Hinter dem Wassersturz des Niagara

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1913
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Niagara, Wasserfall, USA, Kanada, Wassermassen
Großartigkeit und Schönheit der Niagarafälle ist unzähligemal beschrieben worden. Aber außer dem Anblick der ungeheuren Wassermasse, die, durch die Ziegeninsel geteilt, im 322 Meter breiten amerikanischen Fall und im 372 Meter breiten Hufeisenfall auf der kanadischen Seite sich 50 beziehungsweise 49 Meter tief in eine von senkrechten Felswänden umfasste Kluft herabstürzt, gibt es dort noch eine andere Sensation für nervenstarke Leute, die keinen geringeren Eindruck macht.

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Man kann nämlich unter den Fällen durchgehen, was einen der gewaltigsten Eindrücke vermittelt, die der Mensch haben kann. Die Felsbank, über die der Fluss hinunterstürzt, ist senkrecht, ja in den weicheren Gesteinsschichten durch rückwärtsschreitende Erosion vielfach ausgehöhlt, die fallende Wassermasse aber macht naturgemäß einen Bogen, so dass zwischen Fels und Wassersturz ein Raum entsteht, den man durch mit Eisenklammern angebrachte hölzerne Treppen und Stege gangbar gemacht hat. Es ist eine wahre Wasser- und Sturmhölle, die es zu durchschreiten gilt. Sämtliche Teilnehmer, angetan mit dichtschließendem Ölzeug und Badekappe, steigen auf einer Wendeltreppe zuerst vom Flussufer zum Fuße des Hufeisenfalles hinab und gelangen dann auf einer Brücke unter den Fall, in die sogenannte „Höhle der Winde“. Das Donnern und Toben des Falles verschlingt jedes Wort, Wasserstrahlen schießen von allen Seiten auf die Wanderer herab, und ein rasender Sturm, durch den Wasserfall erregt, reißt sie fast mit sich fort, so dass sie nur dicht aneinandergedrängt und sich mit allen Kräften anklammernd sich auf den Stegen weiterarbeiten können. Wasser und Sturm setzen den Balkenstegen so zu, dass sie jedes Jahr erneuert werden müssen.

Hinter dem Wassersturz des Niagara

Hinter dem Wassersturz des Niagara