Flugschriften aus der Reformationszeit - Von Freiheit der Speisen.
Eine Reformationsschrift. Herausgegeben von Otto Walther
Autor: Zwingli, Huldrych (1484-1531) erster Zürcher Reformator, Erscheinungsjahr: 1522/1900
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Reformationszeit, Reformation, Reformator, Fastengebot, Zürich,
Einleitung
Die erste reformatorische Schrift Zwinglis. "Von erkiesen
vnd fryheit der spysen" ist in der Fastenzeit 1522 entstanden
und datiert vom 16. April. Schon länger hatte sich eine
starke Missstimmung unter der Bevölkerung Zürichs geltend
gemacht infolge des Beichtzwanges und der Entziehung des
Kelches im Abendmahl. Dazu kam noch eine von dem
Bischof auferlegte außerordentliche Steuer. Zur Zeit der
Fasten wurden die bestehenden Fastengebote mehrfach überschritten. So verzehrte ein Bäcker in einem Wirtshause mit Ostentation Fleisch, im Augustinerkloster mit einigen Genossen eine Wurst und schalt die Mönche und Pfaffen laut
Schelme und Diebe, weil sie den Laien das Blut Christi
vorenthielten. Ein Buchdrucker ferner setzte in einer Gesellschaft, in der auch Zwingli zugegen war, Würste vor;
dieser genaß freilich persönlich nichts davon, hielt aber die
Anwesenden auch nicht von der unerlaubten Speise zurück,
so dass sie, zur Verantwortung gezogen, sich damit entschuldigten, ihr Seelsorger und Leutpriester habe sie so
gelehrt. Und dieser lehnte die Verantwortung keineswegs
ab, da er dies als „eine Anzeigung christlicher Freiheit" ansah, damit man Gott, den Allmächtigen hoch gelobt und
gepriesen hat, dass er uns aus diesem babylonischen Gefängnis päpstlicher Knechtschaft erlediget und ausgeführt hat."
Ferner sagt er: „Es hätte mir übel angestanden, wenn ich
als ein schlechter Hirte die Schafe, die mir anbefohlen sind,
hätte umkommen lassen, indem ich die schwachen nicht
stärkte und die starken nicht behütete." Als sich dann die Übertretungen mehrten, schritt die Regierung mit Strafen
ein. Da hielt Zwingli am dritten Sonntage der Fasten, den
29. März, eine Predigt, in der er mit Belegen aus dem neuen
Testamente nachwies, wie die kirchlichen Verbote bestimmter
Speisen nicht mit Christi Lehren vereinbar wären. Diese
Predigt zündete so, dass er selbst sagen konnte:
„Der größere Teil wurde durch sie hoch erfreuet, diejenigen aber, deren Gemüt und Gewissen unrein war, noch wilder gemacht."
In der nun vom Rat anberaumten Untersuchung gegen die,
welche gegen die Fastengebote gesündigt hatten, rechtfertigte sich z. B. der beklagte Buchdrucker damit, er habe den Druck der Paulinischen Episteln bis zu einem bestimmten Termine fertig zu stellen gehabt und deshalb nicht seinen angestrengten Gesellen nur Mus zu essen geben können, auch bestehe ein christliches Leben nicht in Speis und Trank sondern im rechten Glauben, Vertrauen und Liebe. Der Rat überwies die Sache an die drei Leutpriester und den Propst vom Großmünster, deren Spruch eine Art Kompromiss war, denn er lautete so, wenn auch das göttliche Gesetz einen Unterschied in den Speisen nicht macht, so müsse man doch um des lieben Friedens willen die Fastenvorschriften halten, solange sie beständen; die Leutpriester sollten daher „bis zum Austrage" das Volk vor „solchen Freveln" warnen.
Darauf erschienen zwei Abgeordnete des Bischofs, ein Weihbischof und der bischöfliche Insiegler und beriefen die gesamte Geistlichkeit der Stadt zu einer Versammlung, in der
der Weihbischof gegen das Verlangen nach Neuerungen und
die volksaufwiegelnden Reden Klage erhob. Ohne dass
Zwinglis Name ausdrücklich genannt wurde, wusste dieser
doch, auf wen das zielte, und erhob sich zu so kräftiger
Abwehr, dass die Abgeordneten, ohne sich auf eine weitere
Debatte einzulassen, bei dem Rate Anzeige erstatteten.
Dieser beschloss nun, den Fall den Zweihundert vorzulegen, lud aber Zwingli selbst, nach dem Verlangen der bischöflichen Gesandten, nicht mit vor. Da wandte sich Zwingli im Gebet zu dem, „der die Seufzer der Gefangenen hört, dass er seine Wahrheit nicht verlassen und sich selbst seines Evangeliums annehmen möge." Am 9. April wurde er unerwartet vom Rate vorgefordert und hatte so Gelegenheit, auf die nochmalige Anklage der Abgeordneten hin seine Ansichten wegen der Fastengebote noch einmal darzulegen, ermahnte aber zum Schluss den Rat, daran fest zu halten, „bis entweder das Joch derselben von uns genommen wird oder die Völker selbst zur Wahrung ihrer Freiheit sich einigen werden."
