Kometengeheimnisse

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1929
Autor: Allwin Dressler, Erscheinungsjahr: 1929

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Himmelserscheinungen, Kometen, Sternenhimmel, Kometenschweif, Erdbahn, Himmelsbeobachter, Sternschnuppen, Meteore,
Von allen bekannten Himmelserscheinungen sind die Kometen die seltsamsten Vertreter des Sternenhimmels. Obwohl wir selten Gelegenheit haben, einen lichtstarken Kometen mit freiem Auge zu erblicken, so übertrifft doch die Zahl der uns bekannten Kometen alle Erwartungen. Eine alte astronomische Chronik erwähnt rund fünfhundert Kometen, die sich der Erde gezeigt haben sollen, doch diese Zahl dürfte viel zu gering sein, da die meisten Kometen so klein und lichtschwach sind, dass sie dem unbewaffneten Menschenauge entgehen. Erst der Bau der modernen Fernrohre brachte es mit sich, dass noch eine bedeutende Zahl neuer Kometen entdeckt wurde und noch jährlich entdeckt wird.

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Seit dem Erscheinen des Halleyschen Kometen war es uns in unseren Gegenden nicht vergönnt, einen Kometen mit freiem Auge zu beobachten. Auch der Halleysche Komet war bei seiner letzten Begegnung mit der Erde im Jahre 1910 kein besonders auffallendes Objekt am Himmel, wenngleich er früher in Zwischenräumen von 76 Jahren als „leuchtende Himmelsrute“ die Gemüter der Menschen erregte. Seine nächste Rückkehr wird erst wieder im Jahre 1986 zu erwarten sein.



Von den uns bekannten kurzperiodischen Kometen, die in gesetzmäßigen Zeiten regelmäßig um die Sonne kreisen, war der Komet Biela ein besonderes Kuriosum, das bei seiner Begegnung mit der Erde oft in beängstigender Nähe von uns stand. Seine Wiederkehr erfolgte alle 6 3/4 Jahre, doch seit 1852 ist er verschwunden.

Dieser fatale Komet befand sich im Oktober 1832 dreizehnmal näher als der Mond von der Erdbahn entfernt, und die Menschen jener Zeit hegten die größten Befürchtungen, dass er mit der Erde Zusammenstößen werde. Man erwartete diese Katastrophe in den letzten Tagen des November 1832, doch um diese Zeit war er der Erde schon wieder so weit vorausgeeilt, dass sich alle Befürchtungen als grundlos erwiesen. Bei seinem nächsten Erscheinen im Jahre 1845 hatte sich der Komet zum Erstaunen aller Himmelsbeobachter vollkommen verändert: er bestand plötzlich aus zwei Kernen, die sich in geringer Entfernung von einander am Himmel fortbewegten (siehe die Abbildung). Der Komet war in zwei Teile zerfallen und zeigte sich bis zum Jahre 1852 in dieser veränderten Gestalt. Als man ihn sieben Jahre später wieder erwartete, war er verschwunden, so dass an seiner vollständigen Auflösung nicht mehr gezweifelt werden konnte. Diese Annahme bestätigte sich dann auch, denn am 27. November 1872, wo er mit der Erde wieder in sehr nahe Berührung hätte kommen müssen, machte er seine Existenz als zertrümmerter Weltkörper dadurch bemerkbar, dass sich am genannten Tage ein heftiger Sternschnuppenfall ereignete, der sich am 27. November 1885 sowie am 23. November 1892 in besonders auffallender Weise wiederholte. Somit lieferte uns der Bielasche Komet den besten Beweis für die schon längst vermutete Verwandtschaft von Kometen und Meteorschwärmen, nämlich: dass der Kern der Kometen aus stark zusammengedrängten Massenteilchen besteht, wie sie als Meteore und Sternschnuppen täglich am Himmel in Erscheinung treten.



Obwohl die Kometen ganz harmlose Himmelserscheinungen sind, waren sie doch viele Jahrhunderte hindurch ein Gegenstand größter Besorgnis für die Menschen, und auch heute ist der Kometenaberglaube noch nicht ganz überwunden. Viele Menschen erblicken in einem Kometen den Vorboten eines großen Unheils, andere wieder glauben, dass der Kometenschweif giftige Gase enthalte und bei seiner Berührung mit der Erde eine Katastrophe verursachen könne. Aber alle diese Befürchtungen haben sich als grundlos erwiesen.

