Friedrich der Große und die Juden

Aus: Allgemeine Zeitung des Judentums, 12. Jahrgang, 10. Januar 1848
Autor: Herausgegeben von Philippson, Ludwig Dr. (1811-1889) deutscher Schriftsteller und Rabbiner. 1837 begründete er die Allgemeine Zeitung des Judentums, die er bis zu seinem Tode im Jahr 1889 herausgab und redigierte., Erscheinungsjahr: 1848

Exemplar in der Bibliothek ansehen/leihen
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Friedrich II., Friedrich der Große von Preußen, Juden, Judentum, Jüdisches Leben, Kaufleute, Schutzjuden, Steuern, Zölle, Rechte und Pflichten,
Bekanntlich war Friedrich der Große von Preußen in der Theorie weit über seine Zeit hinaus, und sprach Ansichten über Fürsten, Völker, Regierung etc. aus, die noch jetzt ein Untertan nicht aussprechen möchte. Hingegen verließ er in praktischer Beziehung den Boden der früheren Zeit nicht, und schon die nächsten Jahre nach seinem Tode machten viele Ansichten, die er in seiner Regierung befolgte, zu Schanden. Duldete er z. B. doch niemals, dass ein Bürgerlicher ein Gut erkaufte! Namentlich gehörte aber hierhin die Behandlung, die er den Juden zukommen ließ. Und doch war seine Zeit die Lessings und Dohms; und doch weilten damals in Berlin schon sehr erleuchtete Juden, die sich um Mendelssohn gesammelt. Wir erlauben uns hier Mehreres aus seiner Regierung zusammenzustellen, die ja doch erst 60 Jahre hinter uns liegt.

                                *************************
Aus jüngst veröffentlichten eigenhändigen Bescheiden führen wir an: „Der Schutzjude Meyer Benjamin in Magdeburg bittet um Bewilligung der Rechte christlicher Kaufleute daselbst. (Er war der einzige Jude in M.) Friedrich repliziert: „„der Jude soll sich sofort aus Magdeburg Paquen oder der Commandant wird Ihm herausschmeißen."" — „Die mit einem Generalschutzprivilegio versehenen jüdischen Kaufleute Itzig und Ephraim bitten, sie bei den ihnen verliehenen christlichen Rechten zu schützen. Friedrich repliziert (1777): „„was wegen ihres Handels ist, behalten sie. Aber das sie ganze Fölkerschaften von Juden zu Breslau anbringen und ein ganzes Jerusalem daraus machen wollen, das kann nicht seindt.““

                                ********************

Eine Kabinettsordre lautet folgendermaßen:
An den Präsid. Philippi.
„Rat, Besonders Lieber Getreuer. Aus Eurem Schreiben vom gestrigen dato habe ich mit Missfallen ersehen, dass hier polnische Juden hereinkomme, die man mit schlesischer Leinwand Hausieren gehen lässt. Was das vor Eseleien seindt! Wenn Kaufleute hier wären, die alle die Schlesische Leinwand nach allen den Sorten, die hier gebraucht werden, aufkaufen und Niederlagen davon anlegen, so würden die Kaufleute das profitieren, wovon die Juden jetzt leben. Es bleibt daher bei Meiner Ordre vom 21. d. und müssen die Juden nicht weiter Hausieren gehen, worauf Ihr stricte zu achten habet. — Berlin, den 27. Dezember 1780."

                                ********************

Als Westpreußen in Besitz genommen wurde, wurden, sagt Preuß, die armen Juden, wie die Zigeuner und Landstreicher, verfolgt, und 4.000 über die Grenze gewiesen. Auf dem platten Lande wurden sie gar nicht geduldet, sondern nur in den akzisbaren Städten.

                                ********************

Die Grundsätze, welche Friedrich der Große durch „das revidierte Generalprivilegium und Reglement vor die Judenschaft im Königreiche Preußen“, vom 17. April 1750, für die Juden aufstellte, zieht Preuß in folgenden Worten zusammen: „Der König wollte die Zahl der Juden nicht vermehrt wissen: die ordentlichen Schutzjuden durften ihren Schutz nur auf ein Kind vererben, die außerordentlichen erhielten ihn nur auf Lebenszeit; jene auch nur, wenn das Kind 1.000 Thaler bar besaß. Fremde Juden, hatten nur bei einem Vermögen von 10.000 Thalern Hoffnung, auf besonderer Gnade Aufnahme im Lande zu finden. Nichtkaufleute, die nicht zur Bedienung der Gemeinde gehörten, hießen außerordentliche Schutzjuden, und durften sich, gleich den Knechten und Mägden, nicht verheiraten. Ländliche Grundstücke durfte kein Jude besitzen.“

                              *************************

Am 29. Okt. 1757 erließ Friedrich abermals eine Verordnung, nach welcher ein neues Schutzprivilegium an einen Juden nur gegen eine neugegründete Fabrik erteilt werden sollte. Der König macht eigenhändig eine Randbemerkung: „Es sollen keine Juden Privilegien kriegen, es sei, dass sie neue Fabriken anlegen, sonsten bleibt immer dieselbe Zahl Familien.“

                              *************************


Den 9. Mai 1769 befahl Friedrich, dass jeder Jude für sein Schutzprivilegium (auch der nach oben das Recht daran hatte) für 300 Thlr. Porzellan, (welches die Berliner königl. Fabrik noch sehr schlecht lieferte,) ein Drittel vom feinen, ein Drittel vom mittleren, und ein Drittel vom geringsten nehmen und in die Fremde verkaufen, solte. (Da nun dieses Porzellan schlechtwar, auch nicht Jeder zum Verkauf in das Ausland Gelegenheit hatte, und es also Unterhändlern überlassen musste, so kann man sich denken, was die Juden für ihre 300 Thlr. wieder erhielten!)

