I. Die Entstehung der Hanse 1356-1377. 7. Die neue Hanse der Städte
Aus: Die Blütezeit der deutschen Hanse. Band 1
Autor: Daenell, Ernst Robert Dr. (1872-1921) deutscher Historiker und Hochschullehrer, Erscheinungsjahr: 1905
Themenbereiche
Mittelalter Mecklenburg-Vorpommern Politik, Gesellschaft, Wirtschaft Hamburg Hansezeit Hansestadt Rostock
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Hansestadt Rostock, Hansebund, Hansa, Hansetag, Mittelalter, Bürgerstand, Koggen, Handel, Städtewesen, Bürgerleben,
Von grundlegender Bedeutung für die deutsche Hanse waren die zwei Jahrzehnte von 1356 — 1377. An die Stelle der deutschen Kaufmannshanse im Auslande, die ohnmächtig war, ihre wirtschaftliche Stellung wenn erforderlich mit dem nötigen Nachdruck zu verteidigen, trat eine Vereinigung der niederdeutschen Städte. Sie errang in den Hauptländern ihres Verkehrsgebiets diejenigen Privilegien, die ohne wesentliche Änderungen und Zusätze jahrhundertelang die Grundlage ihres Handels und ihrer Stellung im Auslande geblieben sind. Die überwiegende Gemeinschaft der wirtschaftlichen Ziele schob Einzelwünsche und Sonderinteressen in den Hintergrund. Indem die Versammlungen der gegen Dänemark-Norwegen konföderierten Städte alle Rechte in Bezug auf Leitung, Anordnung und Sicherung des Handels an sich zogen, nahmen sie die älteren Drittelsversammlungen der Städte, die dem Brügger Kontor gegolten hatten, in sich auf. Die Ausübung der in Anspruch genommenen Rechte machte die Tagfahrten der konföderierten Städte zu Hansetagen. Gemeinsam durchlebte Sorgen und Kämpfe, gemeinsam gemachte Erwerbungen förderten ein Einheitsgefühl der städtischen Regierungen. Sie handelten nach dem Grundgedanken, den etwa achtzig Jahre später das Brügger Kontor als ernste Mahnung in einer Zeit des Zwiespalts und der Zerfahrenheit den Städten zurief: „gii heren mögen mercken, wert de coppman bedorffen, dar vorlost nymant mehr an dan gy heren van den steden, want gy sint de coppman".
Aber noch war die Gemeinschaft der niederdeutschen Städte, die deutsche Hanse, ein recht schwankender Begriff. Selbst wenn man das Interesse der deutschen Binnenstädte am Seehandel und den Auslandsprivilegien gering veranschlagen will, — doch soll nur erinnert sein an den lebhaften Verkehr aus ganz Westfalen über die Ostsee bis Reval und Nowgorod, an die hervorragenden Interessen der Dortmunder und Kölner Kaufleute in England, an das Auftreten sächsischer Händler im Norden, — selbst dann fällt die Lockerheit der Verbindung auf. Köln und die rheinisch-westfälischen Städte standen der flandrischen Frage und noch mehr der nordischen und englischen sehr zurückhaltend gegenüber und das bedeutende Kampen ging in Flandern und während des ersten Kriegs gegen Dänemark geradezu in feindlichem Gegensatz zu den andern Städten vor.
