Die heidnische Burg Malchow.

Aus: Die Urgeschichte des Ortes Malchow
Autor: Lisch, Georg Christian Friedrich (1801 Strelitz - 1883 Schwerin) Prähistoriker, mecklenburgischer Altertumsforscher, Archivar, Konservator, Bibliothekar, Redakteur, Heraldiker und Publizist (Freimaurer), Erscheinungsjahr: 1867
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern,
Auf dem Südufer des „Malchowschen Wassers“ der Elde, in gerader Richtung östlich ungefähr eine Viertelstunde von dem Kloster entfernt und von hier klar sichtbar, der Stadt schräge gegenüber, auf einem niedrigen Vorsprunge der jetzigen Laschendorfer Feldmark gegen den Flesen-See, steht am Wasser ein großer heidnischer Burgwall, welcher noch ziemlich gut erhalten ist und zu den größten Burgwällen der letzten Heidenzeit im Lande gehört. Er hat durchaus alle Eigentümlichkeiten der Burgwälle der letzten Wendenzeit, und ist von mir schon im Jahr 1842 *) und von dem Literaten L. Fromm wieder im Jahr 1865 **) untersucht.

*) Vgl. Lisch in Jahrbüchern VIII, S. 133.
**) Vgl. Fromm im Archiv für Landeskunde, 1865, S. 149 flgd.


Dieser Vorsprung der Laschendorfer Feldmark ist flach und niedrig, nirgends über 6 Fuß höher als der Spiegel des Sees, jetzt nicht mehr sumpfig, sondern schon trockene Wiese, jedoch an einigen Stellen noch feucht, und wird östlich von dem niedrigen Laschendorfer Höhenzug, auch von Erlenholz begrenzt. Gegen Norden erstreckt sich die Niederung bis zum Fleesen-See und wird hier die „Gröning“ genannt. Am nördlichen Ufer steht die Laschendorfer Ziegelei, am westlichen Ufer liegen die Tongruben der Malchowschen Töpfer, beide in der Tiefe.

In dieser Niederung, in einer Lage, welche die Ufer und die Gewässer beherrscht, steht nun der große, künstlich aufgeschüttete Burgwall. Der „Burgwall“ bildet ein längliches Rechteck, dessen Längenaxe von Süden nach Norden geht, und hat steile Abfälle und oben auf dem Rande einen Ringwall. Der obere, innere Raum dieses aufgetragenen Hügels ist 23 Fuß hoch über der Niederung und wenigstens 80 Schritte lang und wird beackert; jedoch stehen auf dem Plateau mehrere Eichen. Der Ringwall erhebt sich 3 bis 4 Fuß über den inneren Burgraum und senkt sich allmählich nach dem Inneren hin, so dass die ganze innere Fläche nur schwach muldenförmig erscheint. Der ganze Ringwall und die äußeren Abhänge sind mit Bäumen und Gesträuch, namentlich mit Weißdorn, bewachsen. Nach der Ansicht der Bewohner soll sich die innere Fläche nach und nach vertiefen, weil die Sage geht, dass im Inneren des Berges Höhlungen seien. Die allmähliche Veränderung der Oberfläche wird sich jedoch wohl dem Ackerbau zuschreiben lassen, welcher schon die Ringwälle der meisten Burgwälle im Lande geebnet hat.

Dieser Burgwall gehört nun nicht allein nach einer Lage und nach einem Bau in die letzte Wendenzeit, sondern auch nach den dort gefundenen Altertümern. Ich konnte im Jahr 1842 keine finden, da die Burgfläche mit Getreide bestellt war; aber der Literat Fromm hat im Jahre 1865 nicht nur Tierknochen und Kohlen, sondern auch Gefäßscherben gefunden, welche noch nach heidnischer Weise bereitet sind und dieselben Verzierungen tragen, welche die Scherben auf den gleichzeitig untergegangenen Burgen Mecklenburg, Werle, Ilow und vielen andern kennzeichnen. Die letzten Ereignisse auf der Burg Malchow werden also in die letzte Heidenzeit fallen.

Südlich vor diesem Burgwall, nach dem Lande und dem Kloster hin, haben Fromm und ich *), unabhängig von einander, einige nur sehr wenig erhöhte und trockene Plätze erkennen können, welche bei andern Burgen für die Wohnplätze der großen Menge der Bevölkerung gehalten und mit dem häufig vorkommenden Namen Wiek belegt werden, z. B. vor Rostock und Werle. Wenn die Burgen auf den hohen Burgwällen zerstört waren, blieben doch oft die Wieken noch lange Zeit bewohnt, wie z. B. noch heute vor Rostock.

