Opium und Haschisch

In Afrika hat Opium nur geringen Anhang gefunden und wahrscheinlich ist dies Betäubungsmittel erst durch die Türken den Eingeborenen dieses Continents mitgetheilt worden. Die Mohnpflanze, dieselbe, wie die bei uns in Europa gezogene, entwickelt bei anderen klimatischen Verhältnissen in Afrika und Asien jene Eigenschaften, gute und böse, die in der Heilkunde so segensreich wirken, aber bei unnützem und übermäßigem Gebrauche sich als eines der bewährtesten Mittel erweisen, ganze Völker der Erde ohne Pulver und Blei von derselben verschwinden zu machen.

Um Opium zu erzielen, bauen die Eingeborenen Afrika's die Mohnpflanze nur in Aegypten und zwar heute, nach Schweinfurth, nur in Oberägypten. Und dem Anbaue des Zuckerrohrs und der Baumwolle wird der Mohn in Aegypten wohl bald ganz weichen müssen. Sodann wird aber auch in Marokko, namentlich in der Oase Tuat dieses Landes, Mohn des Opiums wegen angebaut, aber immer nur der Art, daß der Gewinn des Mohnsamens behufs Oelbereitung die Hauptsache bleibt, indem die Köpfe nur oberflächlich geritzt werden, damit der Samen seiner Hülsung unberaubt zur Reife kommen kann. Man kann deshalb auch sagen, daß der Gebrauch des Opiums sich nur auf die Städtebewohner beschränkt und zwar nur in Nordafrika.


Man raucht den Opium oder man nimmt das Extract in Form von kleinen Stückchen oder Pillen. Aber nicht wie im Orient raucht man Opium allein, indem man ein Stückchen in eine kleine Pfeife bringt, eine Flamme darüber streichen läßt und den heißen Opiumrauch einathmet, sondern man legt das Extract aus eine Narghile und so vermischt man Tabak- und Opium-Narcose. In Aegypten, namentlich in Damiette, sah ich indeß auch Opium allein und direct rauchen.

Das in Marokko verbrauchte Opium darf in den großen Städten nur durch von der Regierung bestellte Leute, die meistens auch den Tabakverkauf haben, verkauft werden. Früher wurde nur ägyptisches Opium verkauft, welches Pilger von ihrer Reise in kleinen, 2-3 Zoll großen Kuchen, die einen Zoll dick waren, mitbrachten. Jetzt wird in Marokko meistens aus Frankreich importirtes Opium, opium crú. d.h. wässeriges Opiumextract, gebraucht, nur in einzelnen Gegenden stellt man selbst Opium her. In Tuat, der großen südlich vom Atlas gelegenen Oase, fand ich die meisten Opiumesser und zwar Leute, die es so weit gebracht hatten, daß sie ohne Opium nicht mehr existiren konnten; in dieser Oase waren auch alle anderen Berauschungsmittel unbekannt. Leider giebt es aber auch in Afrika Europäer genug, die sich dem Opiumgenusse hingeben. Einer der gelehrtesten Männer in Keilschriften war derart dem Opium zugethan, daß er ohne dasselbe zu leben vollkommen unfähig war, er nahm Opium in roher Form und rauchte Tabak, den er in Opiumtinctur gelegt und macerirt hatte. Schon seit Jahren ist er dem Gifte erlegen. Ich selbst hatte unter Opiumgenuß monatelang zu leiden.

Erkrankt in Rhadames an einer blutigen Dyssenterie, hatte ich große Gaben von Opium genommen und konnte ich mich des Gebrauchs nicht entschlagen, da ein Aufhören im Opiumessen oder auch nur ein Vermindern der Gaben gleich wieder heftige Diarrhöen zur Folge hatte, bis plötzlich der Genuß frischer Datteln (die sonst in der Regel gegenteilig wirken) Besserung erzielte.

Keineswegs befand ich mich dabei in einem angenehmen Zustande; allerdings ist das "Bessersein", das Befreitsein von einer lästigen Krankheit schon Etwas, allerdings verspürt man eine Erleichterung, eine Behendigkeit in allen Gliedern, aber angenehme Empfindungen, sensuelle Erregungen traten nie bei mir ein. Es ist ja auch vollkommen constatirt, daß beständiger Opiumgenuß erotisch dämpfend ist. Das Haschen, das Jagen nach Opium hat wohl nur seinen Grund darin, daß es ein gewisses Wohlbehagen, eine körperliche und in Folge davon auch eine geistige Gleichgültigkeit gegen Alles, was Einen umgiebt, mit sich im Gefolge hat.