Andererseits erfolgten von den verschiedensten Seiten, je offenbarer die Leistungsfähigkeit der neuen Vereinigung wurde, Anträge, die um Aufnahme bezw. Wiederaufnahme in die Gemeinschaft der Städte und um Fortgewährung des Genusses der hansischen Rechte baten. Schon 1358, als die gegen Flandern vereinigten Städte die ersten nachdrücklichen Schritte unternahmen, hielt Bremen für klug, sich ihrer Verbindung wieder einzuordnen. Es musste dabei die Verpflichtung übernehmen, den wendischen Städten und zur Befriedung der Elbmündung auch Hamburg kriegerischen Beistand zu leisten. Holländische, seeländische und friesische Städte, auch preußische und livländische erscheinen im Norden als neuprivilegierte. Von den preußischen wurden die wendischen 1376 gebeten, bei weiteren Erwerbungen im Norden ihrer nicht zu vergessen, und 1398 wiesen sie ihre Boten an, in der Angelegenheit der nordischen Privilegien sich nicht von den andern Städten zu scheiden. Noch besser zeugt für das geringe Vertrauen in die Dauer der großen, alle umfassenden Gemeinschaft und der von ihr erworbenen Privilegien der Antrag Staverens und Kampens 1383, für den Fall weiterer Erwerbungen in Norwegen und Dänemark, aber sogar auch in Holland und Flandern sie nicht auszuschließen. Und die Städte machten in Erinnerung an das frühere Verhalten Kampens zur Bedingung, dass dann beide Städte allerorten sich dem Recht und den Ordonnanzen des hansischen Kaufmanns unterordneten und ihnen dies urkundlich versprächen. Als 1385 die Rückgabe der schonischen Schlösser an Dänemark die Auflösung der Kölner Konföderation nach sich zog, suchten die preußischen Städte in der Erwartung, dass nun der durch die Konföderation geschaffene Zusammenhang der Städte sich lösen werde, die Hand der livländischen und süderseeischen und die Hilfe des Hochmeisters, um eine engere Einigung aufrecht zu erhalten. Auch einer Verlängerung der großen Konföderation waren sie nicht abgeneigt, falls nur der besondere kriegerische Charakter dieses Bündnisses ersetzt werde durch ausschließlich friedliche Zwecke der Förderung und Schirmung von Kaufmannschaft und Seehandel. Die süderseeischen Städte hingegen waren für die Verlängerung der Konföderation selbst. Die ganze Frage verschwand aber schnell wieder aus den städtischen Beratungen. Am eigentümlichsten jedoch war 1379 ein Antrag der englischen Kaufmannschaft um Aufnahme in die Hanse, dem natürlich nicht entsprochen werden konnte.*)
*) HR. 1. II n. 210 § 8.6. Anträge um Aufnahme in die Hanse von Rügenwalde das. n. 190 § 1, von Stolp n. 254 § 2, von Arnheim n. 192 § 19; später auch von andern.
Keineswegs gleichartig war schon der Kreis der an den verschiedenen Privilegien teilnehmenden Städte. Holländische, seeländische und friesische nahmen an den norwegischen und dänischen teil, an den übrigen dagegen nicht. Die preußischen aber traten seit spätestens 1380 mit Ansprüchen auf Gleichstellung mit den alten Mächten des Nowgorodverkehrs im russischen Handel hervor. Überall sehen wir die historischen Verhältnisse wirksam, die zur Erwerbung, Erneuerung, Erweiterung der grundlegenden Rechte geführt hatten. Sie stellten ein Übergewicht alteingewurzelter Sonderinteressen bestimmter Städte in den einzelnen Verkehrsgebieten dar. Und diese strebten darnach, die alterrungene Vorzugsstellung in der Privilegierung, in der Stellung im Auslande auch zu behaupten, nachdem alle deutschen Städte den Mitgenuss derselben sich durch Mitbekämpfung des Auslands zugänglich gemacht hatten. Darum die Zurückhaltung der rheinisch-westfälischen Städte in den Verwickelungen der andern mit Flandern und England, darum das Misstrauen der andern in den guten Willen der wendischen Städte, sie im nordischen und östlichen Verkehrsgebiet als gleichberechtigte Genossinnen zu dulden.
