Die bürgerlichen Gutsbesitzer Mecklenburgs
Aus: Geschichte der deutschen Höfe seit der Reformation. Die kleinen deutsche Höfe, 37. Band
Autor: Vehse, Karl Eduard (1802-1870) deutscher Geschichtsschreiber, Erscheinungsjahr: 1856
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburger-Vorpommern, Landesgeschichte, Adel, Ritterschaft, Gutsbesitzer,
An die Spitze der zahlreichen bürgerlichen Gutsbesitzer trat seit dem Jahre 1838 ein um Mecklenburg sehr verdienter Mann, ein eben so tüchtiger Charakter, als tüchtiger Landwirt: der 1843 verstorbene Gutsbesitzer Pogge auf Zierstorf, der patriotische Stifter der mecklenburgischen Bauernversammlungen. Er interessierte sich energisch für Gleichstellung der bürgerlichen Gutsbesitzer mit den adeligen auf den Landtagen, sobald ihm dieses Interesse nahe gerückt war. Es war das durch einen reinen Zufall geschehen: ein Mitglied vom eingeborenen Adel hatte ihn einer ganz speziellen Abstimmung halber einberufen. Pogge beschrieb die sonderbare Gestalt des mecklenburgischen Landtags, welchen er damals besuchte, mit folgenden Worten*): „Ich war sehr verwundert über Dinge verhandeln zu sehen, die nicht im großherzoglichen Landtagsausschreiben erwähnt und mir bis dahin unbekannt gewesen, die bloß dem Engeren Ausschuss intimiert waren und die wichtigsten Angelegenheiten betrafen. Bei den Verhandlungen über Klosterangelegenheiten hieß es: „Damit haben Sie nichts zu tun!" Des Adels Taktik war den Nichtadeligen den Besuch des Landtags möglichst zu verleiden, um ungestört allein schalten zu können."
*) Lüders Mecklenburgs eingeborner Adel Heft 20, Leite 20 Note.
Dieser Besuch des Landtags von 1838 machte Pogge zum eifrigen Landstand und er befeuerte seine bürgerlichen Kollegen zu gleichem Eifer: seit 1838 stieg die Zahl der bürgerlichen Landtagsbesucher bedeutend. Das Eis war jetzt gebrochen. Auf dem Landtage von 1843 bereits mussten die adeligen Ritter ihr prätendiertes Vorrecht, allein ritterschaftliche Deputierte in den Engeren Ausschuss wählen zu dürfen, aufgeben und im Jahre 1846 wurden zuerst zwei erledigte Deputiertenstellen an Bürgerliche überwiesen. Auf dem Landtage von 1845, wo 400 Ritter in Person versammelt waren, trugen die bürgerlichen Ritter schon fast bei allen Abstimmungen den Sieg davon, nur bei den Klosterangelegenheiten, weil es sich hier um den am stärksten sinnlich greifbaren materiellen Vorteil handelte, bezeigten die adeligen Ritter fort und fort die zähste Widerhaarigkeit und warfen zuletzt alle von Bürgerlichen für Klosterzwecke übergebenen Stimmzettel unter den Tisch oder schoben sie unter das Sandfass. Die beiden Vorkämpfer der bürgerlichen Ritter nach Pogges Tode, Stever auf Wustrow und Dr. Schnelle auf Buchholz, erhielten Adressen und Festessen. Glasbrenner schrieb damals bei Übersendung seines „Neuen Reinecke Fuchs" an Schnelle: „Schnelle war notwendig, um Mecklenburg in die Gegenwart zu versetzen."
Dennoch fehlte sehr viel, dass die bürgerlichen Ritter ihre Sache durchsetzten! es fehlte ihnen größtenteils die Intelligenz und auch die Entschiedenheit und Entschlossenheit des Adels. Viele wollten Rücksichten genommen haben, Verhältnisse nicht unzart berührt wissen, welche der Adel nicht gern berührt wissen wollte. Es waren das die gutherzigen, sich echt deutsch-bürgerlich selbst dem Adel unterordnenden bürgerlichen Ritter, welche sehr viel auf den freundnachbarlichen Umgang, mit dem sie der Adel beehrte, gaben, und welche dieser Ehre, zur Gesellschaft des Adels gezogen zu werden, mit ihm ein Spiel zu machen, nicht durch Undankbarkeit verlustig gehen wollten. Den bürgerlichen Rittern blieben bis auf die neueste Zeit ihre ihnen doch ausdrücklich durch landesherrliche Verleihung mit ihren Rittergütern überlassenen Rechte und Vorzüge bestritten — bis auf das gleiche Uniform- und Degentragen herunter. Als der Sturm von 1848 einbrach, fanden sich beide Ritterkorps in schärfster Abneigung gegen einander. Nicht viel anders steht das Verhältnis noch nach dem Verbrausen des Sturms heut zu Tage.