Viel verbreiteter als Opium ist Haschisch in Afrika. Aber die Angabe v. Bibra's, daß es 300 Millionen Haschischesser auf der Erde überhaupt gebe, möchte ich doch nicht unterschreiben. In Afrika z.B., wo von Marokko jedenfalls das größte Contingent gestellt wird, würde man höchstens sagen können, daß von der ungefähren Bevölkerung dieses Landes, die man auf circa 6,500,000 Seelen rechnen kann, höchstens die Hälfte Haschisch nimmt. Von Westen nach dem Osten nimmt in Afrika der Hanfgenuß ab, ebenso von Norden nach Süden. In Tunis, in Algerien giebt es noch viele Haschischkneipen, weniger schon in Tripolitanien und Aegypten. Schweinfurth fand Hanfesser nur im Delta, doch kommen sie sporadisch auch wohl noch weiter nach dem Süden zu vor. In Fesan baut man Hanf nur an einzelnen Orten, nach Duveyrier besonders in Tragen. Frauen huldigen sehr selten in Afrika dem Hanfe. Im Süden wird nur vereinzelt cannabis indica genommen und ist dort wohl von den Arabern importirt worden, entgegengesetzt der Ansicht von Escayrac de Lauture, der die cannabis indica aus dem Süden stammen lassen will. Hervorgerufen war wohl diese Ansicht dadurch, daß man früher glaubte, die cannabis indica sei unterschieden von der cannabis sativa. Das ist nicht der Fall. Auch hier bringen die topographischen und klimatischen Einflüsse bei derselben Pflanze nur andere und zwar im Süden kräftigere Eigenschaften hervor.

Aber wie die Eigenschaften des Hanfes je mehr und mehr nach Norden an Wirksamkeit zu verlieren scheinen, so scheint auch die Empfänglichkeit für dies Narcoticum im Norden schwieriger vor sich zu gehen, als in einem südlichen Klima[23]. Professor Preyer in Jena konnte mit guten Haschischblättern, die ich frisch und direct von Tripolis hatte kommen lassen, keine besonderen Rauschresultate erzielen; v. Liebig fand in Blättern derselben Sendung keine anderen wirksamen Bestandtheile, als in der cannabis sativa.

Man könnte also fast sagen, um eines vollkommenen Rausches theilhaftig zu werden, muß man in südlichen Ländern gezogenen Hanf in südlichen Ländern nehmen.

Ich habe an anderen Orten meine an mir selbst angestellten Beobachtungen niedergelegt. Und wenn ich diesen im Jahre 1866 angestellten Versuch mit denen vergleiche, die Dr. Lay, Dr. Moreau, v. Bibra, Dr. Baierlacher u. A. vorgenommen, so kann ich nur bestätigen, daß in der Hauptsache meine Empfindungen mit denen der genannten Beobachter übereinstimmen.

Der wirksame Stoff in der cannabis indica ist ein von Gastinel hergestelltes und von ihm Haschischin genanntes Alcaloid von schöner grüner, jedoch nicht von Chlorophyll herrührender Farbe. Genommen wird Hanf in Theeform oder man pulverisirt die getrockneten Blätter und schluckt sie mit Wasser hinab, oder man raucht dieselben, oder sie werden zu einer mit Zucker und Gewürzen verarbeiteten Pastete, "Madjun" genannt, gegessen[24]. Letztere Form findet man nur in den Städten.

Fast in ganz Afrika wird vorzugsweise Hanf geraucht, wenigstens fängt man hiermit an; erst im zweiten Stadium wird Haschisch gegessen. Das Rauchen hat einfach deshalb nicht so großen Erfolg, weil selbst geübte Veteranen im Narghilerauchen es schwer vertragen, den beißenden und ätzenden Dampf durch die Lunge direct mit dem Blute in Berührung zu bringen. Es ist deshalb auch übertrieben, wenn einzelne Reisende berichten, es gebe Hanfraucher, die es bis auf 30 Pfeifen und mehr täglich bringen könnten. Abgesehen davon, daß die Haschischpfeifenköpfe nicht größer sind, als das Viertel eines Fingerhutes einer Dame, so ziehen die auf Hanf erpichtesten Raucher selten mehr als zwei bis drei Züge aus dem Pfeifchen, pausiren sodann lange Zeit oder lassen die Pfeife ausgehen, oder aber, wenn sie reich und großmüthig sind, reichen sie die Pfeife zum Mitrauchen einem Nebensitzenden.

Das wirksame Princip des Hanfes sitzt besonders in den Blättern und den feinsten Stengeln und zwar zu der Zeit, wenn der Same eben reif geworden ist. Im Samen selbst, der stark ölartig ist, scheint Haschischin wenig oder gar nicht enthalten zu sein; die Haschischesser werfen denn auch den Samen fort, wenn sie die Blätter bereiten. In den Ländern Afrika's, die ich durchreist habe, habe ich nie von einem Harz, "Churrus" genannt[25], welches aus den Blättern schwitzt, reden hören, noch habe ich es selbst zu sehen bekommen.