Schwankend und unbestimmbar war auch zunächst die Zahl der an den Privilegien teilnehmenden Städte überhaupt in diesem Zeiträume der Umbildung. Allenthalben erhoben die Regierungen Vorwürfe, in Norwegen, in England, in Flandern, dass die Hanse an ihren Privilegien eigenmächtig Städte und Leute teilnehmen lasse, denen sie gar nicht verliehen seien, die früher nie zu ihrer Verbindung gehört hätten. Sie forderten, dass ihnen die privilegierten Städte mit Namen angegeben würden. Jedoch die Hanse musste dies als eine Unmöglichkeit ablehnen, da sie selbst ihre Mitglieder nicht alle kenne. Freigebig waren die Kontore gewesen mit der Aufnahme ins Recht des Kaufmanns, die ja schließlich keinem unbescholtenen deutschen Kaufmanne hatte verwehrt werden können. Seit aber nun die Vereinigung der Städte den Hauptgrundsatz aufstellte, dass nur Angehörige einer Hansestadt das Recht zum Genüsse der hansischen Privilegien haben sollten, machte sie es zu einer ihrer vornehmsten Pflichten, die als privilegiert anzusehenden Städte nach Namen und Zahl festzustellen.
Über die neuerworbenen allgemeinen Privilegien selbst aber stand die Meinung der Städte fest. Am höchsten bewerteten sie die flandrischen. Mit den durch diese eingeräumten Vergünstigungen waren sie durchaus zufrieden, neue begehrten sie hier gar nicht, sondern nur ihre genaue Beobachtung durch die Fläminger. Auch die Erwerbung größerer Privilegien in den drei nordischen Reichen hielten sie für überflüssig, sie fielen ihnen hier ohnehin durch den Zwang der Verhältnisse zu. Mit den Freibriefen in Nowgorod waren sie ebenfalls völlig zufrieden, denn sie gewährten ihrem Handel fast vollständige Zollfreiheit; deutlich erklärten sie den Nowgorodern selbst, nur die Beobachtung derselben zu fordern, aber andererseits auch nichts von ihnen aufgeben zu wollen. In England hatten die Hansen vor allen Fremden einen bedeutenden
Vorzug, und in einigen wichtigen Steuern selbst vor den Ein- heimischen, Abgesehen von den Engländern selbst stellten hansische Stimmen, namentlich das Kontor in London, wiederholt diese Tatsachen fest. Die Hansen zahlten dem Könige 3 Pfennig Pfundgeld Ein- und Ausfuhrzoll, die englischen und die fremden Kaufleute 12 Pfennig. Sie genossen des Vorzugs, in den Städten des Landes freien Kauf und Verkauf treiben zu dürfen. Sie besaßen in London ein freies und „köstliches" Heim, Rat und Gericht selbständig darin zu halten. Sie hatten ein Haupttor der Stadt in Verwahrung, worauf, wie das Londoner Kontor sich selbst äußerte, des Kaufmanns Privilegien und Freiheiten binnen London begründet sind.
Die Grundlage aller Privilegien, „dat anbeghin und fundament van allen Privilegien", aber nennt einmal das Brügger Kontor: „dat wy vry varen und keren moghen up unsen aeldeu gewonliken toll". Das war der Angelpunkt der städtischen Politik, darauf zu einem wesentlichen Teile beruhte die Überlegenheit des hansischen Handels auf den nördlichen Meeren und in den anliegenden Ländern noch in Zeiten, als bereits mächtig vorwärtsstrebende Konkurrenten kühn ihr Haupt erhoben.
Des Genusses ihrer großen, alle Wünsche zufriedenstellenden Privilegien wollten die Städte der Hanse leben. Aber die unerlässliche Vorbedingung gedeihlichen Handels war der Friede zur See, im deutschen Binnenlande und im Auslande. In den beiden ersten Richtungen standen den Städten durch Flotten, Bürgeraufgebote und Söldner die kriegerischen Mittel zu Gebote, um ihren Handel vor Vergewaltigungen zu schirmen. Aber den großen Kriegen der Völker konnten sie nicht vorbeugen. Hier konnte es sich für sie nur darum handeln, im günstigsten Falle von den fremden Mächten Zugeständnisse zu erlangen, die den deutschen Handel für neutral und unverletzlich erklärten. Unumwunden und brutal genug drückte einmal England sein Prinzip bei der Behandlung Neutraler in Feindesland aus: „was wir in vynde landen vynden, das halde wir alse vynt".
