Die mecklenburgische Kolonie zu Waimea in Neuseeland

Auch auf Neuseeland wird Platt gesprochen und Fritz Reuter gelesen
Autor: Redaktion, Revue der Landwirtschaft 1862, Erscheinungsjahr: 1862
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Neuseeland, Lolonie, Mecklenburg, Auswanderer, Bauern, Auswanderung, Mecklenburger
Die dort lebenden Engländer nennen sie the German village. Begründet wurde diese Kolonie im Jahre 1844, als, unter der Leitung der Gebrüder Kelling, eine ganze Gesellschaft von Mecklenburgern, meistens Tagelöhner und Handwerker aus dem Klützer Ort, nach Neuseeland übersiedelte, wo sie sich zu Waimea, 7 englische Meilen von der Stadt Nelson, niederließen. Wie sie damals die Verhältnisse auf jener Insel antrafen, schildern Auszüge aus dem Briefe der Gebrüder Kelling, welche im „Freimüthigen Abendblatt“ 1845 Nr. 1382 mitgeteilt sind.
Neuerdings (im Februar 1862) hat ein seit mehreren Jahren auf Neuseeland lebender Mecklenburger, Herr F. Krull aus Neubrandenburg, die Kolonie besucht. Die Eindrücke, welche dieser davon gewonnen, beschreibt er in einem Briefe an Ernst Boll in Neubrandenburg (Mecklenburger Zeitung Nr. 90.)

„Wir ritten am Sonntag Morgen (den 26. Januar) zeitig von Nelson fort und langten schon um 8 Uhr in W. bei Herrn Feodor Kelling an, unter dessen Leitung die Ansiedelung hier vor 18 Jahren geschah, und der der erste Deutsche war, welcher in das neuseeländische Parlament gewählt worden ist. Seine Frau ist schon tot, seine älteste etwa siebenzehnjährige Tochter führt mit Hilfe einer jüngeren vierzehnjährigen Schwester die Hauswirtschaft, während die beiden Söhne (von 18 und 14 Jahren) dem Vater bei der Arbeit helfen. Mir wurde die freundlichste Aufnahme zu Teil und ich fühlte mich hier sogleich ganz heimisch. Wir besahen die Wiesen, die Kornfelder, das Dorf — welches letztere ein durchaus mecklenburgisches Gepräge an sich trägt, ganz abweichend von den englischen ländlichen Niederlassungen; nur eins vermisste ich, nämlich das — Storchnest auf der großen Scheune! Nach der Mittagsmahlzeit ritten wir zu den verschiedenen Stammfamilien, deren Kinder und Kindeskinder durch Wechselheiraten alle mit einander verwandt geworden waren und eine bedeutende Gemeinde von etwa 400 Köpfen bilden; alle sprechen plattdeutsch und nur wenige sind der englischen Sprache mächtig. — Ich weiß kaum zu sagen, mit welcher Freude ich überall von diesen Leuten aufgenommen bin. Im Innern dieser Häuser sieht es gerade eben so aus, wie dies bei uns in Mecklenburg der Fall ist, nur dass hier mehr Wohlstand herrscht: die grellen Bilderbogen, die Leidensgeschichte Christi, Hochzeit- und Mordszenen darstellend, hängen uneingerahmt an der Wand, die Schwarzwälder Uhr neben dem Ofen, der große Lehnstuhl steht im Winkel und die Gardinenbettstelle nimmt einen bedeutenden Raum an der Wand ein.

Zuerst besuchten wir das Siggelkowsche Ehepaar, eins der ältesten, welches sieben verheiratete Kinder hat, von denen einige mit den Enkeln bei den Großeltern zum Besuche waren. Hier mußten wir Kaffee trinken und „Stuten“ dazu essen, da wir aber noch vier andere Besuche abzustatten hatten, ermahnte mich Kelling, meinen Magen darnach einzurichten, da wir, wenn wir die Leute nicht kränken wollten, überall etwas genießen müssten. Diese Leute waren alle durch und durch Mecklenburger in ihren Sitten und Lebensgewohnheiten geblieben, — ich könnte Euch noch viel davon erzählen, wenn mich dies nicht zu weit ab führte. Ihr hättet z. B. nur sehen sollen, mit welcher zufriedenen Miene mir

„Mutting den Kaffee in de beste Tass geten dehr, dat se man so owerschwemmt, un Fieken den witten Zucker for den mecklenbörger Herrn ruterhalen müßt, dat he doch sege, dat se den ok hadden; un wo he den fetten Rohm pröwen müsst un den Stuten, den Krögersch ehr von de Kindelbier uphägt hadde.“

