Geschichte der Hansestadt Lübeck
Beiträge zur Lübisch-Hansischen Geschichte
ausgewählte historische Arbeiten
Autor: Mantels, Wilhelm (1816-1879) deutscher Pädagoge, Historiker und Bibliothekar, Erscheinungsjahr: 1881
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Geschichte, Lübeck, Hansestadt, Wilhelm Mantels, Hansezeit, Stadtgeschichte
Die Auswahl historischer Arbeiten eines um die Geschichte Lübecks und des hansischen Städtebundes hochverdienten Mannes, die hiermit dem Publikum übergeben wird, motiviert sich insoweit von selbst, als es sich dabei um die Veröffentlichung eines bisher ungedruckten Aufsatzes und um den Neudruck von fünf anderen Arbeiten handelt, die längst vergriffen und doch den Freunden der Hansisch-Lübischen Geschichte lieb und dem Fachmann unentbehrlich sind. Dem nächsten und dringendsten Bedürfnisse wäre in der Tat genügt worden, wenn sich der Herausgeber, wie ihm das von mancher Seite geraten ist, auf diese fünf oder sechs Aufsätze beschränkt hätte. Aber die Rücksichtnahme auf das lebendige Interesse, das heutigen Tages der Erforschung der heimischen Geschichte von allen Gebildeten entgegen gebracht wird, und die Pietät gegen den Verstorbenen, der gerade auf Weckung und Nährung ein es solchen Interesses bei allen seinen historischen Arbeiten Bedacht nahm, hat ihn vier weitere Aufsätze anschließen lassen, die wie durch den Stoff, so auch durch die Behandlungsweise recht eigentlich dazu angetan sind, auch einem größeren Kreise die Lübisch-Hansische Geschichte vertraut und lieb zu machen.
Dass gerade dieser Herausgeber es unternahm, ausgewählte Arbeiten von Wilhelm Mantels zu veröffentlichen, beruht ausschließlich auf dem Vertrauen, mit dem ihn dessen Wittwe als jüngeren Fachgenossen ihres Gatten und Fortarbeiter an seiner leider unvollendet gebliebenen Lebensaufgabe geehrt hat. Die Beschränkung auf das historische Gebiet erklärt sich aus dem Bestreben, durch Zusammenstellung des Sachverwandten etwas Einheitliches zu erreichen. Im Übrigen glaubte der Herausgeber seiner Aufgabe dadurch gerecht zu werden, dass er unter Schonung des ursprünglichen Textes die mannigfachen Nachträge und Verbesserungen des Verfassers in Anmerkungen hinzufügte und bei den Quellennachweisen auf die neueren Urkundensammlungen Rücksicht nahm. Im Texte selbst wurden nur einzelne Irrtümer in Kleinigkeiten berichtigt, größtenteils nach Anleitung des Verfassers. Für die Anmerkungen zu den älteren Aufsätzen war hier und da ein freieres Verfahren geboten. Von den urkundlichen Beilagen der vierten Abhandlung wurden im Hinblick auf das Urkundenbuch der Stadt Lübeck nur die Überschriften und die Siegelbeschreibungen beibehalten. Ein ängstliches Abwägen von Mein und Dein zwischen Verfasser und Herausgeber schien unnötig und wäre teilweise unmöglich gewesen.
Mögen denn die Arbeiten von Wilhelm Mantels den Freunden und Erforschern der Hansisch-Lübischen Geschichte auch in dieser Gestalt willkommen sein, und mögen sie vor Allem mit dazu beitragen, das Verständnis einer ehrenvollen Vergangenheit zu verbreiten und die Liebe zur Vaterstadt zu nähren, mit der diese Aufsätze geschrieben sind und um deren willen sie auf ein freundliches Willkommen bei den Söhnen Lübecks glauben rechnen zu dürfen.
Barmbeck bei Hamburg, 1880.
K. Koppmann, Herausgeber
Dass gerade dieser Herausgeber es unternahm, ausgewählte Arbeiten von Wilhelm Mantels zu veröffentlichen, beruht ausschließlich auf dem Vertrauen, mit dem ihn dessen Wittwe als jüngeren Fachgenossen ihres Gatten und Fortarbeiter an seiner leider unvollendet gebliebenen Lebensaufgabe geehrt hat. Die Beschränkung auf das historische Gebiet erklärt sich aus dem Bestreben, durch Zusammenstellung des Sachverwandten etwas Einheitliches zu erreichen. Im Übrigen glaubte der Herausgeber seiner Aufgabe dadurch gerecht zu werden, dass er unter Schonung des ursprünglichen Textes die mannigfachen Nachträge und Verbesserungen des Verfassers in Anmerkungen hinzufügte und bei den Quellennachweisen auf die neueren Urkundensammlungen Rücksicht nahm. Im Texte selbst wurden nur einzelne Irrtümer in Kleinigkeiten berichtigt, größtenteils nach Anleitung des Verfassers. Für die Anmerkungen zu den älteren Aufsätzen war hier und da ein freieres Verfahren geboten. Von den urkundlichen Beilagen der vierten Abhandlung wurden im Hinblick auf das Urkundenbuch der Stadt Lübeck nur die Überschriften und die Siegelbeschreibungen beibehalten. Ein ängstliches Abwägen von Mein und Dein zwischen Verfasser und Herausgeber schien unnötig und wäre teilweise unmöglich gewesen.
Mögen denn die Arbeiten von Wilhelm Mantels den Freunden und Erforschern der Hansisch-Lübischen Geschichte auch in dieser Gestalt willkommen sein, und mögen sie vor Allem mit dazu beitragen, das Verständnis einer ehrenvollen Vergangenheit zu verbreiten und die Liebe zur Vaterstadt zu nähren, mit der diese Aufsätze geschrieben sind und um deren willen sie auf ein freundliches Willkommen bei den Söhnen Lübecks glauben rechnen zu dürfen.
Barmbeck bei Hamburg, 1880.
K. Koppmann, Herausgeber
Wilhelm Mantels - Biographische Skizze zur Geschichte Lübecks
Das Lebensbild eines Schulmannes, der sein ganzes Mannesalter in einer Stadt von mittlerer Größe verlebte und seine Mußestunden der wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Geschichte, Litteratur- und Kunstgeschichte seiner engeren Heimat widmete, an dem öffentlichen Leben derselben aber nur insofern tätig Anteil nahm, als er für Alles, was auf die Pflege von Kunst und Wissenschaft und eines edleren Gemeinsinnes Bezug hat, jederzeit einzutreten und Opfer zu bringen bereit war, kann von vornherein nur das Interesse derer beanspruchen, denen dieser Mann persönlich oder durch sein Wirken bekannt und lieb geworden ist. Dennoch wird bei der Herausgabe gesammelter Aufsätze eines und desselben Verfassers ein solches Lebensbild nicht fehlen dürfen, das den Platz, den die einzelnen Arbeiten in dem Entwicklungsgänge des Verfassers einnehmen, zu erkennen und den genetischen Zusammenhang unter ihnen darzulegen suchen muss.
Die beste Grundlage für eine Skizze seines Lebensganges hat Mantels selbst gegeben, als er, der Aufforderung des um das Schulwesen Lübecks hochverdienten Direktors Friedrich Jacob Folge leistend, bei seiner Anstellung am dortigen Catharineum in kurzen Umrissen aufzeichnete, was ihm bei einem Rückblick auf die verflossenen ersten drei Jahrzehnte seines Lobens von Bedeutung für seine Entwickelung gewesen zu sein schien*). Diese Aufzeichnung lautet, wie folgt:
„Ich bin am 17. Juni 1816 in Hamburg geboren. Meine Großväter von väterlicher, wie mütterlicher Seite stammen aus dem Hannoverschen. Beide waren, Handwerker. Der erstere, ein Färber, lebte hier zu Lübeck. Als er im höheren Alter wegen Augenschwäche sein Geschäft aufgegeben hatte, verbrachte er den Rest seiner Tage bei seinen Kindern, namentlich dem ältesten Sohne, meinem Vater. Bis zu seinem Tode 1830 habe ich viele Zeit in seiner Gesellschaft verbracht, da es mir als dem ältesten Enkel oblag, den immer noch rüstigen, aber zuletzt völlig erblindeten Mann auf Spaziergängen zu begleiten. Meiner Mutter Vater, einen Glaser, habe ich nicht gekannt, eben so wenig meine Großmütter. Mein Vater, Heinrich Christian Mantels, noch jetzt in Hamburg als Makler ansässig, mehr durch äußere Umstände als durch Neigung zum Handelsstande bestimmt, hatte, als er meine 1843 verstorbene Mutter Anna Friederike Langkoch heiratete, zugleich das bedeutende Glasgeschäft seines Schwiegervaters in Hamburg übernommen. Bis zum zehnten Jahre besuchte ich eine Privatschule in Hamburg. Meine Eltern wohnten meistenteils, mitunter sogar im Winter, auf dem Lande. Der tägliche Schulweg von einer starken Stunde kräftigte meine Gesundheit, so dass ich seitdem nie ernstlich krank gewesen bin. Im Herbst 1826 zog unsere ganze Familie nach Lübeck, indem mein Vater auch ein hiesiges Geschäft übernahm, so dass er sich abwechselnd hier und in Hamburg aufhielt. Eine ernste Hinneigung zu wissenschaftlicher Tätigkeit, die er selbst nie nach Wunsch hatte befriedigen können, ließ ihn der Erziehung seiner Kinder eine um so größere Aufmerksamkeit widmen. Was er bei öfterer Abwesenheit darin nicht tun konnte, übernahm meine Mutter, die, in den letzten zehn Jahren ihres Lebens fast fortwährend bettlägerig , dennoch für ihr Haus und die Ihrigen in unablässiger Sorge tätig war. Wir Kinder wurden dadurch nur desto mehr an das Haus gebunden. Als der älteste von acht Geschwistern war ich durch die Wahl eines gelehrten Berufes zuerst meine eigenen Wege gewiesen. 1826 in die sechste Klasse versetzt, verließ ich das Catharineum als Schüler der ersten Klasse, da um Johannis 1834 meine Eltern nach Hamburg zurückgingen. So habe ich die Grundlage meiner Bildung Lübeck zu verdanken, das mir stets fast mehr, denn meine Vaterstadt, als Heimat galt. Die Lehrer, unter deren Leitung ich aufwuchs, leben zum größten Teil noch; von den Verstorbenen sind mir Professor Grautoff und Dr. Overbeck im wärmsten Andenken geblieben. In meine Schuljahre fällt der Umschwung, den zunächst die oberen Klassen durch Herbeiziehung bedeutender Lehrtalente nahmen. Wir Schüler genossen die ersten Früchte desselben, und unsere geistige Richtung ward dadurch für immer bestimmt. Mit besonderer Liebe gedenke ich auch derjenigen meiner Altersgenossen, an die ein vertrauter Umgang mich fesselte. In den letzten Jahren verband uns gleiche Neigung, gleiche Teilnahme an den ausgezeichneten Erscheinungen unserer neuesten vaterländischen und fremder neuer Literaturen, und manches, was wir damals gesprochen und getrieben, hat einen bleibenden Einfluss auf unser Mannesalter geübt.
*) Osterprogramm des Catharineums in Lübeck 1847, S. 43-45.
Nach Hamburg zurückgekehrt, besuchte ich noch zwei Jahre das dortige akademische Gymnasium. Die Zahl der Gymnasiasten, wiewohl nicht so gering als gegenwärtig, war doch klein genug, um uns ein persönliches Verhältniss zu den Professoren zu gestatten. Meist junge Männer, wussten sie uns lebendig anzuregen, und wir hatten so den Vorteil, mehr vorbereitet und bestimmter in dem, was unser nächster Zweck war, auf die Universität zu kommen. Damals ward mir auch die erste Gelegenheit, mich im Unterricht zu versuchen, und vorzügliche Freude gewährte es mir, auch in der Privatschule, die ich als Kind besucht, als Lehrer aufzutreten.
Um Theologie und Philologie zu studieren, ging ich Michaelis 1836 nach Berlin. Eine Zeit lang teilte ich meine Beschäftigung zwischen beiden Wissenschaften, dann aber wandte ich mich ganz der letzteren zu. Professor Böckh war es, der mich am meisten anregte, und dessen großartige Auffassung des klassischen Altertums die entschiedene Vorliebe für dasselbe in mir hervorrief. Auf Philologie, Geschichte und neuere Sprachen sind von da an meine Studien gerichtet geblieben. Ausser den Vorlesungen forderte mich der belebende Umgang mit Professor Droysen (jetzt in Kiel) und Dr. Schöll (jetzt in Weimar). Professor Trendelenburg hatte mir aufs freundlichste den Zugang zu seiner Familie geöffnet, ingleichen der Director der Blindenanstalt, Professor Zeune, dessen Haus mich auch von pädagogischer Seite interessierte. Von Michaelis 1838 bis Ostern 1839 studierte ich dann in Leipzig, wo ich außer dem Nestor der Philologie, Hermann, besonders die Vorlesungen von Klotz, Westermann und Wachsmuth hörte. Mein Plan, auch Göttingen zu besuchen, ward durch die bevorstehende Abreise des Professor O. Müller nach Griechenland und durch seinen später erfolgten frühzeitigen Tod vereitelt. Ich selbst hegte damals den lebhaften Wunsch, einige Jahre in Griechenland leben zu können, woselbst mehrere meiner Jugendkameraden sich aufhielten, und wählte in dieser Absicht München zum Ort meiner letzten Ausbildung. Meine Pläne zerschlugen sich jedoch. Desto mehr benutzte ich die Vorteile, die sich mir neben der Universität durch die reichen Kunstschätze Münchens und den Verkehr mit einer Anzahl ausgezeichneter älterer und strebsamer jüngerer Gelehrten und Künstler boten, bis ich im Mai 1841 nach Hause reiste. In der praktischen Tätigkeit eines Lehrers sah ich schon seit lange meinen eigentlichen Beruf, und so nahm ich das Anerbieten einer Hauslehrerstelle, das mich unterwegs traf, unverzüglich an, und lebte bis zum Ende des Jahres auf dem Gute Behlendorf bei Batzeburg. Dann vertauschte ich diese Stellung mit der eines Lehrers an einem Institut in Flottbeck bei Hamburg, in welcher Stellung ich das Jahr 1842 blieb, und zugleich mein Probejahr an der Hamburger Realschule nach bestandenem Examen abmachte. Die große Entfernung meiner beiden Wirkungskreise von einander und Ueberhäufung mit praktischen Arbeiten veranlassten mich, nach Ablauf des Probejahrs 1843 hierher zu kommen und in das Institut des Dr. Deecke als Lehrer einzutreten. Um mir aber endlich eine sichere Aussicht zu eröffnen, benutzte ich, nach verschiedenen fehlgeschlagenen Versuchen anderer Art, die Sommerferien 1845 zu einer Reise nach Dresden, wo ich an dem dortigen Gymnasium des Professor Blochmann eine Anstellung suchte. Schon war mir diese zum Herbst des Jahres zugewiesen, als sich mir die Gelegenheit bot, an der hiesigen Schule einzutreten. Den Wunsch, hier einst wirken zu können, hatte ich stets insgeheim genährt; die Hoffnung, ihn erfüllt zu sehen, gewann die Oberhand, ich blieb in Lübeck und habe nun die frohe Gewissheit, der Schule meine ganze Tätigkeit widmen zu können, der ich den Grund meiner Bildung verdanke“.