Das Bemerkenswerte an den Kometen ist, dass sie bei ihrer Annäherung zur Sonne gashaltige Dämpfe ausströmen lassen, die den Schweif bilden. Die Länge der Kometenschweife ist oft sehr beträchtlich. Der Komet von 1456 hatte einen Schweif, der den dritten Teil des sichtbaren Horizontes einnahm. Im Jahre 1618 erschien ein großer Komet, dessen Schweif noch gewaltiger war. Es gibt Kometen, die sogar mehrere Schweife besitzen. So hatte zum Beispiel der Komet von 1744 sechs, der große Komet von 1704 sogar sieben Schweife, die 70 Grad lang waren. Im Jahre 1861 erschien ein Komet mit fünf Schweifen, die sich fächerartig über den Horizont ausdehnten (Abbildung S. 14). Die größte bisher bekannte Schweiflänge eines Kometen betrug schätzungsweise etwa 300 Millionen Kilometer. Die chinesischen Annalen berichten von einem Kometen, der bei Nacht alle Sterne durch seinen Glanz verdunkelte und die Nacht in den hellen Tag verwandelte. Im Jahre 43 vor Christo erschien ein Komet, den man selbst am hellen Mittag mit freiem Auge gut sehen konnte und der das Licht der Sonne verdunkelte. Auch 60 Jahre nach Christo, zur Zeit Neros, zeigte sich ein Riesenkomet, der die Strahlen der aufgehenden Sonne verdunkelt haben soll. Der große Komet von 1618 hatte einen Schweif, dessen Ende am Horizont noch nicht aufgegangen war, wenn sein Kopf bereits die Mitte des Himmels erreicht hatte. Dieser Schweif erschien umso furchtbarer, als er sich fächerartig über die Breite des Himmelsbogens verteilte und an Lichtstärke immer mehr zunahm.



Von vielen anderen lichtstarken Kometen seien besonders die Kometen vom Jahre 1811, 1843 und 1858 erwähnt. Der Kopf des Kometen von 1811 hatte einen Durchmesser von mindestens 1 Million Kilometer, war also über 80mal größer als der Durchmesser der Erde. Sein körperlicher Inhalt, ohne Schweif gerechnet, war rund 500.000mal größer als die Erde. Der große Komet von 1843 hatte eine ungewöhnlich große Schweifentwicklung, weil er sich der Sonne bis auf 100.000 Kilometer Entfernung näherte und weit in die Region der Sonnenprotuberanzen eingedrungen war. Seine Schweiflänge schwankte zwischen 220 und 300 Millionen Kilometer. Der im Jahre 1858 erschienene Donatische Komet war infolge seines stark glänzenden Kernes volle 39 Wochen sichtbar. Sein Schweif bestand aus mehreren Lichtstreifen, die verschiedene Krümmungen und Lichtschwankungen aufwiesen. — Die Umlaufszeiten der großen Kometen sind uns bis heute noch wenig bekannt. Es gibt Kometen, die mehrere Jahrhunderte benötigen, bis sie ihre exzentrische Bahn um die Sonne einmal umschrieben haben. Für den Donatischen Kometen von 1858 ermittelte man sogar eine Umlaufszeit von rund 2.500 Jahren.

Häufig zeigt das Spektrum der Kometenkerne während ihrer Annäherung zur Sonne eine helle Natriumlinie sowie einige Linien des Metalldampfes, womit die nahe Verwandtschaft der Kometen mit den Meteoren und Sternschnuppen deutlich gekennzeichnet ist. Die Kometenschweife, die zum größten Teil Kohlenwasserstoff enthalten, sind für unsere Erdatmosphäre ohne schädlichen Einfluss. Jedenfalls enthalten sie kein gefährliches Kohlengas, wie man früher häufig vermutete. Aber es gilt als sehr wahrscheinlich, dass ihre ausströmende Schweifmaterie, die aus allerfeinsten Gaspartikelchen besteht, einen gewissen Einfluss auf den elektrisch-magnetischen Zustand unserer Erde ausübt und dass sie einen Lichtdruck verursacht, wodurch die Anziehungskraft der Sonne entsprechend vermindert wird.

Komet mit fünf Schweifen vom Jahre 1861.

Der Komet Biela nach seiner Teilung

Der Komet Biela nach seiner Teilung

Der Komet Morehoux nach einer Aufnahme vom 15. Nov. 1908

Der Komet Morehoux nach einer Aufnahme vom 15. Nov. 1908

Komet mit fünf Schweifen vom Jahre 1861

Komet mit fünf Schweifen vom Jahre 1861