Diese Vorburg des Burgwalles Malchow hat ohne Zweifel auch wohl den Namen Wiek geführt. Als der Fürst Nicolaus von Werle am 30. Juni 1287 **) zu Malchow der Stadt Malchow das Eigentum eines angekauften Gewässers verlieh, war unter den letzten Zeugen auch ein Marquard von der Wik (Marquardus de Wic“); die letzten Zeugen dieser Urkunde sind aber ohne Zweifel Bürger oder Ratmänner der Stadt Malchow, da sich unter denselben auch Nicolaus Becker („Nicolaus Pistor“) befindet, welcher im Anfange des 14. Jahrhunderts in den Klosterurkunden wiederholt genannt wird, und am Ende noch Johann Herders („Johannes Herderi“) vorkommt, nach dessen mutmaßlichem Vater Herder („Herderus“) 1284 (vgl. Meklb. Urk. B. III, Nr. 1758) und 1292 (vgl. Nr. 2162) ohne Zweifel, die im 14. Jahrhundert oft genannte „Herdersmühle“ beim Kloster Malchow benannt ist. Im Jahre 1292 verkauften die Brüder Herder und Marquard die Tibboldsmühle (jetzt Vormühle) an Marquard von der Wik („Marquardo de Wic“) (vgl. U. B. III, Nr. 2162), welcher auch am 19. Mai 1293 zu Röbel und 23. Febr. 1294 zu Grüssow als Zeuge auftrat („Marquardus de Wic und de Vico“; vgl. Urk. B. III, Nr. 2226 und 228 **) Am 19. Mai 1293 wird Marquard von der Wik gradezu Bürger in Malchow genannt. Auch lag „nahe bei“ und „vor“ dem Kloster ein Hof Wiksol, d. h. Wiekteich, welcher in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts an das Kloster überging und sicher von der Wiek den Namen trug.

*) Vgl. Lich in Jahrb. a. a. O.
**) Vgl. Mecklenb. Urk. B, III, Nr. 1914.


Und dieser Burgwall, der den großen Übergang zwischen den großen Gewässern schützte, war der Schauplatz großer Begebenheiten zur Zeit des Unterganges des Heidentums in unserem Vaterlande.

Wahrscheinlich nahm schon der pommersche Apostel Bischof Otto von Bamberg auf seiner zweiten Missionsreise nach Pommern im Jahr 1128 diesen Weg, als er durch das Land Müritz dahin zog, von hier über Demmin.

Mit mehr Sicherheit lassen sich aber die Heerzüge der Sachsen gegen die mecklenburgischen Wenden erkennen.

Als am Peter- und Pauls-Tage (Juni 29) 1147 der erste große Kreuzzug *) gegen die heidnischen Wenden unter der Führung vieler Fürsten und Bischöfe unternommen ward, teilte sich das gewaltige Heer der Christen gegen das kleine Mecklenburg in drei große Abteilungen. Die Magdeburger Annalen **), die ausführliche Hauptquelle für diese große Begebenheit, berichten, dass der Herzog Heinrich der Löwe von Sachsen von Westen her mit 40.000 Mann, der König von Dänemark von Norden her mit 100.000 Mann, der Markgraf von Brandenburg von Süden her mit 60.000 Mann das Land angegriffen und verwüstet haben. Ohne Zweifel waren es die Brandenburger und andere im Süden wohnende Christen, welche von Süden her über Malchow, das allein als wichtiger Ort genannt wird, einbrachen und diese Feste abbrannten. Die Magdeburger Annalen erzählen: „Es vereinigten sich der Markgraf Conrad, „der Markgraf Adalbert mit vielen Grafen und gerüsteten Kriegern, 60.000 an der Zahl. – – Diese alle rückten mit außerordentlicher Ausrüstung und Zufuhr und mit wunderbarer Hingebung an verschiedenen Stellen in das Heidenland, und vor ihrem Anblick erzitterte das ganze Land, in welchem sie auf ihrem Zuge drei Monate lang alles verwüsteten; die Städte und Dörfer steckten sie in Brand, auch verbrannten sie das Heiligtum mit den Götzenbildern, welches vor der Stadt Malchow war, mit der Stadt selbst“.

*) Vgl. Wigger in Jahrb. XXVIII, S. 54 flgd.
**) Annales Magdeburgenses in Pertz Mon. Germ. Hist. Script. XVI., p. 188.


Für Malchow ist diese Nachricht auch dadurch äußerst wichtig, dass sie die seltene Kunde von einem Tempel bei der Burg gibt.

Das Wendenvolk war zwar gebeugt **), jedoch nicht vernichtet; die leichten Gebäude auf den Burgen konnten zwar abgebrannt, die Burgwälle aber nicht so leicht abgetragen werden. Malchow behielt noch eine Wichtigkeit und ward wieder aufgebaut. Als in einem neuen Kriege Heinrichs des Löwen im Jahr 1160 der letzte Hort der Wenden, König Niclot, gefallen war, setzte der Herzog auf die Burgen des Landes sächsische Vögte: auf „Cuscin“ (d. i. Quetzin) bei Plau den Ludolf Vogt von Braunschweig, auf Malchow den Ludolf von Peine, auf Schwerin und Ilow den Gunzelin von Hagen.

Trotz der ununterbrochenen Unruhen behielt Herzog Heinrich jedoch die Festen bis in das Jahr 1164, und unter diesen auch Malchow ***).

