Vorrede

Wie es einmal so Sitte ist, daß Jedermann einen Paß nimmt, wenn er in die Fremde geht, um sich eines ungehinderten Weiterkommens zu versichern, so wie auch von Alters her Bücher solche Legitimationsurkunden vor sich herzutragen pflegen, um zu einer günstigen Aufnahme sich zu empfehlen: so bedarf dieses Buch wohl um so mehr eines solchen vorläufigen urkundlichen Ausweises, da schon der Name etwas sehr Verdächtiges an sich hat, und noch mehr sein Inhalt zu den Dingen gehört, die meistens als pure Contrebande gelten, und häufig auch der Konfiskation oder gar der Inquisition als Blasphemie unterliegen.

Die verschiedenen Leser werden dieses Werk unter sehr verschiedenem Gesichtspunkte zur Hand nehmen. Einigen wird es wohl nur als Kuriosum einen Wert haben; Andere werden Stoff zu eigenen Untersuchungen finden; Dieser wird magische Künste lernen wollen, und Jenem soll es zu philosophischen Aufschlüssen dienen. Alle sollen willkommen sein! und in der Tat, wie ich glaube, werden sie, wenn auch nicht Jeder Belehrung, doch Unterhaltung und reichen Stoff zum Nachdenken finden; denn es ist darin die Rede von merkwürdigen Erscheinungen und ungewöhnlichen Wirkungen, welche zwar bisher häufig zu den bloßen Phantomen oder zu einer Sphäre außer aller Wechselbeziehung mit der Natur gezählt wurden, die aber nichtsdestoweniger etwas Konstantes in der Geschichte und deshalb jedenfalls vielseitig interessant sind.


Der Magnetismus hat uns nämlich durch seine ungewöhnlichen Erscheinungen in der neuern Zeit in jene Sphäre geführt, die noch, wie ein verschlossenes Buch, Geheimnisse von einer höheren, über die bekannte Tagesgeschichte der Natur hinaus liegenden Ordnung der Dinge enthält. Vor der Entdeckung des Magnetismus glaubte man, die Welt sei von der Wissenschaft bereits ganz ausgebeutet, und der Menschliche Geist habe auf der Landkarte des Natur- und Seelenlebens Alles eingezeichnet, was es überhaupt im Himmel und auf Erden geben und nicht geben könne. Der Magnetismus selbst stand in der letzten Reihe der Dinge; er galt für Etwas, was nichts ist, und nicht sein kann. Solche veraltete, bestäubte Karten hangen noch häufig über den Schreibtischen emsiger, und für das schöne fertige Besitztum in ritten licher Haltung gegen Betrug und Umsturz mutig fechtender Streiter. — Nun führt aber der Magnetismus, nicht zufrieden mit seinen täuschenden Wundern, gar in die finsteren unheimlichen Gebiete der verschollenen Magie zurück; trachtet alte Märchen wieder hervorzusuchen und lang vergessene Sagen von geheimen Wirkungen aus einer übersinnlichen Welt aufzuwärmen, welche einerseits der hohe Standpunkt der gegenwärtigen Wissenschaft als Unding, und andrerseits das orthodoxe Dogma als Teufelswerk bezeichnet. Während Jener so von dergleichen Bestrebungen, wie sie in diesem Buche angeführt werden, wieder in die Dunkelheiten einer mystischen Dämmerung der Vorzeit geführt zu werden fürchtet, wo nur die Phantastik des Wunderglaubens ihr blindes Spiel treibt, wehrt sich dieses tapfer in der ängstlichen Besorgnis, alles Wunder möchte am Ende aufhören wunderbar zu bleiben.

Wenn es daher scheinen möchte, der Verfasser habe es darauf angelegt, mit dem Verstande und der Weisheit der Zeit einen Spott zu treiben, indem er nur Schein und Flimmer statt Materialien zur wahren Wissenschaft zusammenträgt; oder daß er den behaglichen Frieden der frommen Gemüter stören wolle, indem er das Heilige gemein zu machen und das Göttliche herabzuwürdigen, oder wohl gar dem Atheismus die Thore zu öffnen trachte: so wird es um so notwendiger, dem Leser über die Beschaffenheit und Tendenz dieses Werkes, das wohl den Meisten noch als ein Fremdling erscheint, vorläufig einige Aufschlüsse zu erteilen.

Indem viele unserer Zeitgenossen, eines tiefern Nachdenkens ungewohnt oder unfähig, nicht Lust und Beruf fühlen, über ungewöhnliche Erscheinungen der Natur und des Seelenlebens ernsthaftere Untersuchungen anzustellen, so finden sich dagegen Andere, welche die verborgensten Keime geheimnisvoller Vorgänge ahnen oder auch begreifen, aber sie nicht als Heiligtum der gottlosen Welt auf die gemeine Schaubühne der irdischen Alltäglichkeit stellen wollen. Diese fürchten nicht ganz mit Unrecht, nur der Welteitelkeit dadurch Vorschub zu leisten und den Menschen eine Perspektive für die erhabenem Wahrheiten aufzudecken, wofür doch nur die Allerwenigsten einen Sinn haben. Es gibt auch falsche Kritiker, wie falsche Propheten, welche die ganze Welt vor ihnen lieber der Narrheit und des Betruges zeihen, als eingestehen wollen, daß sie mit unleugbaren Tatsachen nichts anzufangen wissen, und mit ihren eigenen Satzungen und ohnmächtigen Einbildungen lange nicht an die kluge Einfalt und die tiefe Weisheit einer Vorwelt reichen, welche eine Harmonie und einen gesetzmäßigen Zusammenhang der sichtbaren mit der unsichtbaren Welt gelehrt hat, der freilich darum so wenig erkannt wird, weil er neben der offenen Klarheit des äußern, auch eine gewisse Salbung des inneren Auges erfordert, indem die bloßen Urelemente der Welt nicht die Substanzen und die letzten Ursachen der Dinge enthalten.