Zur Wahrung der Auslandsprivilegien, der Seeneutralität, der Bundesverfassung kam aber ferner die ganze Summe von Aufgaben hinzu, die Schutz und Befestigung der eigenen Überlegenheit im Handel, Entwicklung und Durchführung geeigneter Verfügungen und Maßregeln gegen Konkurrenten betrafen, — Bahnen der Entwicklung, die wir die Hanse in den sechziger Jahren des 14. Jahrhunderts vorsichtig tastend betreten sahen. Und dazu noch kam die Riesenarbeit, die seit ebendieser Zeit aus veränderten Verhältnissen den Städten innerhalb ihrer Mauern und gegenüber den heimischen Territorialgewalten erwuchs. Auch in diesen Richtungen suchte das Schutz- und Verteidigungsbedürfnis der einzelnen Städte durch Zusammenschluss der landschaftlich zusammengehörigen die Widerstandskraft zu erhöhen. Darüber hinaus aber versuchte die junge Hanse durch Satzungen und tätiges Eingreifen sich auch nach dieser Seite hin als Hüterin der politischen Selbständigkeit und der Verfassung ihrer Mitglieder zu betätigen.
Eine reiche Fülle mannigfaltigster Aufgaben übernahm der große Bund der niederdeutschen Städte. Es waren erste Versuche einer allseitigen Bewältigung der neuen Fragen, die er noch während seiner Entstehung unternahm. Fest stand vorerst nur das eine Grundstatut: Keiner soll die hansischen Privilegien und Freiheiten genießen, der nicht Bürger in einer Stadt von der deutschen Hanse ist. Aber selbst deren Anzahl war noch unbestimmt.
Inmitten dieses großen Umbildungsprozesses, dem die deutsche Kaufmannshanse unterlag, gingen die stärksten Einwirkungen aus von der wendischen Städtegruppe, im besonderen von ihrer Führerin Lübeck. Überall begegneten wir an erster Stelle ihnen, sie waren die Treibenden dem Auslande, den Kontoren, der Gesamtheit der Städte gegenüber. Sie waren die Mahner zum Zusammenhalten und zur Eintracht, damit das Ausland nicht glaube, dass ein Zerwürfnis zwischen den Gruppen der Städte eingetreten sei, und dadurch kühner gemacht werde. Ihre Handelsinteressen besaßen überall den Vorrang. Damit bekam die Handelspolitik der Hanse von vornherein eine starke lübisch-wendische Färbung. Der Bund erweckt den Eindruck, als sei er bestimmt gewesen, in erster Linie auch ihren Interessen zu dienen. Das deutsche Kolonialland, das Ostseegebiet, mit seinen wachsenden wirtschaftlichen Schätzen, mit seiner steigenden Konsumtionsfähigkeit erscheint unzweifelhaft dem westelbischen Niederdeutschland und dem Westen an Vielseitigkeit der Interessen und Energie der Unternehmungslust seiner Kaufleute überlegen. In Händen der wendischen Städte lag ganz überwiegend der große Umsatz zwischen dem Osten und Norden einerseits, dem Westen andererseits. Ihre Kaufleute und Schiffer beherrschten ihn. Noch waren die preußischen und livländischen Städte in starker Abhängigkeit von ihrer Vermittlertätigkeit, noch standen Schifffahrt und Handelstätigkeit der nichthansischen Konkurrenten, der Engländer und Holländer, nach der Ostsee in den Anfängen.
Wie die wendischen Handelsinteressen zur Bildung der Hanse der Städte führten, so führten sie auch im weitern zur Ausbildung eines hansischen Schifffahrts-, Handels- und Verfassungsrechts, das zum größten Teil längst entwickelte, alterprobte Gewohnheiten der Auslandskontore und der wendischen Kaufleute zusammenfasste.
