Mecklenburg - Landesbeschreibung, Sittenbild
Aus: Die Choleraepidemie des Jahres 1859 im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin
Autor: Ackermann, Hans Konrad Karl Theodor (1825-1896) deutscher Pathologe, Professor an der Rostocker Universität, Erscheinungsjahr: 1860
Themenbereiche
Mecklenburg-Vorpommern Politik, Gesellschaft, Wirtschaft Gesundheit, Medizin, Homöopathie Hansestadt Rostock
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Rostock, Medizingeschichte, Landesgeschichte, Sitten- und Sozialgeschichte, Stadtgeschichte, epidemische Ausbreitung, Seuchen, Epidemie
Das Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin umfasst einen Flächenraum von 244 Q.-Meilen und bildet einen Teil der weiten norddeutschen Ebene, welche von den Küsten der Ostsee südwärts bis zu dem großen Gebirgszuge sich erstreckt, der fast die Mitte Deutschlands von Osten nach Westen durchzieht.*) Das Land ist indessen eben so wenig, wie seine Nachbarländer ganz flach, sondern voll von sanft gerundeten Hügeln und wird in der Richtung von SO, nach NW. von einem sehr breiten Landrücken durchzogen, welcher von der Uckermärkischen Grenze an bis zum Plauer See hin durchschnittlich etwas über 200 Fuß hoch ist und sich nach NW. hin allmählich senkt. Während der nördliche Rand desselben in Mecklenburg-Strelitz noch 10 Meilen von der Ostsee entfernt ist, berührt er westlich vom Schweriner-See das Meer unmittelbar und bildet hier die hohen, hügeligen Ufer des Klützer-Ortes.
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Die Oberfläche dieses Landrückens ist sehr verschieden gestaltet; bald ist sie auf sehr große Strecken völlig eben, wie z. B. die Gegend, welche die Müritz und die westlich von ihr gelegenen großen Seen trägt, bald erheben sich auf ihr wellenförmige Hügelreihen und einzelne Berge. Zwischen der Warnow und dem Schweriner See wendet sich ein Zweig dieses Höhenzugs nach Norden und erfüllt den ganzen Raum zwischen Sternberg, Wismar und Rostock mit seinen Hügeln. Vom südlichen Rande desselben geht ebenfalls ein Zweig ab und streift über Parchim südlich nach Marnitz. Zwischen dieser Erhebung des Bodens und der Ostsee bleibt im nordöstlichen Teile von Mecklenburg-Schwerin eine weite Ebene übrig, welche sich auch noch über die Landesgrenze hinaus fortsetzt, ganz Neu-Vorpommern umfasst und nur hin und wieder durch eingeschnittene Flusstäler unterbrochen wird. Eine andere Ebene nimmt den südwestlichen Teil von Mecklenburg-Schwerin ein. Sie wird nördlich in einer von der Südspitze des Schweriner- zur Nordspitze des Schaalsees gezogenen Linie von dem Zentralhöhenzuge begrenzt, östlich von den Bergen bei Parchim und Marnitz; südlich und westlich setzt sie sich in die Priegnitz, in Hannover, Holstein und Lauenburg fort. Aus dieser weiten Ebene erheben sich nur hin und wieder niedere Hügel gleich Inseln aus einer Wasserfläche. Sie hat von Brückner den Namen Heideebene erhalten.
*) Die geographischen und geognostischen Notizen sind größtenteils Bolls trefflicher Arbeit (Mecklenburg, eine naturgeschichtliche u. geographische Schilderung. Neubrandenburg 1857) entnommen.
