HEILIGENSTADT. Pr. Sachsen Kreisstadt.

Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bd.1, Mitteldeutschland
Autor: Dehio, Georg (1850-1932), Erscheinungsjahr: 1914
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HEILIGENSTADT. Pr. Sachsen Kreisstadt.

S. Marien-K. (Stifts-K.). Stammkirche des Eichsfeldes, schon in 1. H. 9. Jh. vorhanden. Für die bestehende K. Geldsammlungen 1276, beg. angeblich erst 1304, womit die Formen nicht im Widerspruch; nur die Krypta ist älter, M. 13. Jh. (?) — 3sch. Basilika ohne Qsch. mit langgestrecktem Chor. Die Scheitelhöhe der Gwbb. in ganzer Länge gleich, dagegen die Jochweiten auffallend verschieden. Der Chor hat außer dem regelmäßigen 5/8 Schluß 2 gerade Joche, die von schlanken OTürmen (nur einer ausgeführt) flankiert werden. Das Lhs. beginnt in O mit 2 breiten Jochen; es folgen 3 sehr schmale und endlich in W wieder 2 sehr breite. In der Fensterstellung der Sschiffe sind diese Unregelmäßigkeiten für die Außenansicht ausgeglichen, wodurch im Innern des nördl. Ssch. die Gwb.Grundrisse sich stark verschieben. Am Ende des nördl. Ssch. die 2sch. Krypta (?) einer älteren Anlage (M. 13. Jh.) und über ihr eine Empore; auf der SSeite symmetrisch eine Brüstungswand, aber keine Emporenteilung. Lhs. und Chor in durchlaufender Scheitellinie. Querschnitt nach dem gleichs. 3Eck. Die sehr mächtigen Pfll. sind rom. gegliedert (vielleicht, gleich der sog. Krypta, aus älterem Bau), aber die Scheidbgg. haben in ausgesprochener Weise Profile des 14. Jh. Die Gwbb. am WEnde des Lhs. und die turmlose WFassade (Rose erneuert) laut Inschr. 1487 von Joh. Wirauch. — Die Ausstattung hat unter der puristischen Rest. 1863 schwer gelitten. [Die schöne Kanzel von 1584 in die Dorf-K. zu Röhrig gebracht.) Schlichter got. Taufkessel. Tumba des Erzbischofs Adolf v. Mainz † 1390. — Bmkw. Statue eines Chorknaben mit Lesepult, im Motiv dem bekannten Naumburger nahe verwandt, doch jünger (A. 14. Jh.). Am NPortal Tympanonrelief S. Martin und der Bettler, stark verwittert.

S. Marien-K. (Altstadt). Got. Hallenkirche mit Doppeltürmen. Baunachrichten fehlen. Stilistisch ergeben sich drei Abschnitte: 1. die WTürme und das erste Joch des Lhs. Sie sind [pg 178] als Abschluß eines älteren (vielleicht im Stadtbrande 1333 zugrunde gegangenen) Gebäudes anzusehen. Formcharakter um 1300. Die Fassade ist die got. Transposition des in Sachsen und Thüringen heimischen rom. Schemas. Der untere Teil ein glattes, nur durch das Portal und wenige Horizontalbänder gegliedertes Rck.; es folgen 2 oktogonale Geschosse, mit Giebelchen gekrönt, und zwischen diesen in mäßiger Höhe aufsteigend eine steinerne Dachpyramide. Sowohl am Mauerteil als am Dach Hervorhebung der Kanten durch kräftig profilierte Stäbe, bzw. Krabben. Diese Fassade, obschon weder groß noch reich, ist durch ihre wohlgestimmte Proportionsschönheit den besten der Zeit zuzuzählen. — 2. Lhs. um und nach M. 14. Jh. Hallenkirche von 5 Jochen, das Msch. nur wenig breiter als die Sschiffe. Kräftige Rundpfll. mit 8 Diensten, alle Gwb.Scheitel in gleicher Höhe. — 3. Chor A. 15. Jh., 1sch., höher als das Lhs. Die angebaute große Kap. richtet ihren polygonalen Schluß nach Norden und ergibt in der Außenansicht eine gut wirkende Gruppe. — Die bei der Rest. des 19. Jh. gefundenen Spuren umfangreicher spgot. Wandmalerei wurden bei der Neubemalung nicht berücksichtigt. Auch die prächtige bar. Altarausstattung (1675) ist beseitigt. Ebenso die meisten Grabsteine. Erhalten ein Taufkessel von 1492. [Interessanter Klappaltar A. 15. Jh. und Reste von Altarplastik im Museum.]

S. Aegidien-K. Der älteste und bestausgeführte Teil ist der rck. Chor, beg. wohl nach dem Stadtbrande 1333. Das Lhs. in nüchterner Hochgotik. Hallenkirche von 5 Jochen, im Querschnitt mit der in Mitteldeutschland nicht häufigen Modifikation, daß die Sschiffe tief herabgezogen sind (ihre Scheitel in der Höhenlage des Msch.Kämpfers). Dadurch wird die Raumwirkung, bei starker Längenausdehnung, gedrückt. Die WFassade (beg. 1370) schließt sich der von S. Marien an. Doch ist von den Türmen nur einer (s) ausgeführt. Das Oktogon hat ein einziges Hauptgeschoß mit Ecktürmchen an den Diagonalen (vereinfachter Freiburger Typus). NTurm 1853, Sakristei 1904. — Vierzehnnothelfer-Altar 1638, reicher und origineller Aufbau in Sprenss. Kanzel spbar. 18. Jh. Chorstühle E. 17. Jh., aus dem ehemal. Klst. Reifenstein. Bronzener Taufkessel 1507. Denkmal der hll. Aureus und Justinus, ausgezeichnete Arbeit aus 3. Drittel 14. Jh. Grabstein des Kantors Koch † 1605, Ausführung später, in krausem, schwulstigem Fr.-Bar.

S. Annen-Kap. 1. H. 13. Jh. Ein kleiner Bau mit großem Wurf. Der Nachdruck liegt auf dem Außenbau. Für die [pg 179] Gotik ungewöhnlich das Thema der zentralen Anlage: Regelmäßiges 8Eck, im Aufbau vergleichbar den Türmen von S. Marien. Die steinerne Dachpyramide entwickelt sich, wie dort, aus einem Kranz von 8 Giebelchen und endet in einer Laterne, die verkleinert die Komposition des Ganzen wiederholt. Für die Formbehandlung bezeichnend die kraftvolle Ausbildung der Kanten. Die Proportionen: Durchmesser 6,5; H. bis Hauptgesims 5,8; von dort bis Laternenfuß 6,3; von dort bis Laternenspitze 6,3.

Rathaus. 1738. Davor Neptunsbrunnen.

Schloß des kurfürstl. Vizedoms. 1736 von Chr. Heinemann. Solider Quaderbau, in der Behandlung recht nüchtern. Drei Geschosse zu 13 Achsen. Einziger Kontrast der Segmentgiebel über dem flachen Mittelrisalit. Mansarddach. Im Innern Stuckdekorationen an Wänden und Decken.

Gymnasium (1719). Gegr. 1575. Neubau 1739 von Heinemann.

Gefängnis. Erb. 1740 als Waisenhaus.

Wohnhäuser. Über den Stadtbrand 1739 geht weniges zurück. Stattliche Herren- oder Beamtenhäuser aus 18. Jh. sind der »Preußische Hof«, das »Deutsche Haus«, der »Eichsfelder Hof« und das Ilbergsche Haus.