Die Fragen, die der Zukunft gestellt waren, hatten in Lübeck ihre stärkste, vielseitigste, allen Genossinnen überlegene Trägerin. Beachtenswert ist, wie um diese Zeit, etwa 1380, ein lübischer Propst den Einfluss der Stadt Lübeck charakterisiert. Er meinte, dass auch in dem Bunde fernliegenden Fragen, wie der kirchlichen, die damals die Christenheit bewegte, — es handelte sich um die Anerkennung Papst Urbans VI. — , nicht bloß die Kirche in Livland und die anderen Hansestädte, sondern auch die drei skandinavischen Reiche das Verhalten Lübecks nachahmen würden.
Behauptete und festigte sich die neue Einigung der nieder-deutschen Städte? War sie fähig, die erlangte Vorzugsstellung des deutschen Handels im Verkehrsgebiet der nördlichen Meere zu bewahren? Wie Siegesgewissheit und Kraftbewusstsein klingt es aus den Worten des Londoner Kontors 1379: „dei harder dat men dei sake beghinnet, dei er dat dei copmann bi zine vriheyt wedder comen sulle".
Aber noch war die Gemeinschaft der niederdeutschen Städte, die deutsche Hanse, ein recht schwankender Begriff. Selbst wenn man das Interesse der deutschen Binnenstädte am Seehandel und den Auslandsprivilegien gering veranschlagen will, — doch soll nur erinnert sein an den lebhaften Verkehr aus ganz Westfalen über die Ostsee bis Reval und Nowgorod, an die hervorragenden Interessen der Dortmunder und Kölner Kaufleute in England, an das Auftreten sächsischer Händler im Norden, — selbst dann fällt die Lockerheit der Verbindung auf. Köln und die rheinisch-westfälischen Städte standen der flandrischen Frage und noch mehr der nordischen und englischen sehr zurückhaltend gegenüber und das bedeutende Kampen ging in Flandern und während des ersten Kriegs gegen Dänemark geradezu in feindlichem Gegensatz zu den andern Städten vor.
Andererseits erfolgten von den verschiedensten Seiten, je offenbarer die Leistungsfähigkeit der neuen Vereinigung wurde, Anträge, die um Aufnahme bezw. Wiederaufnahme in die Gemeinschaft der Städte und um Fortgewährung des Genusses der hansischen Rechte baten. Schon 1358, als die gegen Flandern vereinigten Städte die ersten nachdrücklichen Schritte unternahmen, hielt Bremen für klug, sich ihrer Verbindung wieder einzuordnen. Es musste dabei die Verpflichtung übernehmen, den wendischen Städten und zur Befriedung der Elbmündung auch Hamburg kriegerischen Beistand zu leisten. Holländische, seeländische und friesische Städte, auch preußische und livländische erscheinen im Norden als neuprivilegierte. Von den preußischen wurden die wendischen 1376 gebeten, bei weiteren Erwerbungen im Norden ihrer nicht zu vergessen, und 1398 wiesen sie ihre Boten an, in der Angelegenheit der nordischen Privilegien sich nicht von den andern Städten zu scheiden. Noch besser zeugt für das geringe Vertrauen in die Dauer der großen, alle umfassenden Gemeinschaft und der von ihr erworbenen Privilegien der Antrag Staverens und Kampens 1383, für den Fall weiterer Erwerbungen in Norwegen und Dänemark, aber sogar auch in Holland und Flandern sie nicht auszuschließen. Und die Städte machten in Erinnerung an das frühere Verhalten Kampens zur Bedingung, dass dann beide Städte allerorten sich dem Recht und den Ordonnanzen des hansischen Kaufmanns unterordneten und ihnen dies urkundlich versprächen. Als 1385 die Rückgabe der schonischen Schlösser an Dänemark die Auflösung der Kölner Konföderation nach sich zog, suchten die preußischen Städte in der Erwartung, dass nun der durch die Konföderation geschaffene Zusammenhang der Städte sich lösen werde, die Hand der livländischen und süderseeischen und die Hilfe des Hochmeisters, um eine engere Einigung aufrecht zu erhalten. Auch einer Verlängerung der großen Konföderation waren sie nicht abgeneigt, falls nur der besondere kriegerische Charakter dieses Bündnisses ersetzt werde durch ausschließlich friedliche Zwecke der Förderung und Schirmung von Kaufmannschaft und Seehandel. Die süderseeischen Städte hingegen waren für die Verlängerung der Konföderation selbst. Die ganze Frage verschwand aber schnell wieder aus den städtischen Beratungen. Am eigentümlichsten jedoch war 1379 ein Antrag der englischen Kaufmannschaft um Aufnahme in die Hanse, dem natürlich nicht entsprochen werden konnte.*)
*) HR. 1. II n. 210 § 8.6. Anträge um Aufnahme in die Hanse von Rügenwalde das. n. 190 § 1, von Stolp n. 254 § 2, von Arnheim n. 192 § 19; später auch von andern.
