Bernkastler Doktorwein

Bernkastler Doktorwein

Es war im Jahre 1360, als auf der Burg zu Bernkastel der hochwürdige Herr Erzbischof Boemund II. an bösem Fieber darniederlag. Nicht Natur und Kunst wollten helfen, das Fieber blieb trotz reiner Luft und den unreinen Tränken der Doktoren.


Da ließ der Prälat bekannt werden, dass er den, der ihn von dem lästigen Gaste befreien würde, und sei es wer immer, reichlich belohnen wollte. Ein alter, kellerkundiger Rittersmann im Hausruck vernahm dies, als er eben den Inhalt eines Fässleins edlen Bernkastler zu leeren im Begriffe war. „Teufel, rief er, gibt's so etwas auf Erden, und macht sich da noch Fieber und Doktor breit. Laßt mich zum hochwürdigen Bischofe, ich will ihn schon kurieren; er hat mir in der Spanheimer Fehde das Leben gerettet; ich kann ihm's nicht besser entgelten, als wenn ich ihm den teuren Rest dieser Himmelsgabe bringe.“ Dies gesagt, nahm er das halbgeleerte Fässchen auf die Schulter und ging schnurstracks in die erzbischöfliche Residenz. Der kranke Kirchenfürst lächelte wohl diesem Aufzuge und setzte lange Zweifel entgegen; aber die Gründe des in seinem Fache wohlerfahrenen Ritters mußten doch recht gewichtige sein, denn der edle Bischof nahm noch in derselben Stunde einige Esslöffel dieser Medizin zu sich und hatte nicht Ursache, es zu bereuen. Das Feuer des Fiebers wollte mit dem Feuer des Bernkastlers nicht unter Einem Dache wohnen und entwich. Seitdem wird dieser Wunderwein der „Doktor“ genannt, und im blühenden Tale der Mosel, wo das Städtchen Bernkastel liegt, kann man noch heut zu Tage, wenn man auch gerade nicht krank ist, den „Doktor“ verlangen, der, wenn ihm mäßig zugesprochen wird, uns in jene heitere Laune versetzt, die sonst kein Doktor in der Welt herbeizuzaubern vermag. Der „Doktorwein“ bringt uns aber noch auf eine andere weniger bekannte Weinphrase, welche in der Schweiz zu Hause ist, wo man, wenn man Jemand zum Wein führen will, zu sagen pflegt:

man wolle ihn zum Berchthold führen.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Glimpf und Schimpf in Spruch und Wort Teil 2