Den 13. Oktober.

Unser Führer wollte nicht freventlich seine braven, wohlhabenden Verwandten in dieser Gegend gerühmt haben; er ließ uns deshalb einen Umweg machen über Arlon, wo wir in einem schönen Städtchen, bei ansehnlichen und wackern Leuten, in einem wohl gebauten und gut eingerichteten Haus, von ihm angemeldet, gar freundlich aufgenommen wurden. Die guten Personen freuten sich selbst ihres Vetters, glaubten gewisse Besserung und nächste Beförderung schon in dem Auftrag zu sehen, dass er uns mit zwei Wagen, so viel Pferden und, wie er ihnen glauben gemacht hatte, mit vielem Geld und Kostbarkeiten aus dem gefährlichsten Gewirr herauszuführen beehrt worden. Auch wir konnten seiner bisherigen Leitung das beste Zeugnis geben, und ob wir gleich an die Bekehrung dieses verlorenen Sohnes nicht sonderlich glauben konnten, so waren wir ihm doch diesmal so viel schuldig geworden, dass wir auch seinem künftigen Betragen einiges Zutrauen nicht ganz verweigern durften. Der Schelm verfehlte nicht, mit schmeichelhaftem Wesen das Seinige zu tun, und erhielt wirklich in der Stille von den braven Leuten ein artiges Geschenk in Gold. Wir erquickten uns dagegen an gutem, kaltem Frühstück und dem trefflichsten Wein und beantworteten die Fragen der freilich auch sehr erstaunten, wackeren Leute wegen der wahrscheinlichen nächsten Zukunft so schonend als möglich.

Vor dem Haus hatten wir ein paar sonderbare Wagen bemerkt, länger und teilweise höher als gewöhnliche Rüstwagen, auch an der Seite mit wunderlichen Ansätzen geformt. Mit rege gewordener Neugier fragte ich nach diesem seltsamen Fuhrwerk; man antwortete mir zutraulich, aber mit Vorsicht: es sei darin die Assignatenfabrik der Emigrierten enthalten, und bemerkte dabei, was für ein grenzenloses Unglück dadurch über die Gegend gebracht worden. Denn da man sich seit einiger Zeit der echten Assignate kaum erwehren könne, so habe man nun auch, seit dem Einmarsch der Alliierten, diese falschen in Umlauf gezwungen. Aufmerksame Handelsleute hätten dagegen sogleich, ihrer Sicherheit willen, diese verdächtige Papierware nach Paris zu senden und sich von dorther offizielle Erklärung ihrer Falschheit zu verschaffen gewusst; dies verwirre aber Handel und Wandel ins Unendliche: denn da man bei den echten Assignaten sich nur zum Teil gefährdet finde, bei den falschen aber gewiss gleich um das Ganze betrogen sei, auch beim ersten Anblick niemand sie zu unterscheiden vermöge, so wisse kein Mensch mehr, was er geben und was er empfangen solle; dies verbreite schon bis Luxemburg und Trier solche Ungewissheit, Misstrauen und Bangigkeit, dass nunmehr von allen Seiten das Elend nicht größer werden könne.


Bei allen solchen erlittenen und noch zu fürchtenden Unbilden zeigen sich diese Personen in bürgerlicher Würde, Freundlichkeit und gutem Benehmen zu unserer Verwunderung, wovon uns in den französischen ernsten Dramen alter und neuer Zeit ein Abglanz herüber gekommen ist. Von einem solchen Zustand können wir uns in eigener vaterländischer Wirklichkeit und ihrer Nachbildung keinen Begriff machen. Die petite ville mag lächerlich sein, die deutschen Kleinstädter sind dagegen absurd.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Kampagne in Frankreich