Hansestadt Rostock - Hafen. Schiffswerft. Blücherplatz. Universität. Kirchen. Geschichte.
Dahin fahren wir jetzt, die Warnow aufwärts steuernd. Zuerst taucht rechts Bramow auf, ein Vergnügungsort der Rostocker, links Gehlsdorf mit einem Rettungshause. Auf dem anderen Gestade liegt die Tischbein'sche Maschinenfabrik, wo die bekannten Schraubendampfschiffe gefertigt werden. Weiterhin begrüßen uns, einladend in Gärten, die Landhäuser der Rostocker Senatoren. Noch eine kurze Strecke, und wir erreichen die Schiffswerft und den innern Hafen von Rostock. Da beschauen wir vor uns den mächtigen, erst jüngst von Petersburg heimgekehrten Schraubendampfer, den Großherzog Franz. Alle vierzehn Tage ungefähr, kommt oder geht ein Schiff von oder nach der Newastadt. Neben ihm sehen wir umgelegt einen der beiden vor etwa zwei Monaten heimgekehrten Grönlandfahrer, den „Polarstern". Er ist umgelegt, so dass wir seine Masten berühren können. Wie pocht und sägt man auf seiner nun senkrecht sich darstellenden Oberfläche. Diese Grönlandfahrer sind immer fürchterlich zugerichtet, trotz dem gewaltigen Beschlage von Eisen, das einen wahren Panzer bildet, vorn und hinten gegen das Anprallen des Eises; es sind förmlich geharnischte Schiffe, aber das Metall ist, wie ein abgebrühter Krebs, ganz rot vom Salzwasser. Wandern wir zu dem zweiten Grönlandfahrer, „Flora" genannt, der auch starker Ausbesserung bedarf. Ringsum ihn her stehen lauter leere Tonnen, alle leer; denn er hat seine Ladung nicht erlangt, aber auch keine außergewöhnliche Gefahr bestanden. Der Polarstern ist mit zweihundert Seehunden und einem Walfische !von achtzig Tonnen Tran zurückgekehrt, die Flora nur mit 450 Robben. Obschon die größten Schiffe sich gegenwärtig hier gar nicht befinden, sondern nach allen Weltgegenden ausgezogen sind, selbst in die Levante, nach Smyrna und Konstantinopel, so herrscht doch den Hafen entlang reges Gewimmel; überall Tätigkeit, überall charaktervolle originelle Gestalten! Welche Masse von Ankern und Ketten, ein ganzer Berg von Eisen! Und jenes braune Holzhaus mit dem riesigen Einhorn? — Es ist der Kran zum Aufziehen der Lasten, das Wappen Rostocks abenteuerlich groß darauf gemalt: der goldene Greif in weiß-schwarz-grünem Felde.
Nun auf die Schiffswerft. Elf Schiffe türmen sich gegenwärtig hier unter Klopfen und Hämmern und Klirren empor. So erst gewahrt man, welch einen ungeheuren Umfang diese Paläste des Ozeans haben, wie tief sie im Wasser gehen. Alle Phasen ihrer Entstehung breiten sich vor uns aus. Rückwärts in den Werkstätten liegen nur Boote und Nachen. Dort wächst der Kiel, der Grundpfeiler und gigantische Träger des Ganzen. Hier in der Mitte erblicken wir nur Fragmente, lauter kolossale Schiffsrippen. Weiter hin streckt sich ein Bauch vor, gleich einer Riesenmuschel; rechts ein ganzes Skelett. Vorne liegt eine nach Finnland bestimmte Brigg fast vollendet; schon ragen seine Masten empor und hoch oben hängen Männer.