Keineswegs gleichartig war schon der Kreis der an den verschiedenen Privilegien teilnehmenden Städte. Holländische, seeländische und friesische nahmen an den norwegischen und dänischen teil, an den übrigen dagegen nicht. Die preußischen aber traten seit spätestens 1380 mit Ansprüchen auf Gleichstellung mit den alten Mächten des Nowgorodverkehrs im russischen Handel hervor. Überall sehen wir die historischen Verhältnisse wirksam, die zur Erwerbung, Erneuerung, Erweiterung der grundlegenden Rechte geführt hatten. Sie stellten ein Übergewicht alteingewurzelter Sonderinteressen bestimmter Städte in den einzelnen Verkehrsgebieten dar. Und diese strebten darnach, die alterrungene Vorzugsstellung in der Privilegierung, in der Stellung im Auslande auch zu behaupten, nachdem alle deutschen Städte den Mitgenuss derselben sich durch Mitbekämpfung des Auslands zugänglich gemacht hatten. Darum die Zurückhaltung der rheinisch-westfälischen Städte in den Verwickelungen der andern mit Flandern und England, darum das Misstrauen der andern in den guten Willen der wendischen Städte, sie im nordischen und östlichen Verkehrsgebiet als gleichberechtigte Genossinnen zu dulden.
Schwankend und unbestimmbar war auch zunächst die Zahl der an den Privilegien teilnehmenden Städte überhaupt in diesem Zeiträume der Umbildung. Allenthalben erhoben die Regierungen Vorwürfe, in Norwegen, in England, in Flandern, dass die Hanse an ihren Privilegien eigenmächtig Städte und Leute teilnehmen lasse, denen sie gar nicht verliehen seien, die früher nie zu ihrer Verbindung gehört hätten. Sie forderten, dass ihnen die privilegierten Städte mit Namen angegeben würden. Jedoch die Hanse musste dies als eine Unmöglichkeit ablehnen, da sie selbst ihre Mitglieder nicht alle kenne. Freigebig waren die Kontore gewesen mit der Aufnahme ins Recht des Kaufmanns, die ja schließlich keinem unbescholtenen deutschen Kaufmanne hatte verwehrt werden können. Seit aber nun die Vereinigung der Städte den Hauptgrundsatz aufstellte, dass nur Angehörige einer Hansestadt das Recht zum Genüsse der hansischen Privilegien haben sollten, machte sie es zu einer ihrer vornehmsten Pflichten, die als privilegiert anzusehenden Städte nach Namen und Zahl festzustellen.
