Fastnacht in Stralsund
Jubel und Ausgelassenheit im 15. Jahrhundert in der Hansestadt Stralsund
Autor: Fleck, Wilhelmine (1864-1947) Schriftstellerin, Erscheinungsjahr: 1928
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Vorpommern, Hansestadt, Stralsund, Belagerung, 30jähriger Krieg, Wallenstein, Stadtgeschichte, Sittengeschichte, Historischer Roman, Wilhelmine Fleck
Aus: Ostmecklenburgische Heimat. Halbmonatszeitschrift der „Teterower Nachrichten“ für ostmecklenburgische Heimatwerte und Landeskunde. Verantwortlich für den gesamten Inhalt: Studienrat Dr. Gerhard Böhmer. — Druck und Verlag von Hermann Decker, Teterow, Malchiner Straße 15. — Erscheinungsort Teterow. (Mecklenburgische Schweiz) 1. Jahrgang. 1928. [im Bestand des Stadtarchivs der Stadt Teterow]
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Eine Heimatzeitschrift „Ostmecklenburgische Heimat“ gab der Verlag Hermann Decker, Inhaber Ernst Vick, in den Jahren 1928 bis 1945 regelmäßig heraus. Die Auflage betrug 3000, später 4000 Exemplare.(Aus: Kurt Bernhard, Die Zeitungs- und Zeitschriften –Verlage in Mecklenburg, 1982/83) F. Herholz
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Eine Heimatzeitschrift „Ostmecklenburgische Heimat“ gab der Verlag Hermann Decker, Inhaber Ernst Vick, in den Jahren 1928 bis 1945 regelmäßig heraus. Die Auflage betrug 3000, später 4000 Exemplare.(Aus: Kurt Bernhard, Die Zeitungs- und Zeitschriften –Verlage in Mecklenburg, 1982/83) F. Herholz
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In diesem Monat [1928] gedenkt die Stadt Stralsund ihrer Belagerung vor 300 Jahren. Wir bringen mit Erlaubnis des Verlags J. F. Steinkopf, Stuttgart ein Stück aus dem soeben erschienenen sehr empfehlenswerten Roman „Feuer am Sund“ von Wilhelmine Fleck, der dort im 15 Jahrhundert spielt.
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Fastnacht! Fastnacht in Stralsund! Die reiche Hansestadt war voll Jubel und Ausgelassenheit. Gleich einer untergehenden Sonne loderte die Lebenslust noch einmal hellauf, ehe sie in die grauen Schleier des Aschermittwoch versank, und das „Hungertuch“ ausgehängt wurde im Chor von Sankt Nikolai. Fastnacht! Heute war erlaubt, was sonst verboten war, heute floss das schwere, nordische Blut leichter, drückte verständige Bedächtigkeit ein Auge zu, oder manchmal auch beide. Wozu hatte man das ganze Jahr in den Werkstätten, beim Fischfang und Schiffsbau gescharwerkt, wenn man nicht einmal die silbernen Schillinge sollte hinauswerfen dürfen wie ein Geschlechterherr? Und hatte man’s getan, so empfand man beileibe keine Reue, im Gegenteil. Einem wurde leicht und beschwingt zumute wie einer Sundmöwe, und man spürte Lust zu neuer Torheit. Ein lieblicher Duft von Gebratenem und Gebackenem schwebte in der Luft. Heute zeigte daheim jede Hausfrau ihre Kunst. Doch war das gleichsam nur ein vorbereitendes Küchlein im Vergleich zu dem, was der Markt bot. Dort standen die Litten der Garbereiter beladen mit schneckenfetten Würsten, mit knusperigen, gebratenen Fischen, „so stief as ’n Doden“, die Tische der Bäcker mit solchen Bergen duftender Wecken, dass man meinte, man sei im Schlaraffenland. In den Trinkstuben aber rann Wein, Bier und Met, drängten sich die Lustigen und die Durstigen an den plumpen Eichentischen, und jeder Wirt hätte sich ein Dutzend Hände wünschen mögen.
„Söben Ellen Boddermelk
Un tein Ellen Klüm,
Un wenn de Schoh versagen sünd
So danzt wi up de Strümp,“
sangen Ehrbare und Leichtsinnige um die Wette.