Die Wirkungen des Haschisch lassen sich dahin zusammenfassen, daß im Anfange bei kleinen Dosen die Eßlust stark angeregt wird, während fortgesetzter Gebrauch und große Dosen eine Störung aller Lebensprozesse im Körper bewirken. Wem cannabis indica zur Gewohnheit geworden ist, kann sich davon schwerer entwöhnen, als der Trunkenbold von alkoholartigen Getränken, der Opiophage vom Opium. Auf das Nervensystem wirkt nach den Resultaten der Versuche, die als glaubwürdig vorliegen, das Haschisch so, daß mit einer Erleichterung im "Fühlen alles Körperlichen" (man glaubt zu schweben) eine große momentane Gedächtnißstärke verbunden ist, man erinnert sich an Ereignisse, welche einem seit Jahren nicht mehr ins Gedächtniß gekommen sind. Und auch körperlich scheinen die Gegenstände sich zu vergrößern und zu verlängern: Straßen werden endlos, Häuser scheinen in den Himmel hineinzuragen. Dr. Mornau sagt treffend[26]: "Die Grenzen der Möglichkeit, das Maß des Raumes in der Zeit hören auf, die Secunde ist ein Jahrhundert und mit einem Schritte überschreitet man die Welt;" und weiter sagt derselbe Beobachter: "im Gehen sei ihm eine Straße unendlich verlängert vorgekommen." Ganz dieselben Beobachtungen habe ich auch gemacht.

Es kommen sodann schließlich bei geringstem Anlasse Sinnestäuschungen vor, eine unbemalte Wand erscheint in den schönsten Farben, das Gquieke einer Thür ertönt wie symphonische Concerte und wenn einerseits das Gedächtniß neu belebt erscheint, vergißt man oft bei einem ganz kurzen Redesatze den Anfang desselben, als ob man seit Stunden geredet hätte.

So achtungswerth aber auch die Namen gewisser Reisenden sind, so möchte ich nicht die Ansicht mit vertreten, daß Haschisch eine Wirkung hervorrufen könnte, einen Menschen, wie Treevelgar erzählt, in zehntägige Katalepsie zu versetzen. Dagegen finde ich den von O'Shangnessy[27] mitgetheilen Fall von einer durch Haschisch bewirkten vorübergehenden Katalepsie vollkommen glaubwürdig. Fallen doch fast alle veralteten Hanfesser in eine mehr oder weniger lange anhaltende Starrsucht.

Jedenfalls wird man nicht zu viel sagen, wenn man behauptet, daß die cannabis indica, eines der heftigsten Reizmittel, im Stande ist, nicht nur die herrlichsten Empfindungen, die bezauberndsten Bilder zu schaffen, sondern auch den Menschen gewissermaßen momentan der Erde zu entrücken, aber auch andererseits wegen des Giftes, das darin liegt, eines der gefährlichsten Präparate, das mit unwiderstehlicher Gewalt den Menschen, der sich ihm hingegeben, festhält und nach Kurzem tödtet.




[15] Les Touareg du Nord, p. 185.

[16] Zeitschr. der Gesellsch. für Erdk. VII. Bd. V. Heft.

[17] Papst Urban VIII. erließ 1624 eine Bulle gegen das Tabakschnupfen in den Kirchen, aber trotz dieses unfehlbaren Edicts schnupfen heute fast alle Priester in den Kirchen wie außerhalb.

[18] Europäische Aerzte verordnen übrigens auch nur eine decoctio, keine infusio des Kaffee's

[19] Ausland 1872. S. 948.

[20] Dr. v. Bibra, Narcotische Genußmittel. Nürnberg 1855.

[21] Dr. v. Bibra, Narcotische Genußmittel.

[22] Auch Schweinfurth sagt, er habe auf seiner letzten Reise ein gutes, dem deutschen Biere ähnliches Getränk gefunden.

[23] Globus 1866 und Land und Leute in Afrika, Rüthmann, Bremen 1870

[24] Ich führe hier an, daß wenn Europäer mit Hanf Versuche anstellen wollen, sie sich mit größter Vorsicht dabei des Madjun bedienen mögen, da in der Regel auch Cantharibenpulver dazwischen gemischt ist.

[25] v. Bibra, S. 266.

[26] v. Bibra, S. 272.

[27] v. Bibra, S. 284.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Beiträge zur Entdeckung und Erforschung Afrikas