Tabak

Von allen betäubenden Mitteln, die zugleich aufregend wirken, ist wohl keines verbreiteter als Tabak, und wenn man zu der Annahme berechtigt ist, daß die Tabakpflanze sich nur von Amerika aus verbreitet hat, Amerika aber erst seit einigen Jahrhunderten für die übrige Welt erschlossen wurde, so muß man noch mehr staunen. Afrika, dieser compacte Erdtheil, der sich allen Culturbestrebungen bis jetzt verschlossen gezeigt hat, hat die Tabakspflanze bis zu seinem innersten Centrum dringen lassen. Nicht etwa, daß der Tabak, einmal eingeführt, sich selbst den Weg gebahnt hätte, wie gewisse Culturpflanzen und auch Unkraute es thun, indem sie mit unwiderstehlicher Macht von selbst vorwärts dringen, es sind die Menschen, die Eingeborenen dieses Erdtheiles selbst die Träger und Verbreiter dieser Pflanze gewesen. Und es giebt wohl keine Art und Weise, den Tabak zu nehmen, die nicht in Afrika Anwendung fände; hier raucht man, dort wird geschnupft, hier kaut man, dort wird Tabak als medizinisches Heilmittel gebraucht. Ja, Duveyrier[15] behauptet sogar, "daß arabische Frauen, mit elf Jahren verheirathet, Mütter mit zwölf Jahren, mit zwanzig Jahren schon Greisinnen, den Tabak als ein Aphrodisiacum gebrauchen, indem sie sich gewisse Körpertheile mit pulverisirtem Tabak bestreuen".

Von verschiedenen Forschern ist die Frage ausgeworfen worden, ob bei der in Afrika durchgängigen Verbreitung des Tabaks die Pflanze nicht dort, wie in Amerika, ureinheimisch gewesen sein könne. Ich wage hierüber kaum eine Meinung, vielweniger noch eine Entscheidung abzugeben. Am verbreitetsten in Afrika ist jedenfalls der Bauerntabak, Nicotiana rustica; aber auch der virginische Tabak, N. tabacum L., findet sich in Afrika. Schweinfurth fand ihn bei den Monbuttos und im Tell von Algerien wird er durchweg gebaut. Indeß ist es, meine ich, kaum ein Grund, zu glauben, Nicotiana rustica dürfe darum ureinheimisch in Afrika sein, weil einige Völker ein eignes Wort dafür in ihrer Sprache besitzen und nicht eins, welches von "Tabak" abgeleitet sei oder damit in Verbindung stehe; auch für andere Gegenstände, von denen wir bestimmt wissen, daß sie ihnen von Außen zugebracht sind, haben sie oft genug das Originalwort verworfen und dafür ein neues, von ihnen erfundenes oder aus ihrer Sprache entlehntes an die Stelle gesetzt. Sodann kommt noch in Betracht: kann die Nicotiana rustica auf anderem Boden und unter anderen klimatischen Verhältnissen sich in tabacum veredeln oder ist eine Rückbildung von einer zur anderen Seite unmöglich? Verschiedene Tabakbauern haben mir gesagt, daß derartige Beobachtungen gemacht wären.


Am allgemeinsten ist unter den verschiedenen Weisen den Tabak zu nehmen, das Rauchen verbreitet, und wenn es auch Stämme und Völker giebt, die blos schnupfen oder kauen, so giebt es andererseits auch Völker in Afrika, bei denen Männer und Frauen, ohne Ausnahme, der Gewohnheit des Rauchens huldigen. So z.B. die Kadje- und Bussa-Neger, die Tuareg. "Chez les Touareg," sagt Henry Duoeyrier S. 184, "hommes et femmes fument et quoique la fumée du tabac rustique soit très acre, hommes et femmes la rendent par le nez."

Unsere Damen in Europa könnten also an den afrikanischen in dieser Beziehung lernen, denn mit Ausnahme der polnischen Aristokratie rauchen bei den übrigen europäischen Völkern nur die Damen des demi monde.

Während aber wir Europäer zum größten Theile den Tabaksrauch nur in die Mundhöhle einziehen, saugen die afrikanischen Völker den Rauch derart ein, daß die ganze Lunge davon erfüllt wird: der immer mehr oder weniger mit Nicotin geschwängerte Tabak tritt also bei ihnen vermittelst der Lungenbläschen und der Capillarblutgefäße direct ins Blut über. Natürlich folgt daraus, daß bei diesen Leuten ein schneller Rausch eintritt. Dieser Tabaksrausch scheint aber aller angenehmen Eigenschaften zu entbehren, vielmehr nur in einer Art von Bewußtlosigkeit zu bestehen.

