Geschichte der Stadt Greifswald - 04. Die Kaufmannschaft der Stadt

Aus der Landesgeschichte Mecklenburg-Vorpommerns
Autor: Hahn, J. C. (? - ?) Gymnasiallehrer, Erscheinungsjahr: 1860
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Pommern, Sitten und Gebräuche,
Die Kaufleute, welche sich in Greifswald niederließen, waren größtenteils niedersächsischer Abkunft. Die niedersächsischen Kaufleute hatten im 13. Jahrhunderte namentlich große Niederlassungen in Wisby auf der Insel Gotland, zu Riga, zu Nowgrod in Russland und besuchten dort auch die Städte Plaskow, Dorpat u. A. Die Namen mancher der zuerst in Greifswald erscheinenden Kaufleute zeigen uns ihre Herkunft an. Sie führen gewöhnlich nur einen Vornamen, welchem der Ort ihrer Herkunft angehängt ist, z. B. Lampert von Lippe. Dietrich von Dortmund etc. Einige führen auch Zunamen, die von irgend einer Eigenschaft oder Beschäftigung hergenommen sind, z. B. Markward mit der milden Hand. Heinrick Stalbiter. Die Frauen führten deutsche Vornamen, wie Adelheid, Swanhild, Gertrud etc. Häufig werden Abkürzungen der Namen gebraucht, welche sie nicht immer verschönern, wie Talke von Adelheid, Schwanke von Swanhild, Telze von Elisabeth oder auch Ilsche etc. —


Bald nach der Gründung von Greifswald gaben die pommerschen Herzöge mehrere Verordnungen zur Aufhilfe des Handelsverkehrs der neuen Stadt. Wartislav III. versprach im Jahre 1254 allen Schiffen, welche vom Gellen oder Ruden nach Greifswald fahren wollten, sicheres Geleit, dergestalt, dass er ihnen, falls sie angefallen oder beraubt würden, das Doppelte des ihnen Genommenen wieder erstatten wolle. Barnim I. befreite 1264 die Greifswalder von aller Zollabgabe im pommerschen Lande, und bestimmte, dass die Münze in der Stadt unverändert bleiben sollte, und dass deshalb keine Juden aufgenommen werden sollten. Lange Zeit hat auch Greifswald nur einen Schutzjuden gehabt, bis die neuste Zeit auch dies verändert hat. Die Zollfreiheit war wichtig, denn die Fürsten erhoben damals an vielen Stellen ihrer Lande einen Zoll von den durchgehenden Waren. Im Jahre 1274 erteilte Barnim I. der Stadt Greifswald das Recht der Niederlage, nämlich so, dass alle Diejenigen, welche aus seinem Gebiete Holz, Pech, Asche oder andere Waren ausführen wollten, solches erst nach Greifswald bringen und dort feil bieten sollen, nur das Getreide wird von diesen Bestimmungen ausgenommen. Man vergesse hierbei aber nicht, dass Barnim I. nur über Vorpommern herrschte, welches außer Greifswald keine so angesehene Seestadt hatte. Auch den Zoll, der zu Greifswald von eingehenden und ausgehenden Waren erhoben wurde, schenkte dieser Herzog der Stadt. Es existiert noch die Zollrolle, nach welcher von 1270 bis 1275 dieser Zoll erhoben ward, welche eine deutliche Übersicht des damaligen Verkehrs gewährt. Der Pfennig hatte damals ungefähr den Wert von einem halben Silbergroschen. In dieser Rolle kommen z. B, folgende Sätze vor: Für die Ausfuhr von einem Fass Heringe 2 ßl.; für einen Wagen voll 4 Pf.; für einen Karren voll 2 Pf. Für einen Wagen voll Spickheringe 6 Pf., so auch für einen Wagen voll grüner Heringe. Für einen Wagen voll Wein in Ein- und Ausfuhr 2 ßl. etc.

Die Greifswalder trieben denselben Seehandel, wie die übrigen wendischen Hansestädte, nach den nordischen Reichen, imgleichen nach England und Holland. In Norwegen besuchten sie besonders die Stadt Bergen, wo ihnen, wie oben erwähnt ist, Schutz und Sicherheit im Handelsverkehr zugesichert war. Die Hanseschiffe führten nach Bergen ein: Mehl, Getreide, Vier, Wein, Met, Honig, Salz, Leinewand, Wollentuch, englisches Scharlachtuch und Gewürze, welche sie zu Brügge eingekauft hatten. Als 1284 die Hansa mit dem Könige Erich Magnuson in Krieg geriet und dieser Handel unterbrochen wurde, entstand Hungersnot in Norwegen, welche wohl hauptsächlich den König zur Nachgiebigkeit zwang. Von Bergen brachten die Schiffe zurück: Felle, Pelzwerk, Hering, Stockfisch, Butter, Talg, Pech, Teer. Daselbst gründeten die Kaufleute auch eine bleibende Niederlassung, hatten aber auch oft Streitigkeiten mit den Königen und Obrigkeiten, welche immer mehr zu ihren Gunsten endeten, je mehr die Macht des hanseatischen Bundes zunahm.