Der Boden Mecklenburgs besteht durchweg aus lockeren Erdschichten (Sand, Lehm, Mergel, Ton). Nur an sehr wenigen Punkten desselben finden sich an der Oberfläche oder dicht unter ihr feste Gesteine: Gips bei Lübtheen in der Heideebene und Kalk (weiße Kreide) in der nordöstlichen Ebene bei Gnoyen, in den Umgebungen des Malchiner- und der großen südlichen Seen (Müritz-, Kölpin-, Fleesen- und Plauersee). Eine große Menge von Steinblöcken (Gerölle) ist über das Land ausgestreut. In besonders großer Menge finden sie sich in einem breiten Landstriche, welcher, in der Nähe des Salzhaffs beginnend, südlich vom Malchiner See und der Lieps bis in die Gegend von Prenzlau in der Uckermark von NW. nach SW. sich hinzieht. — Die lockeren Erdschichten, welche den Boden des Landes bilden, liegen vielfach wechselnd über einander. An der Oberfläche zeigen sich aber in der nördlichen Hälfte des Landes, so wie südlich von den großen Schweriner Seen (der Müritz und den benachbarten) vorzugsweise Lehm- und Tonlager (das fruchtbare Geestland); einen breiten Streifen Landes, welcher nördlich von der Müritz und den benachbarten großen Seen bis zur Südspitze des Schweriner-Sees mitten durch das Land sich hinzieht, überdeckt weißgelber Sand. Die Oberfläche der Heideebene bildet vorzugsweise schwärzlich-grauer oder schwarzer sehr saurer Humusboden (Heideboden), welcher auf braungelbem Sande (Fuchserde, Ur) ruhet. — Natürlich erleiden diese allgemeinen Angaben mannichfache Ausnahmen. Geestland nimmt aber den größten Teil der Bodenoberfläche ein und macht dadurch Mecklenburg zu einem der fruchtbarsten deutschen Länder.
Das Klima ist wegen der Nähe zweier großer Meere in Mecklenburg viel milder, als in anderen östlicher, aber auf gleicher Breite gelegenen Ländern. Die mittlere Jahrestemperatur beträgt ungefähr 8,5° C., die mittlere Sommertemperatur etwa 17° C., die mittlere Wintertemperatur 0,5° C. Kälte. Ausnahmsweise steigt die Temperatur im Sommer bis zu fast 36° C. und sinkt im Winter bis —30° C., der Unterschied zwischen der größten Hitze und Kälte beträgt also 66° C.; gewöhnlich aber liegen die äußersten Temperaturgrenzen eines Jahres nur um 52° C. von einander entfernt. Die Zahl der jährlichen Regentage beträgt durchschnittlich etwa 100 und die jährliche Regenmenge erreicht ungefähr 26 Zoll. Von den Winden wehet am häufigsten der SW, am seltensten der S., jener nach 9jährigen Beobachtungen durchschnittlich an 108, dieser an 15 Tagen im Jahr.
Mecklenburg ist freilich in sehr verschiedenem Grade, im Ganzen aber nur schwach bevölkert und hat von sämtlichen deutschen Ländern relativ die geringste Einwohnerzahl. Im Jahr 1858 betrug dieselbe in Mecklenburg-Schwerin 542.148, Auf dem platten Lande verteilt die Bevölkerung sich durchschnittlich in der Weise, dass in den Domainen 2.087, in den ritterschaftlichen Besitzungen aber nur 1.396 Einwohner auf die Quadratmeile kommen.
Die hauptsächlichste Beschäftigung der Einwohner Mecklenburgs ist Ackerbau und Viehzucht; Fabriken fehlen fast gänzlich und die Beschäftigung der Stadteinwohner beschränkt sich daher fast nur auf die gewöhnlichen Gewerbezweige und auf den Ackerbau. Der in der Ausfuhr von Getreide und anderen Landesprodukten bestehende Handelsbetrieb wurde früher fast gänzlich von Rostock und Wismar absorbiert, hat sich aber seit der Erbauung der Eisenbahn auch in einzelne Städte des Binnenlandes verbreitet.
In den Städten sind die Wohnungen im Allgemeinen geräumig und selbst die ärmere Bevölkerung, deren Umfang übrigens, zum Teil in Folge der eigentümlichen Heimatverhältnisse des Landes, ein relativ nicht besonders großer ist, wohnt hier in der Regel nicht so zusammengedrängt und so schmutzig, wie dies in anderen Gegenden Deutschlands häufig der Fall ist. Auf dem Lande dagegen genügen die Wohnungen für die arbeitende Klasse oft kaum den bescheidensten Ansprüchen. Hier findet man noch fast regelmäßig große Hütten mit Strohdächern und ohne Schornsteine, kleine, hier und da kaum 6 Fuß hohe Wohngemächer mit unbedeckten, einfach aus der Erde des Standortes bestehenden Fußböden und diese Räume in der Regel mit Menschen überfüllt. Große Dungmengen lagern gewöhnlich nahe bei den Häusern in flachen, ungemauerten Gruben und erfüllen Atmosphäre und Erdreich der Nachbarschaft mit Stoffen, welche unter Umständen die nachteiligsten Wirkungen auf die Einwohnerschaft der angrenzenden Häuser ausüben können. Alle diese schädlichen Bedingungen finden sich in höchster Potenz in den Wohnungen der Armen und Hilflosen. Die Hütten dieser Unglücklichen, welche außer Stande sind, die für ihren Unterhalt nötige Arbeit zu leisten, die sogenannten Armenkaten, sind, als die Schauplätze jeglichen Elendes, auch die Orte, in welchen epidemische Krankheiten ihre ergiebigsten Ernten zu halten Pflegen.
