Lotsen-Kommandant Jantzen und Rethwischer Fischer und Bauern retten Dänen aus Seenot
Aus: Der Sporn. Zentral-Blatt für die Gesamt-Interessen des deutschen Sports. Offizielles Organ des Union-Klubs und sämtlicher Deutschen Renn-Vereine
Autor: H. T., Erscheinungsjahr: 1874
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Hansestadt Rostock, Bad Doberan, Heiligendamm, Warnemünde, Lotsen-Kapitän, Reisen, Urlaub, Ostsee, Küste, Meer, Strand, Sommerausflug, Hauptstadt Berlin, Schwerin, Seebad, Rethwisch, Lotsenkommandeur Jantzen, Lebensretter,
Am zwölften Tage des heurigen, segenvollen Erntemonats streichelte meine schwimmkundige Hand zum letzten Male – hoffentlich ist's nicht zum allerletzten Male – die schäumenden Mähnen der Rosse Poseidon's und mit Empfindungen des Dankes nahm ich Abschied von dem schönen Heiligendamm und seinem heilvollen laubwaldigen Strande, um zurückzukehren in Deutschlands Haupt- und Residenzstadt, an die Gestade der Spree und Panke, wo die Luft durch die emsigsten Ozon-Messungen wahrscheinlich nicht besser geworden ist, als sie vor meiner Abreise war.
Zu Anfang meiner kleinen Sommerausflüge, so in den ersten Tagen, danke ich immer dem Himmel, dass es mir vergönnt war, dem staubigen, missduftenden, gähnenden Berlin zu entfliehen und grüble sehr ernsthaft darüber nach, wie es sich wohl arrangieren ließe, um nie mehr dahin zurückkehren zu dürfen; aber das dauert nicht eben lange, so sehne ich mich zurück nach den Freunden in der geistig-regsamen bedeutenden Metropole und nach einer Unterhaltung, aus der man etwas lernen kann. Und sind nicht selbst die Druckfehler in Berliner Zeitungen bei weitem witziger und amüsanter als anderswo? So z. B. finde ich in meiner letzten Plauderei – No. 33 des „Sporn“, d. d. 15. August – statt coup de „cheveux“ – coup de „cheveaux“; kann man in einem Sportjournal nun wohl einen tendenziöseren Druckfehler prästieren?! Nun, in wenig Tagen wird ja meine Sehnsucht nach Berlin gestillt sein und wenn diese Nummer des „Sporn“ die Presse verlässt, ist – Petz wieder da.
Ich will nur noch von Schwerin aus, wo ich diese Zeilen schreibe, ein paar Scheideblicke auf das Seebad am Heiligendamm, auf Doberan, Rostock, Warnemünde und die reizend gelegene Residenz S. K. H. des Großherzogs von Mecklenburg-Schwerin werfen, dann meine sieben Sachen zusammenpacken und abdampfen. Auf einer der grünen Badezellen-Türen am Heiligendamm fand ich mit Bleifeder die Worte angekritzelt: „Am 16. Dezember 1873 strandete hier die dänische Yacht Anna Katharina aus Bornholm.“ Dem Anschein nach kaum 500 Schritt vom Lande, nordöstlich vom Herrenbad, aber ganz nahe dabei liegt noch heute das Wrack, dessen Mast – die Yacht hatte nur einen – aus dem Wasser ragt, während der Schiffskörper davon bedeckt und nicht sichtbar ist. Das kleine Schiff hatte schwedische Bausteine, sogenannte Fliesen, geladen, im Wert von etwa 700 Thalern und war nach Wismar bestimmt, dessen Hafen es aber wegen eines heftigen Nordwest-Sturmes nicht zu erreichen vermochte, sondern hier in den späteren Nachmittagsstunden des genannten Dezembertages auf den Strand lief, schwer leck wurde und sofort bis zur halben Mastlänge versank. Fischer und Bauern aus dem, einen Kanonenschuss weit nach Warnemünde hin, am Strande gelegenen Dorf Rethwisch, hatten das Unglück wahrgenommen und Waren herbeigeilt; auch dem Lotsen - Kommandeur Janzen in Warnemünde hatte man die Strandung ungesäumt gemeldet. Inzwischen war völlige Dunkelheit eingetreten; die See raste und die Leute aus Rethwisch und Heiligendamm, die zuerst zur Stelle waren, sahen das Schiff, d. h. den Mast nicht mehr, auf dem sich der Kapitän und ein Matrose der Anna Katharina – das war die ganze Mannschaft der Yacht – in größter Lebensgefahr befanden. Man hörte nur dann und wann die Notrufe der Unglücklichen und zündete, um ihnen