Die zerrissene Hose

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1903
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Schuhmacher, Schuster, Handwerker, Schneider, Kinderzeit,
Das hätte sich der gute Alte doch nicht träumen lassen, dass er, der ehrsame Schuhmacher, noch einmal dem Schneider ins Handwerk pfuschen würde. Aber in der Welt geht's seltsam zu, und was tut ein guter Mensch nicht aus Mitleid!

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Da hat sich Nachbars August, dieser wilde Schlingel, die Hose gänzlich zerrissen und steht nun heulend vor der Tür, da er sich nicht nach Hause getraut, wo ihn die strenge Mutter nicht gerade freundlich empfangen würde. Der alte Schuster spürt ein menschlich Rühren, er ruft den August herein, heißt ihn, sich über seine Knie zu legen, und beginnt dann mit Schusterzwirn den Schaden auszubessern. Das ist eine Arbeit! Aber während der Alte mühsam Stich an Stich setzt, um eine möglichst unsichtbare Naht herzustellen, kommt ihm die Erinnerung an seine eigene frohe Kinderzeit, in der er selbst über Zäune und Dächer, auf Bäume und Gerüste hat klettern können und dabei manche
Hose zerrissen hat. Ja damals — in der Jugend! Wie lange ist das her, wie weit, wie weit liegt das hinter ihm! Wie traurig, dass der Mensch altern muss! Und des Schusters ernste, nachdenkliche Miene, des wilden August weinerliche Niedergeschlagenheit im Gegensatz zu der lächerlichen Veranlassung macht den Humor des Bildes aus.

Die zerrissene Hose

Die zerrissene Hose