Kartoffeln und Schwarzbrot, bilden zwar Hauptbestandteile der Nahrung für den ländlichen Arbeiter; dennoch kann die Kost desselben nicht als eine ungesunde gelten. Die Kartoffel ist in Mecklenburg durchschnittlich von guter, zum Teil von ausgezeichneter Beschaffenheit und neben derselben werden auch außer dem Schwarzbrote noch Fleisch- und Mehlspeisen, Bier- und Milchsuppen, Obst u. s. w. als Nahrungsmittel für die arbeitende Klasse auf dem Lande verwandt. — Fast allgemein ist beim Landvolk die Sitte, sehr warme Unterkleider zu tragen und in übermäßig warmen und schweren Betten zu schlafen. Bei Krankenbesuchen auf dem Lande hat der Arzt, selbst in heißen Sommertagen, nicht selten Gelegenheit, mit Staunen zu sehen, wie zum Zweck der Krankenuntersuchung nach Entfernung eines dicken Halstuches und einer schweren wollenen Weste noch drei bis vier Flanellhemden und Jacken allmählich vom Körper gezogen werden, und zuweilen gelingt es ihm nur unter erheblicher Anstrengung, das gewaltige Oberbett zu lüften, unter welchem Kranke und Gesunde oft neben einander begraben liegen.
*) Die geographischen und geognostischen Notizen sind größtenteils Bolls trefflicher Arbeit (Mecklenburg, eine naturgeschichtliche u. geographische Schilderung. Neubrandenburg 1857) entnommen.
Der Boden Mecklenburgs besteht durchweg aus lockeren Erdschichten (Sand, Lehm, Mergel, Ton). Nur an sehr wenigen Punkten desselben finden sich an der Oberfläche oder dicht unter ihr feste Gesteine: Gips bei Lübtheen in der Heideebene und Kalk (weiße Kreide) in der nordöstlichen Ebene bei Gnoyen, in den Umgebungen des Malchiner- und der großen südlichen Seen (Müritz-, Kölpin-, Fleesen- und Plauersee). Eine große Menge von Steinblöcken (Gerölle) ist über das Land ausgestreut. In besonders großer Menge finden sie sich in einem breiten Landstriche, welcher, in der Nähe des Salzhaffs beginnend, südlich vom Malchiner See und der Lieps bis in die Gegend von Prenzlau in der Uckermark von NW. nach SW. sich hinzieht. — Die lockeren Erdschichten, welche den Boden des Landes bilden, liegen vielfach wechselnd über einander. An der Oberfläche zeigen sich aber in der nördlichen Hälfte des Landes, so wie südlich von den großen Schweriner Seen (der Müritz und den benachbarten) vorzugsweise Lehm- und Tonlager (das fruchtbare Geestland); einen breiten Streifen Landes, welcher nördlich von der Müritz und den benachbarten großen Seen bis zur Südspitze des Schweriner-Sees mitten durch das Land sich hinzieht, überdeckt weißgelber Sand. Die Oberfläche der Heideebene bildet vorzugsweise schwärzlich-grauer oder schwarzer sehr saurer Humusboden (Heideboden), welcher auf braungelbem Sande (Fuchserde, Ur) ruhet. — Natürlich erleiden diese allgemeinen Angaben mannichfache Ausnahmen. Geestland nimmt aber den größten Teil der Bodenoberfläche ein und macht dadurch Mecklenburg zu einem der fruchtbarsten deutschen Länder.
Das Klima ist wegen der Nähe zweier großer Meere in Mecklenburg viel milder, als in anderen östlicher, aber auf gleicher Breite gelegenen Ländern. Die mittlere Jahrestemperatur beträgt ungefähr 8,5° C., die mittlere Sommertemperatur etwa 17° C., die mittlere Wintertemperatur 0,5° C. Kälte. Ausnahmsweise steigt die Temperatur im Sommer bis zu fast 36° C. und sinkt im Winter bis —30° C., der Unterschied zwischen der größten Hitze und Kälte beträgt also 66° C.; gewöhnlich aber liegen die äußersten Temperaturgrenzen eines Jahres nur um 52° C. von einander entfernt. Die Zahl der jährlichen Regentage beträgt durchschnittlich etwa 100 und die jährliche Regenmenge erreicht ungefähr 26 Zoll. Von den Winden wehet am häufigsten der SW, am seltensten der S., jener nach 9jährigen Beobachtungen durchschnittlich an 108, dieser an 15 Tagen im Jahr.