Für die allgemeine Verbreitung des Tabaks spricht auch noch der Umstand, daß man in Afrika die einfachsten Gefäße, um den Tabak "rauchen" zu machen, nebst dem raffinirtesten, der Narghile, im Gebrauch hat. Ed. Mohr sagt aus, daß die Matchele-Neger einen Kegel aus Thonerde auf dem Boden formen, oben eine topfartige Höhlung hineindrücken, diese mit Kohlen etwas trocken brennen und siehe da, der Pfeifenkopf ist fertig. Sie füllen Tabakblätter hinein, bohren seitwärts ein Rohr ein, und nachdem nun das Kraut entzündet, kann das Rauchen beginnen. Weit complicirter ist das von Fritsch u.A. beobachtete Rauchen aus Antilopenhörnern, die schon eine rohe und primitive Narghile-Flaschen andeuten. Ganz auf ähnliche Art rauchen Abessinier und Galastämme aus Thonkrügen oder Flaschenkürbissen. Von den Monbutto sagt Dr. Schweinfurth[16]: "Sie rauchen aus einer Pfeife primitivster, aber durchaus praktischer Art, indem sie als Rohr die Mittelrippe eines Bananenblattes verwenden. Die vornehmsten unter ihnen lassen sich indeß von ihren Schmieden ein eisernes Rohr, gleichfalls von den Dimensionen des aus Bananenlaub geschnittenen (etwa fünf Fuß lang), herstellen. Das untere Ende dieses Rohrs ist geschlossen und statt dessen seitlich, kurz vor dem Ende, ein Einschnitt gemacht, in welchen eine mit Tabak gefüllte Düte von Bananenlaub gesteckt wird, die als Pfeifenkopf dient."

Aber wer wollte alle die Arten und Weisen aufzählen, auf welche afrikanische Völker Tabak rauchen. Ich führe nur noch an, daß die an den Ufern des Bénue lebenden Stämme den Tabak aus Thonköpfen rauchen, ähnlich den unsern, und daran haben sie so lange Rohre, daß die Pfeife im Stehen geraucht werden kann. Diese Stämme, namentlich die Bassa-Neger, sind so verpicht auf's Rauchen, daß sie z.B., gehen sie zu Boot, eigens im Schiffe ein Feuer unterhalten, um jederzeit ihre Pfeife wieder anzünden zu können. Die in den Berberstaaten nomadisirenden oder seßhaften Berber und Araber bedienen sich ohne Ausnahme eines Röhrenknochens vom Schafe oder von einer Ziege. In das eine Ende der Knochenröhre wird der Tabak eingestopft und dann direct durchs andere Ende der Dampf eingesogen. Die Städtebewohner Nordafrika's huldigen der Narghile oder den Papiercigaretten. Die eigentliche Cigarre, also das Tabakrauchen unmittelbar, hat bei den Eingeborenen Afrika's bis jetzt wenig Anklang gefunden.

Weniger gebräuchlich ist in Afrika die Sitte des Tabakkauens. Ich selbst beobachtete das Tabakkauen nur bei Tebu und einigen Negerstämmen am Tschad-See. Man nimmt dazu keinen besonders präparirten Tabak, sondern dieselben Blätter, welche Andere auch geraucht haben würden. Aber allgemein ist Brauch, den Saft des zerkauten Tabaks noch dadurch zu verschärfen, daß man Trona (kohlensaures Natron), welches in vielen Theilen Afrika's gefunden wird, hinzusetzt. Besondere Behälter, des Beschreibens werth, um Tabak und Trona aufzubewahren, haben die Eingeborenen nicht; irgend ein alter Lappen oder der Zipfel eines Kleides dient dazu.

Noch weniger gebräuchlich ist das Prisen, es ist gewissermaßen Privilegium vornehmer Eingeborener. Der zu schnupfende Tabak wird äußerst fein gestoßen und sodann mischen die meisten dazu noch ein Achtel kohlensaures Natron. Reiche und angesehene Leute in Marokko erlauben sich heute auch den Gebrauch einer europäischen Schnupftabaks-Dose oder sie haben eine aus Ebenholz gefertigte große Birne, welche den Schnupftabak birgt. Aber in letzterer ist immer nur ein kleines Loch, verschlossen durch einen hölzernen Stöpsel. Und hierbei bemerke ich, daß die frommen mohammedanischen Leute wie bei uns[17] das Rauchen für sündhafter halten, als das Schnupfen. In Marokko rauchen selten die Schriftgelehrten, aber alle schnupfen. Zum Aufbewahren des Schnupftabaks haben die Völker von Mandara eine ausgehöhlte Bohne, Schotensame eines Baumes. Diese Bohnen haben anderthalb bis zwei Zoll Durchmesser, sind aber ganz glatt; durch eine kleine Oeffnung bringt man den Tabak hinein und heraus. Eine sehr beliebte Methode, den Schnupftabak aufzubewahren, ist, ihn in ein Stück Zuckerrohr zu schütten, dessen eines Ende mit einem alten Lappen verschlossen wird.—Afrika hat jedenfalls eine bedeutende Zukunft für den Anbau des Tabaks. Die in Algerien gezogenen Tabakssorten sind vortrefflich, aus Centralafrika von mir mitgebrachte Sorten (auf dem Markte von Kuka gekauft) wurden in Bremen für ausgezeichnet erklärt. Und der Tabak scheint in Afrika überall zu gedeihen, denn selbst in den heißesten Oasen der Sahara findet man Tabaksfelder und jeder Neger zieht in der Regel seinen Tabaksbedarf in seinem eigenen Garten.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Beiträge zur Entdeckung und Erforschung Afrikas