Aus den drei großen Gebieten der klassischen Philologie, der Geschichte und der neueren Sprachen heraus hat Mantels in überraschend kurzer Zeit den Weg in den festbegrenzten Studienkreis gefunden, der ihm seine Bedeutung als selbstständiger Forscher gab. Ja, seine im Jahre vorher geschriebene Erstlingsschrift bezeichnet schon, wie den Abschluss seiner bisherigen, so den Ausgangspunkt seiner neuen Studienrichtung.
Diese Erstlingsschrift war den Fabeln des griechischen Dichters Babrios gewidmet*). Seit Wiederentdeckung derselben durch den Macedonier Minoidis Minas hatte sich Mantels „mit ihnen und verwandten Stoffen in Bezug auf sie“ zum Zweck einer größeren Arbeit beschäftigt. Als ihm Andere darin zuvorgekommen waren, entschloss er sich, in einer kleineren Arbeit einesteils „auch das nichtphilologische Publikum mit diesem neuesten Funde bekannt zu machen“, andererseits aber auch 4 die Frage nach dem allgemeinen Verhältniss, in welchem die äsopische Fabel zu andern, namentlich zu der deutschen Tierfabel steht, wieder anzuregen und auf einige Punkte hinzuweisen, die einer einstigen gründlichem Erledigung zum Anhalt dienen können“. „Diese an feinen Bemerkungen reiche, lesenswerte Abhandlung“ ist das Einzige geblieben, was Mantels auf dem Gebiete der klassischen Philologie schriftstellerisch geleistet hat. Das deutsche Tierepos, mit dem er sich im Interesse des Babrios beschäftigt hatte, nahm ihn für die Muttersprache, das Niederdeutsche gefangen, und Reineke Vos war der Führer, der ihn in die Litteratur, Geschichte und Kunstgeschichte Lübecks hinüberleitete.
In dieser Beziehung ist es von Interesse, dass Mantels, der im Winter 1848 — 49 den Reineke Vos mit seinen Sekundanern tractiert hatte und nach Jakob Grimms Vorgange auf die Eigennamen ausführlich eingegangen war, in seiner ersten historischen Arbeit, der Abhandlung über die beiden ältesten Bürgermatrikeln Lübecks, der Namenbildung ein besonderes Interesse widmete**), und dass er in seiner ersten kunsthistorischen Arbeit eine Altardecke des 14. Jahrhunderts besprach, auf der die Taten Reinekes dargestellt sind.
Mantels Tätigkeit als Lehrer hat von berufenerer Seite eine Würdigung erfahren, auf die hier verwiesen werden muss***).
*) Osterprogramm des Catharineums in Lübeck 1846, 8. 18 — 44.
**) Was in den Bürgermatrikeln (unten S. 88) Über den Namen Tale gesagt wird, findet sich schon in seinen Präparationen zum Reincke Vos.
***) Dr. Carl Curtius in Bursians Jahresbericht Über die Fortschritte der klassischen Altertumswissenschaft Jahrg. 6, Heft 6—7, Nekrologe S. 22—28; Lübeckische Blätter 1879 Nr. 72; Osterprogramm des Catharineums 1880, S. 51—56.
Im Jahre 1845 interimistisch mit der Vertretung des erkrankten Prof. Ackermann betraut, wurde er bei dessen Pensionirung Ostern 1847 als zweiter Collaborator angestellt und übernahm gleich Anfangs den lateinischen, deutschen und geschichtlichen Unterricht in der Sekunda, deren Ordinariat er von 1849 an, seit 1853 in der Stellung eines Professors, bis zum Jahre 1874 verwaltet hat. Sein ehemaliger Schüler und späterer Kollege Dr. Carl Curtius schildert Mantels als „einen durchaus genial angelegten Lehrer, der mehr anregend als peinlich kontrolierend einwirken wollte, der auf die Individualität des Einzelnen liebevoll einging und in jedem die guten Seiten zu finden und zu wecken suchte“. Auch hebt er hervor, dass Mantels, selbst nicht ohne poetisches Talent und voll Interesse für die neuere Litteratur, auch bei den Schülern den Sinn für Poesie zu wecken bestrebt war, und durch seinen Geschichtsunterricht die Jugend nicht nur augenblicklich zu begeistern, sondern auch nachhaltig anzuregen und zu eigenen Arbeiten zu ermutigen verstand. Im vollständigsten Gegensatz zu einer neueren Eichtung, die im Interesse der Erreichung rein äusserlicher Ziele Lehrer und Schüler in der Tätigkeit für die Schule aufgehen lassen möchte, glaubte Mantels, dass das eigene, freiwillige, selbstständige Arbeiten von Schülern und Lehrern auch für den Unterricht fruchtbar sei. In diesem Sinne protegirte er den historischen Verein, der sich aus strebsamen Schülern der oberen Klassen gebildet hatte, besuchte dessen Versammlungen, insbesondere an den Stiftungstagen, knüpfte an die Vorträge seine Bemerkungen an, lieferte auch wohl gelegentlich selbst einen Beitrag *). In diesem Sinne suchte er auch die jüngeren Kollegen zu selbstständigem Schaffen, sei es in Vorträgen, sei es in litter arischen Arbeiten, anzuregen, zeigte ihnen Teilnahme für die Gegenstände ihrer Studien und suchte als Bibliothekar ihren Wünschen bei den Anschaffungen Bechnung zu tragen.
*) S. die Abhandlung über das Burgkloster, gedruckt in den Lüb. Blättern 1879 Nr. 68; vgl. unten S. 327—40.
Gleich bei seiner Anstellung trat Mantels zweien Vereinigungen bei, denen er sein ganzes Leben hindurch treu geblieben ist und die für ihn, wie er für sie, eine außerordentliche Bedeutung haben sollten.
Die Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit ist eine jener in den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts entstandenen Vereinigungen, welche sich in lokalisiertem Philanthropismus die Hebung des Gemeinwohls in der Vaterstadt nach allen Richtungen hin zur Aufgabe gesetzt und in Verfolgung dieses Zieles eine Reihe von löblichen und segensreich wirkenden Instituten teils selbst geschaffen haben, teils moralisch und materiell unterstützen. Bis zur Mitte dieses Jahrhunderts bildeten diese Gesellschaften den Mittelpunkt alles geistigen Verkehrs, und die politische Erregung der vierziger Jahre ließ eine Zeitlang ihr Leben noch stärker pulsieren; dann aber trat aus mancherlei Ursachen insofern eine Lähmung ein, als zwar die Institute und Abteilungen der Gesellschaften sich kräftig weiter entwickelten, das Interesse am Ganzen aber bei den Mitgliedern und deshalb auch bei der Bevölkerung immer mehr abnahm. Als Mantels 1845 in die gemeinnützige Gesellschaft eintrat, stand dieselbe in ihrer höchsten Blüte und übte deshalb namentlich auf die jüngeren Mitglieder den anregendsten Einfluss aus. Was Mantels der Gesellschaft gewesen ist, lässt sich daraus erkennen, dass er ein Menschenalter hindurch ununterbrochen irgend eines ihrer Ämter bekleidete; 1848 — 55 war er Vorsteher der Turnanstalt, 1855—59 Vorsteher der Bibliothek, 1859—62 Direktor, 1862— 68 Vorsteher, 1863 — 75 Vorsteher des Voreins für entlassene Sträflinge und sittlich Verwahrloste, 1872 bis zu seinem Tode Vorsteher des Schullehrerseminars. Die Gesellschaft selbst hat bei Gelegenheit seines Lehrerjubiläums ihrem Danke durch Verleihung ihrer goldenen Medaille Ausdruck gegeben.
In der gemeinnützigen Gesellschaft ist auch dazu die Anregung gegeben, dass am 7. Januar 1822 ein kleiner Kreis von nur 6 Männern als Ausschuss für Lübische Geschichte zusammentrat, der sich im ersten Jahrzehnt seines Bestehens (1822 — 31) im Wesentlichen auf das Sammeln und Sichern aller auf die Geschichte Lübecks bezüglichen handschriftlichen und gedruckten Nachrichten beschränkte, später aber, nachdem die eine Zeitlang sistierte Tätigkeit am 20. Okteber 1836 von dreien der bisherigen Mitglieder wieder aufgenommen war, und namentlich unter dem Eindruck, den das Erscheinen von Böhmers Urkundenhuch der Stadt Frankfurt in unsern Hansestädten hervorrief, die Herausgabe eines Lübischen Urkundenbuchs zum Mittelpunkt seiner Tätigkeit machte. 1844 März 13 nahm dieser Ausschuss mit Genehmigung der gemeinnützigen Gesellschaft den Namen eines Vereins für Lübeckische Geschichte an, der später, als ein von 1848 — 53 selbstständig bestehender Ausschuss für Sammlung lübeckischer Kunstaltertümer mit dem Geschichtsverein verschmolz, in die Bezeichnung Verein für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde verlängert wurde. In diesem Verein sah sich Mantels zu gemeinsamer Arbeit mit Männern verbunden, die entweder, wie Deecke und Pauli nachahmungswürdige Vorbilder oder wie der mit ihm eingetretene spätere Staatsarchivar Wehrmann und der 1849 beigetretene Maler Milde die Anregung gleichen Strebens gaben. Ein Jahrzehnt hindurch sehen wir Mantels noch unter dem Einfluss verschiedener Interessen, von denen jedoch die Liebe zur Lübischen Geschichte immer mächtiger wird und endlich zur Alleinherrschaft gelangt. In getreuem Bilde spiegelt dieses innere Keifen das Verzeichnis der Vorträge wieder, die er während dieses Zeitraums in der gemeinnützigen Gesellschaft hielt. Zunächst kam 1847 in einem Vortrage über die ursprüngliche italienische Novelle eine frühere Richtung zum Ausdruck und Ausklang. Dann zeigt sich uns das Bestreben, auf die großen merkantilischen Kreise Lübecks dadurch bildend einzuwirken, dass er für kulturgeschichtliche Ereignisse der Gegenwart, die den Handel berühren, Verständnis zu geben sucht oder durch Anknüpfung an Dinge, die dem Kaufmann am nächsten liegen, das Interesse für historische Forschung und Betrachtungsweise zu wecken bemüht ist. Dieser Richtung gehört es an, dass er 1847 einen Vortrag über die Engländer in Afghanistan hielt, 1854 vergleichende Blicke auf den Handel der Völker ältester und neuester Zeit warf, 1855 die Entdeckung der nordwestlichen Durchfahrt durch Mac Clure, den Befehlshaber des englischen zur Aufsuchung Franklins beorderten Schiffes Investigation besprach. Auf dem Gebiete der Lübischen Geschichte, aus dem heraus er schon 1846, wenn auch nur als Vermittler der Studien Anderer, hatte reden wollen, liegen zunächst zwei Vorträge, die er 1849 über die hauptsächlichsten Kriegstaten Lübecks zur See im Mittelalter hielt; ihnen folgten 1851 Mitteilungen aus dem handschriftlichen Familienbuche des im Jahre 1648 verstorbenen Lübecker Bürgers Peter Hacks , deren wesentlichster Inhalt später in der Zeitschrift für Lübeckische Geschichte veröffentlicht wurde, und 1854 einzelne Zuge aus dem kaufmännischen Verkehr Lübecks im 14. Jahrhundert, ein Vortrag, dessen Thema offenbar auch von der eben genannten Richtung mit beeinflusst war.
Von 1855 — 62 hat Mantels keine Vorträge dieser Art gehalten; doch gab ihm das von ihm verwaltete Bibliothekariat 1857 Veranlassung zu einigen Mitteilungen über die Aufgabe, welche die Bibliothek der Gesellschaft zu lösen hat, und 1860 — 62 hatte er als Direktor den Jahresbericht zu liefern, in dem er bemüht war, die Mitglieder auf die vorhandenen Schwächen aufmerksam zu machen und ihnen die Schöpfung vereinigender, die Gesellschaft als Ganzes belebender Elemente, insbesondere eines gemeinsamen Lesezimmers, zu empfehlen. Die Haupttätigkeit aber war während dieser Zeit der Lübischen Geschichte gewidmet. Auf die schon erwähnte 1854 erschienene Abhandlung über die Bürgermatrikeln folgten drei weitere Arbeiten: 1856 Lübeck und Marquard von Westensee, 1858 Thidemann Güstrow, 1862 der Pfundzoll, ein mit unendlicher Mühe gearbeitetes Meisterstück historischer Kleinarbeit , das seinen Urheber weit über Lübeck hinaus bekannt machte und ihm die verdiente Anerkennung aller Sachverständigen eintrug. Dazu kam dann die Tätigkeit in dem neureformierten Lübischen Geschichtsverein, dessen Vorsitz Mantels übernommen hatte: die Beteiligung am Urkundenbuche , dessen zweiter Band von Mantels unter Mithilfe Wehrmanns bearbeitet, der 1854 zum Staatsarchivar berufen war, 1854 — 58 erschien, die Herausgabe einer Zeitschrift für Lübische Geschichte, deren erster Band 1854 — 59 herauskam, die Mitarbeiterschaft an dem Siegelwerk von Milde, von 1856 — 62 fünf Hefte, in deren Text sich Masch und Mantels geteilt hatten. Und alle diese Arbeiten sind den Mußestunden eines Schulmannes abgewonnen , der das Ordinariat der Sekunda vorwaltete, und dessen zarte Gesundheit bereits (1861) den ersten Stoß erhalten hatte.
Das Jahr 1862 brachte Mantels das durch den Tod Prof. Deecke's (1862 Apr. 24) erledigte Amt eines Bibliothekars der Stadtbibliothek (Juni 8), das er bis zu seinem Tode mit Liebe und Treue verwaltet hat. Die Stadtbibliothek Lübecks ist eine nicht gerade große, aber doch auch — namentlich in Bezug auf historische Litteratur, Inkunabeln und Manuskripte — nicht unbedeutende Bibliothek, die von 1863 — 76 durchschnittlich 650 Bände im Jahr auslieh und sich von 1863 — 76 jährlich um etwa 1.500, im Ganzen von c. 65.000 auf c. 85.000 Bände und Hefte vermehrte. Diesem verhältnissmäßig großen Zuwachs entsprachen damals die vorhandenen Räumlichkeiten und Arbeitskräfte so wenig, dass die letzten Erwerbungen nicht mehr einrangiert werden konnten, sondern untergebracht werden mussten, wo sich irgendwo ein Plätzchen frei fand, und dass der Bibliothekar außer der eigentlichen Verwaltung und der gesamten wissenschaftlichen Korrespondenz nicht nur die Katalogisierung der Eingänge allein besorgen, sondern auch bei der gewöhnlichsten Handreichung täglich selbst mithelfen musste. „Mit Bitterkeit, heißt es in einem Artikel der Lübeckischen Blätter vom 24. Aug. 1879, erfüllt uns die Erinnerung an die erwähnte, Zeit und Kräfte verzehrende mechanische Tätigkeit gerade im Hinblick auf diesen Todten“. Erst 1877 wurde durch einen Umbau den Bedürfnissen der Bibliothek und des Publikums in angemessener Weise entsprochen und dem entsprechend die Arbeitskraft durch Verlängerung der Arbeitszeit der bisherigen und durch Anstellung eines weiteren Beamten vermehrt. Die Sorge für die Überführung der Bücher aus den alten Räumen in die neuen nahmen die letzten Lebensjahre Mantels' hauptsächlich in Anspruch und die Einrichtung des geschmackvollen, mit den Cartons seines ihm im Tode vorangegangenen Freundes Milde geschmückten Lesezimmers war seine letzte hohe Freude.