Ein zweiter Hauptort für unsern Handel war die schonische Küste, namentlich die nahe an einander liegenden Flecken Falsterbö und Skanör. Der Heringsfang war an dieser Küste sehr reichlich, und deshalb fanden sich dort die Kaufleute der Hanse zu bestimmten Zeiten des Jahres ein, um dort den frischen Hering einzukaufen und einzusalzen, worauf er nach Deutschland, England und Holland verschifft wurde. Sie brachten ihre Böttcher mit, welche die Tonnen machten. Sie legten dort Bitten, d. i. Fischerlager oder Heringssalzereien an. Es wurden dort errichtet: eine Lübsche, eine Wismarsche, Rostocksche, Stralsunder und Greifswalder Vitte. Eine solche Vitte war ein eingehegter Ort, welcher Buden, Hütten, Warenlager, imgleichen eine Kapelle, enthielt. Die Hausleute mit ihren Gehilfen verweilten darin zur Zeit des Heringsfanges Wochen und Monate. Aus jeder Stadt war ihnen ein Vogt oder Richter mitgegeben, um entstandene Streitigkeiten zu schlichten. Die Greifswalder Vitte lag neben der Stralsunder, und ihr Vogt hatte vom Dänenkönige 1280 das Recht erhalten, selbst Todesurteile aussprechen und vollstrecken zu dürfen, was also nicht jedem andern Vogt zugestanden sein muss. Auf gute Ware und gutes Maß kommt es bei jedem Handel an, daher gaben die Hansestädte bei diesem wichtigen Teile viel darauf und schlossen darüber Verträge mit einander.

Wenn die Hanseschiffe nach Schonen gingen, um den fertigen Hering abzuholen und zu verschiffen, so nahmen sie als Einfuhrartikel dahin mit: Tuche, besonders niederländische aus Gent, Brügge etc., Leinewand, Wachs, Pelzwerk, Matten, Betten, Kleider, Kramwaren in Kisten. Das Tuch oder Laken ward damals want, Gewand, genannt, wovon die Tuchhändler wantschnider genannt wurden, welche Benennung sich bei dem gemeinen Manne bis auf unsere Zeiten erhalten hat. Der Tuchhandel wurde von den Hanseaten als Großhandel, in hele laken, betrieben, der Kleinhandel in einzelnen Ellen blieb den einheimischen Krämern überlassen.

Nicht bloß Gehilfen zum Fischfang, als Böttcher, Fischer, Salzer, Matrosen, brachten die deutschen Kaufleute nach Schonen mit, sondern auch andere Handwerker, als Schlächter, Buntfutterer oder Kürschner etc.; auch hatten sie in ihren Vitten Krüge, in welchen Bier, Met und Wein ausgeschenkt wurde, natürlich gegen Abgaben an den Landesherrn. Den Namen Vitte führen auch auf Rügen noch einige Fischerdörfer, nämlich eins nahe bei Arkona und ein anderes auf Hiddensee.

Auch auf Bornholm in dem Flecken Rothna, jetzt Rönne, hatten die Greifswalder eine Niederlassung für Fischerei und Handel und eine Kapelle, deren Besitz ihnen von dem Erzbischofe von Lund verliehen war und oft bestätigt wird.

Die Abgeordneten der Hansestädte hielten jährlich Zusammenkünfte, um allgemeine Angelegenheiten zu besprechen, welche in den verschiedenen Städten wechselten. Im Jahre 1361 am 1. August finden wir sie in Greifswald versammelt. König Waldemar Atterdag hatte ihre Kaufleute zu Wisby feindlich überfallen, weshalb Krieg gegen ihn beschlossen wurde. Sie hatten in demselben den König von Schweden und Norwegen zum Bundesgenossen. Aus den Kontingenten, welche jede Stadt zu diesem Kriege stellte, kann man einen Schluss auf ihr Machtverhältnis machen. Lübeck stellte 6 Koggen und 6 Schniggen mit 600 Mann und einer blide oder ein Wurfgeschütz; Hamburg 2 Koggen mit 200 Mann; Rostock und Wismar zusammen 6 Koggen und 6 Schniggen mit 600 Mann und einer blide; Anklam, Stettin und Colberg desgleichen mit 2 Schniggen; ebenso Stralsund und Greifswald mit einer blide usw. Die Wurfgeschütze wurden besonders zur Belagerung von Städten gebraucht, und man schleuderte damit große Steine. Auch dieser Krieg fiel glücklich aus.

Unter den Kaufleuten standen die wantschnider in einem besonderen Ansehen. Ihre Alterleute wurden zu Worthaltern der gesamten Bürgerschaft bestellt. In einer hiesigen Verordnung über die Rechte der hiesigen wantschnider von 1504 heißt es: von de gemeine borger eschet unde vorbadet erden up dat ràthus, so schal ên van den vér oldrtlüden des wantschnides in deme namen des ganzen gemenen dat wort holden. Erst seit 1623 ward ein eigener Bürgerworthalter angestellt.

Der Geldwechsler

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Ein Kaufmann des 12. Jahrhunderts. Aus dem - Hortus deliciarum - der Äbtissin Herrad von Landsperg

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Europäische Kaufleute in Smyrna. 14. Jahrhundert

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Halle eines Großkaufmanns im sechzehnten Jahrhunderts

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Hansestadt im Zeitalter der Renaissance

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Tuchmesse und Wollmarkt im 14. Jahrhundert

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