu neuen Streitigkeiten mit seinem Verbündeten zu entfernen, trat er das von Kruko eroberte Nordalbingien wieder an Magnus von Sachsen ab. Dass er, wie einige Schriftsteller behaupten, zu diesem auch in einen eigentlichen Lehnsverband getreten sein sollte, ist wenig wahrscheinlich, da Jener der minder Mächtige war und die Staatsklugheit diesen Schritt nicht gebieten konnte. Obgleich der christlichen Religion zugetan und deren Zwecke fördernd, suchte Heinrich doch nicht durch gewalttätige Mittel seine Untertanen dem Götzendienste zu entreißen; das Schicksal seines Vaters diente ihm vielleicht als Warnung. Einige wilzische Stämme jedoch, die mit den sächsischen Bischöfen in Fehde geraten waren, brachte er bald zur Ruhe; die Rügen aber, die bei einem erneuten Aufruhr seinen Sohn Waldemar erschlagen hatten, strafte er hart. Ein Kampf von größerer Wichtigkeit stand ihm alsdann mit seinem Oheim Niklot von Dänemark bevor. Dieser hatte sich nämlich der Güter daselbst bemächtigt, die auf Heinrich von seiner Mutter vererbt waren, und da alle Unterhandlungen deshalb vergeblich waren, griff Letzterer rasch zum Schwert und fiel in die dänischen Lande ein. Das Glück begünstigte die gerechte Sache; Niklot ward aus dem Felde geschlagen. (1115) In dieser bedrängten Lage übergab der Dänenkönig die Führung des Heeres seinem Neffen, dem heldenkühnen Herzoge Kanut Leward von Schleswig, der bald den Sieg wieder an seine Feldzeichen fesselte und Heinrich so hart bedrängte, dass er sich in eine Festung werfen musste, welche die Dänen einschlossen. Er war seinem Untergange nahe, als sein hochherziger Gegner ihm plötzlich mit Friedensvorschlägen entgegentrat und die Hand zur Versöhnung bot. Im Friedensvertrage wurde Heinrich eine Entschädigungssumme für die Abtretung seiner mütterlichen, in Dänemark gelegenen Erbgüter zugesichert; er aber versprach, mit Ausschließung seiner beiden Söhne Zwentepolk und Kanut, die er bei so schweren Zeiten vielleicht der Regierung nicht gewachsen glaubte, dem edelsinnigen Kanut Leward die Thronfolge im Obotritenlande. (1116) Dieser jedoch besaß zu viel Charaktergröße, um das Anerbieten zu genehmigen; er erklärte, nur dann von dem ihm erteilten Rechte Gebrauch machen zu wollen, wenn Heinrichs Söhne dem Leben abgestorben sein sollten. Wenige Friedensjahre reichten jetzt hin, alle Spuren des Krieges zu verwischen; der Landbau hob sich, der Handel blühte auf, der Flor der Städte, wohin Heinrich viele deutsche Ansiedler zu ziehen wusste, nahm zu und in der Stille gewann die Christenlehre größere Verbreitung. Prunklos vollbrachte Heinrich den Abend seines ruhmvollen Greisenalters in seiner Residenz Lübeck und dort rief auch nach einem tatenreichen, schicksals-schweren Leben der Tod ihn ab. (1126) Die Geschichte nennt ihn den Obotriten.

13. (1127-1130) Heinrichs Schöpfung aber, an die er die ganze Kraft seines Lebens verwandt hatte, untergrub jetzt, wie er es vielleicht schon im Geiste vorausgeschaut hatte, der blutigste Bruderzwist, begleitet von Mord und Brand, Plünderung und Verheerung und Gräuel jeglicher Art. Des Friedens herrliche Blüten, die sich so freudig entfaltet hatten, zerknickte der raue Kriegssturm, und der Seehandel, der bei dem in Deutschland bereits herrschend werdenden Luxus einen raschen Aufschwung genommen hatte, zog sich aus den wendischen Städten größtenteils wieder weg, wo er kein Gedeihen mehr hatte; nur noch als die kühnsten Korsaren blieben die Wenden allgemein gefürchtet. Durch den Verrat seines Bruders starb Kanut eines blutigen Todes. (1127) Bald erlag Zwentepolk einem gleichen Schicksale, (1129) das ihm Daso, ein nordalbingischer Raubritter, in dessen Hände er gefallen war, in seinem Fürstensitze zu Lübeck bereitete; sein nachgelassener Sohn Zwinike wurde kurze Zeit darauf gleichfalls ermordet und mit ihm sank der letzte Zweig von Heinrichs Stamm in die Gruft. (1130)

Begrüßung eines Turnierteilnehmers

Begrüßung eines Turnierteilnehmers

Angriff auf eine Burg

Angriff auf eine Burg

Huldigung

Huldigung

Anreise der Turnierteilnehmer per Schiff

Anreise der Turnierteilnehmer per Schiff

Beratschlagung

Beratschlagung

Rittermahl

Rittermahl

Beim Lanzenstechen am Hals getroffen

Beim Lanzenstechen am Hals getroffen