Abschnitt 1

Die Maatschapijen


Nichts beweiset mehr für den aristokratisch- republikanischen Geist der Holländer, als die auffallende Menge der von ihnen zur Erreichung verschiedener Zwecke gestifteten Vereine. Wer den Holänder von einer seiner besten Seiten kennen lernen will, muß auf diesen Gegenstand seine Aufmerksamkeit richten. Er wird aus der Anzahl, Stärke, Einrichtung, Verzweigung und Wirksamkeit der maatschapijen in Holland einen sehr vortheilhaften Schluß auf den regsamen öffentlichen Geist machen, der in diesem Lande herrscht. Ich will nur einige dieser Gesellschaften namhaft machen und zwar solche, die entweder ihren Hauptsitz oder wenigstens eine bedeutende Mitbesteurung im Haag gefestigt haben. Zunächst führe ich an:


Die maatschapij tot nut van’t algemeen.

Dieselbe ist im Jahr 1784 zu Edam errichtet, hat aber in der Folge ihren Hauptsitz nach Amsterdam verlegt. Die Anzahl ihrer Departemente, durch ganz Holland zerstreut, beläuft sich auf 192, welche 13,188 Mitglieder befassen. Die Provinz Süd- Holland hat 35 Departemente aufzuweisen, wovon eins auf die Hauptstadt. Der jährliche Beitrag der Mitglieder 6 Gulden. Dafür empfängt Jeder ein Exemplar von den Werken, welche die Gesellschaft im laufenden Jahr herausgibt.

Das Haager Departement hat folgende vortreffliche Einrichtungen für die Stadt ins Leben gerufen:

1) Eine Lesebibliothek, seit dem Jahr 1798. Der Katalog befaßt die Titel von 1800 Büchern für das Volk und die Jugend. Die Bücher werden unentgeldlich ausgeliehn und am Donnerstag Abend für vierzehn Tage gewechselt.

2) Eine Schule, gestiftet im Jahr 1804, mit sechs Lehrern.

3) Eine Zeichenschule vom Jahr 1809. In derselben wird am Montag, Mittwoch und Sonnabend Unterricht im Zeichnen ertheilt, sowohl wie nach antiken Büsten, wie nach Handzeichnungen und Kupferstichen. Für den dreimaligen Besuch in der Woche wird Jahrs zwanzig Gulden entrichtet, für den zweimaligen Besuch nur sechzehn.

4) Eine Sparbank, aufgerichtet im Jahr 1818. Schon im Jahr 1830 besaß die Bank einen Werth von 347,632 Gulden. Sie gibt vier von Hundert und nimmt Alles an, was über einen halben Gulden ist.

5) Volksunterricht durch öffentliche Vorlesungen etlicher Werke der Gesellschaft, seit dem Jahre 1823. Der Stadtrath hat dazu die kleine englische Kirche hergegeben, wo 150 Zuhörer auf Vorzeigung einer Karte zugelassen werden.

Maatschapij van weldadigheid.