Als Mantels kaum das mühevolle und in mehr als einer Beziehung undankbare Amt eines Bibliothekars übernommen hatte, wurde ihm eine neue große Arbeit angetragen, die für die Jahre 1863 — 70 in den Vordergrund seiner Tätigkeit tritt und recht eigentlich seine leider unvollendet gebliebene Lebensaufgabe geworden ist. Am 25. Januar 1863 bot ihm Lappenberg an, im Auftrage der historischen Kommission bei der kgl. Akademie der Wissenschaften zu München die Herausgabe der Lübischen Chroniken zu übernehmen, und am 8. Februar erklärte sich Mantels unter dem Vorbehalt, dass ihm eine ausreichende Frist gestellt werde, zur Annahme bereit. Im Anfang schien Alles glatt zu gehen. Mit Rücksicht auf den in Göttingen ausgeschriebenen Preis für eine Bearbeitung der Korner Chronik dachte Mantels im Einverständniss mit Lappenberg daran , die Publikation mit den späteren Chroniken von Bonnus, Beckemann und Reimer Kock zu beginnen, und glaubte schon im Herbst 1864, nachdem er in den Michaelisferien des vergangenen Jahres die Bestände der kgl. Bibliothek zu Kopenhagen durchmustert hatte, die Drucklegung des ersten Bandes in nahe Aussicht nehmen zu können. Dann aber kam er, wieder im Einvernehmen mit Lappenberg, auf den methodisch richtigeren, aber ungleich schwierigeren Weg, den Beginn mit der von Grautoff kritisch doch vollständig ungenügend behandelten Detmar-Chronik mit ihren Fortsetzungen und Parallel-Arbeiten zu machen. Die zeitraubende Arbeit einer Vergleichung, beziehlich einer Abschriftnahme der Handschriften wurde erledigt; auch die Prüfung, die Berichtigungen und Ergänzungen der einzelnen Nachrichten konnten einem so kenntnisreichen, fleißigen Arbeiter nicht schwer fallen; da stellte sich ihm aber als letzte und für ihn größte Schwierigkeit die Frage entgegen, ob er bei seiner Veröffentlichung den Detmar oder den Rufus zu Grunde legen solle, und — im Zusammenhange damit — ob er der offiziellen Ratshandschrift des Detmar oder einer andern Handschrift den Vorzug einzuräumen habe. Diese letzte Schwierigkeit hat Mantels nicht überwunden; es war ihm nicht möglich eine klare Einsicht in das Verhältniss der einzelnen historischen Arbeiten zu gewinnen oder sich doch eine feste Ansicht über dasselbe zu bilden; jegliches Pro und Contra hat er verzeichnet und hin und her erwogen, ohne ein bestimmtes Endurteil fällen zu mögen. Im Besitz aller nötigen Kenntnisse, nach Beendigung aller Vorarbeiten, sah er den Abschluss der Arbeit immer nahe vor sich liegen, ohne ihn doch erreichen zu können. Gedrängt von seinem Pflichtgefühl gegen die historische Kommission, die diese wichtigen Chroniken von einem Mann von seiner Befähigung vollendet zu sehen wünschte, gegen die Schuldeputation, die ihn auf das Gesuch der historischen Kommission von einem Teil seiner Schulstunden disponsiert hatte, wurde ihm die Chronikonarbeit zu einer Last, die ihn niederdrückte und die er doch nicht abzuschütteln vermochte. Wie gleich bei der Übernahme der Arbeit, so ist er auch später wiederholt mit sich zu Rate gegangen, ob er nicht die Arbeit einem Andern überlassen sollte, aber immer hat ihn dann die Erwägung, dass sich in Lübeck Niemand dazu finde und dass ein Auswärtiger sich nur schwer und mühsam in das hineinarbeiten könne, was ihm selbst vollständig geläufig war, seine Last weiter schleppen lassen, bis ihn der Tod davon befreit hat.
Jene Schwierigkeit, die Mantels daran gehindert hat, seiner Hauptaufgabe Herr zu werden und der verdienten Anerkennung der auf ihre Lösung verwandten Tätigkeit zu gemessen, wird dem Laien vielleicht dadurch verständlich, dass die sachverwandte Vorbereitung einer Ausgabe der Korner-Chronik, welche die Wedekindstiftung in Göttingen durch ein Preisausschreiben anregte und für die schon ungleich mehr getan war, in der ersten zehnjährigen Frist nicht geliefert wurde, und dass nach abermals zehn Jahren wohl der Preis zugebilligt, aber die Ausgabe vorläufig und bis auf den heutigen Tag zurückgehalten wurde. Dazu kommt dann andererseits, dass die Lösung einer solchen Aufgabe die ganze Energie eines geistig frischen Menschen erfordert, während Mantels nur über Mußestunden zu verfügen hatte, die ihm nach Erfüllung seiner Pflichten als Lehrer und Bibliothekar übrig blieben, dass wiederholtes Siechtum ihn zeitweilig zur Einstellung selbst seiner Berufstätigkeit zwang, und dass endlich der Hinblick auf das sichere und verhältnissmäßig leichte Arbeiten, das Jüngere Dank der Schulung eines Waitz in ähnlichen, freilich viel weniger schwierigen Fragen bewiesen, ihm das Vertrauen auf das eigene Können erschütterte und damit die Freudigkeit des Arbeitens nahm.
Um so bedeutungsvoller war es für Mantels, dass ihm das Jahr 1871 ein neues Ehrenamt brachte, das ihm freilich ebenfalls unendlich viel Last und Arbeit auferlegte, aber auch in weiten Kreisen ihm Anerkennung eintrug und ihm vor Allem die edle Freude bereitete, für die Lösung hoher, ihm warm am Herzen liegender Aufgaben segensreich wirken zu können.
Als am 24. Mai 1870 zu Stralsund das Gedenkfest des ruhmreichen Friedens gefeiert wurde, der vor fünfhundert Jahren den Sieg der Hansestädte über König Waldemar von Dänemark besiegelt hatte, vereinigten sich die Geschichtsvereine von Hamburg, Lübeck und Bremen mit der Stralsund-Greifswalder Abteilung des Pommer'schen Geschichtsvereins zur gemeinsamen Ausschreibung einer Preisaufgabe, die jenem Frieden ein würdiges Denkmal setzen sollte. Die in Stralsund anwesenden Abgeordneten jener Vereine*) beschlossen aber, es bei dieser einmaligen Zusammenkunft nicht bewenden zu lassen, sondern vereinigten sich zu einem hansischen Geschichtsverein mit jährlichen Wanderversammlungen und einem wissenschaftlichen Organ für Hansische Geschichte, der Pfingsten nächsten Jahres zu Lübeck seine erste konstituierende Versammlung halten sollte. Die glorreiche Zeit, welche dann folgte, musste auch dem Aufblühen eines Vereines günstig sein, dessen Stiftung an eine Großtat deutschen Bürgertums anknüpfte. Als man sich in Lübeck wieder zusammenfand, zählte der Verein bereits gegen hundert Mitglieder, von denen 48 anwesend waren. Bei Gelegenheit der Statutenberatung wies Prof. Waitz aus Göttingen nachdrücklich darauf hin, dass ein Hansischer Geschichtsverein noch größere Aufgaben vor sich habe, als die bis jetzt ins Auge gefassten, es gelte, für eine wissenschaftliche Geschichte der Hansa den urkundlichen Grund zu legen; wohl habe die Historische Kommission bei der kgl. Akademie der Wissenschaften zu München den Anfang gemacht, die Hanserecesse , die Protokolle der Verhandlungen Hansischer Ratssendeboten zu veröffentlichen, aber sowohl die Fortsetzung dieser Arbeit von einem bestimmten Termine ab, wie die Ergänzung derselben durch ein Hansisches Urkundenbuch sei eine Ehrenpflicht der jetzigen und ehemaligen Hansestädte, gegen sich selbst, gegen ihre eigene ruhmreiche Vergangenheit; die Städte aber darauf hinzuweisen und ihnen die Erfüllung dieser Pflicht zu ermöglichen, das sei es, was sich der junge Verein zur Hauptaufgabe machen müsse. In diesem Sinne wurde in den revidierten Statuten die Sammlung und Veröffentlichung der Quellen der Hansischen Geschichte obenangestellt, dem Verein in Lübeck ein fester Sitz gegeben und an seine Spitze ein Vorstand von sieben Mitgliedern gestellt, von denen wenigstens zwei in Lübeck wohnen müssen.
*) Mantels war verhindert zu kommon , betätigte aber seine Teilnahme durch die kleine Abhandlung: Brun Warendorp. Ein Scherflein zur stralsunder Säcularfeier am 24. Mai 1870. Vgl. unten S. 194—207.
Diese Organisation des Vereins beruht auf der teils sachlichen, teils persönlichen Erwägung, dass Lübeck als Oberhaupt des hansischen Städtebundes naturgemäs auch die Leitung des Hansischen Geschichtsvereins zukomme, und dass gerade dort sich zwei Männer neben einander fanden, denen der Verein die Leitung seiner Angelegenheiten mit dem vollsten Vertrauen übergeben konnte: Mantels wurde zum Vorsitzenden gewählt, Staatsarchivar Wehrmann übernahm die mühselige, für einen Verein dieser Art aber auch hochwichtige Kassenverwaltung.
Wie Mantels gerade hier an seinem rechten Platze war, wie sich ihm die Jahresversammlungen des Hansischen Geschichtsvereins, denen er nach einander zu Lübeck, Braunschweig, Bremen, Hamburg, Köln, Stralsund und Göttingen präsidierte, zu Ehren- und Freudentagen gestalteten, und wie sein reiches Wissen, sein gediegener Charakter, sein liebenswürdiges Wesen ihm überall die Herzen von Alt und Jung gewann, das hat in lebensvoller Schilderung, mit schönen, warmen Worten Prof. Pauli aus Göttingen*) in der Jahresversammlung zu Hildesheim zum Ausdruck gebracht. Die dem Hansischen Geschichtsverein Fernstehenden werden sich von der Wirksamkeit desselben und dem Tätigkeitsgebiet seines Vorsitzenden aus den wenigen Angaben eine Vorstellung machen können, dass der Verein bei Mantels Tode 475 Mitglieder zählte und über eine jährliche Einnahme von 11.500 Mark verfügte, dass damals bereits 7 Jahrgänge der Hansischen Geschichtsblätter, 2 Bände Hansischer Geschichtsquellen, 2 Bände Hanserecesse und ein Band des Hansischen Urkundenbuches vollendet vorlagen, dass Se. Majestät der Deutsche Kaiser an der Spitze der Vereinsmitglieder steht und dass die Verwaltung der Wedekind'schen Preisstiftung für deutsche Geschichte bei der kgl. Akademie der Wissenschaften zu Göttingen den Verein durch Zuweisung einer Summe von 3.000 Mark geehrt hat.
Auch dem Verein für Niederdeutsche Sprachforschung, der sich am 20. Mai 1875 zu Hamburg im Anschluss an den Hansischen Geschichtsverein konstituirte, brachte Mantels warme Sympatieen entgegen. „Das lebhafte und tiefe Interesse, das derselbe für die niederdeutsche Sprachforschung empfand, ließ die Mitglieder der germanistischen Sektion des Vereins für Kunst und Wissenschaft in Hamburg von vornherein die wohlwollendste Teilnahme finden, als sie am Himmelfahrtstage 1874 in Lübeck ihm als Vorsitzenden des Hansischen Geschichtsvereins den Plan vorlegten, innerhalb des Rahmens des von ihm geleiteten Vereins oder doch in Anlehnung an denselben einen neuen Verein zur Erforschung der niederdeutschen Sprache zu gründen. Einer der Ersten von denen, die von ausserhalb Hamburgs dem jungen Verein in der Pfingstversammlung 1875 sich anschlössen, hat er demselben bis zu seinem Tode treu angehangen, in seinen Bestrebungen ihn aufgemuntert und in seinen Arbeiten ihm Hülfe geleistet“.**)
*) R. Pauli, Zur Erinnerung an Wilhelm Mantels, Hans. Geschsbl. 1879, S. 3 —10.
**) Korrespondenzblatt f. nd. Sprachforschung 4, S. 38.
Überblicken wir nun, nachdem wir die wissenschaftliche Tätigkeit Mantels' in den Jahren 1863 — 79 in ihren Hauptrichtungen skizziert haben, seine Leistungen — abgesehen von der Hauptarbeit, die erst nach der Herausgabe der Chroniken gewürdigt werden kann — im Einzelnen, so stellen sich uns zunächst wieder die Vorträge entgegen, die er bei verschiedenen Veranlassungen in verschiedenen Kreisen gehalten hat. In der gemeinnützigen Gesellschaft sprach er 1863 über den Verein für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde, dessen Verhältnisse und Arbeiten, 1867 aus seinen Chronikenstudien heraus über Hermann Bonnus, Lübecks ersten Rektor und Superintendenten, als Lübischen Chronisten, 1867 — 68 über die Lübecker Bürgermeister und Flottenführer Johann Wittenborg, Brun Warendorp und Tidemann Steen; 1876 machte er Mitteilungen aus dem Leben von Carl Julius Milde*); 1878 gab ihm der fünfte Band des Lübischen Urkundenbuchs Veranlassung, Lübeckische Geschichten aus dem Anfange des 15. Jahrhunderts vorzutragen, wie er 1870 die Aufmerksamkeit der Mitglieder auf das Erscheinen der ersten Series der Hanserecesse hingelenkt und 1877 dem ersten Bande der zweiten Reihe den Stoff zu einem Vortrage über den großen Hansetag in Lübeck im Sommer des Jahres 1434 abgewonnen hatte. In gleicher Weise sprach er 1877 nach dem Erscheinen des Hansischen Urkundenbuches über den Ursprung und die allmählige Entwickelung des Hansabundes in einem Vortrag, der im Casino zum Besten der Schulkollegen-Wittwenkasse stattfand; ebendaselbst hatte er 1863 an zwei Abenden Vorträge aus der älteren lübischen Geschichte gehalten, deren Ertrag zur Anschaffung von Gipsabgüssen verwendet werden sollte. In den Versammlungen des Hansischen Geschichtsvereins zu Lübeck hat er 1876 über Johann Wittenborg gesprochen und 1872 geschildert, wie sich die Lübecker Reliquien holten. Mehrere dieser Vorträge sind später durch den Druck bekannt geworden, einige von Anfang an dazu bestimmt gewesen. Er liebte es, seine Arbeiten jenem magischen Einfluss auszusetzen, den die Zuhörer auf den Redner und dadurch auch auf dessen Vortrag ausüben und der gerade für ihn von besonderer Bedeutung war, da er sich einerseits durch seine Fülle von Interessen und seine große Detailkenntnis leicht zum Abschweifen von der Hauptsache verführen ließ, andererseits aber wieder mit einem feinen Gefühl für eine gefällige, anmutige Form begabt war.