Über die neuerworbenen allgemeinen Privilegien selbst aber stand die Meinung der Städte fest. Am höchsten bewerteten sie die flandrischen. Mit den durch diese eingeräumten Vergünstigungen waren sie durchaus zufrieden, neue begehrten sie hier gar nicht, sondern nur ihre genaue Beobachtung durch die Fläminger. Auch die Erwerbung größerer Privilegien in den drei nordischen Reichen hielten sie für überflüssig, sie fielen ihnen hier ohnehin durch den Zwang der Verhältnisse zu. Mit den Freibriefen in Nowgorod waren sie ebenfalls völlig zufrieden, denn sie gewährten ihrem Handel fast vollständige Zollfreiheit; deutlich erklärten sie den Nowgorodern selbst, nur die Beobachtung derselben zu fordern, aber andererseits auch nichts von ihnen aufgeben zu wollen. In England hatten die Hansen vor allen Fremden einen bedeutenden
Vorzug, und in einigen wichtigen Steuern selbst vor den Ein- heimischen, Abgesehen von den Engländern selbst stellten hansische Stimmen, namentlich das Kontor in London, wiederholt diese Tatsachen fest. Die Hansen zahlten dem Könige 3 Pfennig Pfundgeld Ein- und Ausfuhrzoll, die englischen und die fremden Kaufleute 12 Pfennig. Sie genossen des Vorzugs, in den Städten des Landes freien Kauf und Verkauf treiben zu dürfen. Sie besaßen in London ein freies und „köstliches" Heim, Rat und Gericht selbständig darin zu halten. Sie hatten ein Haupttor der Stadt in Verwahrung, worauf, wie das Londoner Kontor sich selbst äußerte, des Kaufmanns Privilegien und Freiheiten binnen London begründet sind.
Die Grundlage aller Privilegien, „dat anbeghin und fundament van allen Privilegien", aber nennt einmal das Brügger Kontor: „dat wy vry varen und keren moghen up unsen aeldeu gewonliken toll". Das war der Angelpunkt der städtischen Politik, darauf zu einem wesentlichen Teile beruhte die Überlegenheit des hansischen Handels auf den nördlichen Meeren und in den anliegenden Ländern noch in Zeiten, als bereits mächtig vorwärtsstrebende Konkurrenten kühn ihr Haupt erhoben.
Des Genusses ihrer großen, alle Wünsche zufriedenstellenden Privilegien wollten die Städte der Hanse leben. Aber die unerlässliche Vorbedingung gedeihlichen Handels war der Friede zur See, im deutschen Binnenlande und im Auslande. In den beiden ersten Richtungen standen den Städten durch Flotten, Bürgeraufgebote und Söldner die kriegerischen Mittel zu Gebote, um ihren Handel vor Vergewaltigungen zu schirmen. Aber den großen Kriegen der Völker konnten sie nicht vorbeugen. Hier konnte es sich für sie nur darum handeln, im günstigsten Falle von den fremden Mächten Zugeständnisse zu erlangen, die den deutschen Handel für neutral und unverletzlich erklärten. Unumwunden und brutal genug drückte einmal England sein Prinzip bei der Behandlung Neutraler in Feindesland aus: „was wir in vynde landen vynden, das halde wir alse vynt".
Zur Wahrung der Auslandsprivilegien, der Seeneutralität, der Bundesverfassung kam aber ferner die ganze Summe von Aufgaben hinzu, die Schutz und Befestigung der eigenen Überlegenheit im Handel, Entwicklung und Durchführung geeigneter Verfügungen und Maßregeln gegen Konkurrenten betrafen, — Bahnen der Entwicklung, die wir die Hanse in den sechziger Jahren des 14. Jahrhunderts vorsichtig tastend betreten sahen. Und dazu noch kam die Riesenarbeit, die seit ebendieser Zeit aus veränderten Verhältnissen den Städten innerhalb ihrer Mauern und gegenüber den heimischen Territorialgewalten erwuchs. Auch in diesen Richtungen suchte das Schutz- und Verteidigungsbedürfnis der einzelnen Städte durch Zusammenschluss der landschaftlich zusammengehörigen die Widerstandskraft zu erhöhen. Darüber hinaus aber versuchte die junge Hanse durch Satzungen und tätiges Eingreifen sich auch nach dieser Seite hin als Hüterin der politischen Selbständigkeit und der Verfassung ihrer Mitglieder zu betätigen.
Eine reiche Fülle mannigfaltigster Aufgaben übernahm der große Bund der niederdeutschen Städte. Es waren erste Versuche einer allseitigen Bewältigung der neuen Fragen, die er noch während seiner Entstehung unternahm. Fest stand vorerst nur das eine Grundstatut: Keiner soll die hansischen Privilegien und Freiheiten genießen, der nicht Bürger in einer Stadt von der deutschen Hanse ist. Aber selbst deren Anzahl war noch unbestimmt.
