Krieg und Wetter.

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 24. 1915
Autor: Franz Wichmann, Erscheinungsjahr: 1915

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Krieg, Wetter, Pulverdampf, Artilleriebeschuss, Witterungsverhältnisse, Umwelt, Feuerwaffen, Hagelschießen, Wetterschießen, Gewitterwolken, Hagelwolken,
Auf alle kriegerischen Unternehmungen ist von jeher das Wetter von größtem Einfluss gewesen. Die jetzige Kriegsführung mit ihren Milionenheeren und den wachsenden Transportschwierigkeiten hat diesen Einfluss dem Altertum gegenüber noch verstärkt, und auch der gegenwärtig tobende europäische Riesenkampf hat in den weglosen Öden und Sümpfen des Ostens, auf den verschneiten Kämmen der Karpathen und Vogesen, in den Niederungen Flanderns und den verschlammten Schützengräben Nordfrankreichs die Tatsache mit zahlreichen neuen Beweisen belegt.

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Weniger sicher bewiesen steht dieser Wahrheit eine besonders die Wissenschaft interessierende Hypothese gegenüber, die umgekehrt eine Einwirkung des Krieges auf die Gestaltung der Witterungsverhältnisse behauptet. Aufzukommen vermochte ein solcher Gedanke erst nach der allgemeinen Einführung der Feuerwaffen, und es ist denn auch nicht mehr als hundert Jahre her, dass er zum ersten Male von einem Gelehrten ausgesprochen wurde.

Das Volk hat sich ja seinen alten Glauben an menschliche, mit bösen Geistern in Verbindung stehende Wettermacher, der in den Hexenprozessen zahlreiche Opfer forderte, nie nehmen lassen und war in Verfolg desselben schließlich zur Überzeugung gekommen, dass der Kanonendonner der Napoleonischen Kriege den Charakter des Wetters mitbestimme. Das Körnchen Wahrheit, das sich in jedem Aberglauben zu bergen Pflegt, suchte damals Anton Baumgartner ans Licht zu ziehen, indem er die häufigen Regengüsse auf das massenhaft verschossene Pulver zurückführte. Sah er sich auch außerstande, zu berechnen, wie weit die in der Luft hervorgebrachten chemischen Zersetzungen zu wirken vermochten, so hielt er doch an der Ansicht fest, dass die Entwicklung entzündeten Salpeters und Schwefels in der Atmosphäre bedeutende Veränderungen Hervorrufen müsse.

Was abergläubischer bäuerlicher Instinkt längst mit seinem Hagel- und Wetterschießen zur Zerstreuung drohender Gewitterwolken bezweckt hatte, wurde also hier auf die großen Verhältnisse des Krieges übertragen. Zur wissenschaftlichen Theorie erhoben, blieb es, teils verteidigt, teils angefochten, bis in die Tage unseres Weltkrieges bestehen und hat neuerdings manche der alten Erörterungen wieder aufleben lassen.

Im Für und Wider der Meinungen Partei zu ergreifen, soll nicht unsere Aufgabe sein, doch da sich zwischen Wissen, Glaube und Aberglaube nicht immer scharfe Grenzen ziehen lassen, vielmehr da, wo sich diese Gebiete berühren, die Umrisse gewöhnlich verschwommen ineinanderfließen, so dürfte es immerhin von Interesse sein, wenigstens in den neueren Feldzügen jene Tatsachen sich zu vergegenwärtigen, auf die die Verfechter der Sache sich stützen zu können glauben.

Greifen wir auf die Jahre 1859 und 1866 zurück, die wegen der Kürze ihrer Feldzüge besonders lehrreich erscheinen, so stoßen wir zunächst auf das berüchtigte Wetter von Solferino, in dem die nach der Schlacht von Magenta eingetretene starke Gewitterperiode ihren Höhepunkt erreichte. Während des ganzen Krieges machte man die Beobachtung, dass es fast unmittelbar nach jeder größeren Schlacht heftig regnete, indem die von Blitz und Donner begleiteten Niederschläge bald nach beendigter Kanonade ausbrachen und dann während der Nacht noch fortdauerten. Im Jahre 1866 trat gleich bei Beginn des Feldzuges auf den böhmischen und bayerischen Kriegsschauplätzen nach den ersten Gefechten ein Wetterumschlag ein, der die Bewegungen der Truppen im höchsten Grade erschwerte, und nach der Schlacht von Königgrätz steigerten sich diese Erscheinungen in noch auffallenderer Weise. Während schon am Abend des 3. Juli ein starkes Sinken des Barometers eintrat, blieb in der ganzen folgenden Woche der Himmel trüb und verschleiert, böige Winde trieben schwere Wolken vor sich her und anhaltende Niederschläge wechselten mit kurzen, heftigen Platzregen. Ähnliche Beobachtungen machte man auch auf dem italienischen Kriegsschauplatz, wo in den auf die Schlacht von Custozza folgenden Gefechten starke Regengüsse vielfach die Munition unbrauchbar machten.

Nicht weniger bezeichnende Erscheinungen hat das Kriegsjahr 1870 gezeitigt, die umso bemerkenswerter waren, als den militärischen Unternehmungen eine lange Periode beispielloser Trockenheit vorausging. Frankreich hatte schon seit dem April wolkenlosen Himmel, in Deutschland sehnte man sich bereits im Mai nach Regen, und im Juli glühte immer noch eine tropische Sonne über den ausgedörrten Feldern. Kaum aber hatten die Kämpfe begonnen, als ein gänzlicher Umschlag der Witterung erfolgte. Der August brachte ungewöhnlich starke Niederschläge, zumal in den Rheingegenden, wo man seit 1779 nicht mehr ähnliche Regenmengen gemessen hatte. Wie sehr besonders unsere Belagerungstruppen unter der Unbill der nassen Witterung zu leiden hatten, ist unvergessen, und nach kurzer Pause im September fielen im Oktober wiederum gewaltige Regenmassen, denen dann ein früher und außerordentlich strenger Winter folgte.