Mecklenburg ist freilich in sehr verschiedenem Grade, im Ganzen aber nur schwach bevölkert und hat von sämtlichen deutschen Ländern relativ die geringste Einwohnerzahl. Im Jahr 1858 betrug dieselbe in Mecklenburg-Schwerin 542.148, Auf dem platten Lande verteilt die Bevölkerung sich durchschnittlich in der Weise, dass in den Domainen 2.087, in den ritterschaftlichen Besitzungen aber nur 1.396 Einwohner auf die Quadratmeile kommen.
Die hauptsächlichste Beschäftigung der Einwohner Mecklenburgs ist Ackerbau und Viehzucht; Fabriken fehlen fast gänzlich und die Beschäftigung der Stadteinwohner beschränkt sich daher fast nur auf die gewöhnlichen Gewerbezweige und auf den Ackerbau. Der in der Ausfuhr von Getreide und anderen Landesprodukten bestehende Handelsbetrieb wurde früher fast gänzlich von Rostock und Wismar absorbiert, hat sich aber seit der Erbauung der Eisenbahn auch in einzelne Städte des Binnenlandes verbreitet.
In den Städten sind die Wohnungen im Allgemeinen geräumig und selbst die ärmere Bevölkerung, deren Umfang übrigens, zum Teil in Folge der eigentümlichen Heimatverhältnisse des Landes, ein relativ nicht besonders großer ist, wohnt hier in der Regel nicht so zusammengedrängt und so schmutzig, wie dies in anderen Gegenden Deutschlands häufig der Fall ist. Auf dem Lande dagegen genügen die Wohnungen für die arbeitende Klasse oft kaum den bescheidensten Ansprüchen. Hier findet man noch fast regelmäßig große Hütten mit Strohdächern und ohne Schornsteine, kleine, hier und da kaum 6 Fuß hohe Wohngemächer mit unbedeckten, einfach aus der Erde des Standortes bestehenden Fußböden und diese Räume in der Regel mit Menschen überfüllt. Große Dungmengen lagern gewöhnlich nahe bei den Häusern in flachen, ungemauerten Gruben und erfüllen Atmosphäre und Erdreich der Nachbarschaft mit Stoffen, welche unter Umständen die nachteiligsten Wirkungen auf die Einwohnerschaft der angrenzenden Häuser ausüben können. Alle diese schädlichen Bedingungen finden sich in höchster Potenz in den Wohnungen der Armen und Hilflosen. Die Hütten dieser Unglücklichen, welche außer Stande sind, die für ihren Unterhalt nötige Arbeit zu leisten, die sogenannten Armenkaten, sind, als die Schauplätze jeglichen Elendes, auch die Orte, in welchen epidemische Krankheiten ihre ergiebigsten Ernten zu halten Pflegen.
Kartoffeln und Schwarzbrot, bilden zwar Hauptbestandteile der Nahrung für den ländlichen Arbeiter; dennoch kann die Kost desselben nicht als eine ungesunde gelten. Die Kartoffel ist in Mecklenburg durchschnittlich von guter, zum Teil von ausgezeichneter Beschaffenheit und neben derselben werden auch außer dem Schwarzbrote noch Fleisch- und Mehlspeisen, Bier- und Milchsuppen, Obst u. s. w. als Nahrungsmittel für die arbeitende Klasse auf dem Lande verwandt. — Fast allgemein ist beim Landvolk die Sitte, sehr warme Unterkleider zu tragen und in übermäßig warmen und schweren Betten zu schlafen. Bei Krankenbesuchen auf dem Lande hat der Arzt, selbst in heißen Sommertagen, nicht selten Gelegenheit, mit Staunen zu sehen, wie zum Zweck der Krankenuntersuchung nach Entfernung eines dicken Halstuches und einer schweren wollenen Weste noch drei bis vier Flanellhemden und Jacken allmählich vom Körper gezogen werden, und zuweilen gelingt es ihm nur unter erheblicher Anstrengung, das gewaltige Oberbett zu lüften, unter welchem Kranke und Gesunde oft neben einander begraben liegen.