Indessen saß man heute doch nicht so fest wie sonst. Zu vieles gab es draußen zu sehen, man mußte eilen, um nichts zu versäumen. Es gab Fahrende, die Lieder zur Laute sangen, lustige und bewegliche; wilde Männer, die Frauen und Jungfrauen mit fürchterlichen Gebärden erschreckten und Narren mit Schellenkappe und Pritsche. Fastnacht! Fastnacht! Steil und stolz blickten die hohen Türme von Sankt Nikolai auf das Gekribbel wie Weise, die sich über nichts mehr wundern. Zu vieles hatten sie schon zu ihren Füßen gesehen, denn die Leute am Sund waren ein hartnerviges Geschlecht, das die Geschichte seiner Stadt mit Blut schrieb. Durch die Ossenreyer- und Semlowerstraße, die Knieper- und Külpstraße strömte das Volk zum Markt, und jeder suchte schiebend und drängend möglichst nahe an den „Kaak“ heranzukommen, den Pranger, der am Eingang der Mühlenstraße stand. Heute wartete dort kein Übeltäter auf Halseisen oder Peitsche des Büttels, auch wurden keiner ehrvergessenen Dirne die „Schandpuppen“ angehängt. Eine graue Katze war mit den Hinterbeinen an der Schundsäule befestigt, eine lebende Katze. Sie wand sich und miaute erbärmlich. „Heran alle, die forsche Gesellen sind. Wer die Katze totbeißt wird „Katzenritter“ und bekommt vom Herrn Bürgermeister eine sundische Mark.“
Die silberne Mark ist nicht zu verachten, aber der Kampf mit der Katze ist, obgleich ihr die Vorderpfoten mit Leder umwickelt sind, nicht nach jedermanns Geschmack. Junge Fante sind um ihr glattes Gesicht besorgt; es gibt aber auch deftige Kerle, Schiffer, Lastträger und dergleichen, die das Maul trefflich weit aufreißen können, einen mächtigen Bartwald im Gesicht tragen und sich nicht mal vor dem Satan, geschweige denn vor einer Mieze fürchten.
Vor den Arkaden des Rathauses ist ein Gerüst errichtet, dort schaut, wie es Sitte ist, der ehrsame Rat der Lustbarkeit zu, voran die Bürgermeister, der dunkle hochfahrende Herr Wulfard Wulflam, der greise Arnold von Soest, der dicke Herr Gerd Papenhagen. Neben ihnen der Kirchherr vom Sund, Herr Kord von Bonow. Die Kirche erteilt durch das Erscheinen ihres ersten Geistlichen der Luft des Volkes gewissermaßen ihre Zustimmung. Auch hatte der Junker von einst gewöhnlich heimliche Freude an den derben Späßen, aber heute sah er finster und gereizt aus und gab nur kurze Antworten auf die Anreden der Bürgermeister. Jetzt verneigt sich der Büttel vor den großmächtigen Herren und schwingt seinen Stab, der Spaß kann beginnen. Mann auf Mann tritt heran, sein Heil zu versuchen. Die Katze bäumt sich auf, faucht und schreit, wirft sich angstvoll hin und her, aber die Fesseln an den Hinterpfoten sind zu stark. Sie schnappt, spuckt und beißt, hier und da dringt wohl auch eine Kralle durch das Leder, fährt dem Angreifer ins Gesicht, und der Getroffene flucht bei allen Teufeln. Es ist aber streng verboten, das Tier anders als mit den Zähnen zu berühren. Die Menge lacht, schreit, johlt, fürwahr der köstlichste Spaß des ganzen Fastelabends; aber es ist nicht so einfach, eine Katze totzubeißen und „Katzenritter“ zu werden, und manches Mal ist es überhaupt nicht geglückt. Aber heute glückte es; das Kätzlein ist aller Erdenpein ledig, und der Sieger, ein untersetzter, stämmiger Brauknecht, besteigt den bereitstehenden Esel, um vor die Tribüne des Rates zu reiten.
„Seht allhier, meine hochgebietenden Herren, den Katzenritter, den Mann, dem das größte Maul eignet. Wollet Eure Gnade an ihm beweisen,“ spricht der Büttel. Der „Ritter“ grinst halb stolz, halb verlegen und niest, weil ihn Katzenhaare im Gaumen kitzeln. Der jüngste Ratsherr schlägt ihm die Pelzkappe vom Kopf und reicht ihm den Ehrensold, und Herr Wulfard Wulflam, der allezeit Splendide, wirft noch eine große Silbermünze hinterdrein.
Als der Katzenritter auf seinem Eselein abgezogen war, erschienen auf hundemageren Kleppern, mit langen Lanzen ausgerüstet, zwei bitter als Hanswurste verkleidet. Der eine war der buckelige Turmwächter Gunter von Sankt Marien, der andere der dicke Stadtpfeifer Gerwin Holtfreter, der wie ein Mehlsack im Sattel saß.