Der Inhalt dieses Buches ist nun allerdings ein solcher, der, ohne auf die genannten einander entgegengesetzten Motive Rücksicht zu nehmen, ganz und gar mit jenen ungewöhnlichen Erscheinungen sich beschäftigt, die man früher magische, jetzt magnetische nennt; es kann daher dasselbe, nach der wirklichen Lage der Dinge, freilich auf keinen allgemeinen Beifall Anspruch machen. Doch wird es, wo nicht Belehrung, wohl auch nicht allseitiges Missfallen hervorbringen, da der Verfasser mit völliger Parteilosigkeit überall nur der wirklichen Tatsachen geschichtliche Spuren und verwandte Erscheinungen aussucht, sie vergleicht und auf gewisse Gesetze der Natur zurückzuführen sich bestrebt, die wohl etwas mehr als lauter unreine Pfützen oder morsche Pfeiler sind.

Wenn manche Dinge, die darin verhandelt werden, nicht immer den vollen Stempel der unfehlbaren Wahrheit tragen, oder auch manche Grundsätze, auf die sie gestellt werden, nicht die festesten sein mögen: so wird man auch nicht leicht sagen können, daß sie erlogen, oder daß Alles nur Trug sei. Wenn sie aber wirklich wahr wären, wie denn in der Tat viele solche hier vorkommen, so wird man wenigstens hin und wieder Veranlassung finden, weiter und allgemeiner darüber nachzudenken und den Nutzen ihrer Anwendung zu prüfen, um vielleicht einmal dahin zu kommen, auch hinter den selteneren Wirkungen konstante Kräfte zu entdecken; manche Schwierigkeiten wegzuräumen, welche die gemeinen Wissenschaften nicht heben; der menschlichen Tätigkeit ein vielseitigeres Feld der Wirksamkeit zu eröffnen, und endlich das erhabene Ziel der Geistesbestimmung in der Ferne zu finden. Da dieses wenigstens der Zweck dieses in die Fremde gesandten Neulings ist, so wird er jedermänniglich, wo nicht zu Schutz und Schirm, doch zu freiem Durchzug angelegentlichst empfohlen.

Es ist dieses Buch zwar schon einmal vor einigen zwanzig Jahren, aber in einem andern Anzug erschienen; damals trug es einen etwas ungeeigneten, gegen das Verschulden seines Urhebers überkommenen Titel; es stand nämlich darauf das so verdächtige Beiwort „wissenschaftlich.“ — Die auf allen Ecken und Wegen aufpassenden Zöllner und Generalkontrolleure aller Erkenntnisse packten damals den ungehobelten Fremdling mit einer unbarmherzigen Strenge an, erklärten seinen Paß für falsch, und fanden an seinem ganzen Leibe kein gutes Haar, und bei ihm nichts als verdorbene oder verbotene Ware. Einige griffen jedoch heimlich nach seinen Taschen und holten sich diebischer Weise so Mancherlei heraus, um dasselbe stillschweigend dann als eignes Gut irgendwie zu Markte zu bringen. — „Sic vos non vobis mellificatis apes.“ — Trotz dem fand der Buchhändler sein Profitchen, und es dauerte nicht gar lange, so war das Buch vergriffen. Auf einmal erscheint jetzt der Neuling wieder zu einer Zeit: „où les esprits fermentent,“ aber in einer ganz andern Gestalt, anspruchsloser äußerlich, innerlich aber weit reicher ausgestattet. Mit einer gewissen Selbstständigkeit und Zuversicht tritt er jetzt in einer festern Form auf, ohne auf die Mückenstiche von aufpassenden Schriftgelehrten viel zu achten, welche die Alltäglichkeit ihres Ideenkreises für die Fundgrube aller Wahrheit halten und nicht merken, daß es noch verborgene Geheimnisse gibt, die für den Forschungstrieb des menschlichen Geistes eine weitere Perspektive eröffnen und einen seligeren Ruhepunkt gewähren, als es der natürliche Raum und die liebe irdische Zeit mit sich bringen. Bei alledem behandelt es auch jetzt noch dasselbe Thema, welches den gangbaren Theorien der Wissenschaft weniger, als der Stetigkeit der immer wiederkehrenden Erscheinungen entspricht. Der Verfasser baut nämlich mit dem heiligen Ambrosius mehr auf feste Naturgesetze, als auf die im Winde dahin flatternden Theorien: — „Validius est naturae testimonium, quam doctrinae argumentum.“