Sodann erging ein Mandat an die Leutpriester, am nächsten
Sonntage in den drei Pfarrkirchen das Volk zu ermahnen,
dass „hinfüro ohne merkliche Ursache" niemand Fleisch essen solle, und die Forderung an den Bischof, „mit besonderem Ernst" die Sache in einer den Gesetzen Christi entsprechenden Weise zu regeln. Der angeschuldigte Buchdrucker wurde in milde Buße genommen, das Verlangen des Bischofs aber, gegen Zwingli vorzugehen, abgelehnt.
Nun entschloss sich dieser dazu, seine am 29. März gehaltene Predigt umzuarbeiten und in Druck zu geben.
In den ersten beiden Abschnitten „Von erkiesen vnd
fryheit der spysen" und „Vom gbott der menschen" befasst
er sich mit den Fastengeboten, indem er mit den eigenen
Worten Christi und seiner Apostel deren Berechtigung widerlegt und jedem Menschen, selbst dem Papst das Recht abspricht, solche zu erlassen. In dem dritten „Von ergernus oder Verböserung" weist er auf Grund zahlreicher Bibelstellen nach, dass Ärgernis geben, von dem Christus spreche, sich nicht auf etwaige Verletzung menschlicher Speiseverbote beziehe, sondern dass Ärgernis gerade von den Predigern und Bischöfen herkomme, und geht dann im vierten Abschnitt „Von abthûn der ergernus" und „Von erger werden an guten sitten" dazu über, die Behauptung zu widerlegen, dass durch die Lehre von der evangelischen Freiheit den guten Sitten und Werken Abbruch geschehe, da zu unterscheiden sei zwischen den sogenannten guten Werken, welche die Kirche gebiete, und denen, welche in Gottes Wort begründet seien.
Seine Gedanken über die Stellung des Christenmenschen zum Gesetz, zur Kirche und zur heiligen Schrift fasst er dann in sechzehn Schlusssätzen „Ob jeman die spysen gwalt hab zu verbieten" zusammen, aus denen die Notwendigkeit einer
Neugestaltung der bestehenden Kirche hervorgeht.
Die erste reformatorische Schrift Zwinglis. "Von erkiesen
vnd fryheit der spysen" ist in der Fastenzeit 1522 entstanden
und datiert vom 16. April. Schon länger hatte sich eine
starke Missstimmung unter der Bevölkerung Zürichs geltend
gemacht infolge des Beichtzwanges und der Entziehung des
Kelches im Abendmahl. Dazu kam noch eine von dem
Bischof auferlegte außerordentliche Steuer. Zur Zeit der
Fasten wurden die bestehenden Fastengebote mehrfach überschritten. So verzehrte ein Bäcker in einem Wirtshause mit Ostentation Fleisch, im Augustinerkloster mit einigen Genossen eine Wurst und schalt die Mönche und Pfaffen laut
Schelme und Diebe, weil sie den Laien das Blut Christi
vorenthielten. Ein Buchdrucker ferner setzte in einer Gesellschaft, in der auch Zwingli zugegen war, Würste vor;
dieser genaß freilich persönlich nichts davon, hielt aber die
Anwesenden auch nicht von der unerlaubten Speise zurück,
so dass sie, zur Verantwortung gezogen, sich damit entschuldigten, ihr Seelsorger und Leutpriester habe sie so
gelehrt. Und dieser lehnte die Verantwortung keineswegs
ab, da er dies als „eine Anzeigung christlicher Freiheit" ansah, damit man Gott, den Allmächtigen hoch gelobt und
gepriesen hat, dass er uns aus diesem babylonischen Gefängnis päpstlicher Knechtschaft erlediget und ausgeführt hat."
Ferner sagt er: „Es hätte mir übel angestanden, wenn ich
als ein schlechter Hirte die Schafe, die mir anbefohlen sind,
hätte umkommen lassen, indem ich die schwachen nicht
stärkte und die starken nicht behütete." Als sich dann die Übertretungen mehrten, schritt die Regierung mit Strafen
ein. Da hielt Zwingli am dritten Sonntage der Fasten, den
29. März, eine Predigt, in der er mit Belegen aus dem neuen
Testamente nachwies, wie die kirchlichen Verbote bestimmter
Speisen nicht mit Christi Lehren vereinbar wären. Diese
Predigt zündete so, dass er selbst sagen konnte:
„Der größere Teil wurde durch sie hoch erfreuet, diejenigen aber, deren Gemüt und Gewissen unrein war, noch wilder gemacht."