*) Zeitschr. f. Lüb. Gesch. 1, S. 1—7, 405 — 16; 2, S. 556— 64; 8, S. 613 — 634. Ein Separat -Abdruck: Carl Julius Milde in seiner Wirksamkeit für Lübecks Kunst u. Altertum. Lübeck, 1876.
Die Tätigkeit im Verein für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde war zunächst dem Urkundenbuche gewidmet, dessen dritter Band im Text schon 1867 beendet war, während die von Mantels übernommenen Register noch ausstanden und während seiner schweren Krankheit im Jahre 1871 von Staatsarchivar Wehrmann angefertigt wurden. Von da ab übernahm dieser die alleinige Fortführung der Arbeit, jedoch „unter der von Anfang an zugesagten und ununterbrochen mit großer Bereitwilligkeit gewährten Unterstützung“ von Mantels. Band 4 erschien schon 1873, Band 5 im Jahre 1877; der 6. Band, dessen Anfang Mantels noch freudig begrüßen konnte, steht jetzt unmittelbar vor dem Abschluss. Von Mildes Siegelwerk wurden Heft 6 — 9 in den Jahren 1864 — 71 fertig; nach dem Tode der drei Mitarbeiter Milde, Masch und Mantels brachte Staatsarchivar Wehrmann 1879 das Werk durch eine zehnte Lieferung zum Abschluss. Von der Vereinszeitschrift wurde der zweite Band 1867, der dritte 1876 vollendet.
An dieser Zeitschrift hat sich Mantels, von der Redaktion abgesehen, durch eine Reihe von Beiträgen beteiligt. Als Vorsitzender erstattete er Berichte über die Entstehungsgeschichte und die Tätigkeit des Vereins, die namentlich durch die eingelegten biographischen Skizzen verstorbener Mitglieder von allgemeinerem Interesse sind*). Außer dem hübschen Aufsatze, der die Reihe dieser Lübisch-Hansischen Beiträge eröffnet, erschienen in der Zeitschrift zunächst verschiedene kleinere Mitteilungen, Miscellen, die sich teilweise an seine selbstständig veröffentlichten Arbeiten anschließen**), und eine kulturhistorisch interessante Aufzeichnung über die Beköstigung des Mag. Hermann Elers aus dem Jahre 1542. Unter der Bezeichnung niedersächsische Lieder wurden mitgeteilt das niedliche Trinklied: We ethen wyl de gha tom dysch und die auch anderweitig bekannt gemachten Sproke de dar entdecken unde apenbaren de gebrecklicheyt der werlde stände, sowie vier fernere Dichtungen von historischem Interesse, nämlich ein unvollständiges Lied, das die Kämpfe der Hansestädte gegen Dänemark von 1511 in 74 Strophen besingt; Spottverse der Holländer auf die Hansestädte mit der Antwort der Lübecker von 1532 und ein Doppel-Akrostichon auf das 1562 von Dänen und Lübeckern genommene und durch Unvorsicht in die Luft gesprengte schwedische Admiralschiff Magelosa. Ebenfalls historisch interessant ist das mehrfach gedruckte Lied des Syndicus Domann von der deutschen Hanse, das Mantels nach einem bis dahin verschollenen Einzeldruck von 1868 neu herausgab. Ein mittelhochdeutsches Lied der nach Mont Saint Michel in der Normandie wallfahrenden Kinder leitet über zu einer weiteren Gruppe, den Niedersächsischen geistlichen Liedern, unter denen einerseits das anderswo ausführlicher erhaltene Lied vom andern Land und die Umdichtung einer hochdeutschen Vorlage mit Reminiscenz an Walther von der Vogelweide O we, wo synt mynes lovendes daghe zo gar dar hyn, andererseits das größere allegorische Gedicht Besiegung der Todesfurcht durch die Liebe zum ewigen Leben, besonders hervorzuheben sind. Endlich sind noch zwei Arbeiten von kunsthistorischem Interesse namhaft zu machen: eine an die Abhandlung vom Pfundzoll anknüpfende Untersuchung über die drei Wappenschilde Lübeckischer Kaufmannsgilden aus dem Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts und der im Einvernehmen mit Milde niedergeschriebene Aufsatz über eine auf Leinen gestickte Altardecke aus dem 14. Jahrhundert.
*) Zeitschr. f. Lüb. Gesch. 1, S. 1—7, 405—16; 2, S. 556—64; 3, S. 612 — 634. Ein Separatabdruck : Carl Julius Milde in seiner Wirksamkeit für Lübecks Kunst und Altertum. Lübeck 1876.
**) Ebend. 1, 8.254 — 56: Die Ermordung des Marquard v. Westensee (s. unten S. 162, Anm. 21); Ein Privatbesitz Kg, Waldemar's in oder bei Prag (s. unten S. 264, Anm. 87 b); Zwei Privatbriefe.
An selbstständig erschienenen Schriften ist zunächst namhaft zu machen : Der Todtentanz in der Marienkirche zu Lübeck nach einer Zeichnung von C. J. Milde mit erläuterndem Text von W. Mantels, 1866, in zweiter Auflage 1867. In dieser hübschen, scharfsinnigen Arbeit weist Mantels nach, dass der jetzt vorhandene Todtentanz auf Leinwand vom Jahre 1701 nicht eine Restauration, sondern eine Kopie der älteren Darstellung ist, die 1463 auf Holz gemalt worden war, und dass in der handschriftlichen Überlieferung der alten niederdeutschen Verse der Zusammenhang gestört ist, aber mit Hilfe der 1701 an deren Stelle gesetzten hochdeutschen Verse wiederhergestellt werden kann. Dieses letztere Resultat wurde, wie er in einer Anzeige seiner Arbeit und einer Schrift von H. Bäthcke des Weiteren ausführt, durch den ihm später bekannt gewordenen Revaler Todtentanz bestätigt. Hinsichtlich des Materials der Darstellung lehrte eine erneuerte Untersuchung, dass schon 1588 eine Leinwandmalerei aufgefrischt wurde, dass also die alte Holzmalerei schon früh im 16. Jahrhundert verdrängt worden sein muss*). Ebenfalls 1866 erschien die Gratulationsschrift des Catharineums: Aus dem Memorial oder Geheim -Buche des Lübecker Krämers Hinrich Dunkelgud. Den Beschluss machte das kurz vor seinem Tode von Mantels geschriebene Glückwunschschreiben des Catharineums bei Gelegenheit der 350jährigen Jubelfeier des Johanneums zu Hamburg, dem einige Notizen über den Aufenthalt Bugenhagens in Lübeck 1531 einverleibt und 17 Anstandsregeln in Latein mit niederdeutscher Übersetzung beigegeben sind, in welchen letzteren Seelemann Bruchstücke eines Facetus erkannt hat. Im Jahrbuch des Vereins für Niederdeutsche Sprachforschung veröffentlichte Mantels das Bruchstück eines 1484 in Lübeck gedruckten Zwiegesprächs zwischen dem Leben und dem Tode, das mit dem Lübecker Todtentanz in Verbindung steht und von dem Verfasser eines von A. Keller veröffentlichten Vastelavendes spil van dem dode unde van dem levende benutzt wurde, sowie auch Bruchstücke einer ebenfalls in Lübeck gedruckten niedersächsischen Bearbeitung des Pfarrherrn von Kaienberg. Aus einer dem Archiv der Schonenfahrer entstammenden Handschrift teilte er unter der Überschrift „Krude“ eine Aufzeichnung mit, welche die bei der feierlichen Überreichung des Verlobungsgeschenks an die Braut herkömmliche Bewirtung schildert. Zu den von Pfeiffer aus der Wiener Handschrift edirten niederdeutschen Erzählungen Hermann Korners lieferte Mantels, durch eine im Korrespondenzblatt des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung veröffentlichte Mitteilung dazu veranlasst, eine Collation der Hannoverschen Handschrift ein, die er jedoch, da ihm Prof. Höfer mit einer gleichartigen Arbeit zuvorkam, auf einige Nachträge beschränkte. Das genannte Korrespondenzblatt gab ihm Anregung zu kleineren Mitteilungen, in denen er Ausdrücke, die ihm früher aufgefallen waren oder jetzt beim Studium der Lübecker Kirchenordnung von Bugenhagen auffielen, verzeichnete und besprach oder zu den Arbeiten Anderer Berichtigungen gab oder Zusätze hinzufügte.
*) Der Lübecker Todtentanz vor seiner Erneuerung im Jahre 1701 im Anzeiger f. Kunde d. deutschen Vorzeit 1873, S. 158.
Viel bedeutender noch ist die Tätigkeit für die Hansischen Geschichtsblätter als Mitherausgeber und Mitarbeiter. Dem von ihm, Koppmann und Prof. Usinger in Kiel, nach dessen Tode Archivar Hänselmann in Braunschweig beitrat, gemeinsam geleiteten Vereinsorgan „suchte er Gründlichkeit und Vielseitigkeit des Inhalts zu geben und eine ansprechende, würdige Form. Immer bereit für Andere einzutreten, und immer auch willig hinter Anderen zurückzustehen, war er den Mitherausgebern ein unermüdlicher, selbstloser und wahrhaft liebenswürdiger Kollege“. Als Vorsitzendem des Vereins lag Mantels die Abfassung der Jahresberichte ob, in denen er sowohl über den Mitgliederstand und ähnliche geschäftliche Dinge, wie auch über den Fortschritt der Vereinsarbeiten Rechnung abzulegen hatte. Auch die Eingaben an Räte und Magistrate der Hansestädte um Bewilligung, resp. Weiterbewilligung von Geldmitteln zur Herausgabe der Urkunden und Recesse und eine Bitte um Beitritt zum Hansischen Geschichtsverein sind von seiner Hand 35 . Unmittelbar für die Geschichtsblätter schrieb er einen einführenden Aufsatz über die Ziele des Vereins, eine Motivierung und Erklärung des Vereinssiegels und ein insbesondere dem Andenken eines Mitredakteurs, des verstorbenen Prof. Rudolf Usinger, gewidmetes Vorwort; auch die halb offiziellen Schilderungen des Verlaufs der Vereinstage von Braunschweig, Hamburg, Köln und Stralsund rühren von Mantels her 39 . Hier erschienen auch drei von den hier abermals zum Abdruck gebrachten Aufsätzen: Die hansischen Schiffshauptleute Johann Wittenberg, Brun Warendorp und Tidemann Steen. Die Reliquien der Ratskapelle zu St. Gertrud in Lübeck und Kaiser Karls IV. Hoflager in Lübeck vom 20. — 30. Oktober 1375. Daneben ließ er es sich angelegen sein, in kürzeren oder ausführlicheren Besprechungen auf Inhalt und Bedeutung neuerer veröffentlichter Arbeiten hinzuweisen: namentlich über Urkunden-Publikationen, über Höhlbaums Hansisches Urkundenbuch, Koppmanns und von der Ropps Hanserecesse und das ihm besonders am Herzen liegende Urkundenbuch der Stadt Lübeck von Wehrmann hat er ausführlich berichtet, aber auch über C. W. Paulis Lübeckische Zustände im Mittelalter, das Gedenkbuch an Bürgermeister Johann Smidt von Bremen und Paulis Bilder aus Alt-England Referate gegeben. Besonders hervorzuheben ist die eingehende Besprechung von Hasses Kieler Stadtbuch, in der Mantels, indem er mit großem Geschick die vom Herausgeber „eingeführten Neuerungen gegen eine bisher anerkannte Behandlung der Stadtbücher“ bekämpft hat, ein für Herausgeber und Benutzer solcher Quellen gleich lehrreiches und trotz der Trockenheit des Materials anziehendes und lebendiges Praktikum über Stadtbücher-Editionen hält.
An der von der Münchner historischen Kommission herausgegebenen Allgemeinen Deutschen Biographie beteiligte sich Mantels mit biographischen Artikeln über 23 bedeutende Lübecker aus den verschiedensten Zeiten. Diese Artikel betreffen den Administrator des Bistums Albert Suerbeer Erzbischof von Riga und die Bischöfe Burchard von Serkem, Bertram Cremon, Arnold Westphal, Albert II, Krummendik und Christian August Herzog von Schleswig-Holstein-Gottorp, die Bürgermeister Heinrich Castorp, Nikolaus Brömse und David Gloxin, den Ratmann Johann von Dowayo, den Kanzler Albert von Bardewik und den Chronisten Detmar, den mit Friedrich dem Großen befreundeten Stadtkommandanten Grafen Chasot, den Syndikus K. G. Curtius und die durch wissenschaftliche und literarische Interessen und Leistungen ausgezeichneten Heinrich Bangert, G. A. Detharding, I. R. Becker, J. N. Bandelin, W. von Bippen, E. Deecke und F. H. Grautoff. Auch dem letzten Hansischen Syndikus Johann Domann hat Mantels dort eine gerechte Würdigung angedeihen lassen.
Für die Jahresberichte der Geschichtswissenschaft trat Mantels bereitwillig ein, als es galt, für den 1879 erschienenen ersten Band noch in letzter Stunde einen Bericht über die hansegeschichtlichen Arbeiten zu schreiben.
Rechnet man nun noch hinzu, dass Mantels als Kirchenvorsteher für stilgemäße Umbauten und Dekorationen in Lübecks Juwel, der Marienkirche, sorgte, die Vereinigung der kirchlichen Altertümer in einer besonderen Sammlung erzielte, mit Wort und Schrift dafür eintrat, dass Lübeck sein stolzes Holstentor nicht verlor, seinen Kaak auf dem Markte und die Schnitzarbeit in der Weinstube an der Trave behielt; dass er ferner der Oberschulbehörde angehörte, Schulreden hielt, Festgedichte verfasste, Aufführungen der Schüler leitete; dass er endlich einheimische Gelehrte mit Rat und Beistand, selbst mit Korrektur Lesen unterstützte, auswärtigen in den verschiedenartigsten litterarischen Interessen immer bereitwillig und oft unaufgefordert seine Dienste lieh: so erhält man wenigstens ein ungefähres Bild von der Art und Weise, wie Mantels in Lübeck und für Lübeck tätig gewesen ist.
Es mag sein, dass Mantels seine Kräfte zersplitterte, dass es ihm nicht gegeben war, seine reichen Gaben auf die Erreichung eines bestimmten Zieles voll zu koncentriren: sein Gesamtwirken wird dadurch nicht beeinträchtigt, dass er an einer Stelle weniger geben konnte, wenn er nach allen Seiten hin freiwillig austeilte. Gerade sein Verwachsensein mit allen geistigen Interessen Lübecks und seine freudige Bereitwilligkeit überall selbst einzutreten, wo Hilfe notwendig war und ein anderer Helfer fehlte, gerade das ist es doch, was sein Wirken so segensreich und sein Andenken in weiten Kreisen teuer gemacht hat.