                              *************************

Landbau, Handwerke und viele Handelszweige, z. B. mit irgend einer Art von Konsumptibilien, waren ihnen gänzlich verboten. Ebenso durften sie nicht mit rohem Leder, mit Garnzeugen, mit Wolle und wollenen Waren handeln. Landgüter durften sie gar nicht erwerben, und Häuser nur eine bestimmte Zahl, z. B. in Berlin 40 (1750); dennoch hatten sie 1763 schon 73, und bestanden sie in Berlin 1784 aus 500 Familien mit 3.374 Seelen. Wegen dieser Vermehrung mussten sie dem Propste zu St. Nikolai die Stolgebühren, dem berlinschen Gymnasium jährlich 165 Thlr. zahlen; außerdem bezahlten sie Schutzgelder, Rekrutengelder, mussten 8.100 Mark zu 12 Thalern (also mit Verlust von 2 Thlrn. an der Mark) an die Münze liefern, Akzise zahlen, z. B. in Berlin 200 Thlr, in Frankfurt 40 Thlr. Kurzum: Jude, Geld und Beschränkung waren drei synonyme Begriffe.

                              *************************

Ein charakteristischer Zug für Friedrich den Großen ist, dass, als die inländischen Juden 1746 vom Leibzoll befreit zu werden baten, Fr. replizierte: „dass, da die Schutzjuden die Geleitsfreiheit nur in derjenigen Provinz, worauf sie den Schutzbrief haben, bishero genossen, in allen anderen Provinzen aber, worinnen sie gereist, den Leibzoll bishero jedesmal haben entrichten müssen, es also bei dieser Observanz schlechterdings ein Verbleiben haben solle.“ Und so behielt es sein Verbleiben, bis Friedrich die Augen geschlossen. Denn schon am 1. Juni 1787 hob sein Nachfolger den Leibzoll für die inländischen Juden auf.

                              *************************

1764 erließ Friedrich eine Kabinettsordre an das Generaldirektorium, worin er sagt: „Wir haben aus Euerm Bericht ersehen, dass die Juden sich beigehen lassen, Kühe zu pachten. Wir lassen Euch bei dieser Gelegenheit wissen, dass uns dies missfällt, und Wir wollen, dass diese Pachtungen landwirtschaftlicher Gegenstände von Seiten der Juden aufhören und ihnen nicht ferner erlaubt werden, allermaßen denen Juden der Schutz hauptsächlich deshalb erstattet wird, um Handel, Commerce, Manufakturen, Fabriken und dergleichen zu betreiben, anderen als christlichen Leuten aber die landwirtschaftlichen Sachen zu ihrer Bearbeitung überlassen werden und mithin jedes in seinem Fache bleiben muss.“ –

Solche Fesseln lagen den Juden bis vor wenigen Jahrzehnten auf, und doch macht man ihnen jetzt aus dem Handel ein soziales Verbrechen!

Philippson, Ludwig Dr. (1811-1889) deutscher Schriftsteller und Rabiner. 1837 begründete er die Allgemeine Zeitung des Judentums, die er bis zu seinem Tode im Jahr 1889 herausgab und redigierte.

Philippson, Ludwig Dr. (1811-1889) deutscher Schriftsteller und Rabiner. 1837 begründete er die Allgemeine Zeitung des Judentums, die er bis zu seinem Tode im Jahr 1889 herausgab und redigierte.

Philippson, Ludwig Dr. (1811-1889) deutscher Schriftsteller und Rabiner. Grabstein auf dem jüdischen Friedhof in Bonn-CastellJPG

Philippson, Ludwig Dr. (1811-1889) deutscher Schriftsteller und Rabiner. Grabstein auf dem jüdischen Friedhof in Bonn-CastellJPG

Friedrich II. (1712-1786) König von Preußen

Friedrich II. (1712-1786) König von Preußen

Friedrich der Große

Friedrich der Große

Friedrich der Große. Nach dem Gemälde von A. Graff.

Friedrich der Große. Nach dem Gemälde von A. Graff.

Friedrich der Große. Kupferstich von Nilson.

Friedrich der Große. Kupferstich von Nilson.

Friedrich II. Schreiber-Kunststück. D. A. Hauer nach Joh. Christ. Albrecht 176O

Friedrich II. Schreiber-Kunststück. D. A. Hauer nach Joh. Christ. Albrecht 176O

Friedrich II. und seine Schwester Wilhelmine.

Friedrich II. und seine Schwester Wilhelmine.