Diese Gesellschaft verdankt ihren Ursprung dem unermüdlichen Eifer des bekannten Generallieutenants van den Bosch. Als dieser würdige Mann sich auf der Insel Java aufhielt und für geringen Preis sehr bedeutende Ländereien an sich gebracht hatte, führte ihm ein glücklicher Zufall einen aus China geflüchteten Mandarinen zu, dessen sinnreicher Kopf in kurzer Zeit seine Güter dermaßen verbesserte, daß sie beim Wiederverkauf dem Herrn van den Bosch, wie auch dem Mandarin selbst, der vom Verwalter zum Miteigenthümer gestiegen war, einen überraschenden Gewinn abwarfen. Voll von diesem Resultat kehrte Herr van den Bosch nach Europa zurück. Hier faßte er den Gedanken, wüste Strecken seines Vaterlandes, nach den Grundsätzen des chinesischen Mandarinen urbar zu machen, und zwar nicht zu eigenem Vortheil, sondern zum Besten nothleidender Menschen, die sich darauf als Anbauer niederlassen sollten. In dieser Absicht gründete er die obige Maatschapij, eine Gesellschaft, die gegenwärtig nicht weniger als 15,000 Mitglieder zählt und vielen hundert fleißigen, dem Man gel und Elende entrissenen Familien Brod, Arbeit, Aussicht auf Wohlstand gewährt. Die Colonien Fredericksoord in Drenthe, Wilhelmsoord in Overyssel, Wilhelminasoord in Friesland sind nach der Beschreibung sachverständiger Reisender, wie z.B. des Herrn von Gruner, Muster in ihrer Art. Der Fleiß findet dort Mittel und Wege, etwas vor sich zu bringen, der tüchtige Arbeiter kann mit der Zeit freier Eigenthümer werden, kann den Besitz, den er mit seinem Schweiße gedüngt hat, beim Tode seinen glücklicheren Kindern überlassen. Das lasse ich mir gefallen. Sonst, ich hasse diese Hungergaben, diese Haide-Sibirien, diese Zuchthäuser in freier Natur, diese Armen-Colonien mit ihren todtblassen Gesichtern, die muthlos auf den Boden starren, mit ihren gespenstischen Weibern, die, ihre Säuglinge an der welken Brust, die langen dürren Hände zum Betteln ausstrecken, mit ihren Hütten, die das menschliche Elend selbst gebaut und aufgezimmert zu haben scheint, um sie von ihrer leibeigenen Tochter, der Hoffnunglosigkeit, bewohnen zu lassen; ich hasse diese Colonien, wo das Land kein Wasser, die Mutter keine Milch, der Vater keinen Muth in der Seele und kein Mark in den Knochen hat. Dagegen bin ich überzeugt, daß die meisten von den 2200 Menschen, die in den holländischen Colonien einen Grund von 1100 Bundern Land ur- und fruchtbar machen, Schullehrer, Prediger und Bücher haben, die Wohlthat der Gesellschaft dankbar anerkennen und segnen. Sie haben nicht viel, aber sie haben die Hoffnung, sie sind arm, aber sie sind keine Bettler, sie wohnen einsam, aber sie sind nicht ausgestoßen von der Gesellschaft, sie werden von ihren Nachbarn vielleicht nicht beneidet, aber auch nicht bemitleidet, sie haben einen Weg hinter sich, einen Weg vor sich und niemals, wenn sie nur wollen, Noth und Kummer an ihrer Seite. Da läßt es sich leben. Und selbst jene zwei andern Colonien, welche die Gesellschaft außerdem errichtet hat, um eine wohlthätige Scheidewand zu ziehn, zwischen dem Fleiß der Armuth und der in Faulheit versunkenen Bettelei, selbst diese beiden Colonien sind menschlich, sind mit menschlichem Sinne auf menschliche Bedürfnisse berechnet, lassen der Furcht und der Hoffnung eine Thür offen, und gewähren dem Bettler, der arbeitet die nahe und gewisse Aussicht, kein Bettelcolonist zu bleiben, sondern in die achtbarere Gesellschaft der drei oberen Landbaucolonien einzutreten. Das eine dieser Stifte befindet sich an der Ommerschans in der Provinz Overyssel, das andere zu Veenhuizen in der Provinz Drenthe. Ersteres zählt 1400 Seelen mit 800 Bundern Grund, letzteres 1100 Seelen, mit einem mir unbekannten Inhalt von Moor und Ländereien.

Zu Veenhuizen hat die Gesellschaft noch zwei an dere wohlthätige Einrichtungen getroffen. Sie hat 2 bis 3000 Bunder Landes bestimmt für Waisen, Findlinge, verlassene Kinder, alte Soldaten, nothdürftige Leute, welche sie auf eine ihrem Alter, ihrem Geschlecht, ihren Kräften angemessene Art auf dessen Raum in Thätigkeit setzt.

Endlich hat die Gesellschaft eine Landbauschule zu Vateren errichtet, wo sie einer Zahl von 60 jungen Leuten Gelegenheit gibt, durch die dort erworbnen Kenntnisse sich einmal zu Beamten in den verschiedenen Colonien der Gesellschaft aufzuschwingen. Vortrefflicher konnte die Maatschapij van weldadigheid den Kreis ihrer Colonisationsthätigkeit nicht schließen.

Maatschapij tot onderwijs van dooven en stommen.

Diese Gesellschaft zum Unterricht für Taubstumme hat ihren Hauptsitz zu Groningen, woselbst sie im Jahr 1790 durch den Prediger an der Valschen Gemeinde, Guyot, gestiftet wurde. Sie ist gegenwärtig in vier und siebenzig Departemente ausgebreitet.

Genootschap tot onderwijs van blinden.

Die Wörter genootschap, geselschap klingen im holländischen bescheidener als maatschapij und wer den daher von weniger ausgedehnten Vereinigungen gebraucht. Jedoch hat die obige genootschap die im Jahr 1808 zu Amsterdam sich aufthat, in den vornehmsten Städten des Landes ihre Correspondenten und überall, auf dem Lande wie in der Stadt, ihre Theilnehmer. Der jährliche Beitrag ist fünf Gulden.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Holland in den Jahren 1831 und 1832 Zweiter Theil