So hat sich der Verfasser schon seit dreißig Jahren auf dem noch so unbebauten Gebiete der wunderbaren Erscheinungen des Magnetismus bewegt; er glaubte nun, nachdem er einmal dessen Realität erkannt und sich von den auffallenden, willkürlich durch denselben hervorzubringenden Wirkungen überzeugt hatte, eingedenk jenes Satzes: „daß ein Gran Erfahrung in der Medizin mehr wert sei, als ein Buch voll Raisonnements,“ mit einer gewissen Aufopferung und Standhaftigkeit, die nicht eben Jedermanns Ding sind, ausharren zu müssen. Eigene Erfahrungen anzustellen, hielt er für die erste, notwendige Aufgabe, um ein bestimmtes Naturgesetz jener Erscheinungen aufzufinden. Da es sich bald ergab, daß eine solche Gesetzmäßigkeit wirklich stattfindet, so war das nächste Erfordernis, in der Geschichte nach ähnlichen rätselhaften Erscheinungen zu suchen, die mit den magnetischen eine nähere oder entferntere Verwandtschaft zeigen. Eine solche Übereinstimmung findet sich nun wirklich überall und in aller Zeit, und so lassen sich auch allen jenen wunderbaren Erscheinungen und Rätseln gemeinschaftliche Ursachen voraussetzen: Demnach wäre der Satz: daß jene wunderbaren, mit dem Magnetismus übereinstimmenden Erscheinungen im Allgemeinen wahr sind, gerechtfertigt. Viele andere bisher unaufgelöste Rätsel, deren auch in diesem Buche gar mancherlei aufgezählt und verglichen werden, scheinen sich damit gleichsam von selbst zu lösen, auf jeden Fall zu einem nähern Verständnis gebracht zu werden. — Der Verfasser empfindet nun mit einer gewissen Freudigkeit, die Niemand dämpfen kann, wenigstens den Trost, das Seinige getan, wohl auch in manche Dunkelheiten einiges Licht gebracht und dabei die erforderlichen Winke gegeben zu haben, um mit bedächtlich festem Tritt weiter zu kommen, und der menschlichen Schwäche oft hilfreiche Hand bieten zu können.

Wenn die Naturkunde in der neuesten Zeit den Magnetismus nicht blos als tellurische, sondern als allgemein kosmische Naturkräfte ausgewiesen hat, und wenn sie dieses mit physischen — auf Beobachtungen, und nicht blos mit metaphysischen — auf Spekulation beruhenden Gründen erhärtet: nun so ist die Behauptung jener magnetischen Seherin nicht mehr so ungereimt, welche den Magnetismus etwas Allgemeines und Höheres nennt, als was man gewöhnlich noch unter ihm versteht. „Der Magnetismus ist sogar geeignet, sagte sie, die ursprüngliche Lichtnatur des Menschen in ihren verschiedenen Teilen, Vermögen und Beziehungen zu entbinden, welche sich denn auf mancherlei Art und in mannigfachen Graden äußern kann; die Kraft zu magnetisieren liegt in Jedem, man muß aber eine mit Weisheit verbundene Kraft haben, sie anzuwenden. — Indessen reden die Menschen davon, wie sie vom Winde reden, den sie auch nicht kennen, von wo er kommt und wohin er fährt. Der Mensch kann auch Wind machen, aber nur solchen, worin kein Leben ist.“ Da der Verfasser Gelegenheit hatte, solche Aussprüche magnetischer Seherinnen zu vernehmen und sich auch mit der höhern Naturkunde vertraut zu machen, so bemühte er sich, in diesem Werke Alles zu sammeln, was ihm in das Gebiet des Magnetismus zu gehören und mit der Fackel der Naturkunde erleuchtet werden zu können schien. Der Leser muß daher schon freundlich ersucht werden, mit einer gewissen Nachsicht und Resignation in das magische Gebiet zu folgen, wenn er auch zuweilen zu weit und in zu Fremdartiges geführt werden sollte. Wer kann wohl immer, und besonders in einer so unbekannten Gegend so ganz das richtige Ziel treffen? andrerseits sind, statt einer vollkommenen systematischen Ausfüllung und allseitig wissenschaftlichen Erleuchtung oft nur Winke nach der wahrscheinlichen Richtung gegeben. Einer gewissen Freiheit überließ sich der Verfasser, weil es ihm eigentlich zunächst nur auf Selbstbelehrung ankam. Nachdem er aber eine Strecke weit gekommen, und ein nützliches Stück von Wissenschaft erlangt zu haben überzeugt war, glaubte er es auch Andern mitteilen zu sollen, indem er sich an den Spruch des Phädrus erinnerte: „nisi utile est, quod novimus, stulta est sapientia.“

Einigen Fleiß und eine gewisse Umsicht wird der Leser jedenfalls nicht ganz vermissen; mit ausharrender Aufopferung ist doch Etwas zu Stande gebracht, wie es eben der Einzelne, bei auch noch anderweitiger nötiger Beschäftigung, zu leisten vermag. Eine überaus reiche Literatur konnte nur durch Jahre langes Forschen und bei hilfreicher Unterstützung zu diesem Werke benutzt werden, welches ohne die reichen Schätze der hiesigen Königlichen Bibliotheken und ohne die dankbar anzuerkennende Bereitwilligkeit ihrer Vorsteher nie in dieser Ausführlichkeit hätte erscheinen können. — Eine solche Ausführung ist aber bei einem Unternehmen dieser Art wohl in mehr als Einer Hinsicht nötig. Namentlich kann hier der Stoff nicht vielseitig genug gesammelt werden, um, wenn man einmal reich genug ist, das Überflüssige und Unbrauchbare wegwerfen zu können. In der Darstellung der Tatsachen ist auch nicht gerade die Kürze das erste Gesetz, sondern vielmehr Klarheit und Deutlichkeit, indem nämlich der Erzähler den bloßen Nebel und die Wirklichkeit, das Gewusste und das blos Gedichtete zu scheiden und der Überzeugung statt des Zweifels Platz zu machen berufen ist. Gern bescheidet sich übrigens der Verfasser, hier vielleicht zu lang und dort zu kurz gewesen zu sein; hier einen Meister ausgelassen oder zu niedrig, dort einen Gesellen eingeschoben oder zu hoch gestellt zu haben; ein Mensch kann viel guten Willen, aber nicht lauter gute Taten haben. Das vorzügliche Bestreben ging dahin, dem Leser die Mittel an die Hand zu bieten, die Zeugnisse selbst zu prüfen und sich gegen die Vorurteile der Geschichte oder des Autors sicher zu stellen; freilich aber muß jener selbst auch nicht, in solchen erstarrt, alle biegsame Empfänglichkeit verloren haben. — Der billige Leser wird eine völlige Unfehlbarkeit auch nicht fordern, und über eine mögliche Anzahl Paradoxa sich nicht wundern, die er vielleicht bei einem Manne vorfindet, der sich in diesen Besonderheiten sein eigner Führer ist; der, wenn auch ganz vorurteilsfrei, keine Partei verschmäht, die nur irgend eine Stütze bietet; aber auch keinem Panier und keiner Autorität folgt, und stets sich vorsieht:

„Daß kein Name ihn täuscht, daß ihn kein Dogma beschränke;
Daß nicht des Lebens bedingender Drang ihn, den Menschen, verändre.“

Die Erscheinungen des Magnetismus sind für die Anthropologie und Naturkunde, ja selbst für die moralischen Wissenschaften anerkanntermaßen von einer großen Bedeutung; sie werden es jetzt sogar für die Geschichte, und zwar, wie der Leser sehen wird, zum Teil bis in die mythische Urzeit zurück.

Wenn die Welt ein Wunder, so ist die Geschichte des Lebens ein Traum; man weiß nicht, wohin es geht, und man kennt nicht den Anfang und das Ende; die ganze Menschheit spielt gewissermaßen ein blindes Spiel und hängt weniger mit klarem Bewußtsein, als mit dein instinktiven Traumpol zusammen. Ein innerer, heimlich versteckter Poet leitet sie an einem sichern Faden durch die Labyrinthe des Raums und der Zeit. In des Menschen Brust liegen die ewigen Boten des Himmels und der Hölle verborgen, und treten bald als verklärte Genien trostreich, bald als Unholde schreckend in den Weg. — Hegel sagte irgendwo: die ganze Geschichte ist ein Traumbuch, eine Kollektion von Träumen, und wenn man die Träume gesammelt hätte, welche die Menschen während einer bestimmten Periode geträumt hätten, so würde ein ganz richtiges Bild von dem Geiste jener Periode auf steigen.

Bei weitem die meisten Menschen leben ganz von der Einbildung, nicht blos die weniger unterrichteten, natürlichen Gefühlsmenschen, sondern auch diejenigen, die mit Kenntnissen und einer höhern Geistesbildung grosstun. Wie Wenige erheben sich auf dem Meere des Lebens, in ihren Gefühlen und Leiden, in Tun und Lassen, über die Imaginationswelt hinaus? Bei dem leselustigen Romanhelden, bei der neugierigen Theaterschau herrscht nicht mehr Selbstdenken, als bei dem fleißigen Kirchengänger. Dunkle Gefühle und sinnliche Bilder liegen überall mehr zu Grunde, als ein tatenvolles Selbstbewusstsein. Der große Haufen will fromm sein und meint, die Verherrlichung des Namens Gottes liege in den Wundern eher als in den natürlichen Wirkungen. — Ansehen, Reichtum und Macht sind nur zu sehr die Triebfedern auch der großen und vornehmen Geister.

So leiten die dunkeln Gefühle überall mehr die Menschen, wie den Träumer und Nachtwandler durch die Welt, als ein klares Tagesbewusstsein des offenen Wachens; und wie den Träumer nur die augenblickliche Lebhaftigkeit der Erscheinung fesselt, unbekümmert um den Grund und die Folge derselben, so weiß auch die Menschheit nichts mehr von dem Traume der ersten Periode ihrer Kindheit.

Nun aber erteilt der Magnetismus uns Ausschlüsse über das Wesen und Wirken des Traumlebens und über die schöpferische Kraft, über die Spiele und Launen der Phantasie überhaupt; er ist auch das vorzüglichste Mittel, jene Siegel zu lösen, womit die Mysterien jener Phantasiereichen Urzeit verschlossen sind, indem er die überall gleiche Naturanlage der Menschheit nach ihrem ganzen geistigen Inhalt aufdeckt und eine Übereinstimmung der Erscheinungen zeigt, die man sonst in der Magie zu Spuk und Trug, oder zu den übernatürlichen Wundern zählte, für die der Philosoph keine Gründe hatte, und die eine auswendige Religion und ein geerbter Glaube nicht in ihrem Katechismus fand. Endlich ist der Magnetismus auch geeignet, über die Bedeutung der symbolischen Rätsel der alten Mysterien, welche entweder für ganz unauflöslich galten, oder den Stoff zu den verschiedenartigsten Auslegungen darboten, Ausschlüsse zu erteilen. Ebenso werden jetzt durch den Magnetismus die mannigfachen Aussprüche ekstatischer Seher und mystischer Philosophen begreiflicher, welche von solchen in die Mysterien eingeweihten Personen aufbewahrt sind. Der geneigte Leser wird sich davon überzeugen, wenn er dem Verfasser auf das weite Gebiet der Magie folgt, der die Zeugnisse und zerstreuten Denkmale aller Zeiten aussucht und vergleicht. Wenn es ihm auch nicht gelungen ist, Alles zu erschöpfen und alle Dunkelheiten vollständig zu erleuchten, so werden sich doch Brücken und Fenster zeigen zu neuen Aussichten, welche die Zeit und die aus seiner Jugend immer kräftiger hervortretende Gewandtheit des Magnetismus gewiß immer besser aufklären wird, so daß man durch eine wahre Naturforschung nach dem Gebote des Olympiodorus doch endlich immer mehr zur Erkenntnis der göttlichen Dinge gelangen wird.