Bis kurz vor seinem Tode hatte Mantels in den Räumen des zum Gymnasium umgewandelten alten Katharinenklosters eine eigenartig behagliche Amtswohnung, die mit der von ihm geleiteten Stadtbibliothek in unmittelbarer Verbindung stand. Mit seiner Gattin, Henriette Nölting, der Tochter des schwedischen Konsuls Christian Adolf Nölting († 1856 Dec. 15), mit der er sich 1848 vermählt hatte, führte er ein glückliches mit acht Kindern gesegnetes Familienleben. Mit den nah und fern lebenden Geschwistern stand er im herzlichsten Verhältniss, mit den Schwiegereltern, später der verwittweten Schwiegermutter in einem engen Verkehr, zu Freunden, Kollegen und Fachgenossen in freundschaftlich gesellschaftlichen Beziehungen. Auswärtige Gelehrte aus dem benachbarten Mecklenburg oder den hansischen Schwesterstädten, aber auch aus Dänemark, Schweden, Norwegen und den russischen Ostseeprovinzen, wie deren jährlich gar Mancher nach Lübeck zu kommen pflegt, sei es dass die Schätze des Archivs und der Stadtbibliothek oder die Denkmäler der Kunst ihn locken oder dass es ihm nur um einen Tag des Zusammenlebens mit wahlverwandten Männern zu tun ist, sie alle sind an Mantels' Wohnung wohl selten vorübergegangen.
Im Juli 1878, als Mantels auf dem Gute Klein-Plasten in Mecklenburg bei seinem Schwiegersohn weilte, erkrankte er von Neuem. Sein altes Brustleiden hatte sich, jetzt zum dritten Male, wieder eingestellt und die durch Arbeit und Anstrengung geschwächte Lebenskraft reichte nun nicht mehr aus, um die Folgen des Anfalls zu verwinden. Den Winter über fassten die Familie und die Freunde neue Hoffnung. Sie erwies sich als eitel. Die Kräfte begannen sichtlich dahin zu schwinden. Aus der neuen Wohnung, wo er dem Frühling, der nicht kommen wollte, entgegenharrte, nahm ihn das Geschick hinweg, seinem festen Glauben nach in eine herrlichere Wohnung zu einem schöneren Frühling. Am 8. Juni 1879 endete ein Leben, das reich war an Arbeit, reich an Liebe und reich an Segen.
Das Lebensbild eines Schulmannes, der sein ganzes Mannesalter in einer Stadt von mittlerer Größe verlebte und seine Mußestunden der wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Geschichte, Litteratur- und Kunstgeschichte seiner engeren Heimat widmete, an dem öffentlichen Leben derselben aber nur insofern tätig Anteil nahm, als er für Alles, was auf die Pflege von Kunst und Wissenschaft und eines edleren Gemeinsinnes Bezug hat, jederzeit einzutreten und Opfer zu bringen bereit war, kann von vornherein nur das Interesse derer beanspruchen, denen dieser Mann persönlich oder durch sein Wirken bekannt und lieb geworden ist. Dennoch wird bei der Herausgabe gesammelter Aufsätze eines und desselben Verfassers ein solches Lebensbild nicht fehlen dürfen, das den Platz, den die einzelnen Arbeiten in dem Entwicklungsgänge des Verfassers einnehmen, zu erkennen und den genetischen Zusammenhang unter ihnen darzulegen suchen muss.
Die beste Grundlage für eine Skizze seines Lebensganges hat Mantels selbst gegeben, als er, der Aufforderung des um das Schulwesen Lübecks hochverdienten Direktors Friedrich Jacob Folge leistend, bei seiner Anstellung am dortigen Catharineum in kurzen Umrissen aufzeichnete, was ihm bei einem Rückblick auf die verflossenen ersten drei Jahrzehnte seines Lobens von Bedeutung für seine Entwickelung gewesen zu sein schien*). Diese Aufzeichnung lautet, wie folgt:
„Ich bin am 17. Juni 1816 in Hamburg geboren. Meine Großväter von väterlicher, wie mütterlicher Seite stammen aus dem Hannoverschen. Beide waren, Handwerker. Der erstere, ein Färber, lebte hier zu Lübeck. Als er im höheren Alter wegen Augenschwäche sein Geschäft aufgegeben hatte, verbrachte er den Rest seiner Tage bei seinen Kindern, namentlich dem ältesten Sohne, meinem Vater. Bis zu seinem Tode 1830 habe ich viele Zeit in seiner Gesellschaft verbracht, da es mir als dem ältesten Enkel oblag, den immer noch rüstigen, aber zuletzt völlig erblindeten Mann auf Spaziergängen zu begleiten. Meiner Mutter Vater, einen Glaser, habe ich nicht gekannt, eben so wenig meine Großmütter. Mein Vater, Heinrich Christian Mantels, noch jetzt in Hamburg als Makler ansässig, mehr durch äußere Umstände als durch Neigung zum Handelsstande bestimmt, hatte, als er meine 1843 verstorbene Mutter Anna Friederike Langkoch heiratete, zugleich das bedeutende Glasgeschäft seines Schwiegervaters in Hamburg übernommen. Bis zum zehnten Jahre besuchte ich eine Privatschule in Hamburg. Meine Eltern wohnten meistenteils, mitunter sogar im Winter, auf dem Lande. Der tägliche Schulweg von einer starken Stunde kräftigte meine Gesundheit, so dass ich seitdem nie ernstlich krank gewesen bin. Im Herbst 1826 zog unsere ganze Familie nach Lübeck, indem mein Vater auch ein hiesiges Geschäft übernahm, so dass er sich abwechselnd hier und in Hamburg aufhielt. Eine ernste Hinneigung zu wissenschaftlicher Tätigkeit, die er selbst nie nach Wunsch hatte befriedigen können, ließ ihn der Erziehung seiner Kinder eine um so größere Aufmerksamkeit widmen. Was er bei öfterer Abwesenheit darin nicht tun konnte, übernahm meine Mutter, die, in den letzten zehn Jahren ihres Lebens fast fortwährend bettlägerig , dennoch für ihr Haus und die Ihrigen in unablässiger Sorge tätig war. Wir Kinder wurden dadurch nur desto mehr an das Haus gebunden. Als der älteste von acht Geschwistern war ich durch die Wahl eines gelehrten Berufes zuerst meine eigenen Wege gewiesen. 1826 in die sechste Klasse versetzt, verließ ich das Catharineum als Schüler der ersten Klasse, da um Johannis 1834 meine Eltern nach Hamburg zurückgingen. So habe ich die Grundlage meiner Bildung Lübeck zu verdanken, das mir stets fast mehr, denn meine Vaterstadt, als Heimat galt. Die Lehrer, unter deren Leitung ich aufwuchs, leben zum größten Teil noch; von den Verstorbenen sind mir Professor Grautoff und Dr. Overbeck im wärmsten Andenken geblieben. In meine Schuljahre fällt der Umschwung, den zunächst die oberen Klassen durch Herbeiziehung bedeutender Lehrtalente nahmen. Wir Schüler genossen die ersten Früchte desselben, und unsere geistige Richtung ward dadurch für immer bestimmt. Mit besonderer Liebe gedenke ich auch derjenigen meiner Altersgenossen, an die ein vertrauter Umgang mich fesselte. In den letzten Jahren verband uns gleiche Neigung, gleiche Teilnahme an den ausgezeichneten Erscheinungen unserer neuesten vaterländischen und fremder neuer Literaturen, und manches, was wir damals gesprochen und getrieben, hat einen bleibenden Einfluss auf unser Mannesalter geübt.
*) Osterprogramm des Catharineums in Lübeck 1847, S. 43-45.
Nach Hamburg zurückgekehrt, besuchte ich noch zwei Jahre das dortige akademische Gymnasium. Die Zahl der Gymnasiasten, wiewohl nicht so gering als gegenwärtig, war doch klein genug, um uns ein persönliches Verhältniss zu den Professoren zu gestatten. Meist junge Männer, wussten sie uns lebendig anzuregen, und wir hatten so den Vorteil, mehr vorbereitet und bestimmter in dem, was unser nächster Zweck war, auf die Universität zu kommen. Damals ward mir auch die erste Gelegenheit, mich im Unterricht zu versuchen, und vorzügliche Freude gewährte es mir, auch in der Privatschule, die ich als Kind besucht, als Lehrer aufzutreten.
Um Theologie und Philologie zu studieren, ging ich Michaelis 1836 nach Berlin. Eine Zeit lang teilte ich meine Beschäftigung zwischen beiden Wissenschaften, dann aber wandte ich mich ganz der letzteren zu. Professor Böckh war es, der mich am meisten anregte, und dessen großartige Auffassung des klassischen Altertums die entschiedene Vorliebe für dasselbe in mir hervorrief. Auf Philologie, Geschichte und neuere Sprachen sind von da an meine Studien gerichtet geblieben. Ausser den Vorlesungen forderte mich der belebende Umgang mit Professor Droysen (jetzt in Kiel) und Dr. Schöll (jetzt in Weimar). Professor Trendelenburg hatte mir aufs freundlichste den Zugang zu seiner Familie geöffnet, ingleichen der Director der Blindenanstalt, Professor Zeune, dessen Haus mich auch von pädagogischer Seite interessierte. Von Michaelis 1838 bis Ostern 1839 studierte ich dann in Leipzig, wo ich außer dem Nestor der Philologie, Hermann, besonders die Vorlesungen von Klotz, Westermann und Wachsmuth hörte. Mein Plan, auch Göttingen zu besuchen, ward durch die bevorstehende Abreise des Professor O. Müller nach Griechenland und durch seinen später erfolgten frühzeitigen Tod vereitelt. Ich selbst hegte damals den lebhaften Wunsch, einige Jahre in Griechenland leben zu können, woselbst mehrere meiner Jugendkameraden sich aufhielten, und wählte in dieser Absicht München zum Ort meiner letzten Ausbildung. Meine Pläne zerschlugen sich jedoch. Desto mehr benutzte ich die Vorteile, die sich mir neben der Universität durch die reichen Kunstschätze Münchens und den Verkehr mit einer Anzahl ausgezeichneter älterer und strebsamer jüngerer Gelehrten und Künstler boten, bis ich im Mai 1841 nach Hause reiste. In der praktischen Tätigkeit eines Lehrers sah ich schon seit lange meinen eigentlichen Beruf, und so nahm ich das Anerbieten einer Hauslehrerstelle, das mich unterwegs traf, unverzüglich an, und lebte bis zum Ende des Jahres auf dem Gute Behlendorf bei Batzeburg. Dann vertauschte ich diese Stellung mit der eines Lehrers an einem Institut in Flottbeck bei Hamburg, in welcher Stellung ich das Jahr 1842 blieb, und zugleich mein Probejahr an der Hamburger Realschule nach bestandenem Examen abmachte. Die große Entfernung meiner beiden Wirkungskreise von einander und Ueberhäufung mit praktischen Arbeiten veranlassten mich, nach Ablauf des Probejahrs 1843 hierher zu kommen und in das Institut des Dr. Deecke als Lehrer einzutreten. Um mir aber endlich eine sichere Aussicht zu eröffnen, benutzte ich, nach verschiedenen fehlgeschlagenen Versuchen anderer Art, die Sommerferien 1845 zu einer Reise nach Dresden, wo ich an dem dortigen Gymnasium des Professor Blochmann eine Anstellung suchte. Schon war mir diese zum Herbst des Jahres zugewiesen, als sich mir die Gelegenheit bot, an der hiesigen Schule einzutreten. Den Wunsch, hier einst wirken zu können, hatte ich stets insgeheim genährt; die Hoffnung, ihn erfüllt zu sehen, gewann die Oberhand, ich blieb in Lübeck und habe nun die frohe Gewissheit, der Schule meine ganze Tätigkeit widmen zu können, der ich den Grund meiner Bildung verdanke“.
Aus den drei großen Gebieten der klassischen Philologie, der Geschichte und der neueren Sprachen heraus hat Mantels in überraschend kurzer Zeit den Weg in den festbegrenzten Studienkreis gefunden, der ihm seine Bedeutung als selbstständiger Forscher gab. Ja, seine im Jahre vorher geschriebene Erstlingsschrift bezeichnet schon, wie den Abschluss seiner bisherigen, so den Ausgangspunkt seiner neuen Studienrichtung.
Diese Erstlingsschrift war den Fabeln des griechischen Dichters Babrios gewidmet*). Seit Wiederentdeckung derselben durch den Macedonier Minoidis Minas hatte sich Mantels „mit ihnen und verwandten Stoffen in Bezug auf sie“ zum Zweck einer größeren Arbeit beschäftigt. Als ihm Andere darin zuvorgekommen waren, entschloss er sich, in einer kleineren Arbeit einesteils „auch das nichtphilologische Publikum mit diesem neuesten Funde bekannt zu machen“, andererseits aber auch 4 die Frage nach dem allgemeinen Verhältniss, in welchem die äsopische Fabel zu andern, namentlich zu der deutschen Tierfabel steht, wieder anzuregen und auf einige Punkte hinzuweisen, die einer einstigen gründlichem Erledigung zum Anhalt dienen können“. „Diese an feinen Bemerkungen reiche, lesenswerte Abhandlung“ ist das Einzige geblieben, was Mantels auf dem Gebiete der klassischen Philologie schriftstellerisch geleistet hat. Das deutsche Tierepos, mit dem er sich im Interesse des Babrios beschäftigt hatte, nahm ihn für die Muttersprache, das Niederdeutsche gefangen, und Reineke Vos war der Führer, der ihn in die Litteratur, Geschichte und Kunstgeschichte Lübecks hinüberleitete.
In dieser Beziehung ist es von Interesse, dass Mantels, der im Winter 1848 — 49 den Reineke Vos mit seinen Sekundanern tractiert hatte und nach Jakob Grimms Vorgange auf die Eigennamen ausführlich eingegangen war, in seiner ersten historischen Arbeit, der Abhandlung über die beiden ältesten Bürgermatrikeln Lübecks, der Namenbildung ein besonderes Interesse widmete**), und dass er in seiner ersten kunsthistorischen Arbeit eine Altardecke des 14. Jahrhunderts besprach, auf der die Taten Reinekes dargestellt sind.
Mantels Tätigkeit als Lehrer hat von berufenerer Seite eine Würdigung erfahren, auf die hier verwiesen werden muss***).
*) Osterprogramm des Catharineums in Lübeck 1846, 8. 18 — 44.
**) Was in den Bürgermatrikeln (unten S. 88) Über den Namen Tale gesagt wird, findet sich schon in seinen Präparationen zum Reincke Vos.
***) Dr. Carl Curtius in Bursians Jahresbericht Über die Fortschritte der klassischen Altertumswissenschaft Jahrg. 6, Heft 6—7, Nekrologe S. 22—28; Lübeckische Blätter 1879 Nr. 72; Osterprogramm des Catharineums 1880, S. 51—56.