„Platz, Platz für die edlen Ritter! Das Turnier beginnt.“ Dröhnendes Gelächter scholl über den Platz. Die Posse war so recht nach denk Sinn des derben Volkes von der Wasserkante. Alles jubelte, als die beiden grotesken Kämpen die elenden Mähren gegen einander spornten und die schweren Lanzen lächerlich und ungeschickt einlegten. „Von welchem Schindanger habt Ihr die aufgelesen?“ rief man ihnen zu. „Gebt acht beim Absteigen, dass Ihr nicht an den Schenkelknochen hängen bleibt, oder Euch an den Rippen die Beine wundscheuert. Drauf, Peter Gunter! Draus, Gerwin Holtfreter!“
Der dicke Stadtpfeifer hob sich im Sattel und stach nach der Tartsche seines Gegners, als gelte es einen Apfel vom Baum zu stechen. Die Ratsherrn lachten, Wulf Wulflam lächelte überlegen und spöttisch über die bunten närrischen Gesellen; der Kirchherr aber rief laut: „Einen Goldgulden dem, der den andern aus dem Sattel wirft.“
Der Markt war jetzt so voll Getümmel, dass ein Priester, der aus der Külpstraße kam, Mühe hatte, sich an den Häusern entlang zu drücken.
„So ’n lustigen Fastelabend hat's lange nicht gegeben am Sund, Vater Johann,“ redete ihn ein dicker Mann an, der behaglich mit vollen Backen von einer warmen Wurst schmauste.
„Es scheint so. Aber wär’s nicht möglich, dass Ihr mich durchließet, guter Freunde Ein Kranker bedarf meiner.“
Der Dicke zog gefällig den Bauch ein und suchte sich schlank zu machen. „Von Herzen gern, wenn’s geht. Ihr solltet aber noch ein wenig verweilen, Vater Johann. Ein solches Narrenturnier sieht man nicht alle Tage. Ich habe um eine Kanne Wein gewettet, dass der Dicke gewinnt. Wer, meint Ihr, dass siegen wird, der Dickwanst, oder der Gauch mit dem Verdruss auf dem Rücken?“
„Fürwahr, ich weiß es nicht, lasst mich nur durch.“
In der Dämmerung kehrte Pater Johann in die Wedeme, das Wohnhaus der Geistlichen, zurück.
Auf Markt und Gassen lärmte es wie zuvor, oder noch mehr, denn die Zahl der Berauschten hatte sich verdoppelt; auch schien etwas Besonderes geschehen zu sein. Als Pater Johann an einem aufgeregt redenden Menschenhaufen vorüber kam, schrie man es ihm zu. „Der Stadtpfeifer hat den Turmwächter im Lanzenspiel erstochen, und es heißt, der bischöfliche Offizial werde nicht gestatten, dass man ihn in geweihter Erde begrabe, weil er auf unchristliche Weise und ohne Beichte und Absolution zu Tode gekommen sei.“
Pater Johann zuckte zusammen, als habe man ihm einen schlag ins Gesicht gegeben. Wieder sah er in Kord von Bonows Hand die blinkende Münze und hörte ihn rufen: „Einen Goldgulden dem, der den andern aus dem Sattel wirft.“
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Fastnacht! Fastnacht in Stralsund! Die reiche Hansestadt war voll Jubel und Ausgelassenheit. Gleich einer untergehenden Sonne loderte die Lebenslust noch einmal hellauf, ehe sie in die grauen Schleier des Aschermittwoch versank, und das „Hungertuch“ ausgehängt wurde im Chor von Sankt Nikolai. Fastnacht! Heute war erlaubt, was sonst verboten war, heute floss das schwere, nordische Blut leichter, drückte verständige Bedächtigkeit ein Auge zu, oder manchmal auch beide. Wozu hatte man das ganze Jahr in den Werkstätten, beim Fischfang und Schiffsbau gescharwerkt, wenn man nicht einmal die silbernen Schillinge sollte hinauswerfen dürfen wie ein Geschlechterherr? Und hatte man’s getan, so empfand man beileibe keine Reue, im Gegenteil. Einem wurde leicht und beschwingt zumute wie einer Sundmöwe, und man spürte Lust zu neuer Torheit. Ein lieblicher Duft von Gebratenem und Gebackenem schwebte in der Luft. Heute zeigte daheim jede Hausfrau ihre Kunst. Doch war das gleichsam nur ein vorbereitendes Küchlein im Vergleich zu dem, was der Markt bot. Dort standen die Litten der Garbereiter beladen mit schneckenfetten Würsten, mit knusperigen, gebratenen Fischen, „so stief as ’n Doden“, die Tische der Bäcker mit solchen Bergen duftender Wecken, dass man meinte, man sei im Schlaraffenland. In den Trinkstuben aber rann Wein, Bier und Met, drängten sich die Lustigen und die Durstigen an den plumpen Eichentischen, und jeder Wirt hätte sich ein Dutzend Hände wünschen mögen.