In der nun vom Rat anberaumten Untersuchung gegen die,
welche gegen die Fastengebote gesündigt hatten, rechtfertigte sich z. B. der beklagte Buchdrucker damit, er habe den Druck der Paulinischen Episteln bis zu einem bestimmten Termine fertig zu stellen gehabt und deshalb nicht seinen angestrengten Gesellen nur Mus zu essen geben können, auch bestehe ein christliches Leben nicht in Speis und Trank sondern im rechten Glauben, Vertrauen und Liebe. Der Rat überwies die Sache an die drei Leutpriester und den Propst vom Großmünster, deren Spruch eine Art Kompromiss war, denn er lautete so, wenn auch das göttliche Gesetz einen Unterschied in den Speisen nicht macht, so müsse man doch um des lieben Friedens willen die Fastenvorschriften halten, solange sie beständen; die Leutpriester sollten daher „bis zum Austrage" das Volk vor „solchen Freveln" warnen.
Darauf erschienen zwei Abgeordnete des Bischofs, ein Weihbischof und der bischöfliche Insiegler und beriefen die gesamte Geistlichkeit der Stadt zu einer Versammlung, in der
der Weihbischof gegen das Verlangen nach Neuerungen und
die volksaufwiegelnden Reden Klage erhob. Ohne dass
Zwinglis Name ausdrücklich genannt wurde, wusste dieser
doch, auf wen das zielte, und erhob sich zu so kräftiger
Abwehr, dass die Abgeordneten, ohne sich auf eine weitere
Debatte einzulassen, bei dem Rate Anzeige erstatteten.
Dieser beschloss nun, den Fall den Zweihundert vorzulegen, lud aber Zwingli selbst, nach dem Verlangen der bischöflichen Gesandten, nicht mit vor. Da wandte sich Zwingli im Gebet zu dem, „der die Seufzer der Gefangenen hört, dass er seine Wahrheit nicht verlassen und sich selbst seines Evangeliums annehmen möge." Am 9. April wurde er unerwartet vom Rate vorgefordert und hatte so Gelegenheit, auf die nochmalige Anklage der Abgeordneten hin seine Ansichten wegen der Fastengebote noch einmal darzulegen, ermahnte aber zum Schluss den Rat, daran fest zu halten, „bis entweder das Joch derselben von uns genommen wird oder die Völker selbst zur Wahrung ihrer Freiheit sich einigen werden."
Sodann erging ein Mandat an die Leutpriester, am nächsten
Sonntage in den drei Pfarrkirchen das Volk zu ermahnen,
dass „hinfüro ohne merkliche Ursache" niemand Fleisch essen solle, und die Forderung an den Bischof, „mit besonderem Ernst" die Sache in einer den Gesetzen Christi entsprechenden Weise zu regeln. Der angeschuldigte Buchdrucker wurde in milde Buße genommen, das Verlangen des Bischofs aber, gegen Zwingli vorzugehen, abgelehnt.
Nun entschloss sich dieser dazu, seine am 29. März gehaltene Predigt umzuarbeiten und in Druck zu geben.
In den ersten beiden Abschnitten „Von erkiesen vnd
fryheit der spysen" und „Vom gbott der menschen" befasst
er sich mit den Fastengeboten, indem er mit den eigenen
Worten Christi und seiner Apostel deren Berechtigung widerlegt und jedem Menschen, selbst dem Papst das Recht abspricht, solche zu erlassen. In dem dritten „Von ergernus oder Verböserung" weist er auf Grund zahlreicher Bibelstellen nach, dass Ärgernis geben, von dem Christus spreche, sich nicht auf etwaige Verletzung menschlicher Speiseverbote beziehe, sondern dass Ärgernis gerade von den Predigern und Bischöfen herkomme, und geht dann im vierten Abschnitt „Von abthûn der ergernus" und „Von erger werden an guten sitten" dazu über, die Behauptung zu widerlegen, dass durch die Lehre von der evangelischen Freiheit den guten Sitten und Werken Abbruch geschehe, da zu unterscheiden sei zwischen den sogenannten guten Werken, welche die Kirche gebiete, und denen, welche in Gottes Wort begründet seien.
Seine Gedanken über die Stellung des Christenmenschen zum Gesetz, zur Kirche und zur heiligen Schrift fasst er dann in sechzehn Schlusssätzen „Ob jeman die spysen gwalt hab zu verbieten" zusammen, aus denen die Notwendigkeit einer
Neugestaltung der bestehenden Kirche hervorgeht.
Zwingli, Huldrych (1484-1531) erster Zürcher Reformator, von Hans Asper etwa 1531
000 Zürich vom Hotel Schwert aus. 1835
008. Zürich, Münsterhof
014. Zürich, auf der Rathausbrücke, vor dem Hotel zum Schwert
016. Zürich, Schlachthaus
017. Zürich, Das Casino, 1820
018. Zürich, Bauschänzli-Anlagen, links Kernhaus (Kaufhaus), rechts Wellenberg und Wasserkirche, in der Mitte die obere Brücke
020. Zürich, Schanzengraben und Bleicherweg von der Katz aus gesehen, in der Mitte die Tücherbleiche
040. Zürich aus der Vogelperspektive ums Jahr 1850 links
040. Zürich aus der Vogelperspektive ums Jahr 1850 rechts
040. Zürich aus der Vogelperspektive ums Jahr 1850