Im Zeichen des Ausländer-Fremdenverkehrs.

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1922
Autor: Er. Rot., Erscheinungsjahr: 1922

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Amerikaner, Schweden, Ausländer, Valuta, Teuerung, Mark, Dollar, Franzosen, Deutschamerikaner,
In München und Oberammergau erwartet man eine Hochflut von Fremden des In- und Auslandes, „wie sie wohl noch nie zuvor in der Chronik der Stadt zu verzeichnen war“. Die süddeutschen Anziehungspunkte bilden die „Deutsche Gewerbeschau“ und das Oberammergauer Passionsspiel. Man schlägt Radau, preist die zu erwartenden Genüsse in den verlockendsten Farben und hebt alle „Vorteile und Annehmlichkeiten sowie das reiche Vergnügen hervor“, das die Fremden in einem Lande erwartet, dass in seiner Not wichtige Lebensmittel mit dem gesunkenen Markwert zu horrenden Preisen aus dem Ausland einzuführen gezwungen ist.

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Seit Monaten droht uns mit der Ankunft von Reisenden aus Valuta- starken Ländern eine weitere Teuerung. Man verlangt von den Regierungen, dass eine den Valutaunterschied ausgleichende Fremdenbesteuerung eingeführt werden soll, um aus diesem Ertrag das entstehende Lebensmitteldefizit durch Einfuhr vom Ausland zu decken. Ein Heer von Händlern, eine Masse gewinnsüchtiger Elemente, die es vorziehen, ohne ehrlicher Hände Arbeit sich zu bereichern, sind in aller Welt am rücksichtslosen Werk, dem Volke das ohnehin kaum erträgliche Dasein noch weiter zu erschweren und zu versauern. Unter solch betrübenden Umstünden wirkt es fast wie ein Wunder, dass es noch Menschen gibt, die sich schämen, aus der allgemeinen Notlage Geldgewinn zu ziehen. Wie wenige werden so sozial gesinnt sein, dass sie in ihren Schaufenstern bekanntgeben: „An Ausländer wird hier nichts verkauft.“

Täglich kommen von Ausländern Anfragen, wo sie sich für die Dauer eines Jahres bei uns aufhalten können. Sie rechnen dabei mit einer lächerlich geringen Tagesausgabe. Unsere Ostseeküste ist dauernd von Schweden besetzt, die uns selbstverständlich nur aus Liebe aufsuchen, nicht etwa deshalb, weil sie zum jetzigen Kronenkurs bei uns allen Luxus genießen können, wozu ihre Mittel im eigenen Lande nicht weit reichen würden.

Gewiss reden wir keinem Völkerhass das Wort, aber zurzeit, da wir mit Frankreich um unser einigermaßen erträgliches Dasein in schwerem Ringen stehen, sollten mir Angehörige dieser unbelehrbaren Nation nicht auch noch ins Land locken. Es dürfte sich empfehlen, den Standpunkt des Bürgermeisters von Westerland auf Sylt einzunehmen, der die Anfrage über die Aufnahme von Franzosen in seinem Badeort folgendermaßen beantwortete:
„Auf die gefl. Anfrage vom 6. ds. Mts. erwidere ich, dass uns der Besuch französischer Kurgäste nicht erwünscht ist. Wir vermögen die Franzosen nicht willkommen zu heißen, die als unversöhnliche Feinde unser Volk bedrücken und in den besetzten Gebieten unsere Volksgenossen zur Verzweiflung treiben. Die nichtbesetzten Gebiete unseres deutschen Vaterlandes wollen wir möglichst von unseren Bedrückern reinhalten. Wir Sylter sind durch den Friedensvertrag von Versailles, der die Abtretung Nordschleswigs zur Folge hatte, vom deutschen Vaterlande getrennt und leiden wirtschaftlich sehr darunter, auch aus diesem Grunde ist uns Syltern der Anblick von Franzosen, denen wir den Gewaltfriedensvertrag verdanken, unerwünscht. Jeder andere Ausländer ist uns willkommen.“

So erhielt auch eure französische Vermittlungsstelle in Wiesbaden, die sich an die Gemeinde Juist um „möglichst billige Aufnahme“ von französischen Kurgästen wendete, eine ähnlich gehaltene Absage. Jetzt bringen es an der Einreise von Amerikanern interessierte Gruppen fertig, uns auf die „Wichtigkeit der politischen Bedeutung der Deutschen in Amerika“ hinzuweisen. Wir haben aber noch nicht vergessen, wie wenig sich davon als wahr erwiesen hat, als der Krieg die bekannte Wendung nahm. Gewiss, wir haben uns vor 1914 zu wenig mit dem Deutschtum im Ausland beschäftigt, sonst hätten wir wissen können und müssen, wie es in Wahrheit mit dem politischen Einfluss der „Bindestrich“-Deutschamerikaner drüben bestellt ist. Immerhin ist es vielleicht doch noch ein Gewinn, wenn Amerikaner zu uns kommen, denn gerade in den Vereinigten Staaten, und nicht nur dort, ist durch die ungeheuerlichen Lügen der politischen Hetzpropaganda ein Bild des deutschen „Barbarenvolkes“ entstanden, das die Kriegsstimmung gegen uns gewaltig angeschürt und zur „Rettung der Zivilisation“ begeistert hat. Wir brauchen es den Amerikanern aber umso weniger übelzunehmen, dass sie auf diesen englischen Leim gekrochen sind, denn auch in unserem eigenen Lande hat sich die gleiche Propaganda in schrecklicher Weise als wirksam erwiesen. Verkehrt aber wäre es, den Reisenden aus dem Dollarlande missgestimmt gegenübertreten zu wollen. Sie sollen sich bei uns umsehen, und soweit ihnen das möglich ist, ihre voreingenommenen Anschauungen korrigieren. Leider wird ein großer Teil derjenigen Amerikaner, die nicht Deutsch verstehen, und die nur in gewissen Kreisen ihre Beobachtungen machen können, zu keiner richtigen Wertung unserer Lage gelangen. Die Quäker lernten die Not kennen, die bei uns so viele Tausende quält. Und sie erlangten diese Einsicht nur deshalb, weil sie sich überall selbst von der traurigen Lage überzeugen konnten. Wenn wir es schon hinnehmen müssen, dass Amerikaner uns Heimsuchen, dann wollen wir nicht in den Fehler verfallen, sie als unliebsame Gäste anzusehen. Nur dann, wenn sie ein möglichst ungetrübtes Bild unserer Lage zu gewinnen vermögen, wäre es denkbar, dass ihr Besuch uns keinen Schaden bringt.

„Kein Verkauf an Ausländer" Schild am Eingang eines Berliner Geschäfts.

Kein Verkauf an Ausländer, Schild am Eingang eines Berliner Geschäfts

Kein Verkauf an Ausländer, Schild am Eingang eines Berliner Geschäfts