Die Erfahrungen, die man während dieser Kriegszeiten gemacht hatte, führten in den Jahren 1898 bis 1901 dazu, auch im Frieden Beobachtungen über eine Einwirkung des Feuers schwerster Belagerungs-und Küstengeschütze auf die Weiterbildung anzustellen, die auf zwölf Schießplätzen in Nord- und Mitteldeutschland vorgenommen wurden. Was sich hierbei ergab, wurde im preußischen Meteorologischen Institut durch Doktor G. Lachmann aufs gründlichste untersucht und zusammengefasst, bestätigte aber eigentlich nur den Glauben der ländlichen Wetterschießer, indem man auf den Schießplätzen selbst eine Vertreibung und Verminderung der Gewitter feststellen, über den Zusammenhang der Hagelfälle mit den Detonationen aber nicht ins klare kommen konnte. Immerhin ließe sich auf dieses Ergebnis noch die vom Kleinen aufs Große übertragene Annahme stützen, dass die von den Schlachtfeldern vertriebenen Gewitter, in anderen
Gegenden sich anhäufend, dort verstärkte Niederschläge brächten.

Werfen wir nunmehr einen Blick auf die Witterungsverhältnisse im bisherigen Verlauf des Weltkrieges, so scheint sich auch hier ein Vergleich mit den früher gemachten Feststellungen ziehen zu lassen. In jenen Tagen, da Mars die Stunde zu regieren begann, herrschte bekanntlich das Prächtigste Sommerwetter, das ziemlich lange hatte auf sich warten lassen, dann aber mit sonniger Beständigkeit alles Versäumte nachholte. Ziemlich gleichzeitig mit Eröffnung der eigentlichen Kriegsoperationen setzte indessen eine andere Witterung ein, die den sonst gewöhnlich schönen Herbst mit stürmischen Winden und endlosen kalten Regengüssen verdarb. Der verhältnismäßig spät eintretende Winter war ebenfalls reich an Niederschlägen, und so wenig wie der Kanonendonner im Osten und Westen haben diese auch im beginnenden Frühjahr nachlassen wollen. Will man also nicht alles auf Zufälligkeiten zurückführen, die ebenso gut ohne Krieg hätten geschehen können, in dieser erregten Zeit aber besondere Aufmerksamkeit erweckten, so muss man nach einer wissenschaftlichen Erklärung suchen, die von den Anhängern der Theorie in zweierlei Weise gegeben zu werden pflegt. Den einen erscheint die Artillerie gewissermaßen als eine riesige Elektrisiermaschine. Ihre zahllosen, die Luft mit gewaltsamer Reibung durchschneidenden Geschosse sollen zusammen mit dem Infanterie- und Maschinengewehrfeuer, das die chemische Zersetzung großer Pulvermassen, das stoßweise Ausströmen erhitzter Gase noch vermehrt, zur Anhäufung großer Mengen von Elektrizität in der Luft führen, die dann, wenn auch nicht gerade über den Schlachtfeldern, so doch in anderen Gegenden in Gewittern mit nachfolgender Abkühlung und langandauernden Niederschlägen sich entladet.

Nach der Meinung der anderen handelt es sich weniger um die Erzeugung elektrischer Kräfte, als um die mächtigen Schallwellen, die von der beständigen Erschütterung der Luft durch den Knall der Geschütze hervorgerufen werden. Diesen wird alsdann die gleiche Wirkung zugeschrieben, die eine Erniederung der Temperatur infolge von kalten Luftströmungen zur Erscheinung bringt, nämlich die notgedrungene Ausscheidung eines Überschusses von Wasserdünsten, die die Luft in Form von Regengüssen vornimmt.

Völlig einwandfreie und sichere wissenschaftliche Beweise für die Richtigkeit dieser Kanonenmeteorologie werden sich wohl mich in Zukunft kaum erbringen lassen, dagegen ist nach einer anderen Seite hin der ausgebrochene Weltkrieg tatsächlich nicht ohne Einfluss auf unsere meteorologischen Beobachtungen und täglichen Wetterberichte geblieben. Wo diese die Grundlage einigermaßen zuverlässiger Wettervoraussagen bilden sollen, müssen sie sich ja aus einen umfangreich organisierten telegraphischen Nachrichtendienst stützen, der einen Überblick über die
Luftdruckverteilung ans dem gesamten Festland ermöglicht.

Der gewohnten Berichterstattung über die Luftdruckverhältnisse machte aber der Ausbruch des Krieges im Osten und Westen ein jähes Ende, und unsere Wetterkarten blieben seither auf die Einzeichnung der Linien gleichen Luftdrucks über deutschem Gebiet beschränkt, eine Unvollständigkeit, die sich besonders bei Berechnung der vom Atlantischen Ozean her eintretenden barometrischen Störungen fühlbar machen musste.

Genauen Beobachtern wird es denn auch kaum entgangen sein, dass die Prophezeiung manchmal dem inzwischen bereits erfolgten Eintritt des verkündeten guten oder schlechten Wetters nachhinkt, indessen so große Irrungen, wie man anfangs befürchtete, hat diese Beziehung zwischen Krieg und Wetter doch nicht hervorgerufen.

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