„Söben Ellen Boddermelk
Un tein Ellen Klüm,
Un wenn de Schoh versagen sünd
So danzt wi up de Strümp,“
sangen Ehrbare und Leichtsinnige um die Wette.
Indessen saß man heute doch nicht so fest wie sonst. Zu vieles gab es draußen zu sehen, man mußte eilen, um nichts zu versäumen. Es gab Fahrende, die Lieder zur Laute sangen, lustige und bewegliche; wilde Männer, die Frauen und Jungfrauen mit fürchterlichen Gebärden erschreckten und Narren mit Schellenkappe und Pritsche. Fastnacht! Fastnacht! Steil und stolz blickten die hohen Türme von Sankt Nikolai auf das Gekribbel wie Weise, die sich über nichts mehr wundern. Zu vieles hatten sie schon zu ihren Füßen gesehen, denn die Leute am Sund waren ein hartnerviges Geschlecht, das die Geschichte seiner Stadt mit Blut schrieb. Durch die Ossenreyer- und Semlowerstraße, die Knieper- und Külpstraße strömte das Volk zum Markt, und jeder suchte schiebend und drängend möglichst nahe an den „Kaak“ heranzukommen, den Pranger, der am Eingang der Mühlenstraße stand. Heute wartete dort kein Übeltäter auf Halseisen oder Peitsche des Büttels, auch wurden keiner ehrvergessenen Dirne die „Schandpuppen“ angehängt. Eine graue Katze war mit den Hinterbeinen an der Schundsäule befestigt, eine lebende Katze. Sie wand sich und miaute erbärmlich. „Heran alle, die forsche Gesellen sind. Wer die Katze totbeißt wird „Katzenritter“ und bekommt vom Herrn Bürgermeister eine sundische Mark.“
Die silberne Mark ist nicht zu verachten, aber der Kampf mit der Katze ist, obgleich ihr die Vorderpfoten mit Leder umwickelt sind, nicht nach jedermanns Geschmack. Junge Fante sind um ihr glattes Gesicht besorgt; es gibt aber auch deftige Kerle, Schiffer, Lastträger und dergleichen, die das Maul trefflich weit aufreißen können, einen mächtigen Bartwald im Gesicht tragen und sich nicht mal vor dem Satan, geschweige denn vor einer Mieze fürchten.
Vor den Arkaden des Rathauses ist ein Gerüst errichtet, dort schaut, wie es Sitte ist, der ehrsame Rat der Lustbarkeit zu, voran die Bürgermeister, der dunkle hochfahrende Herr Wulfard Wulflam, der greise Arnold von Soest, der dicke Herr Gerd Papenhagen. Neben ihnen der Kirchherr vom Sund, Herr Kord von Bonow. Die Kirche erteilt durch das Erscheinen ihres ersten Geistlichen der Luft des Volkes gewissermaßen ihre Zustimmung. Auch hatte der Junker von einst gewöhnlich heimliche Freude an den derben Späßen, aber heute sah er finster und gereizt aus und gab nur kurze Antworten auf die Anreden der Bürgermeister. Jetzt verneigt sich der Büttel vor den großmächtigen Herren und schwingt seinen Stab, der Spaß kann beginnen. Mann auf Mann tritt heran, sein Heil zu versuchen. Die Katze bäumt sich auf, faucht und schreit, wirft sich angstvoll hin und her, aber die Fesseln an den Hinterpfoten sind zu stark. Sie schnappt, spuckt und beißt, hier und da dringt wohl auch eine Kralle durch das Leder, fährt dem Angreifer ins Gesicht, und der Getroffene flucht bei allen Teufeln. Es ist aber streng verboten, das Tier anders als mit den Zähnen zu berühren. Die Menge lacht, schreit, johlt, fürwahr der köstlichste Spaß des ganzen Fastelabends; aber es ist nicht so einfach, eine Katze totzubeißen und „Katzenritter“ zu werden, und manches Mal ist es überhaupt nicht geglückt. Aber heute glückte es; das Kätzlein ist aller Erdenpein ledig, und der Sieger, ein untersetzter, stämmiger Brauknecht, besteigt den bereitstehenden Esel, um vor die Tribüne des Rates zu reiten.