Es gibt in der Geschichte der Menschheit große Fragen über die Welt der Wunder, um welche sich von jeher vorzüglich das religiöse, aber auch das philosophische Thema drehte. — Was sind Wunder in der Natur und in des Menschen Geiste? Wie wird die Welt regiert; was war die Inspiration der Propheten und der Orakel? Geht jene von selbst wie ein Uhrwerk, oder wird sie von übersinnlichen Einflüssen getrieben; steigt der Gott in des Menschen Herz herab, oder erhebt sich dieser mit angestammter Kraft aus dem Staube des natürlichen Lebens in höhere Sphären der Geister?

Man wundert sich über ungewöhnliche Erscheinungen und Zeichen, die man nicht begreift; allein setzt denn das Sichwundern auch allemal ein wirkliches Wunder voraus? Die meisten Menschen haben das Wunder in ihrem Kopfe und verehren es, weil es in ein heiliges Dunkel gehüllt ist. Die Natur bewundern sie nur, weil sie der Meinung sind, sie sei eine unerklärbare Zauberei, während man dasjenige sehr gering zu schätzen pflegt, was man begreifen zu können meint. — Es gibt im Gegenteil sogar Philosophen, die gar kein Wunder kennen und ihr Leben damit zubringen, an Nichts zu glauben, auch an das nicht, was sie sehen, namentlich, wenn sie es nicht einsehen. Bei diesen ist das Wunderbarste, daß ihnen ihr eigener Kopf kein Wunder ist!

Sowohl in der Natur als im Geiste ergeben sich gesetzmäßige Erscheinungen, die blos ihrer Seltenheit wegen, und weil man nicht weiß, wie es damit zugeht, für Wunder gehalten werden. — Nichts läßt sich wohl Schöneres über das Wunder sagen, als die dem Nikodemus von Christo gegebene Antwort: „Laß dich's nicht wundern, was vom Fleisch geboren wird, das ist Fleisch, und was vom Geist, das ist Geist. Der Wind blaset, wo er will, und du hörest sein Sausen wohl, aber du weißt nur nicht, von wannen er kommt und wohin er fährt.“ Wie die Meister in Israel, nehmen auch die neuen Meister nicht gern Zeugnis über Dinge, die nicht in ihrem Glauben sind und die über ihren Horizont hinausgehen, mag nun da von irdischen oder von himmlischen Dingen die Rede sein. Eine Seherin drückt sich trefflich hierüber aus: „Suchet Jemand das Wunder, so findet er solches in Allen, was ihm doch sehr natürlich vorkommen würde, wenn er von sich selbst, von der Natur und Fügung Gottes nähere Kenntnisse hätte. Ein Anderer, der viel auf seine Vernunft hält, gestattet nichts Wunderbares, er will Alles durch seine Vernunft begreifen und erklären, wenngleich es dadurch nicht begriffen und erklärt werden kann, und da, wo ihm das nicht glückt, widerspricht er und leugnet.“

Es ist allerdings sehr schwer, allemal zu entscheiden, was natürliche und was unmittelbare göttliche Wirkungen sind, und so wird es begreiflich, daß die meisten, mit den Naturgesetzen nicht vertrauten Menschen, Alles für Wunder halten, was sie nach ihrem Maß nicht mehr zu messen wissen. Andernteils bestehen Wunderdinge häufig in Sagen, die sich durch Lügen vergrößern und durch Aberglauben fortpflanzen. Dadurch geschieht es, daß auch von Gebildeteren gewisse ungewöhnliche Erscheinungen ignoriert oder gar geleugnet werden. Denn die Gesetzmäßigkeit aller ungewöhnlichen (Wunder-) Erscheinungen wird meist nicht durch Ideen, sondern erst durch eine gründliche Stille, durch Beobachtungen und mühsame Erfahrungen erreicht, wozu eine lange Zeit gehört zum Untersichwurzeln und Übersichfruchtbringcn. Eine gewisse religiöse Beschränktheit meint aber, man dürfe dem Wunderglauben nicht zu viel Abbruch tun, und bedenkt nicht, daß sie selbst von Christo und den Aposteln nicht auf Zeichen und Wunder gewiesen ist, sondern auf das Forschen nach dem Wahren, um das Jute zu behalten, und auf den in der Liebe tätigen Geist. Eine noch andere Glaubenssorte meint: eine prophetische Erleuchtung gäbe es ausschließlich nur für die Guten; aus eigenem Antriebe hätte der Mensch keine Erregbarkeit zum Weissagen, und wo eine Wahrsagung anders M bei den rechtgläubigen Frommen sich zeige, sei es eine falsche Prophetie im Bunde mit bösen Geistern, eine Art übernatürliches Wetterleuchten, was man Zauberei nennt.