Kunde zu geben, dass Leute vorhanden und bestrebt seien, ihnen zu helfen, ein großes loderndes Feuer am Strande an. Mit gewöhnlichen Fischerbooten war dem Wrack nicht beizukommen, um so weniger, als man es nicht sehen konnte. Auch der Lotsen-Kommandeur, der mittlerweile mit Mannschaft und Rettungsapparaten aus Warnemünde zu Lande herbeigeeilt war, vermochte bei so bewandten Umständen um so weniger etwas auszurichten, als die Mehrzahl seiner Leute sich wenig geneigt zeigte, in finsterer Nacht mit dem Rettungsboot durch die Brandung zu gehen, um ein nicht sichtbares Wrack aufzusuchen. Man musste die Morgendämmerung abwarten und die Schiffbrüchigen waren gezwungen, die lange fürchterliche Dezembernacht in ihrer entsetzlichen Situation zu durchwachen. Endlich graute der Tag und man konnte die beiden Männer, die sich oben am Mast noch festzuhalten die Kraft hatten, erkennen. Sofort lies Kapitän Janzen das Raketentau nach dem Wrack hinüberschießen. Dieses Rettungstau ist nicht, wie man glauben mag, an eine Kugel befestigt, die aus einem Kanonenrohr nach dem gestrandeten Schiffe hingeschossen wird und das Tau hinter sich herzieht, sondern es hängt an einer, wenige Meter langen, leichten, aber starken Kette und diese Kette ist an einem, etwa 3 1/2 Fuß hohen Raketenrohr von Metall befestigt, das man mit Pulver ladet und im Bogen nach dem Wrack hinwirft, so, dass es über dasselbe fortgeht und das Tau den Rettungsbededürftigen in die Hände gespielt wird, was indes nur selten auf den ersten Wurf gelingt; diesmal aber, Dank der Geschicklichkeit des wackeren Lotsen-Kommandanten, sofort gelang. Leider wussten die beiden gestrandeten Dänen entweder das glücklich aufgefangene Rettungstau nicht praktisch zu benutzen, oder ihre Körperkräfte waren bereits zu tief herunter, um das zu können. Nun musste Herr Janzen doch das Korkboot in die Brandung, deren Wut noch zugenommen, bringen lassen, doch die mit Weib und Kind gesegneten Lotsen machten Strike und bestiegen das Boot nicht. Aber die wackeren Fischer von Rethwisch und einige herzhafte Männer vom Damm und aus Doberan beschämten die Feiglinge und baten den Kapitän, sie als Freiwillige mitfahren zu lassen. Die kühne, hochherzige Tat wurde vom besten Erfolge gekrönt und unter den jauchzenden Zurufen der, seit Verlauf der vierundzwanzig qualvollen Stunden bis auf Hunderte angewachsenen Zuschauermasse am Ufer, wurden die beiden Dänen glücklich gelandet und mit aller Vorsicht aufs Beste gepflegt. Der Kapitän der Anna Katharina, eine kräftige Hünengestalt, erholte sich bald, während sein brustleidender Matrose die Rettung nicht lange überlebte. Der brave Lotsen-Kommandeur und Alle die mit ihm das Rettungsboot bestiegen, sind von der dänischen Regierung und auch von Privatleuten aus Rostock und Warnemünde belobt und belohnt worden. Ob vollauf nach Verdienst, konnt' ich nicht erfahren. „H. T.“
Zu Anfang meiner kleinen Sommerausflüge, so in den ersten Tagen, danke ich immer dem Himmel, dass es mir vergönnt war, dem staubigen, missduftenden, gähnenden Berlin zu entfliehen und grüble sehr ernsthaft darüber nach, wie es sich wohl arrangieren ließe, um nie mehr dahin zurückkehren zu dürfen; aber das dauert nicht eben lange, so sehne ich mich zurück nach den Freunden in der geistig-regsamen bedeutenden Metropole und nach einer Unterhaltung, aus der man etwas lernen kann. Und sind nicht selbst die Druckfehler in Berliner Zeitungen bei weitem witziger und amüsanter als anderswo? So z. B. finde ich in meiner letzten Plauderei – No. 33 des „Sporn“, d. d. 15. August – statt coup de „cheveux“ – coup de „cheveaux“; kann man in einem Sportjournal nun wohl einen tendenziöseren Druckfehler prästieren?! Nun, in wenig Tagen wird ja meine Sehnsucht nach Berlin gestillt sein und wenn diese Nummer des „Sporn“ die Presse verlässt, ist – Petz wieder da.