„Seht allhier, meine hochgebietenden Herren, den Katzenritter, den Mann, dem das größte Maul eignet. Wollet Eure Gnade an ihm beweisen,“ spricht der Büttel. Der „Ritter“ grinst halb stolz, halb verlegen und niest, weil ihn Katzenhaare im Gaumen kitzeln. Der jüngste Ratsherr schlägt ihm die Pelzkappe vom Kopf und reicht ihm den Ehrensold, und Herr Wulfard Wulflam, der allezeit Splendide, wirft noch eine große Silbermünze hinterdrein.
Als der Katzenritter auf seinem Eselein abgezogen war, erschienen auf hundemageren Kleppern, mit langen Lanzen ausgerüstet, zwei bitter als Hanswurste verkleidet. Der eine war der buckelige Turmwächter Gunter von Sankt Marien, der andere der dicke Stadtpfeifer Gerwin Holtfreter, der wie ein Mehlsack im Sattel saß.
„Platz, Platz für die edlen Ritter! Das Turnier beginnt.“ Dröhnendes Gelächter scholl über den Platz. Die Posse war so recht nach denk Sinn des derben Volkes von der Wasserkante. Alles jubelte, als die beiden grotesken Kämpen die elenden Mähren gegen einander spornten und die schweren Lanzen lächerlich und ungeschickt einlegten. „Von welchem Schindanger habt Ihr die aufgelesen?“ rief man ihnen zu. „Gebt acht beim Absteigen, dass Ihr nicht an den Schenkelknochen hängen bleibt, oder Euch an den Rippen die Beine wundscheuert. Drauf, Peter Gunter! Draus, Gerwin Holtfreter!“
Der dicke Stadtpfeifer hob sich im Sattel und stach nach der Tartsche seines Gegners, als gelte es einen Apfel vom Baum zu stechen. Die Ratsherrn lachten, Wulf Wulflam lächelte überlegen und spöttisch über die bunten närrischen Gesellen; der Kirchherr aber rief laut: „Einen Goldgulden dem, der den andern aus dem Sattel wirft.“
Der Markt war jetzt so voll Getümmel, dass ein Priester, der aus der Külpstraße kam, Mühe hatte, sich an den Häusern entlang zu drücken.
„So ’n lustigen Fastelabend hat's lange nicht gegeben am Sund, Vater Johann,“ redete ihn ein dicker Mann an, der behaglich mit vollen Backen von einer warmen Wurst schmauste.
„Es scheint so. Aber wär’s nicht möglich, dass Ihr mich durchließet, guter Freunde Ein Kranker bedarf meiner.“
Der Dicke zog gefällig den Bauch ein und suchte sich schlank zu machen. „Von Herzen gern, wenn’s geht. Ihr solltet aber noch ein wenig verweilen, Vater Johann. Ein solches Narrenturnier sieht man nicht alle Tage. Ich habe um eine Kanne Wein gewettet, dass der Dicke gewinnt. Wer, meint Ihr, dass siegen wird, der Dickwanst, oder der Gauch mit dem Verdruss auf dem Rücken?“
„Fürwahr, ich weiß es nicht, lasst mich nur durch.“
In der Dämmerung kehrte Pater Johann in die Wedeme, das Wohnhaus der Geistlichen, zurück.
Auf Markt und Gassen lärmte es wie zuvor, oder noch mehr, denn die Zahl der Berauschten hatte sich verdoppelt; auch schien etwas Besonderes geschehen zu sein. Als Pater Johann an einem aufgeregt redenden Menschenhaufen vorüber kam, schrie man es ihm zu. „Der Stadtpfeifer hat den Turmwächter im Lanzenspiel erstochen, und es heißt, der bischöfliche Offizial werde nicht gestatten, dass man ihn in geweihter Erde begrabe, weil er auf unchristliche Weise und ohne Beichte und Absolution zu Tode gekommen sei.“
Pater Johann zuckte zusammen, als habe man ihm einen schlag ins Gesicht gegeben. Wieder sah er in Kord von Bonows Hand die blinkende Münze und hörte ihn rufen: „Einen Goldgulden dem, der den andern aus dem Sattel wirft.“