Galerie kirchlicher Baudenkmale. II. Die Festungskirche in St. Petersburg.

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1871
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Russland, St. Petersburg, Festungskirche, Baudenkmal
Die Macht der russischen Zaren und die Sicherheit ihrer Herrschaft stützt sich auf die religiösen Anschauungen des Volkes, welches in dem Kaiser aller Reussen nicht bloß den weltlichen Regenten, sondern zugleich das Oberhaupt der russischen Kirche verehrt. Die russische Regierung hat nichts versäumt sich die Vorteile dieser Stellung zu Nutzen zu machen und ihr Augenmerk unausgesetzt auf den Kultus der Religion gerichtet, um jeden Augenblick den Fanatismus der Massen für ihre Zwecke aufrufen zu können. Deshalb trifft man in Russland so viele Klöster und Kirchen; in Petersburg allein zählt man an 200 Gotteshäuser für die Gläubigen der griechischen und ungefähr 60 für die Bekenner anderer Religionen.

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Außerdem hat fast jeder vornehme Russe eine Kapelle innerhalb seiner Wohnung. Unter den Kirchen des russischen Kultus ist, nächst der Kirche des heiligen Isaak, berühmt durch die prachtvollen Achatsäulen von einem Werte von mehreren Millionen Rubeln, eine der bedeutendsten die auf S. 149 abgebildete alte Kathedrale, welche Peter der Große 1703 zu Ehren der Apostel Peter und Paul erbauen ließ und welche im Munde des Volkes den Namen der Festungskirche erhielt, weil sie auf der sogenannten Petersburger Insel, unweit der Peter- und Paulsfestung liegt. Die letztere diente als Staatsgefängnis; hier fand, bei einem Austritte der Newa, die Prinzessin Tarakanoff, eine Enkelin Peters des Großen, im unterirdischen Kerker den Tod.

Die Festungskirche ist 210 Fuß lang, 100 Fuß breit und birgt unter ihrem Hauptschiffe große Gewölbe, welche als Familiengruft die sterblichen Überreste der Zaren aufnehmen. Das Innere der Kirche ist mit zahlreichen Siegestrophäen geschmückt, die an den Pfeilern hängen und meist aus den Kriegen gegen Polen, Türken, Franzosen etc. herrühren. Über dem Hochaltar erhebt sich eine schlanke, laternenartige Kuppel, welche im Verhältnis zu ihren: Umfange etwas zu hoch ist. Der viereckige Turm der Kirche endet in einer spitzen Pyramide, deren Bedachung aus Kupferplatten besteht, zu deren schwerer Vergoldung 22 Pfund reines Gold verwendet wurden. Im Jahre 1756 brannte die Kirche, vom Blitze entzündet, beinahe ganz ab und wurde erst 1774 nach dem Plane des Architekten Bauer wieder aufgebaut.