Geschichte der Kunst in ihrem Entwicklungsgang durch alle Völker der alten Welt hindurch auf dem Boden der Ortskunde nachgewiesen. Band 1

Das Niltal und Mesopotamien (Babylon und Niniveh) mit den Nebenländern Armenien, Medien, Persien, Syrien, Palästina, Arabien und die phönikischen Küsten mit Cypern und Karthago.
Autor: Braun, Julius (1825-1869) Kunst- und Literaturhistoriker, Hochschullehrer, Erscheinungsjahr: 1856
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Kunstgeschichte, Religionsgeschichte, Kulturgeschichte, Landesgeschichte, Pyramidenbau, Felsengräber, Grabtürme, Tempel, Paläste, ägyptischer Säulenstil, Dorischer Stil, Jonischer Stil, Skulpturen, Backsteinbau, Gewölbebau, Malerei, Obelisken, Pylone, Sphinxe, Cherubim, Kolossalbilder, Hohlgesims, Triglyphen, Steinerne Züren, Säulenstraßen, Hieroglyphenschrift, Keilschrift, Kolpiach, Pneuma, Kadmos, Astarte, Aphrodite, Rhea, Mylitta, Hera, Sonnengott, Himmelsgöttin, Isis, Mysteriendienst, Kosmogonie, Anubis, Adonis, Dionysos, Hadad und Thammus, Zeus, Jupiter, Baal, Artemis, Dagon, Heiliger Baum, Feuerdienst, gute und böse Geister, Damaskus, Beduinen, Bagdad, Babylon, Sparta, Sodom, Tripolis, Tunis, Nubien, Ägypten, Syrien, Libanon, Skythen
Vorrede.

Dies ist der erste Band eines Werkes, das in drei Bänden die künstlerische Kultur des Altertums erschöpfen soll. Dieser erste Band umfasst das Niltal und Mesopotamien (Babylon und Niniveh) mit den Nebenländern Armenien, Medien, Persien, Syrien, Palästina, Arabien und die phönikischen Küsten. Der zweite Band wird Kleinasien und die hellenische Welt, der dritte Etrurien und Rom begreifen.

Unser Werk ist eine Entwicklungsgeschichte, die sich auf dem Boden der Ortskunde bewegt. Um alle vorhandenen Denkmale kennen zu lernen, haben wir nicht bloß auf mehrjähriger Fahrt den größten und wichtigsten Teil der beteiligten Länder in eigener Anschauung, sondern haben sie auch in unausgesetzten Studien der vorhandenen reichen Mittel, Tal um Tal, Fußweg um Fußweg abgesucht und keinen Schutthaufen übersehen.

Aus dieser vollständigen Kenntnis aller vorhandenen Reste, aus der Fähigkeit, sie alle zugleich zu überschauen, ohne durch alte Vorurteile beirrt zu werden, ergibt sich zum erstenmal eine vollständig durchgeführte vergleichende Archäologie, d. h. eine wahrhaftige Entwicklungsgeschichte der Kunst von Volk zu Volk. Dass diese Entwicklung vorhanden ist und dass alle Völker im ganzen Umkreis des Mittelmeers bis ins innere Asien an demselben Kulturzusammenhang teilhaben, wird eben unser Buch dartun. Was außerhalb dieses Zusammenhangs steht, wie z. B. Indien, bleibt von unserer Geschichte, eben weil sie eine Geschichte sein will, ausgeschlossen. Erst jetzt und ganz seit Kurzem ist es möglich, alle Glieder dieses Zusammenhangs mit dem Finger zu berühren. Wir grollen gegen Niemanden, der diesen Zusammenhang früher nicht einsah. Dagegen soll man auch uns nicht verketzern, wenn wir Systeme umwerfen müssen, die ohne Kenntnis des jetzigen Materials aufgestellt wurden. Erst jetzt ist es nicht mehr zu früh, an diesen Entwurf einer Gesamtwissenschaft zu gehen. Vortreffliche Einzelstudien an allen Enden liegen vor; nur wenige Stellen sind noch wund und werden täglich gesunder. Aber alle jene Einzelstudien erhalten ihren richtigen Platz und meist auch ihre innere Berichtigung nur durch den Überblick übers Ganze, durch eine vergleichende Archäologie.

Die topographische Kenntnis, welche uns die vollständige Sammlung aller Denkmale geliefert hat, ist nicht minder nütze als Boden unserer Darstellungsweise. Wir versuchen in unserer Darstellung allmählig ein möglichst klares Bild des ganzen alten Kulturbodens zu geben, und über diesen von Denkmal zu Denkmal die Pfade der Entwicklung zu verfolgen. Das ist die einzige Möglichkeit, die Gegenstände selber in der Anschauung festzulegen. Wenn nicht ihr räumliches Verhältnis zu einander uns klar ist, dann flattern sie ewig in der Luft. Wir werden von Ort zu Ort den Faden einer Entwicklung aufnehmen und ihn soweit führen als die vorhandenen Mittel es eben erlauben, werden ihn fallen lassen und wieder aufnehmen, ohne dass er jemals verloren geht, und ihn zuletzt reinlich zum Schluss bringen. Wer in unserem Buch nur blättert, wird nichts als eine lyrische Unordnung entdecken. Wer seinem ganzen Plane folgt, wird einsehen, wie leicht es ist, mit einer topographischen Anordnung auch die Chronologie zu verbinden. Wenn unser Gang im Ganzen und Großen chronologisch ist — Unterägypten, Oberägypten, Babylon, Niniveh, Persepolis etc. —, dann dürfen wir auch von einem dieser Hauptpfeiler zum andern, der topographischen Folge nach, buntere Guirlanden hängen, in denen Älteres und Neueres sich durchflicht, ohne dass damit die große Ordnung gestört wird. Eine ideale Reiseform, die wir für die Darstellung gewählt, behalten wir auch für solche Länder, die wir nicht persönlich betreten haben, wie Babylon, Niniveh und Persepolis, bei. Dank den ungeheuren Mitteln heutiger Wissenschaft kann das ohne Gefahr geschehen.