Der Leser wird nun in diesem Werke auf jenes große, verrufene Feld der Wunder geführt. Es soll ihm treu berichtet werden, wie jene magischen Weissagungen der heidnischen Orakel; dann die dämonischen Kräfte der Zauberei und des christlichen Hexentums in den verschiedenen Zeiten und bei den verschiedenen Völkern sich gestalteten. Auf jene geheimen Spiele scheint heute noch eine Art Dämmerlicht, welches philosophische Dichter, dichtende Philosophen und schwärmerische Theologen im eifrigen Wettstreit durch Phantastik, Symbolik und Mystik anschüren. — Nicht blos die nackten Fakten sollen hierin erzählt, sondern auch so viel wie möglich der natürliche Hergang derselben erklärt werden, um jenes wunderbare Wahrsagen der Orakel nicht mehr den Göttern zuzuschreiben, sondern den Grund in der menschlichen Natur selbst, als in einer anerschaffenen Eigenschaft einzusehen. Der Mensch besitzt nämlich eine, von natürlichen und geistigen Reizen abhängige Erregbarkeit, aus der zuweilen nach einer angeborenen Disposition eine niedere, unvollkommene oder durch einen göttlichen Antrieb eine (prophetische Inspiration) höhere vollkommenere Weissagung entsteht. Als natürliche Vorgänge lösen sich auch jene pathologischen Zustände des dämonischen Zauber- und Hexenwesens; sie sind abnorme, ungewöhnliche Sinnesaffektionen, die manchmal dem Blitze und dem Wetterleuchten gleichen. So dringen die anerschaffenen Geisteskräfte des Menschen aus der Tiefe der Gemütswelt über den glatten Spiegel der Seele durch Zeiten und Räume, und die ungewöhnlichen Sinneserregungen zucken wie jenes Wetterleuchten auf, daß ihre Strahlen und Wellen oft an die fernsten Ufer anschlagen und den Zauberschein veranlassen, den man geneigter ist für übernatürlich zu halten, als einer bestimmten Naturgesetzmäßigkeit zuzuschreiben. Den Psychologen ist es bisher viel weniger gelungen, jenes geistige Wetterleuchten zu erklären, als den Physiologen das natürliche, das man ehemals auch dem Jupiter und den symbolischen Göttern zuschrieb. Die Intensität und Extension des menschlichen Geistes ist noch nicht durch so treue Beobachtungen, wie die der Physiologen erforscht und diese psychologischen Wunder werden noch häufig genug den Göttern zugeschrieben.

Der Geist des Menschen ist in seinem Wesen einfach, wie der Geist Gottes und die Natur, aber vielfach in seinen Kräften und Wirkungen. Und so geht der Geist der Weissagung durch die ganze Geschichte, und stammt aus dem eigenen gesetzmäßigen Vermögen der Menschheit selbst, wozu nur der Impuls ein gelegenheitlicher ist, entweder von der Natur oder auch unmittelbar von Gottes Wahl. An der Weissagung hat man sich also auch weder des Aufsehens halber oder ihrer Erheblichkeit wegen zu vergaffen, noch sie etwa zu gering zu achten, weil in ihr doch immer eine gewisse Andeutung der Wahrheit und eine Art von Beweis der göttlichen Vorsehung gegeben ist, die den Glauben stärkt und die Hoffnung auf eine Zukunft weckt.

Daß aber solche Offenbarungen und ungewöhnliche Wirkungen auch im Schlafe und in abnormen Zuständen stattfinden, darüber hat man sich ebenso wenig zu wundern; denn der Geist an sich hat Augen hinten und vorn, und der Schlaf ist nur eine durch das Bleigewicht des erschöpflichen natürlichen Leibes gehemmte oder veränderte Wirksamkeit; der von diesem Gewichte befreite Geist hat ja keine Ruhe Tag und Nacht. Die ungewöhnlich hervorbrechenden Kräfte des Geistes lassen sich ihrem Ursprung und Tendenz nach freilich nicht immer so genau bestimmen, wie dieses auch bei den Elementarkräften der Natur, bei dem Magnetismus und der Elektrizität nicht der Fall ist; deswegen ist aber die Stärke des Geistes nicht weniger gewiß, wie es schon die Macht des Wortes beweist, wenn man sie auch nicht wägen und messen kann.

„Es sind mancherlei Gaben, aber es ist ein Geist. Dieses aber Alles wirkt derselbige Geist und teilet einem jeglichen seines zu, nachdem er will.“

Paulus an die Korinther.


Nichts ist mehr geeignet, ein Beispiel abzugeben über jene verkannten magischen Zustände und über den Wunderglauben von übernatürlichen Einflüssen, als die Geschichte der Hexenprozesse. Daß der Mensch blos ein passives Spielzeug von dämonischen Kräften sei, war ganz allgemein angenommen und sogar von der Dogmatik und Polemik verteidigt. Ich habe diesen Gegenstand insbesondere nach seinem historischen Ursprung und anthropologischen Grunde, nach Zeiten und Orten ausführlicher behandelt, während er bisher nur höchst mangelhaft und nur in Bruchstücken dargestellt und an ein wissenschaftliches Verständnis hierbei gar nicht gedacht wurde. Um die Entstehung und Fortbildung der Idee des Hexenwesens zu finden, mußte ich allerdings weit zurückgehen, bis auf das naturwissenschaftliche und mythologische Fundament, was dem Leser zuweilen gewagt erscheinen mag, da auf dem nicht immer ganz sicher scheinenden Boden zuweilen auch nur Induktionen von verwandten Erscheinungen eingemischt sind.

Es tut mir leid, daß ich das treffliche Werk von Dr. Wilh. Gott. Soldan, „Geschichte der Hexenprozesse aus den Quellen dargestellt.“ Stuttgart und Tübingen 1843, nicht mehr benutzen konnte. Soldan zeigt gleichfalls umständlich, daß die Geschichte des Hexenwesens nicht etwa blos eine nationale, sondern eine allgemein magisch-menschliche ist, „daß aber der Hexenprozess allerdings eine christenheitliche Erscheinung war, welche, soll er begriffen werden, in der Darstellung weder auf ein einzelnes Volk beschränkt, noch erst von demjenigen Zeitpunkt begonnen werden darf, wo er als etwas schon Fertiges hervortritt. Die Erscheinungen des Zauberglaubens sind nicht etwas Isoliertes, sie stehen nicht blos mit dem allgemeinen Stande der Bildung in stetem Zusammenhang, sondern verzweigen sich in zahlreichen Berührungen mit der Kirchengeschichte, mit der Geschichte des Strafrechts, der Medizin und Naturforschung.“

