Giftige Geschichten

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1927
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Gift, Pflanzengift, Veilchen, Schierling, Jasmin, Sokrates, Alpenfeilchen, Atropin, Koniin, Brillenschlange
Das als Topfpflanze allgemein bekannte Alpenveilchen erzeugt ein Gift, das eigentümlicherweise dem Gift der ostindischen Brillenschlange außerordentlich ähnlich ist.

Der Schierling enthält eine sehr giftige Substanz, das sogenannte Koniin. Im Altertum mussten die zum Tode Verurteilten Schierlingssaft trinken (zum Beispiel Sokrates). Dieser Saft hat nämlich eine ganz eigentümliche Wirkung. Er lähmt den ganzen Körper, und zwar beginnt die Lähmung an den Beinen, schreitet dann nach oben fort, ergreift die Arme und lähmt auch das Zwerchfell, wodurch dann Atemstillstand und Erstickungstod eintritt, während das Bewusstsein noch völlig erhalten ist.

Ein dem Schierlingssaft ganz ähnliches Gift gewinnt man aus dem gelben Jasmin, der in Nordamerika seine Heimat hat, aber auch bei uns oft als Gartenstrauch angepflanzt wird. Es ist das Gelseminin, das wie das Koniin wirkt, außerdem die Pupillen verengert, also dem Atropin gleicht.

Aus dem weitverbreiteten Fingerhut (Digitalis purpurea) gewinnt der Apotheker das Digitalin, das der Arzt in den verschiedensten Fällen von Herzschwäche zur Belebung des Blutkreislaufes sehr viel verwendet. Eigentümlich ist, dass die Kröten auf ihrer Haut — die tropischen Kröten sogar in ihrer Ohrspeicheldrüse — ein dem Digitalin außerordentlich ähnliches Gift absondern.
018 Erdkröte

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