Ehe ich wegging, nahm mich Mutting Siggelkowsch noch bei der Hand, um mir ihren Reichtum zu zeigen und führte mich durch die reinliche, mit blankem Geschirre wohl versehene Küche zu der Speisekammer, wo die Würste, Schinken und Speckseiten alle hingen und auf den Borten Satten mit Milch standen und in einem Kübelchen mit frischem Wasser etwa 8 bis 10 Pfund frischer Butter lagen, die ich natürlich auch kosten mußte. Darauf rief sie ihre Hühner, Enten und Truthähne, die auf den Ruf der wohlbekannten Stimme alle herbeieilten, dann ging es zu den Schweinen, Kühen und Pferden, und endlich zu der Scheune, von deren Bodenfenster aus mir die vollen Kornfelder gezeigt wurden. Endlich wieder ins Zimmer zurückgekehrt, musste einer der Enkel den großen Schlüssel zum Koffer holen, was ein großes Freudengeschrei unter der kleinen Schar hervorrief; der Deckel wurde aufgeschlossen und mit unaussprechlichem Stolze und Freude auf dem Gesichte entfaltete Mutting Siggelkowsch ihr „Linnen.“ Auf diesen Besitz schien sie sich am meisten zu Gute zu tun und sie begann eine lange Rede, deren kurzer Inhalt der war, dass sie ebenso reich seien, wie ein mecklenburgischer Gutsbesitzer, nicht zu Fuße zu gehen brauchten, sondern reiten könnten, und dabei fiel ihr ein, dass ich die beiden „Swarten“ noch nicht gesehen, worauf „Koarl“ sogleich abgeschickt wurde, um diese beiden Pferde zu holen. Inzwischen hatte sich das Gerücht, dass ein Mecklenburger angelangt sei, bei den Nachbarn verbreitet, und nun kamen die „Nawerschen“ mit den Ihrigen, um mich auch zu begrüßen.

Darauf machten wir noch Besuche bei den vier Patriarchenfamilien Schröder, Windelborn, Fanselow und Lange, wo es auch an echt deutschem Sinne nicht fehlte. Alle gedenken zwar mit Liebe der mecklenburgischen Heimat, — zurück, in dieselbe aber möchte keiner, und der alte Schröder sagte mir:

„un wenn dar ok twintig Pferd’ vör den Wagen spannt wieren, de süllen my nich na Mecklenborg torüg trecken.“

Jedem geht es gut. Jeder, der arbeiten mag, hat nicht allein sein täglich Brod, sondern kann sich binnen wenigen Jahren seinen, eigenen Herd gründen und wird ein wohlhabender Mann. Diese Leute waren im Jahr 1844 hierher ausgewandert auf Betrieb des Grafen Kuno v. Rantzau-Breitenburg, dessen Gemahlin das Fideikommiss Neu-Bothmer bei Klütz gehörte. Er verkaufte ihnen das Land, welches er von der neuseeländischen Compagnie erstanden hatte und welches aus 7 Allotments oder Sektionen, jede zu einem Kaufpreise von 300 Lstrl., bestand. Die Sektion umfasste 150 engl. Morgen, welche entfernter von der Küste lagen, 50 Morgen im Waimeathale und 1 Morgen in der damals im Entstehen begriffenen Stadt Nelson. Fast Alle haben ihren entlegeneren Landsitz veräußert und sich auf den im Waimeathale belegenen beschränkt; törichter Weise haben sie aber auch ihre Stadtäcker verkauft, welche jetzt schon so sehr im Preist gestiegen sind, dass kürzlich für einen solchen 2.000 Lstrl. (?) bezahlt worden sind. — Feodor Kellings Bruder Carl habe ich nicht gesehen, denn sein Wohnsitz ist noch etwa 10 engl. M. weiter entfernt, und es fehlte mir an Zeit, mich dorthin zu begeben.

In Auckland traf ich bei C. Petschler (einem dort schon seit mehreren Jahren als Kaufmann etablierten Neubrandenburger), eine kleine Bibliothek, worin auch eine ganze Reihe mecklenburgischer Staatskalender und Fritz Reuters Gedichte, welche auch in Wellington unter den dortigen Mecklenburgern sehr verbreitet sind; als ich Letzteren sagte, dass ich den Verfasser persönlich kennte, riefen sie:

„wo is dat mögelick, — grüßen's den Herrn ok gar to veel mal!“ — was hiermit bestens geschehen sein soll!“

Neuseeland Karte

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Mount Tasman Glettscher

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