Im Jahre 1845 interimistisch mit der Vertretung des erkrankten Prof. Ackermann betraut, wurde er bei dessen Pensionirung Ostern 1847 als zweiter Collaborator angestellt und übernahm gleich Anfangs den lateinischen, deutschen und geschichtlichen Unterricht in der Sekunda, deren Ordinariat er von 1849 an, seit 1853 in der Stellung eines Professors, bis zum Jahre 1874 verwaltet hat. Sein ehemaliger Schüler und späterer Kollege Dr. Carl Curtius schildert Mantels als „einen durchaus genial angelegten Lehrer, der mehr anregend als peinlich kontrolierend einwirken wollte, der auf die Individualität des Einzelnen liebevoll einging und in jedem die guten Seiten zu finden und zu wecken suchte“. Auch hebt er hervor, dass Mantels, selbst nicht ohne poetisches Talent und voll Interesse für die neuere Litteratur, auch bei den Schülern den Sinn für Poesie zu wecken bestrebt war, und durch seinen Geschichtsunterricht die Jugend nicht nur augenblicklich zu begeistern, sondern auch nachhaltig anzuregen und zu eigenen Arbeiten zu ermutigen verstand. Im vollständigsten Gegensatz zu einer neueren Eichtung, die im Interesse der Erreichung rein äusserlicher Ziele Lehrer und Schüler in der Tätigkeit für die Schule aufgehen lassen möchte, glaubte Mantels, dass das eigene, freiwillige, selbstständige Arbeiten von Schülern und Lehrern auch für den Unterricht fruchtbar sei. In diesem Sinne protegirte er den historischen Verein, der sich aus strebsamen Schülern der oberen Klassen gebildet hatte, besuchte dessen Versammlungen, insbesondere an den Stiftungstagen, knüpfte an die Vorträge seine Bemerkungen an, lieferte auch wohl gelegentlich selbst einen Beitrag *). In diesem Sinne suchte er auch die jüngeren Kollegen zu selbstständigem Schaffen, sei es in Vorträgen, sei es in litter arischen Arbeiten, anzuregen, zeigte ihnen Teilnahme für die Gegenstände ihrer Studien und suchte als Bibliothekar ihren Wünschen bei den Anschaffungen Bechnung zu tragen.
*) S. die Abhandlung über das Burgkloster, gedruckt in den Lüb. Blättern 1879 Nr. 68; vgl. unten S. 327—40.
Gleich bei seiner Anstellung trat Mantels zweien Vereinigungen bei, denen er sein ganzes Leben hindurch treu geblieben ist und die für ihn, wie er für sie, eine außerordentliche Bedeutung haben sollten.
Die Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit ist eine jener in den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts entstandenen Vereinigungen, welche sich in lokalisiertem Philanthropismus die Hebung des Gemeinwohls in der Vaterstadt nach allen Richtungen hin zur Aufgabe gesetzt und in Verfolgung dieses Zieles eine Reihe von löblichen und segensreich wirkenden Instituten teils selbst geschaffen haben, teils moralisch und materiell unterstützen. Bis zur Mitte dieses Jahrhunderts bildeten diese Gesellschaften den Mittelpunkt alles geistigen Verkehrs, und die politische Erregung der vierziger Jahre ließ eine Zeitlang ihr Leben noch stärker pulsieren; dann aber trat aus mancherlei Ursachen insofern eine Lähmung ein, als zwar die Institute und Abteilungen der Gesellschaften sich kräftig weiter entwickelten, das Interesse am Ganzen aber bei den Mitgliedern und deshalb auch bei der Bevölkerung immer mehr abnahm. Als Mantels 1845 in die gemeinnützige Gesellschaft eintrat, stand dieselbe in ihrer höchsten Blüte und übte deshalb namentlich auf die jüngeren Mitglieder den anregendsten Einfluss aus. Was Mantels der Gesellschaft gewesen ist, lässt sich daraus erkennen, dass er ein Menschenalter hindurch ununterbrochen irgend eines ihrer Ämter bekleidete; 1848 — 55 war er Vorsteher der Turnanstalt, 1855—59 Vorsteher der Bibliothek, 1859—62 Direktor, 1862— 68 Vorsteher, 1863 — 75 Vorsteher des Voreins für entlassene Sträflinge und sittlich Verwahrloste, 1872 bis zu seinem Tode Vorsteher des Schullehrerseminars. Die Gesellschaft selbst hat bei Gelegenheit seines Lehrerjubiläums ihrem Danke durch Verleihung ihrer goldenen Medaille Ausdruck gegeben.
In der gemeinnützigen Gesellschaft ist auch dazu die Anregung gegeben, dass am 7. Januar 1822 ein kleiner Kreis von nur 6 Männern als Ausschuss für Lübische Geschichte zusammentrat, der sich im ersten Jahrzehnt seines Bestehens (1822 — 31) im Wesentlichen auf das Sammeln und Sichern aller auf die Geschichte Lübecks bezüglichen handschriftlichen und gedruckten Nachrichten beschränkte, später aber, nachdem die eine Zeitlang sistierte Tätigkeit am 20. Okteber 1836 von dreien der bisherigen Mitglieder wieder aufgenommen war, und namentlich unter dem Eindruck, den das Erscheinen von Böhmers Urkundenhuch der Stadt Frankfurt in unsern Hansestädten hervorrief, die Herausgabe eines Lübischen Urkundenbuchs zum Mittelpunkt seiner Tätigkeit machte. 1844 März 13 nahm dieser Ausschuss mit Genehmigung der gemeinnützigen Gesellschaft den Namen eines Vereins für Lübeckische Geschichte an, der später, als ein von 1848 — 53 selbstständig bestehender Ausschuss für Sammlung lübeckischer Kunstaltertümer mit dem Geschichtsverein verschmolz, in die Bezeichnung Verein für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde verlängert wurde. In diesem Verein sah sich Mantels zu gemeinsamer Arbeit mit Männern verbunden, die entweder, wie Deecke und Pauli nachahmungswürdige Vorbilder oder wie der mit ihm eingetretene spätere Staatsarchivar Wehrmann und der 1849 beigetretene Maler Milde die Anregung gleichen Strebens gaben. Ein Jahrzehnt hindurch sehen wir Mantels noch unter dem Einfluss verschiedener Interessen, von denen jedoch die Liebe zur Lübischen Geschichte immer mächtiger wird und endlich zur Alleinherrschaft gelangt. In getreuem Bilde spiegelt dieses innere Keifen das Verzeichnis der Vorträge wieder, die er während dieses Zeitraums in der gemeinnützigen Gesellschaft hielt. Zunächst kam 1847 in einem Vortrage über die ursprüngliche italienische Novelle eine frühere Richtung zum Ausdruck und Ausklang. Dann zeigt sich uns das Bestreben, auf die großen merkantilischen Kreise Lübecks dadurch bildend einzuwirken, dass er für kulturgeschichtliche Ereignisse der Gegenwart, die den Handel berühren, Verständnis zu geben sucht oder durch Anknüpfung an Dinge, die dem Kaufmann am nächsten liegen, das Interesse für historische Forschung und Betrachtungsweise zu wecken bemüht ist. Dieser Richtung gehört es an, dass er 1847 einen Vortrag über die Engländer in Afghanistan hielt, 1854 vergleichende Blicke auf den Handel der Völker ältester und neuester Zeit warf, 1855 die Entdeckung der nordwestlichen Durchfahrt durch Mac Clure, den Befehlshaber des englischen zur Aufsuchung Franklins beorderten Schiffes Investigation besprach. Auf dem Gebiete der Lübischen Geschichte, aus dem heraus er schon 1846, wenn auch nur als Vermittler der Studien Anderer, hatte reden wollen, liegen zunächst zwei Vorträge, die er 1849 über die hauptsächlichsten Kriegstaten Lübecks zur See im Mittelalter hielt; ihnen folgten 1851 Mitteilungen aus dem handschriftlichen Familienbuche des im Jahre 1648 verstorbenen Lübecker Bürgers Peter Hacks , deren wesentlichster Inhalt später in der Zeitschrift für Lübeckische Geschichte veröffentlicht wurde, und 1854 einzelne Zuge aus dem kaufmännischen Verkehr Lübecks im 14. Jahrhundert, ein Vortrag, dessen Thema offenbar auch von der eben genannten Richtung mit beeinflusst war.
Von 1855 — 62 hat Mantels keine Vorträge dieser Art gehalten; doch gab ihm das von ihm verwaltete Bibliothekariat 1857 Veranlassung zu einigen Mitteilungen über die Aufgabe, welche die Bibliothek der Gesellschaft zu lösen hat, und 1860 — 62 hatte er als Direktor den Jahresbericht zu liefern, in dem er bemüht war, die Mitglieder auf die vorhandenen Schwächen aufmerksam zu machen und ihnen die Schöpfung vereinigender, die Gesellschaft als Ganzes belebender Elemente, insbesondere eines gemeinsamen Lesezimmers, zu empfehlen. Die Haupttätigkeit aber war während dieser Zeit der Lübischen Geschichte gewidmet. Auf die schon erwähnte 1854 erschienene Abhandlung über die Bürgermatrikeln folgten drei weitere Arbeiten: 1856 Lübeck und Marquard von Westensee, 1858 Thidemann Güstrow, 1862 der Pfundzoll, ein mit unendlicher Mühe gearbeitetes Meisterstück historischer Kleinarbeit , das seinen Urheber weit über Lübeck hinaus bekannt machte und ihm die verdiente Anerkennung aller Sachverständigen eintrug. Dazu kam dann die Tätigkeit in dem neureformierten Lübischen Geschichtsverein, dessen Vorsitz Mantels übernommen hatte: die Beteiligung am Urkundenbuche , dessen zweiter Band von Mantels unter Mithilfe Wehrmanns bearbeitet, der 1854 zum Staatsarchivar berufen war, 1854 — 58 erschien, die Herausgabe einer Zeitschrift für Lübische Geschichte, deren erster Band 1854 — 59 herauskam, die Mitarbeiterschaft an dem Siegelwerk von Milde, von 1856 — 62 fünf Hefte, in deren Text sich Masch und Mantels geteilt hatten. Und alle diese Arbeiten sind den Mußestunden eines Schulmannes abgewonnen , der das Ordinariat der Sekunda vorwaltete, und dessen zarte Gesundheit bereits (1861) den ersten Stoß erhalten hatte.
Das Jahr 1862 brachte Mantels das durch den Tod Prof. Deecke's (1862 Apr. 24) erledigte Amt eines Bibliothekars der Stadtbibliothek (Juni 8), das er bis zu seinem Tode mit Liebe und Treue verwaltet hat. Die Stadtbibliothek Lübecks ist eine nicht gerade große, aber doch auch — namentlich in Bezug auf historische Litteratur, Inkunabeln und Manuskripte — nicht unbedeutende Bibliothek, die von 1863 — 76 durchschnittlich 650 Bände im Jahr auslieh und sich von 1863 — 76 jährlich um etwa 1.500, im Ganzen von c. 65.000 auf c. 85.000 Bände und Hefte vermehrte. Diesem verhältnissmäßig großen Zuwachs entsprachen damals die vorhandenen Räumlichkeiten und Arbeitskräfte so wenig, dass die letzten Erwerbungen nicht mehr einrangiert werden konnten, sondern untergebracht werden mussten, wo sich irgendwo ein Plätzchen frei fand, und dass der Bibliothekar außer der eigentlichen Verwaltung und der gesamten wissenschaftlichen Korrespondenz nicht nur die Katalogisierung der Eingänge allein besorgen, sondern auch bei der gewöhnlichsten Handreichung täglich selbst mithelfen musste. „Mit Bitterkeit, heißt es in einem Artikel der Lübeckischen Blätter vom 24. Aug. 1879, erfüllt uns die Erinnerung an die erwähnte, Zeit und Kräfte verzehrende mechanische Tätigkeit gerade im Hinblick auf diesen Todten“. Erst 1877 wurde durch einen Umbau den Bedürfnissen der Bibliothek und des Publikums in angemessener Weise entsprochen und dem entsprechend die Arbeitskraft durch Verlängerung der Arbeitszeit der bisherigen und durch Anstellung eines weiteren Beamten vermehrt. Die Sorge für die Überführung der Bücher aus den alten Räumen in die neuen nahmen die letzten Lebensjahre Mantels' hauptsächlich in Anspruch und die Einrichtung des geschmackvollen, mit den Cartons seines ihm im Tode vorangegangenen Freundes Milde geschmückten Lesezimmers war seine letzte hohe Freude.
Als Mantels kaum das mühevolle und in mehr als einer Beziehung undankbare Amt eines Bibliothekars übernommen hatte, wurde ihm eine neue große Arbeit angetragen, die für die Jahre 1863 — 70 in den Vordergrund seiner Tätigkeit tritt und recht eigentlich seine leider unvollendet gebliebene Lebensaufgabe geworden ist. Am 25. Januar 1863 bot ihm Lappenberg an, im Auftrage der historischen Kommission bei der kgl. Akademie der Wissenschaften zu München die Herausgabe der Lübischen Chroniken zu übernehmen, und am 8. Februar erklärte sich Mantels unter dem Vorbehalt, dass ihm eine ausreichende Frist gestellt werde, zur Annahme bereit. Im Anfang schien Alles glatt zu gehen. Mit Rücksicht auf den in Göttingen ausgeschriebenen Preis für eine Bearbeitung der Korner Chronik dachte Mantels im Einverständniss mit Lappenberg daran , die Publikation mit den späteren Chroniken von Bonnus, Beckemann und Reimer Kock zu beginnen, und glaubte schon im Herbst 1864, nachdem er in den Michaelisferien des vergangenen Jahres die Bestände der kgl. Bibliothek zu Kopenhagen durchmustert hatte, die Drucklegung des ersten Bandes in nahe Aussicht nehmen zu können. Dann aber kam er, wieder im Einvernehmen mit Lappenberg, auf den methodisch richtigeren, aber ungleich schwierigeren Weg, den Beginn mit der von Grautoff kritisch doch vollständig ungenügend behandelten Detmar-Chronik mit ihren Fortsetzungen und Parallel-Arbeiten zu machen. Die zeitraubende Arbeit einer Vergleichung, beziehlich einer Abschriftnahme der Handschriften wurde erledigt; auch die Prüfung, die Berichtigungen und Ergänzungen der einzelnen Nachrichten konnten einem so kenntnisreichen, fleißigen Arbeiter nicht schwer fallen; da stellte sich ihm aber als letzte und für ihn größte Schwierigkeit die Frage entgegen, ob er bei seiner Veröffentlichung den Detmar oder den Rufus zu Grunde legen solle, und — im Zusammenhange damit — ob er der offiziellen Ratshandschrift des Detmar oder einer andern Handschrift den Vorzug einzuräumen habe. Diese letzte Schwierigkeit hat Mantels nicht überwunden; es war ihm nicht möglich eine klare Einsicht in das Verhältniss der einzelnen historischen Arbeiten zu gewinnen oder sich doch eine feste Ansicht über dasselbe zu bilden; jegliches Pro und Contra hat er verzeichnet und hin und her erwogen, ohne ein bestimmtes Endurteil fällen zu mögen. Im Besitz aller nötigen Kenntnisse, nach Beendigung aller Vorarbeiten, sah er den Abschluss der Arbeit immer nahe vor sich liegen, ohne ihn doch erreichen zu können. Gedrängt von seinem Pflichtgefühl gegen die historische Kommission, die diese wichtigen Chroniken von einem Mann von seiner Befähigung vollendet zu sehen wünschte, gegen die Schuldeputation, die ihn auf das Gesuch der historischen Kommission von einem Teil seiner Schulstunden disponsiert hatte, wurde ihm die Chronikonarbeit zu einer Last, die ihn niederdrückte und die er doch nicht abzuschütteln vermochte. Wie gleich bei der Übernahme der Arbeit, so ist er auch später wiederholt mit sich zu Rate gegangen, ob er nicht die Arbeit einem Andern überlassen sollte, aber immer hat ihn dann die Erwägung, dass sich in Lübeck Niemand dazu finde und dass ein Auswärtiger sich nur schwer und mühsam in das hineinarbeiten könne, was ihm selbst vollständig geläufig war, seine Last weiter schleppen lassen, bis ihn der Tod davon befreit hat.