Ich will nur noch von Schwerin aus, wo ich diese Zeilen schreibe, ein paar Scheideblicke auf das Seebad am Heiligendamm, auf Doberan, Rostock, Warnemünde und die reizend gelegene Residenz S. K. H. des Großherzogs von Mecklenburg-Schwerin werfen, dann meine sieben Sachen zusammenpacken und abdampfen. Auf einer der grünen Badezellen-Türen am Heiligendamm fand ich mit Bleifeder die Worte angekritzelt: „Am 16. Dezember 1873 strandete hier die dänische Yacht Anna Katharina aus Bornholm.“ Dem Anschein nach kaum 500 Schritt vom Lande, nordöstlich vom Herrenbad, aber ganz nahe dabei liegt noch heute das Wrack, dessen Mast – die Yacht hatte nur einen – aus dem Wasser ragt, während der Schiffskörper davon bedeckt und nicht sichtbar ist. Das kleine Schiff hatte schwedische Bausteine, sogenannte Fliesen, geladen, im Wert von etwa 700 Thalern und war nach Wismar bestimmt, dessen Hafen es aber wegen eines heftigen Nordwest-Sturmes nicht zu erreichen vermochte, sondern hier in den späteren Nachmittagsstunden des genannten Dezembertages auf den Strand lief, schwer leck wurde und sofort bis zur halben Mastlänge versank. Fischer und Bauern aus dem, einen Kanonenschuss weit nach Warnemünde hin, am Strande gelegenen Dorf Rethwisch, hatten das Unglück wahrgenommen und Waren herbeigeilt; auch dem Lotsen - Kommandeur Janzen in Warnemünde hatte man die Strandung ungesäumt gemeldet. Inzwischen war völlige Dunkelheit eingetreten; die See raste und die Leute aus Rethwisch und Heiligendamm, die zuerst zur Stelle waren, sahen das Schiff, d. h. den Mast nicht mehr, auf dem sich der Kapitän und ein Matrose der Anna Katharina – das war die ganze Mannschaft der Yacht – in größter Lebensgefahr befanden. Man hörte nur dann und wann die Notrufe der Unglücklichen und zündete, um ihnen Kunde zu geben, dass Leute vorhanden und bestrebt seien, ihnen zu helfen, ein großes loderndes Feuer am Strande an. Mit gewöhnlichen Fischerbooten war dem Wrack nicht beizukommen, um so weniger, als man es nicht sehen konnte. Auch der Lotsen-Kommandeur, der mittlerweile mit Mannschaft und Rettungsapparaten aus Warnemünde zu Lande herbeigeeilt war, vermochte bei so bewandten Umständen um so weniger etwas auszurichten, als die Mehrzahl seiner Leute sich wenig geneigt zeigte, in finsterer Nacht mit dem Rettungsboot durch die Brandung zu gehen, um ein nicht sichtbares Wrack aufzusuchen. Man musste die Morgendämmerung abwarten und die Schiffbrüchigen waren gezwungen, die lange fürchterliche Dezembernacht in ihrer entsetzlichen Situation zu durchwachen. Endlich graute der Tag und man konnte die beiden Männer, die sich oben am Mast noch festzuhalten die Kraft hatten, erkennen. Sofort lies Kapitän Janzen das Raketentau nach dem Wrack hinüberschießen. Dieses Rettungstau ist nicht, wie man glauben mag, an eine Kugel befestigt, die aus einem Kanonenrohr nach dem gestrandeten Schiffe hingeschossen wird und das Tau hinter sich herzieht, sondern es hängt an einer, wenige Meter langen, leichten, aber starken Kette und diese Kette ist an einem, etwa 3 1/2 Fuß hohen Raketenrohr von Metall befestigt, das man mit Pulver ladet und im Bogen nach dem Wrack hinwirft, so, dass es über dasselbe fortgeht und das Tau den Rettungsbededürftigen in die Hände gespielt wird, was indes nur selten auf den ersten Wurf gelingt; diesmal aber, Dank der Geschicklichkeit des wackeren Lotsen-Kommandanten, sofort gelang. Leider wussten die beiden gestrandeten Dänen entweder das glücklich aufgefangene Rettungstau nicht praktisch zu benutzen, oder ihre Körperkräfte waren bereits zu tief herunter, um das zu können. Nun musste Herr Janzen doch das Korkboot in die Brandung, deren Wut noch zugenommen, bringen lassen, doch die mit Weib und Kind gesegneten Lotsen machten Strike und bestiegen das Boot nicht. Aber die wackeren Fischer von Rethwisch und einige herzhafte Männer vom Damm und aus Doberan beschämten die Feiglinge und baten den Kapitän, sie als Freiwillige mitfahren zu lassen. Die kühne, hochherzige Tat wurde vom besten Erfolge gekrönt und unter den jauchzenden Zurufen der, seit Verlauf der vierundzwanzig qualvollen Stunden bis auf Hunderte angewachsenen Zuschauermasse am Ufer, wurden die beiden Dänen glücklich gelandet und mit aller Vorsicht aufs Beste gepflegt. Der Kapitän der Anna Katharina, eine kräftige Hünengestalt, erholte sich bald, während sein brustleidender Matrose die Rettung nicht lange überlebte. Der brave Lotsen-Kommandeur und Alle die mit ihm das Rettungsboot bestiegen, sind von der dänischen Regierung und auch von Privatleuten aus Rostock und Warnemünde belobt und belohnt worden. Ob vollauf nach Verdienst, konnt' ich nicht erfahren. „H. T.“