Inmitten dieses großen Umbildungsprozesses, dem die deutsche Kaufmannshanse unterlag, gingen die stärksten Einwirkungen aus von der wendischen Städtegruppe, im besonderen von ihrer Führerin Lübeck. Überall begegneten wir an erster Stelle ihnen, sie waren die Treibenden dem Auslande, den Kontoren, der Gesamtheit der Städte gegenüber. Sie waren die Mahner zum Zusammenhalten und zur Eintracht, damit das Ausland nicht glaube, dass ein Zerwürfnis zwischen den Gruppen der Städte eingetreten sei, und dadurch kühner gemacht werde. Ihre Handelsinteressen besaßen überall den Vorrang. Damit bekam die Handelspolitik der Hanse von vornherein eine starke lübisch-wendische Färbung. Der Bund erweckt den Eindruck, als sei er bestimmt gewesen, in erster Linie auch ihren Interessen zu dienen. Das deutsche Kolonialland, das Ostseegebiet, mit seinen wachsenden wirtschaftlichen Schätzen, mit seiner steigenden Konsumtionsfähigkeit erscheint unzweifelhaft dem westelbischen Niederdeutschland und dem Westen an Vielseitigkeit der Interessen und Energie der Unternehmungslust seiner Kaufleute überlegen. In Händen der wendischen Städte lag ganz überwiegend der große Umsatz zwischen dem Osten und Norden einerseits, dem Westen andererseits. Ihre Kaufleute und Schiffer beherrschten ihn. Noch waren die preußischen und livländischen Städte in starker Abhängigkeit von ihrer Vermittlertätigkeit, noch standen Schifffahrt und Handelstätigkeit der nichthansischen Konkurrenten, der Engländer und Holländer, nach der Ostsee in den Anfängen.
Wie die wendischen Handelsinteressen zur Bildung der Hanse der Städte führten, so führten sie auch im weitern zur Ausbildung eines hansischen Schifffahrts-, Handels- und Verfassungsrechts, das zum größten Teil längst entwickelte, alterprobte Gewohnheiten der Auslandskontore und der wendischen Kaufleute zusammenfasste.
Die Fragen, die der Zukunft gestellt waren, hatten in Lübeck ihre stärkste, vielseitigste, allen Genossinnen überlegene Trägerin. Beachtenswert ist, wie um diese Zeit, etwa 1380, ein lübischer Propst den Einfluss der Stadt Lübeck charakterisiert. Er meinte, dass auch in dem Bunde fernliegenden Fragen, wie der kirchlichen, die damals die Christenheit bewegte, — es handelte sich um die Anerkennung Papst Urbans VI. — , nicht bloß die Kirche in Livland und die anderen Hansestädte, sondern auch die drei skandinavischen Reiche das Verhalten Lübecks nachahmen würden.
Behauptete und festigte sich die neue Einigung der nieder-deutschen Städte? War sie fähig, die erlangte Vorzugsstellung des deutschen Handels im Verkehrsgebiet der nördlichen Meere zu bewahren? Wie Siegesgewissheit und Kraftbewusstsein klingt es aus den Worten des Londoner Kontors 1379: „dei harder dat men dei sake beghinnet, dei er dat dei copmann bi zine vriheyt wedder comen sulle".
Hansewappen
Hanse Kogge
Lübeck Das Holstentor
Braunschweig Stadtansicht
Greifswald Stadtansicht
Goslar Stadtansicht
Elbing Stadtansicht
Berlin und Kölln
Lüneburg Stadtansicht
Magdeburg Stadtansicht
Rostock Stadtansicht
Stralsund Stadtansicht
Wismar, Stadtansicht
Hamburg, Blick auf die Unterelbe
Bremen - Einfamilienhäuser in der Olbersstraße
Hamburg - Deichstraßenfleet
Hamburg - Leitergasse