Hinter dem Hafen öffnen sich altertümliche Tore, deren Zahl überhaupt die Sieben ist, bedeutsam als Wahrzeichen der Stadt, wie die alten Verse besagen:
Säven Dährm (Türen) sünt to Marien Karke (Kirche)
Säven Straoten von dem grote Marke,
Säven Döhre (Thoren), so da gahn to Lande,
Säven Koopmanns - Brüggen bi dem Strande,
Säven Thörme, so up dem Rathus stahn,
Säven Klocken, so da däglich schlahn,
Säven Linden up dem Rosen-Gahrden,
Dat sien der Rostocker Kennewahrden.
Jetzt zählt man vier Land- und zwölf Strandtore. Unter den sieben berühmten Linden (unweit der Eisenbahn) ließ sich Erich VIII. im Jahre 1303 huldigen. Sieben Türmchen stehen auf dem hochgegiebelten, unten mit Schwibbogen versehenen Rathaus; sie werden indes sehr verdeckt durch die vorspringende dreistöckige (wahrscheinlich jüngere) Fassade des Gebäudes. Es nimmt den größten Teil auf der Ostseite des Marktes ein. Von dort laufen sieben Straßen aus. — Man findet noch viele altertümliche Häuser, die mit den Giebeln bis zu sieben Stockwerken emporsteigen. Das Dunkel ihrer tiefen Hausfluren weiß man durch artigen Ausputz zu erheitern; auch hat man in der Mitte wohl Glastüren angebracht, so dass der Eintretende sich in einem kleinen Salon sieht, der mit Spiegeln, Sofas, Uhren, Gipsfiguren etc. geschmückt ist und an heißen Sommertagen einen eben so kühlen, als angenehmen Aufenthalt gewährt. Von außen hat Alles ein höchst nettes freundliches Ansehen, und in dieser Hinsicht zeichnet sich das Innere der Stadt vorteilhaft vor anderen Schwestern an der Ostsee, namentlich vor Lübeck aus, womit sie im Übrigen viel Ähnlichkeit hat. Die Altstadt ist der unregelmäßigste, die Neustadt der größte, die Mittelstadt der hübscheste Stadtteil. Einige alte Häuser sind so reich und schön verziert, wie man ihres Gleichen kaum irgendwo anders antrifft. So die zwei durchbrochenen Häuser „am Schilde". Merkwürdig ist ferner das Zepplin'sche Haus nicht weit vom Blücherplatz. Unter dem von Schadow gearbeiteten Bronzebild des Helden, welcher hier am 16. Dezember 1742 geboren wurde, liest man Göthes Inschrift: „In Harren und Krieg — In Sturz und Sieg — Bewusst und groß: — So riss er uns — Vom Feinde los". Er hält in der Rechten den Marschallstab und fasst in vorwärts schreitender Stellung mit der Linken an den Griff des Schwertes. Die neun Fuß hohe Statue steht auf einer gleich hohen Grundlage von poliertem Granit, an den Seiten mit Metallplatten umkleidet, auf deren einer die obige Inschrift, von Buschwerk und Bäumen umgeben. Am Blücherplatz befindet sich das großherzogliche Schloss (240 Fuß lang) mit der geschmackvollen Hauptwache, das Kloster zum heiligen Kreuz, wo man einen Spahn des Christuskreuzes, vom Papst an die dänische Königin Margaretha geschenkt, vorzeigt, dann das weiße Kollegium oder die Universität, 1419 gestiftet. Sie wird von etwa 100 Studenten besucht, und zählt 24 ordentliche Professoren; der berühmte Orientalist Tychsen (gest. 1815) lehrte daselbst und in Bützow, wo die Fürsten eine Zeit lang (1760 bis 1788) für die von ihnen gewählten Professoren eine eigene Universität errichtet hatten, während Rostock sich seine vom Rat gewählten Professoren hielt. Die Universitäts-Bibliothek, 90.000 Bände enthaltend' ist reich an kostbaren Seltenheiten. — Unter den mit Kupfer gedeckten Kirchen merken wir die Marienkirche, in Kreuzesform 1398 erbaut und die größte des Landes, mit dem Grabmal des berühmten, als Theolog, Jurist und Staatsmann ausgezeichneten Gelehrten Hugo Grotius, welcher hier auf einer Reise erkrankte und starb (1645); die Orgel, eine der besten in Norddeutschland, schätzt man auf 20.000 Thaler an Wert. Die Jacobikirche besitzt drei vorzügliche Altarbilder, von Rode (die Auferstehung, Christus vor Pilatus und das heilige Abendmahl), die Nicolaikirche ein altertümliches Altarblatt und einen 319 Fuß hohen Turm, die alte Petrikirche einen der höchsten Türme in Deutschland von 420 Fuß Höhe. Um letztere beiden Kirchen krümmt sich die originelle Altstadt mit ihrer dicken Atmosphäre, oft im Spätherbst eine Brutstätte des Typhus und der Cholera, von welcher die Stadt, wie alle Orte, wo süßes und salziges Wasser sich mischt, immer viel gelitten hat.
