Abschnitt 2

Java und die Javanesen


Die ausgezeichnetsten jener Denkmäler finden sich zu Prambanam, Boro-Bodo und Singa-Sari. Der Ursprung dieser weitläufigen Ruinen ist im tiefsten Alterthum zu suchen und ohne Zweifel bezeichnen sie den Sitz der Könige, die in frühester Zeit über Java geboten. Ein gelehrter Forscher, der diese Ruinen kürzlich bereisete, drückt sich so darüber aus:


Nichts gleicht dem traurigen Gefühl, das beim Anblick dieser Verwüstungsscenen sich dem Forscher aufdringt, wenn er über den Ursprung dieser einst bewunderten, jetzt verödeten Hallen nachdenkt. Hier zeigten sich in großer Vollkommenheit schöne Künste, deren Spur auf Java verschwunden ist; hier sieht man die Sinnbilder einer Religion, die in unsern Tagen kaum noch dem Namen nach dem Volk bekannt ist; hier erblickt man die unverkennbaren Spuren grenzenloser Thätigkeit, außerordentlicher Geschicklichkeit und Geduld; hier erkennt man in den noch lesbaren Inschriften den edlen Geist eines schönen Wetteifers und des Schutzes, der vormals den Künsten und Wissenschaften verliehen ward; hier sieht man den unerschöpflichen Reichthum an Hülfs quellen, welche Java in jenen Zeiträumen besaß. Nie sah ich solche erstaunungswürdige vollendete Beweise menschlicher Arbeiten und des verfeinerten Geschmacks der frühesten Zeit auf einen so mäßigen Raum zusammengedrängt.

Nächst den Ruinen von Prambanam sind die von Bodo die merkwürdigsten. Sie liegen im Bezirk von Boro. Der mit einer Kuppel verzierte Tempel von Bodo liegt am obern Theil eines schmalen Hügels und bildet ein regelmäßiges Viereck mit sieben Terrassen. An jeder Seite des Vierecks führt eine breite Treppe zu dem Eingange. In abgesonderten Nischen oder vielmehr Tempeln, welche in den Mauern der Terrassen angebracht sind, befinden sich mehr als dreihundert Bildsäulen von Heiligen in sitzender Stellung, jede über drei Fuß hoch. Aehnliche Bildsäulen zieren die Kuppel des Tempels und an den äußern und innern Mauern sind Gruppen, welche geschichtliche Bilder und gottesdienstliche Festhandlungen vorstellen, in vortrefflicher halberhabener Arbeit angebracht. Sowohl die Gestalten, als die Trachten sind sichtbar indisch, und man ist zweifelhaft, ob man die Größe und Erhabenheit des ganzen Baues, oder die Schönheit, den Reichthum und die Sorgfalt der Bildhauerarbeiten am meisten bewundern soll. Die Aehnlichkeit der Namen und Gestalten, mit denen des Gottes Budha hat zu der Vermuthung geführt, diese Tempel wären ausschließlich seinem Dienst gewidmet gewesen; allein zur Widerlegung dessen mag dienen, daß in benachbarten kleinen Tempeln noch eine Menge Bildhauerarbeiten und Bildsäulen sich befinden, welche offenbar dem Dienst des Brama angehören. Vielleicht gab es auch eine Zeit, wo beide Gottheiten zugleich verehrt wurden.

Auch zu Singa Sari im Bezirk von Pasaruan gibt es merkwürdige Ruinen, welche trefflich gearbeitete Bildsäulen des Brama und anderer Gottheiten enthalten. Nicht minder sehenswerth ist in einem andern Bezirk eine kolossale Statue eines auf den Knien liegenden Mannes, zwölf Fuß lang und zwischen den Schultern neun und einen halben Fuß breit, mit verhältnißmäßigen Anständen der übrigen Körpertheile von einander. Diese Bildsäule scheint von einer benachbarten Terrasse herunter gestürzt zu sein, obwohl es schwer zu begreifen, wie sie ohne mechanische Hülfsmittel, deren Kenntniß man für jene Zeit, woraus die Bildsäule stammt, kaum voraussetzen kann, auf die Höhe der Terrasse gebracht werden konnte. Eine zweite Figur vom nämlichen Umfang, hat man neuerlich in der Nähe der ersteren aufgefunden. Ohne Zweifel wird man, nach Aushauung des nahen dichten Waldes, Spuren des Tempels finden, zu welchem diese beiden Bildsäulen anscheinend den Zugang bildeten. Unweit Singa Sari, wo vor Alters der Sitz des Reiches sich befand, und im Bezirk von Malang sind ebenfals sehenswürdige Ruinen von Tempeln ähnlicher Bauart und Verzierung.

Alle diese Gebäude, welche in mäßiger Entfernung von einander liegen, bezeichnen einen Zeitpunct hoher Kunstbildung, und bestätigen die einzelnen Thatsachen der Landesgeschichte, welche in mehrern inländischen historischen und dramatischen Werken enthalten sind.

Zu den javanischen Alterthümern gehört in mythologischer Rücksicht der Berg Hunung Praha auf der Nordseite der Insel, welchen die Einwohner als den Sitz des Gottes Arjuno und der Halbgötter und Heroen verehren, die sich einst im heiligen Kriege hervorthaten. Hier sieht man noch die Ruinen eines Palastes, von dem die Sage berichtet, er habe einst goldene Bildsäulen enthalten.

Große Aufmerksamkeit verdienen auch die mannigfaltigen Inschriften, welche man in mehrern Theilen der Insel findet und die bereits durch Facsimile’s vervielfältigt sind. Die Schriftzüge sind zum Theil unverkennbar indisch, mehrere der anziehendsten sind durch die Gesellschaft entziffert.

In der Nachbarschaft des ehemaligen Königreichs Jong’golo, unfern dem jetzigen Surabaja, hat man mehrere große Steine von der Gestalt unserer Grab steine aufgefunden, welche mit Inschriften der Kawisprache und altjavanischer Schriftzüge bedeckt sind. Sie enthalten Gebete und Anrufungen der Gottheit. Auch Kupferplatten und Handschriften, neuerlich zu Scheribon gefunden, sind der Gesellschaft übergeben. Die Kupferplatten enthalten Jahres- und Tagesangaben und sind äußerst wichtig für javanische Sprache und Wissenschaft. Blos dadurch, daß man eine möglichst große Anzahl von Angaben der Art mit den Ueberbleibseln der Kunst, Sprache und Einrichtungen zusammenstellt und mit den zuverlässigsten Nachrichten über andere östliche Länder vergleicht, darf man hoffen, zu befriedigenden Resultaten zu gelangen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Holland in den Jahren 1831 und 1832 Zweiter Theil