Wenn die bisherige Kunstgeschichte nach unserer Überzeugung im Inhalt fortschrittsbedürftig ist — einmal aus Mangel eines energischen Vergleichungsprinzips, so dass nicht nur unzählige Irrtümer im Innern stehen bleiben, sondern auch Lücken, die jeden historischen Entwicklungsgang unterbrechen und die man durch die tiefsten Spekulationen noch tiefer zu machen strebt — und wenn die Kunstgeschichte fortschrittsbedürftig ist in der Form, sofern die Denkmale, an eine rein chronologische Schnur gereiht und losgerissen von ihrem wirklichen Lebensboden, sich niemals einer Anschauung einprägen können — so ist sie nicht minder schadhaft schon dadurch, dass sie nichts ist, als „Kunstgeschichte“, d. h. eine bloße, aus der übrigen Kulturwelt gewaltsam losgerissene Abstraktion, eine „Formengeschichte“. So war die Botanik auf Linn’schem Standpunkt, welche Staubfäden zählt und Pflanzenblätter vergleicht, und für Alles, wovon sie sonst nichts weiß, wenigstens Namen hat. So unentbehrlich und ewig dankenswert jene Stufe war, so ist es jetzt an der Zeit, zu versuchen, ob nicht eine ganze Physiologie der Pflanze, ihre Nahrungskräfte, ihr Zellenleben und Blätteratmen etc. mit aufzunehmen sei. Das ist natürlich nur möglich, wenn wir auf die Abstraktion einer „Kunstgeschichte“, d. h. einer puren Formengeschichte verzichten. Die Kunst lässt sich nicht trennen von Religion und Literatur. Alle drei Entwicklungen müssen, wenn das Ganze Lebenskraft und Saft gewinnen und nach außen verständlich werden soll, zu gleicher Fülle anwachsen und sich eng umflechten. Aber alle diese drei Entwicklungen ruhen auf dem Boden der natürlichen und ökonomischen Verhältnisse. Wir müssen also abermals die Länder kennen, müssen wissen, was sie einst, was sie jetzt und in aller Zwischenzeit zu nähren im Stande waren. Selbst ein Blick in die Zukunft muss offen sein.

Wie weit wir selbst im Stande sind, dieser, gewiss nicht klein gefassten Aufgabe zu genügen, darüber steht das Urteil frei. Kein Zweifel, dass an diesem ersten Aufbau noch mancher vorragende Stein sichtbar bleibt, und dass bei fortgesetzten Entdeckungen mancher Quader sich schadhaft erweisen dürfte und künftig ersetzt werden muss. Das Große und Ganze aber steht fest. Wer einen Fehler nachweist, ist willkommen; Orakelsprüche werden nicht gehört.

Obgleich wir das Äußerste versucht haben, unsere Architekturen etc. in Worten klar zu zeichnen, so wird doch ein eigener möglichst reichhaltiger, aber möglichst einfacher und wohlfeiler Bilderatlas nichts weniger als überflüssig sein. Ein solcher, der namentlich alle topographischen Spezialpläne umfassen wird, soll künftig geliefert werden. Vor der Hand bitten wir, gemäß der ausgesprochenen Überzeugung vom Wert der räumlichen Anschauungen, das Buch niemals ohne Landkarte in der Hand zu lesen. Wir hoffen in Jahresfrist den zweiten Band und abermals in Jahresfrist den dritten Band liefern zu können. Das Ganze ist die Entwicklung einer Wissenschaft, deren Plan in unserem ersten Buch „Studien und Skizzen“ angedeutet ist. Jenes Buch will nichts anderes sein, als was sein Titel sagt. Von diesen Skizzen wird es erlaubt sein, künftig wieder aufzunehmen und auszuführen, was brauchbar, und bei Seite zu lassen, was nicht mehr brauchbar. Dieser erste Band berührt sie kaum.
        Heidelberg, Juli 1356.
                        Jul. Braun.


                                Inhalt.

01. Kairo
02. Die Pyramidenfelder von Memphis
03. Von Memphis bis Theben
04. Westseite von Theben
05. Oberägypten und Nubien
06. Ostseite von Theben
07. Von Niniveh bis Babylon
08. Babylon
09. Niniveh
10. Rundschau von Niniveh aus
11. Pasargada, Persepolis, Susa
12. Von Niniveh nach Jerusalem
13. Jerusalem
14. Rundschau um Jerusalem
15. Von Jerusalem nach Tyrus und Cypern

Eine Nilbarke

Eine Nilbarke

Abb. 1. Stufenpyramide von Sakkara.

Abb. 1. Stufenpyramide von Sakkara.

Tafel 07 Kalksteinstatue des Schreibers im Louvre

Tafel 07 Kalksteinstatue des Schreibers im Louvre

Tunis

Tunis

Tunis, Souk des Etoffes

Tunis, Souk des Etoffes

Tunis, Souk el Attarin

Tunis, Souk el Attarin

Tunis, Souk el Trouk

Tunis, Souk el Trouk

Tunis, Souk el Belat

Tunis, Souk el Belat

Tunis, A Street of Arches

Tunis, A Street of Arches

Tunis, Souk el Hout

Tunis, Souk el Hout

Tunis, Rue Tourbet el Bey

Tunis, Rue Tourbet el Bey

Tunis, Rag Fair

Tunis, Rag Fair

Tunis, The Fritter Shop

Tunis, The Fritter Shop