Doch war der Friede nicht dauernd. Niclots Sohn Pribislav hatte sich mit einem kleinen Teil seiner Erblande begnügen, sein Bruder Wartislav sich 1163 zur Sicherung des Friedens in Braunschweigische Gefangenschaft begeben müssen. In dieser drückenden Lage brach Pribislav, vorzüglich durch einen Bruder Wartislav angestachelt, im Jahr 1164 wieder los und erhob die Fahne der Empörung gegen Heinrich den Löwen, um das verhasste Joch abzuschütteln. Pribislav schien Anfangs auch Glück zu haben. Er nahm die Burg Mecklenburg wieder ein und gewann die Burgen Malchow ****) und Quetzin durch Ergebung und Abzug der Besatzung.

Als Heinrich der Löwe seine Macht gefährdet sah, rüstete er eilig wieder ein Heer, verstärkte sich nach Kräften, namentlich durch den Grafen Adolf von Holstein, sicherte erst die Burg Schwerin und zog dann gegen Malchow, wo er sich mit dem Grafen Adolf vereinigte. Hier ließ er sich aus Rache hinreißen, dass er den gefangenen Fürsten Wartislav, den Bruder Pribislavs, bei der Stadt Malchow aufhängen ließ.

Heinrich wird die Burg Malchow gewonnen haben, wenn es auch nicht ausdrücklich gesagt wird, denn Helmold berichtet, dass er mit seiner Begleitung dort verweilt habe **). Da sich aber die Macht der Wenden auf der Burg Demmin versammelt hatte, so sandte er gleich den Grafen Adolf mit den übrigen Edlen voraus und rückte selbst mit dem Rest des Heeres nach einigen Tagen nach. Bei Verchen bei Demmin kam es am 5. oder 6. Juli 1164 zur blutigen Schlacht, in welcher nach heißem Kampfe die Wenden besiegt wurden. Durch diese Schlacht war die Kraft der Wenden im Wesentlichen gebrochen, wenn auch noch kleine Gefechte stattfanden, und die Friedensbestrebungen fingen an mehr Platz zu gewinnen.

Hiermit verschwindet die wichtige Burg Malchow, welche so oft Schauplatz bedeutender Begebenheiten gewesen war, aus der Geschichte. Wenn sie auch in den nächsten Zeiten, nach Herstellung des Friedens, noch von fürstlichen Burgmännern bewohnt gewesen sein mag, so fanden doch die Ortschaften nach sächsischer Verfassung mehr Beifall. Und so ward auch der Burgwall von Malchow oder Laschendorf gewiss bald verlassen und blieb als geschichtliches Denkmal wüst liegen bis auf die neuesten Zeiten.

*) Vgl. Annales Magdeburgenses a. a. O. Die Handschrift hat Malchon, was ohne Zweifel durch Malchou, wie in alter Zeit der Ort auch oft geschrieben wird, zu erklären ist. Pertz ändert „Malchon“ willkürlich in „Malchim“ (Malchin), wozu weder äußere Veranlassung, noch ein innerer Grund vorhanden ist.
**) Beim Durchstich der Chaussee nach Röbel bei den ersten Klostergebäuden wurden außerordentlich viele Menschenknochen gefunden, welche vielleicht aus den letzten Kriegen gegen die Wenden stammen. Mitteilung des Herrn Küchenmeisters Engel zu Malchow.


Am nördlichen Ufer des Wassers, dem Burgwall gegenüber, soll auch eine Erhöhung liegen, welche von Einigen die „Trossenburg“ oder Trotzenburg genannt wird;“ jedoch heißt die natürliche Erhebung der „Trostberg“ *).

Der Burgwall von Laschendorf hat jetzt verschiedene Namen. Im Munde des Landvolks der Umgegend wird er „Borgwall“ genannt. Die Bewohner der Stadt Malchow nennen ihn gewöhnlich „Wiwerbarg“, d. h. Weiberberg, und leiten diesen Namen von einer Sage **) her, welche noch auf heidnischen Ursprung deutet. „In diesem Berge sollen die „Mönken“ oder Unterirdischen wohnen, die als kleine hässliche Weiber gedacht werden, welche oft Nachts nach der Stadt Malchow sein und hier in den Häusern gebraut und gebacken, auch getanzt und sich vergnügt haben sollen“. Außerdem werden jetzt noch zwei andere Namen des Burgwalls gehört: Pritzburg, weil hier ein Pritzbur mit dem Fürsten Wartislav 1164 zugleich erhängt sein soll, und Werleburg, weil die Burg den Fürsten von Werle gehört habe. Von diesen beiden Namen wird weiter unten in dem Abschnitt über die Burgmänner von Malchow die Rede sein.

*) Nach der Mitteilung des Herrn Bürgermeisters Rettberg
**) Nach Fromm im Archiv für Landeskunde a. a. O.

Lisch, Georg Christian Friedrich (1801-1883) mecklenburgischer, Archivar, Altertumsforscher, Bibliothekar, Redakteur, Publizist

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Heinrich der Löwe (4) - aus Simrock: "Die deutschen Volksbücher" 1845

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