Jene Schwierigkeit, die Mantels daran gehindert hat, seiner Hauptaufgabe Herr zu werden und der verdienten Anerkennung der auf ihre Lösung verwandten Tätigkeit zu gemessen, wird dem Laien vielleicht dadurch verständlich, dass die sachverwandte Vorbereitung einer Ausgabe der Korner-Chronik, welche die Wedekindstiftung in Göttingen durch ein Preisausschreiben anregte und für die schon ungleich mehr getan war, in der ersten zehnjährigen Frist nicht geliefert wurde, und dass nach abermals zehn Jahren wohl der Preis zugebilligt, aber die Ausgabe vorläufig und bis auf den heutigen Tag zurückgehalten wurde. Dazu kommt dann andererseits, dass die Lösung einer solchen Aufgabe die ganze Energie eines geistig frischen Menschen erfordert, während Mantels nur über Mußestunden zu verfügen hatte, die ihm nach Erfüllung seiner Pflichten als Lehrer und Bibliothekar übrig blieben, dass wiederholtes Siechtum ihn zeitweilig zur Einstellung selbst seiner Berufstätigkeit zwang, und dass endlich der Hinblick auf das sichere und verhältnissmäßig leichte Arbeiten, das Jüngere Dank der Schulung eines Waitz in ähnlichen, freilich viel weniger schwierigen Fragen bewiesen, ihm das Vertrauen auf das eigene Können erschütterte und damit die Freudigkeit des Arbeitens nahm.
Um so bedeutungsvoller war es für Mantels, dass ihm das Jahr 1871 ein neues Ehrenamt brachte, das ihm freilich ebenfalls unendlich viel Last und Arbeit auferlegte, aber auch in weiten Kreisen ihm Anerkennung eintrug und ihm vor Allem die edle Freude bereitete, für die Lösung hoher, ihm warm am Herzen liegender Aufgaben segensreich wirken zu können.
Als am 24. Mai 1870 zu Stralsund das Gedenkfest des ruhmreichen Friedens gefeiert wurde, der vor fünfhundert Jahren den Sieg der Hansestädte über König Waldemar von Dänemark besiegelt hatte, vereinigten sich die Geschichtsvereine von Hamburg, Lübeck und Bremen mit der Stralsund-Greifswalder Abteilung des Pommer'schen Geschichtsvereins zur gemeinsamen Ausschreibung einer Preisaufgabe, die jenem Frieden ein würdiges Denkmal setzen sollte. Die in Stralsund anwesenden Abgeordneten jener Vereine*) beschlossen aber, es bei dieser einmaligen Zusammenkunft nicht bewenden zu lassen, sondern vereinigten sich zu einem hansischen Geschichtsverein mit jährlichen Wanderversammlungen und einem wissenschaftlichen Organ für Hansische Geschichte, der Pfingsten nächsten Jahres zu Lübeck seine erste konstituierende Versammlung halten sollte. Die glorreiche Zeit, welche dann folgte, musste auch dem Aufblühen eines Vereines günstig sein, dessen Stiftung an eine Großtat deutschen Bürgertums anknüpfte. Als man sich in Lübeck wieder zusammenfand, zählte der Verein bereits gegen hundert Mitglieder, von denen 48 anwesend waren. Bei Gelegenheit der Statutenberatung wies Prof. Waitz aus Göttingen nachdrücklich darauf hin, dass ein Hansischer Geschichtsverein noch größere Aufgaben vor sich habe, als die bis jetzt ins Auge gefassten, es gelte, für eine wissenschaftliche Geschichte der Hansa den urkundlichen Grund zu legen; wohl habe die Historische Kommission bei der kgl. Akademie der Wissenschaften zu München den Anfang gemacht, die Hanserecesse , die Protokolle der Verhandlungen Hansischer Ratssendeboten zu veröffentlichen, aber sowohl die Fortsetzung dieser Arbeit von einem bestimmten Termine ab, wie die Ergänzung derselben durch ein Hansisches Urkundenbuch sei eine Ehrenpflicht der jetzigen und ehemaligen Hansestädte, gegen sich selbst, gegen ihre eigene ruhmreiche Vergangenheit; die Städte aber darauf hinzuweisen und ihnen die Erfüllung dieser Pflicht zu ermöglichen, das sei es, was sich der junge Verein zur Hauptaufgabe machen müsse. In diesem Sinne wurde in den revidierten Statuten die Sammlung und Veröffentlichung der Quellen der Hansischen Geschichte obenangestellt, dem Verein in Lübeck ein fester Sitz gegeben und an seine Spitze ein Vorstand von sieben Mitgliedern gestellt, von denen wenigstens zwei in Lübeck wohnen müssen.
*) Mantels war verhindert zu kommon , betätigte aber seine Teilnahme durch die kleine Abhandlung: Brun Warendorp. Ein Scherflein zur stralsunder Säcularfeier am 24. Mai 1870. Vgl. unten S. 194—207.
Diese Organisation des Vereins beruht auf der teils sachlichen, teils persönlichen Erwägung, dass Lübeck als Oberhaupt des hansischen Städtebundes naturgemäs auch die Leitung des Hansischen Geschichtsvereins zukomme, und dass gerade dort sich zwei Männer neben einander fanden, denen der Verein die Leitung seiner Angelegenheiten mit dem vollsten Vertrauen übergeben konnte: Mantels wurde zum Vorsitzenden gewählt, Staatsarchivar Wehrmann übernahm die mühselige, für einen Verein dieser Art aber auch hochwichtige Kassenverwaltung.
Wie Mantels gerade hier an seinem rechten Platze war, wie sich ihm die Jahresversammlungen des Hansischen Geschichtsvereins, denen er nach einander zu Lübeck, Braunschweig, Bremen, Hamburg, Köln, Stralsund und Göttingen präsidierte, zu Ehren- und Freudentagen gestalteten, und wie sein reiches Wissen, sein gediegener Charakter, sein liebenswürdiges Wesen ihm überall die Herzen von Alt und Jung gewann, das hat in lebensvoller Schilderung, mit schönen, warmen Worten Prof. Pauli aus Göttingen*) in der Jahresversammlung zu Hildesheim zum Ausdruck gebracht. Die dem Hansischen Geschichtsverein Fernstehenden werden sich von der Wirksamkeit desselben und dem Tätigkeitsgebiet seines Vorsitzenden aus den wenigen Angaben eine Vorstellung machen können, dass der Verein bei Mantels Tode 475 Mitglieder zählte und über eine jährliche Einnahme von 11.500 Mark verfügte, dass damals bereits 7 Jahrgänge der Hansischen Geschichtsblätter, 2 Bände Hansischer Geschichtsquellen, 2 Bände Hanserecesse und ein Band des Hansischen Urkundenbuches vollendet vorlagen, dass Se. Majestät der Deutsche Kaiser an der Spitze der Vereinsmitglieder steht und dass die Verwaltung der Wedekind'schen Preisstiftung für deutsche Geschichte bei der kgl. Akademie der Wissenschaften zu Göttingen den Verein durch Zuweisung einer Summe von 3.000 Mark geehrt hat.
Auch dem Verein für Niederdeutsche Sprachforschung, der sich am 20. Mai 1875 zu Hamburg im Anschluss an den Hansischen Geschichtsverein konstituirte, brachte Mantels warme Sympatieen entgegen. „Das lebhafte und tiefe Interesse, das derselbe für die niederdeutsche Sprachforschung empfand, ließ die Mitglieder der germanistischen Sektion des Vereins für Kunst und Wissenschaft in Hamburg von vornherein die wohlwollendste Teilnahme finden, als sie am Himmelfahrtstage 1874 in Lübeck ihm als Vorsitzenden des Hansischen Geschichtsvereins den Plan vorlegten, innerhalb des Rahmens des von ihm geleiteten Vereins oder doch in Anlehnung an denselben einen neuen Verein zur Erforschung der niederdeutschen Sprache zu gründen. Einer der Ersten von denen, die von ausserhalb Hamburgs dem jungen Verein in der Pfingstversammlung 1875 sich anschlössen, hat er demselben bis zu seinem Tode treu angehangen, in seinen Bestrebungen ihn aufgemuntert und in seinen Arbeiten ihm Hülfe geleistet“.**)
*) R. Pauli, Zur Erinnerung an Wilhelm Mantels, Hans. Geschsbl. 1879, S. 3 —10.
**) Korrespondenzblatt f. nd. Sprachforschung 4, S. 38.
Überblicken wir nun, nachdem wir die wissenschaftliche Tätigkeit Mantels' in den Jahren 1863 — 79 in ihren Hauptrichtungen skizziert haben, seine Leistungen — abgesehen von der Hauptarbeit, die erst nach der Herausgabe der Chroniken gewürdigt werden kann — im Einzelnen, so stellen sich uns zunächst wieder die Vorträge entgegen, die er bei verschiedenen Veranlassungen in verschiedenen Kreisen gehalten hat. In der gemeinnützigen Gesellschaft sprach er 1863 über den Verein für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde, dessen Verhältnisse und Arbeiten, 1867 aus seinen Chronikenstudien heraus über Hermann Bonnus, Lübecks ersten Rektor und Superintendenten, als Lübischen Chronisten, 1867 — 68 über die Lübecker Bürgermeister und Flottenführer Johann Wittenborg, Brun Warendorp und Tidemann Steen; 1876 machte er Mitteilungen aus dem Leben von Carl Julius Milde*); 1878 gab ihm der fünfte Band des Lübischen Urkundenbuchs Veranlassung, Lübeckische Geschichten aus dem Anfange des 15. Jahrhunderts vorzutragen, wie er 1870 die Aufmerksamkeit der Mitglieder auf das Erscheinen der ersten Series der Hanserecesse hingelenkt und 1877 dem ersten Bande der zweiten Reihe den Stoff zu einem Vortrage über den großen Hansetag in Lübeck im Sommer des Jahres 1434 abgewonnen hatte. In gleicher Weise sprach er 1877 nach dem Erscheinen des Hansischen Urkundenbuches über den Ursprung und die allmählige Entwickelung des Hansabundes in einem Vortrag, der im Casino zum Besten der Schulkollegen-Wittwenkasse stattfand; ebendaselbst hatte er 1863 an zwei Abenden Vorträge aus der älteren lübischen Geschichte gehalten, deren Ertrag zur Anschaffung von Gipsabgüssen verwendet werden sollte. In den Versammlungen des Hansischen Geschichtsvereins zu Lübeck hat er 1876 über Johann Wittenborg gesprochen und 1872 geschildert, wie sich die Lübecker Reliquien holten. Mehrere dieser Vorträge sind später durch den Druck bekannt geworden, einige von Anfang an dazu bestimmt gewesen. Er liebte es, seine Arbeiten jenem magischen Einfluss auszusetzen, den die Zuhörer auf den Redner und dadurch auch auf dessen Vortrag ausüben und der gerade für ihn von besonderer Bedeutung war, da er sich einerseits durch seine Fülle von Interessen und seine große Detailkenntnis leicht zum Abschweifen von der Hauptsache verführen ließ, andererseits aber wieder mit einem feinen Gefühl für eine gefällige, anmutige Form begabt war.
*) Zeitschr. f. Lüb. Gesch. 1, S. 1—7, 405 — 16; 2, S. 556— 64; 8, S. 613 — 634. Ein Separat -Abdruck: Carl Julius Milde in seiner Wirksamkeit für Lübecks Kunst u. Altertum. Lübeck, 1876.
Die Tätigkeit im Verein für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde war zunächst dem Urkundenbuche gewidmet, dessen dritter Band im Text schon 1867 beendet war, während die von Mantels übernommenen Register noch ausstanden und während seiner schweren Krankheit im Jahre 1871 von Staatsarchivar Wehrmann angefertigt wurden. Von da ab übernahm dieser die alleinige Fortführung der Arbeit, jedoch „unter der von Anfang an zugesagten und ununterbrochen mit großer Bereitwilligkeit gewährten Unterstützung“ von Mantels. Band 4 erschien schon 1873, Band 5 im Jahre 1877; der 6. Band, dessen Anfang Mantels noch freudig begrüßen konnte, steht jetzt unmittelbar vor dem Abschluss. Von Mildes Siegelwerk wurden Heft 6 — 9 in den Jahren 1864 — 71 fertig; nach dem Tode der drei Mitarbeiter Milde, Masch und Mantels brachte Staatsarchivar Wehrmann 1879 das Werk durch eine zehnte Lieferung zum Abschluss. Von der Vereinszeitschrift wurde der zweite Band 1867, der dritte 1876 vollendet.
An dieser Zeitschrift hat sich Mantels, von der Redaktion abgesehen, durch eine Reihe von Beiträgen beteiligt. Als Vorsitzender erstattete er Berichte über die Entstehungsgeschichte und die Tätigkeit des Vereins, die namentlich durch die eingelegten biographischen Skizzen verstorbener Mitglieder von allgemeinerem Interesse sind*). Außer dem hübschen Aufsatze, der die Reihe dieser Lübisch-Hansischen Beiträge eröffnet, erschienen in der Zeitschrift zunächst verschiedene kleinere Mitteilungen, Miscellen, die sich teilweise an seine selbstständig veröffentlichten Arbeiten anschließen**), und eine kulturhistorisch interessante Aufzeichnung über die Beköstigung des Mag. Hermann Elers aus dem Jahre 1542. Unter der Bezeichnung niedersächsische Lieder wurden mitgeteilt das niedliche Trinklied: We ethen wyl de gha tom dysch und die auch anderweitig bekannt gemachten Sproke de dar entdecken unde apenbaren de gebrecklicheyt der werlde stände, sowie vier fernere Dichtungen von historischem Interesse, nämlich ein unvollständiges Lied, das die Kämpfe der Hansestädte gegen Dänemark von 1511 in 74 Strophen besingt; Spottverse der Holländer auf die Hansestädte mit der Antwort der Lübecker von 1532 und ein Doppel-Akrostichon auf das 1562 von Dänen und Lübeckern genommene und durch Unvorsicht in die Luft gesprengte schwedische Admiralschiff Magelosa. Ebenfalls historisch interessant ist das mehrfach gedruckte Lied des Syndicus Domann von der deutschen Hanse, das Mantels nach einem bis dahin verschollenen Einzeldruck von 1868 neu herausgab. Ein mittelhochdeutsches Lied der nach Mont Saint Michel in der Normandie wallfahrenden Kinder leitet über zu einer weiteren Gruppe, den Niedersächsischen geistlichen Liedern, unter denen einerseits das anderswo ausführlicher erhaltene Lied vom andern Land und die Umdichtung einer hochdeutschen Vorlage mit Reminiscenz an Walther von der Vogelweide O we, wo synt mynes lovendes daghe zo gar dar hyn, andererseits das größere allegorische Gedicht Besiegung der Todesfurcht durch die Liebe zum ewigen Leben, besonders hervorzuheben sind. Endlich sind noch zwei Arbeiten von kunsthistorischem Interesse namhaft zu machen: eine an die Abhandlung vom Pfundzoll anknüpfende Untersuchung über die drei Wappenschilde Lübeckischer Kaufmannsgilden aus dem Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts und der im Einvernehmen mit Milde niedergeschriebene Aufsatz über eine auf Leinen gestickte Altardecke aus dem 14. Jahrhundert.