Soldan zeigt auch aus der Kirchengeschichte, wie die Zauberübungen und Ketzergräuel aus religiösen Ansichten und aus schon früheren Anschuldigungen hervorgingen, wie sie sich progressiv ausbildeten und schrittweise zu einen, Punkt hingeführt wurden, von welchem aus es nicht mehr als ein Sprung erscheint, wenn zu den Ketzermärchen auch noch der Vorwurf verderblicher Zauberkünste als wesentliches Moment hinzutritt, daß sogar unter Zauberei endlich im dreizehnten Jahrhundert jene ketzerischen Laster mit inbegriffen werden. Er zeigt ferner, wie in den ersten Jahrhunderten des Christentums, die Kirchenväter, Rabbiner und heidnischen Philosophen in dämonologischer Spekulation und Glauben sich vertieften und in die Wette stritten, einander Wunder und Zauberei vorhielten, so daß Jedem das Genehme für Wunder, und das Gegenteil für Zauber galt. „Zauberei ist das illegitime Wunder, das Wunder die legitime Zauberei.“ Die Kirchenväter hielten die heidnischen Orakel, die Heiden der Christen Wunder für Zauberei. So wurde also nach und nach der Grund zu einem Systeme gelegt, das unter mancherlei Widersprüchen ausgebildet, endlich die gerichtlichen Anklagen in den berühmten Hexenprozessen begründete, deren Anfänge und Anhaltspunkte schon im Orient, bei den Juden und Griechen, sowie in der nordischen Mythologie zu finden sind, so daß es also immer, wenn auch nicht in der Welt, doch in den Köpfen Zauberei gegeben hat.

Es dürfte vielleicht manchem Leser auffallend erscheinen, daß ich auf eine neuere Schrift von J. Görres, „Die christliche Mystik.“ 5 Bände auf Regensburg und Landshut, so wenig Rücksicht genommen habe, da sie sich doch wenigstens auf dem verwandten magischen Gebiete bewegt, und mehrere Gegenstände, wie die gegenseitigen Bezüge der Menschen zu einander, die außerordentlichen Wechselwirkungen, die Visionen und Ekstasen, die abnormen Schlaf- und Sinnesaffektionen usw. spezieller behandelt. Hierüber muß ich mich hier noch etwas näher erklären. Jene Schrift wird dem Leser in jeder Hinsicht sehr lehrreich sein, insbesondere auch zur Ergänzung der Geschichte der Magie. Allein fürs erste ist weder das Wesen der Mystik, noch ihre Geschichte mein Vorwurf, folglich sind der Boden und die Gegenstände der Bearbeitung sehr verschieden, sowie auch die Tendenz und der Zweck. Ich gehe von der selbst eigenen Beobachtung aus, wandre auf dem weiten leben und stoffreichen Gebiete der Natur umher; suche überall die Ähnlichkeiten und Verwandtschaften der Erscheinungen und der ihnen zu Grunde liegenden Gesetze auf; steige dann, wie und so weit ich kann, bis in die tiefsten finsteren Schachten der Geschichte hinab und stelle sie musternd in Reihen nebeneinander, um die Charaktere der Übereinstimmung oder der Gegensätze nach ihren Prinzipien hervorzuheben. Das wesentliche Prinzip jener magischen Erscheinungen aber habe ich mehr auf dem anthropologischen Grunde selbst gefunden, wo die Natur und die Phantasietätigkeiten jene Wunder erzeugen, die der Supernaturalist ganz in das Übersinnliche und Übernatürliche versetzt, der Rationalist aber willkürlich leugnet, wenn er sie nicht versteht.

Jene Schrift behandelt die Geschichte der Mystik nach Erzählungen und Traditionen, wo die Kritik eben keine große Strenge übt. Nun ist der Inhalt aller Mystik das weite blumige Feld der Gefühlsvorstellungen und der religiösen Philosopheme überhaupt, wodurch die Beziehungen und die Vereinigung mit Gott mehr im Gefühl und Glauben, als durch den freien Gedanken der Verstandesbegriffe vergewissert werden soll. Die christliche Mystik ist nur eine besondere Form nach ihrem Lehrbegriff, und die Bearbeiter ihrer Geschichte stellen sie wieder nach ihrem konfessionellen und geistigen Standpunkte dar. So sucht Görres die Mystik mit einem schimmernden poetischen Netze zu überziehen, — „Die Mystik ist nach ihm und dem katholischen Lehrbegriff nichts, als ein in den Heiligen sich spiegelndes Evangelium, ein durch Jahrhunderte fortgehendes, in immer weiterem Kreise ziehendes Wallen und Schwingen der von Christo ausgehenden Bewegung.“ Die Mystik ist nach Görres ein Schauen durch Vermittlung eines höhern Lichts und ein Wirken durch höhere Freiheit; die bei den frommen Christen vorgehenden ungewöhnlichen Erscheinungen im Schauen und Wirken sind Wunder einer höhern unsichtbaren Macht.