Rostock wird schon 1161 als Wendenstadt erwähnt, die der Dänenkönig Waldemar I. eroberte und mit ihrem weit und breit verehrten Götzenbilde verbrannte; 1170 wurde sie von dem christlichen Obotritenfürsten Pribislav II. aufs neue begründet und durch Deutsche bevölkert; 1323 kam sie an Mecklenburg. Sie blühte lange Zeit als zweite Stadt der Hanse und hatte von jeher viele Streitigkeiten mit den Landesherrn zur Behauptung ihrer sehr ausgedehnten Rechte und Freiheiten. Die innere Verfassung ist fast ganz republikanisch; dazu kommt das Recht der Münze und das Stapelrecht für die Ausfuhr zur See, selbst eine eigene Flagge. Die Schifffahrt betrifft vorzüglich die sehr bedeutende Ausfuhr von Getreide und die Einfuhr von Kolonialwaren für das Binnenland; auch der Markt für Vieh, namentlich Pferde, bringt Leben in den Platz. Der größte Handelsverkehr findet statt zu Antoni, Johannis und um Pfingsten, wo die Messe vierzehn Tage dauert. Die Rostocker gelten für solide, brav und lebenslustig. Der Hang zu materiellen Genüssen ist um so natürlicher, da man die meisten Bedürfnisse, als Wein, Tabak, Fleisch und besonders überseeische Kolonialwaren, hier gut und billig haben kann. Die Vergnügungssucht der Bevölkerung, verbunden mit Derbheit und Gutmütigkeit, war wohl geeignet einen bald launigen, bald beißenden Satyriker zu erzeugen wie Lauremberg, der als Professor zu Soroe (1659) starb. Seine „veer olde berömede Schertzgedichte" erschienen hochdeutsch unter dem Titel: Vier Scherzgedichte zu lustiger Zeitvertreibung gehochdeutscht von der Dichtkunst Liebhaberer (Dedekind).
Rostock - Giebelhäuser bei der Nicolaikirche
Rostock - Kröpeliner Tor
Rostock, Lange Straße, Marienkirche in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts
Hansestadt Rostock, Neuer Markt (zum Zeitpunkt der Aufnahme: Erst-Thälmann-Platz) 1967
Rostock - Markt, Marienkirche und Blutstraße
Hansestadt Rostock, Giebelhäuser und Marienkirche
Hansestadt Rostock, Unterwarnow, Pionierschiff mit Blick auf Petrikirche, 1962
Rostock - Petrikirche mit Petritor
Hansestadt Rostock, Stadthafen mit Großsegler, 1968
Rostock, Stadthafen mit Großsegler, 1968
Hansestadt Rostock - Stadtansicht
Rostock, Stadthafen, 1968
Rostock, Stadthafen, Segelschulschiff "Wilhelm-Pieck", 1968
Rostocker Umland mit Bauernhof, 1968
Rostock vor dem Steintor
Rostocker Wallanlagen und Kröpeliner Tor, 1968
Rostock-Warnemünde, Alter Strom, Eisgang 1968