*) Zeitschr. f. Lüb. Gesch. 1, S. 1—7, 405—16; 2, S. 556—64; 3, S. 612 — 634. Ein Separatabdruck : Carl Julius Milde in seiner Wirksamkeit für Lübecks Kunst und Altertum. Lübeck 1876.
**) Ebend. 1, 8.254 — 56: Die Ermordung des Marquard v. Westensee (s. unten S. 162, Anm. 21); Ein Privatbesitz Kg, Waldemar's in oder bei Prag (s. unten S. 264, Anm. 87 b); Zwei Privatbriefe.
An selbstständig erschienenen Schriften ist zunächst namhaft zu machen : Der Todtentanz in der Marienkirche zu Lübeck nach einer Zeichnung von C. J. Milde mit erläuterndem Text von W. Mantels, 1866, in zweiter Auflage 1867. In dieser hübschen, scharfsinnigen Arbeit weist Mantels nach, dass der jetzt vorhandene Todtentanz auf Leinwand vom Jahre 1701 nicht eine Restauration, sondern eine Kopie der älteren Darstellung ist, die 1463 auf Holz gemalt worden war, und dass in der handschriftlichen Überlieferung der alten niederdeutschen Verse der Zusammenhang gestört ist, aber mit Hilfe der 1701 an deren Stelle gesetzten hochdeutschen Verse wiederhergestellt werden kann. Dieses letztere Resultat wurde, wie er in einer Anzeige seiner Arbeit und einer Schrift von H. Bäthcke des Weiteren ausführt, durch den ihm später bekannt gewordenen Revaler Todtentanz bestätigt. Hinsichtlich des Materials der Darstellung lehrte eine erneuerte Untersuchung, dass schon 1588 eine Leinwandmalerei aufgefrischt wurde, dass also die alte Holzmalerei schon früh im 16. Jahrhundert verdrängt worden sein muss*). Ebenfalls 1866 erschien die Gratulationsschrift des Catharineums: Aus dem Memorial oder Geheim -Buche des Lübecker Krämers Hinrich Dunkelgud. Den Beschluss machte das kurz vor seinem Tode von Mantels geschriebene Glückwunschschreiben des Catharineums bei Gelegenheit der 350jährigen Jubelfeier des Johanneums zu Hamburg, dem einige Notizen über den Aufenthalt Bugenhagens in Lübeck 1531 einverleibt und 17 Anstandsregeln in Latein mit niederdeutscher Übersetzung beigegeben sind, in welchen letzteren Seelemann Bruchstücke eines Facetus erkannt hat. Im Jahrbuch des Vereins für Niederdeutsche Sprachforschung veröffentlichte Mantels das Bruchstück eines 1484 in Lübeck gedruckten Zwiegesprächs zwischen dem Leben und dem Tode, das mit dem Lübecker Todtentanz in Verbindung steht und von dem Verfasser eines von A. Keller veröffentlichten Vastelavendes spil van dem dode unde van dem levende benutzt wurde, sowie auch Bruchstücke einer ebenfalls in Lübeck gedruckten niedersächsischen Bearbeitung des Pfarrherrn von Kaienberg. Aus einer dem Archiv der Schonenfahrer entstammenden Handschrift teilte er unter der Überschrift „Krude“ eine Aufzeichnung mit, welche die bei der feierlichen Überreichung des Verlobungsgeschenks an die Braut herkömmliche Bewirtung schildert. Zu den von Pfeiffer aus der Wiener Handschrift edirten niederdeutschen Erzählungen Hermann Korners lieferte Mantels, durch eine im Korrespondenzblatt des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung veröffentlichte Mitteilung dazu veranlasst, eine Collation der Hannoverschen Handschrift ein, die er jedoch, da ihm Prof. Höfer mit einer gleichartigen Arbeit zuvorkam, auf einige Nachträge beschränkte. Das genannte Korrespondenzblatt gab ihm Anregung zu kleineren Mitteilungen, in denen er Ausdrücke, die ihm früher aufgefallen waren oder jetzt beim Studium der Lübecker Kirchenordnung von Bugenhagen auffielen, verzeichnete und besprach oder zu den Arbeiten Anderer Berichtigungen gab oder Zusätze hinzufügte.
*) Der Lübecker Todtentanz vor seiner Erneuerung im Jahre 1701 im Anzeiger f. Kunde d. deutschen Vorzeit 1873, S. 158.
Viel bedeutender noch ist die Tätigkeit für die Hansischen Geschichtsblätter als Mitherausgeber und Mitarbeiter. Dem von ihm, Koppmann und Prof. Usinger in Kiel, nach dessen Tode Archivar Hänselmann in Braunschweig beitrat, gemeinsam geleiteten Vereinsorgan „suchte er Gründlichkeit und Vielseitigkeit des Inhalts zu geben und eine ansprechende, würdige Form. Immer bereit für Andere einzutreten, und immer auch willig hinter Anderen zurückzustehen, war er den Mitherausgebern ein unermüdlicher, selbstloser und wahrhaft liebenswürdiger Kollege“. Als Vorsitzendem des Vereins lag Mantels die Abfassung der Jahresberichte ob, in denen er sowohl über den Mitgliederstand und ähnliche geschäftliche Dinge, wie auch über den Fortschritt der Vereinsarbeiten Rechnung abzulegen hatte. Auch die Eingaben an Räte und Magistrate der Hansestädte um Bewilligung, resp. Weiterbewilligung von Geldmitteln zur Herausgabe der Urkunden und Recesse und eine Bitte um Beitritt zum Hansischen Geschichtsverein sind von seiner Hand 35 . Unmittelbar für die Geschichtsblätter schrieb er einen einführenden Aufsatz über die Ziele des Vereins, eine Motivierung und Erklärung des Vereinssiegels und ein insbesondere dem Andenken eines Mitredakteurs, des verstorbenen Prof. Rudolf Usinger, gewidmetes Vorwort; auch die halb offiziellen Schilderungen des Verlaufs der Vereinstage von Braunschweig, Hamburg, Köln und Stralsund rühren von Mantels her 39 . Hier erschienen auch drei von den hier abermals zum Abdruck gebrachten Aufsätzen: Die hansischen Schiffshauptleute Johann Wittenberg, Brun Warendorp und Tidemann Steen. Die Reliquien der Ratskapelle zu St. Gertrud in Lübeck und Kaiser Karls IV. Hoflager in Lübeck vom 20. — 30. Oktober 1375. Daneben ließ er es sich angelegen sein, in kürzeren oder ausführlicheren Besprechungen auf Inhalt und Bedeutung neuerer veröffentlichter Arbeiten hinzuweisen: namentlich über Urkunden-Publikationen, über Höhlbaums Hansisches Urkundenbuch, Koppmanns und von der Ropps Hanserecesse und das ihm besonders am Herzen liegende Urkundenbuch der Stadt Lübeck von Wehrmann hat er ausführlich berichtet, aber auch über C. W. Paulis Lübeckische Zustände im Mittelalter, das Gedenkbuch an Bürgermeister Johann Smidt von Bremen und Paulis Bilder aus Alt-England Referate gegeben. Besonders hervorzuheben ist die eingehende Besprechung von Hasses Kieler Stadtbuch, in der Mantels, indem er mit großem Geschick die vom Herausgeber „eingeführten Neuerungen gegen eine bisher anerkannte Behandlung der Stadtbücher“ bekämpft hat, ein für Herausgeber und Benutzer solcher Quellen gleich lehrreiches und trotz der Trockenheit des Materials anziehendes und lebendiges Praktikum über Stadtbücher-Editionen hält.
An der von der Münchner historischen Kommission herausgegebenen Allgemeinen Deutschen Biographie beteiligte sich Mantels mit biographischen Artikeln über 23 bedeutende Lübecker aus den verschiedensten Zeiten. Diese Artikel betreffen den Administrator des Bistums Albert Suerbeer Erzbischof von Riga und die Bischöfe Burchard von Serkem, Bertram Cremon, Arnold Westphal, Albert II, Krummendik und Christian August Herzog von Schleswig-Holstein-Gottorp, die Bürgermeister Heinrich Castorp, Nikolaus Brömse und David Gloxin, den Ratmann Johann von Dowayo, den Kanzler Albert von Bardewik und den Chronisten Detmar, den mit Friedrich dem Großen befreundeten Stadtkommandanten Grafen Chasot, den Syndikus K. G. Curtius und die durch wissenschaftliche und literarische Interessen und Leistungen ausgezeichneten Heinrich Bangert, G. A. Detharding, I. R. Becker, J. N. Bandelin, W. von Bippen, E. Deecke und F. H. Grautoff. Auch dem letzten Hansischen Syndikus Johann Domann hat Mantels dort eine gerechte Würdigung angedeihen lassen.
Für die Jahresberichte der Geschichtswissenschaft trat Mantels bereitwillig ein, als es galt, für den 1879 erschienenen ersten Band noch in letzter Stunde einen Bericht über die hansegeschichtlichen Arbeiten zu schreiben.
Rechnet man nun noch hinzu, dass Mantels als Kirchenvorsteher für stilgemäße Umbauten und Dekorationen in Lübecks Juwel, der Marienkirche, sorgte, die Vereinigung der kirchlichen Altertümer in einer besonderen Sammlung erzielte, mit Wort und Schrift dafür eintrat, dass Lübeck sein stolzes Holstentor nicht verlor, seinen Kaak auf dem Markte und die Schnitzarbeit in der Weinstube an der Trave behielt; dass er ferner der Oberschulbehörde angehörte, Schulreden hielt, Festgedichte verfasste, Aufführungen der Schüler leitete; dass er endlich einheimische Gelehrte mit Rat und Beistand, selbst mit Korrektur Lesen unterstützte, auswärtigen in den verschiedenartigsten litterarischen Interessen immer bereitwillig und oft unaufgefordert seine Dienste lieh: so erhält man wenigstens ein ungefähres Bild von der Art und Weise, wie Mantels in Lübeck und für Lübeck tätig gewesen ist.
Es mag sein, dass Mantels seine Kräfte zersplitterte, dass es ihm nicht gegeben war, seine reichen Gaben auf die Erreichung eines bestimmten Zieles voll zu koncentriren: sein Gesamtwirken wird dadurch nicht beeinträchtigt, dass er an einer Stelle weniger geben konnte, wenn er nach allen Seiten hin freiwillig austeilte. Gerade sein Verwachsensein mit allen geistigen Interessen Lübecks und seine freudige Bereitwilligkeit überall selbst einzutreten, wo Hilfe notwendig war und ein anderer Helfer fehlte, gerade das ist es doch, was sein Wirken so segensreich und sein Andenken in weiten Kreisen teuer gemacht hat.
Bis kurz vor seinem Tode hatte Mantels in den Räumen des zum Gymnasium umgewandelten alten Katharinenklosters eine eigenartig behagliche Amtswohnung, die mit der von ihm geleiteten Stadtbibliothek in unmittelbarer Verbindung stand. Mit seiner Gattin, Henriette Nölting, der Tochter des schwedischen Konsuls Christian Adolf Nölting († 1856 Dec. 15), mit der er sich 1848 vermählt hatte, führte er ein glückliches mit acht Kindern gesegnetes Familienleben. Mit den nah und fern lebenden Geschwistern stand er im herzlichsten Verhältniss, mit den Schwiegereltern, später der verwittweten Schwiegermutter in einem engen Verkehr, zu Freunden, Kollegen und Fachgenossen in freundschaftlich gesellschaftlichen Beziehungen. Auswärtige Gelehrte aus dem benachbarten Mecklenburg oder den hansischen Schwesterstädten, aber auch aus Dänemark, Schweden, Norwegen und den russischen Ostseeprovinzen, wie deren jährlich gar Mancher nach Lübeck zu kommen pflegt, sei es dass die Schätze des Archivs und der Stadtbibliothek oder die Denkmäler der Kunst ihn locken oder dass es ihm nur um einen Tag des Zusammenlebens mit wahlverwandten Männern zu tun ist, sie alle sind an Mantels' Wohnung wohl selten vorübergegangen.
Im Juli 1878, als Mantels auf dem Gute Klein-Plasten in Mecklenburg bei seinem Schwiegersohn weilte, erkrankte er von Neuem. Sein altes Brustleiden hatte sich, jetzt zum dritten Male, wieder eingestellt und die durch Arbeit und Anstrengung geschwächte Lebenskraft reichte nun nicht mehr aus, um die Folgen des Anfalls zu verwinden. Den Winter über fassten die Familie und die Freunde neue Hoffnung. Sie erwies sich als eitel. Die Kräfte begannen sichtlich dahin zu schwinden. Aus der neuen Wohnung, wo er dem Frühling, der nicht kommen wollte, entgegenharrte, nahm ihn das Geschick hinweg, seinem festen Glauben nach in eine herrlichere Wohnung zu einem schöneren Frühling. Am 8. Juni 1879 endete ein Leben, das reich war an Arbeit, reich an Liebe und reich an Segen.
Lübeck - Schifferhaus Außenansicht
Wilhelm Mantels (1816-1879) deutscher Pädagoge, Historiker und Bibliothekar
Lübeck - Stadtansicht aus dem Mittelalter
Lübeck - Marienkirche
Lübeck - Marienkirche Innenansicht
Lübeck - Markt
Lübeck - Stadttor
Lübeck - Holsteintor
Lübeck - Alte Speicher an der Trave
Lübeck - Alte Gebäude an der Obertrave
Lübeck - Dom
Lübecker Kirchen
Lübecker Bahnhof
Lübecker Bergenfahreraltar (linker Flügel) Marienkirche
Lübeck - Burgtor
Lübeck - Dom und Museum
Lübeck - Holstentor
Lübeck - Blick auf das Holstentor
Lübeck - Schifferhaus, Innenansicht
Lübeck - Schifferhaus, Außenansicht
Lübeck - Standtansicht