Da die meisten, wo nicht alle ungewöhnlichen Erscheinungen zu dem Gebiete der Magie gehören, und nicht blos bei Christen, sondern auch bei Heiden sich finden: so müssen sie einem allgemeinen Gesetze folgen und solche ungewöhnliche, namentlich körperliche Naturerscheinungen können keine Wunder sein, jedenfalls viel weniger, als die christliche Umwandlung des Geistes selbst. Auch der Ein Wirkung einer fremden objektiven Geisterwelt wird gar vieles zugeschrieben, was sicher meistens der subjektiven Phantasie des Menschen zukommt. — Die religiösen Visionen und Ekstasen sind mit den magnetischen verwandt, und vielleicht nur in den allerseltensten Fällen dem Prinzip nach qualitativ verschieden. — Von den körperlichen pathologischen Zuständen; von der übertriebenen asketischen, bis zur Ekstase potenzierten Übung; von den subjektiv täuschenden Phantasiebildern sind sehr viele Heilige offenbar nicht frei gewesen und die Trennung der natürlich-sinnlichen und übernatürlich-göttlichen Wirkungen führt uns ohnehin auf ein Feld, auf welchem der Zweifel und Streit über die Wunder beginnt, wo es sich nicht mehr apodiktisch ausmachen läßt, was Naturerscheinung und was pure Wirkung der göttlichen Gnade ist, wenn man auch die übernatürlichen Einflüsse, die natürlichen Kräfte zu steigern, zulässt. Denn der Mensch besitzt eine noch völlig unbegriffene, positive, immanente (meist latente) Lebenskraft, die ihrer In- und Extension nach ins Unermeßliche reicht. Die Natur beruht auf einer solchen anerschaffenen Basis und Ordnung, daß ihre verwickeltsten und abnormsten Wirkungen vielmehr aus ihrer eigenen Gesetzmäßigkeit hervorgehen, als daß sie Folge übernatürlicher geistiger Kräfte sind, die mit ihr als passivem Werkzeug nur fortuite et fataliter ihren Spuk treiben. So liegt in dem Begriffe des Lebens mehr als der Supernaturalismus glaubt, und weniger, als der Rationalismus statuiert. Göttliche Eigenschaften sind schon in der Substanz des natürlichen Lebens enthalten, aber auch göttliche Einflüsse sind deshalb nicht ausgeschlossen, weil alles nur von Gott und durch Gott sein Leben hat. Die aufeinander einfließenden Ursachen und Wirkungen göttlicher und natürlicher, geistiger und körperlicher Kräfte sind überhaupt meist in ein dem Verstände unaufschließbares Dunkel gehüllt, daher bleibt der Phantasie das weite Feld offen, willkürlich und nach Gutdünken jede ungewöhnliche Erscheinung einem übersinnlichen Prinzip zuzuschreiben, wie es dem religiösen Gefühl und dem nationalen Standpunkt entspricht. So war es mit den mythologischen Elementarkräften der Fall und so ist es mit den unerklärten physiologischen Rätseln noch jetzt. Fälschlich hält man eine pathologische Lebenserscheinung oft für eine höhere Offenbarung, und unterstellt objektive äußere Ursachen bei lebenden Wesen, wo nur die subjektiven Kräfte aus ihrer Besonderheit selbst hervorgehen.

Mir scheint es daher am ratsamsten, bei der Betrachtung der Welt und der Geschichte dahin zu trachten, das Mystische wissenschaftlich, und nicht das Wissenschaftliche mystisch zumachen, wobei wir die Natur- und Geisteskräfte ihren Erscheinungen und Wechselwirkungen nach beobachten, und die gegenseitigen Bedingungen ausfindig machen sollen. Vor Allem haben wir uns auf dem Standpunkte der Natur festzuhalten, ohne jedoch Gott und Welt zu vermischen oder zu einer pantheistischen Einheit zu verquicken. Sodann scheint es geraten, sich nicht zu sehr in das Sublime des Übersinnlichen zu verflüchtigen, oder entgegengesetzt in der geistlosen Materie ganz zu erstarren; nicht unbedingt hier den vorherrschenden Gefühlen und dem Schein der Phantasie zu trauen, oder der Gewalt des Glaubens blindlings als Leitstern zu folgen; aber ebensowenig dort Alles als unumstößliche Wahrheit anzunehmen, was nur der Reflexion und dem Kalkül des kalten Verstandes adäquat ist, der überall nur einen trotzigen Willen und eine makellose Selbstständigkeit affektiert. Die Extreme dieser beiden Seiten, der Pietismus und der Rationalismus, sind am weitesten von der Natur und von Gott entfernt, und ihre Früchte haben noch nie einen Segen oder eine Erquickung in die Welt gebracht.

Die wahre Magie liegt in den geheimsten innersten Kräften unsers Geistes; unsere Geisternatur ist uns aber noch nicht enthüllt. Alle Wunder der Geister lösen sich am Ende nur im Wunder unseres eigenen Geistes.


Die Mystik ist ein Gemeingut, alle Menschen sind Mystiker; die wahre Mystik aber besteht in der unmittelbaren Beziehung des menschlichen Geistes zu Gott, in der Idee des Absoluten, in welcher jedoch die objektive Offenbarung nicht mehr enthält, als was den subjektiven Kräften des Menschen entspricht. Dagegen ist mir das Kriterium der falschen Mystik dieses, daß dieselbe keine wahre Gemeinschaft und Versöhnung zwischen Gott und Mensch zu Stande bringt. Die wahre Mystik muß die Ideen der Wahrheit und Güte, der Schönheit und Tugend, als Strahlen aller geistigen Vollkommenheit enthalten, und das religiöse Selbstbewusstsein als allseitig erleuchtender Mittelpunkt muß den ganzen geistigen Organismus durchdringen. Der Magnetismus führt uns ein in die Mysterien der Magie, und enthält einerseits den Schlüssel, die verborgenen Geheimnisse der Natur zu öffnen, wie er andrerseits geeignet ist, die Mystik und die Wunder des bildenden Geistes zu zeigen.

Imago, Magia, Magnes!

München, den 21. Oktober 1843.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte der Magie, Buch 1