Paul Friedrich tat redlich und wohlmeinend, was er tun konnte: er nahm, trotz des Widerstands des Adels, die von Pogge-Zierstorf im patriotischen Vereine angeregten Bauernversammlungen, ihren Zweck und Nutzen klar erkennend, so kräftig in Schutz, dass der Widerstand verstummte; er ließ sich von der vornehmen Geringschätzung, mit der der Adel von diesen Bauernversammlungen, als „einem elenden Waldstamm, auf den man ein Edelreis setzen wolle", sprach, gar nicht beirren, er wies die Behörden ausdrücklich an diese Versammlungen tunlichst zu unterstützen. Dem edeln Pogge rannen, als er zu Doberan über die Hebung des Bauernstandes sprach, vor Rührung die Tränen über die Wangen: die adeligen Ritter rümpften die Nasen, spotteten und medisierten. Noch schlimmer, als der Adel, bezeigten sich aber bei dieser Gelegenheit nicht nur, sondern überhaupt die bürgerlichen Gutsbesitzer und Pächter, die reich gewordenen Parvenüs, die Kornjuden. „Als Pogge-Zierstorf, ein mecklenburgischer Gutsbesitzer, aber nicht vom gewöhnlichen Kaliber in der Versammlung der Land- und Forstwirte zu Doberan den Vorschlag zur geistigen Erhebung des Bauernstandes machte, war es interessant, die langen verlegenen verblüfften Gesichter der mecklenburgischen Gutsbesitzer und Pächter in der Versammlung zu studieren, höchst lehrreich aber nachher auf dem Kampe die von abgeschmacktem, borniertem Hochmut zeugenden Bemerkungen zu hören. „Ob sie mit den Bauern aus einem Glase trinken sollten?" fragten sich die Pächter entrüstet; „nein, Ständeunterschied muss sein und bleiben; jeder bleibe bei seinem Stande", war der Refrain" *). Paul Friedrich suchte bei einem dieser hochmütigen bürgerlichen Gutsbesitzer die mangelnde Humanität durch ein ernstes Exempel der Wiedervergeltung, das er an ihm statuierte, zu erwecken. Ein armer Kätner war zweimal in der Ernte vergebens in sein Gericht, wohin er bestellt worden war, gegangen und zum dritten Termine beordert worden, er lief endlich in seiner Ungeduld nach Schwerin und klagte beim Großherzog persönlich. Dieser zitierte den Gerichtsherrn an den Hof, ließ ihn drei Tage lang vergebens antichambrieren und notifizierte dem nicht wenig Betroffenen beim endlich am dritten Tage gewährten Eintritt in sein Kabinett, dass er ihn mit Fleiß habe warten lassen, um ihm fühlen zu lassen, wie das tue.
*) Lüders Mecklenburgs eingeborner Adel Heft 20, Leite 20 Note.
Dieser Besuch des Landtags von 1838 machte Pogge zum eifrigen Landstand und er befeuerte seine bürgerlichen Kollegen zu gleichem Eifer: seit 1838 stieg die Zahl der bürgerlichen Landtagsbesucher bedeutend. Das Eis war jetzt gebrochen. Auf dem Landtage von 1843 bereits mussten die adeligen Ritter ihr prätendiertes Vorrecht, allein ritterschaftliche Deputierte in den Engeren Ausschuss wählen zu dürfen, aufgeben und im Jahre 1846 wurden zuerst zwei erledigte Deputiertenstellen an Bürgerliche überwiesen. Auf dem Landtage von 1845, wo 400 Ritter in Person versammelt waren, trugen die bürgerlichen Ritter schon fast bei allen Abstimmungen den Sieg davon, nur bei den Klosterangelegenheiten, weil es sich hier um den am stärksten sinnlich greifbaren materiellen Vorteil handelte, bezeigten die adeligen Ritter fort und fort die zähste Widerhaarigkeit und warfen zuletzt alle von Bürgerlichen für Klosterzwecke übergebenen Stimmzettel unter den Tisch oder schoben sie unter das Sandfass. Die beiden Vorkämpfer der bürgerlichen Ritter nach Pogges Tode, Stever auf Wustrow und Dr. Schnelle auf Buchholz, erhielten Adressen und Festessen. Glasbrenner schrieb damals bei Übersendung seines „Neuen Reinecke Fuchs" an Schnelle: „Schnelle war notwendig, um Mecklenburg in die Gegenwart zu versetzen."
Dennoch fehlte sehr viel, dass die bürgerlichen Ritter ihre Sache durchsetzten! es fehlte ihnen größtenteils die Intelligenz und auch die Entschiedenheit und Entschlossenheit des Adels. Viele wollten Rücksichten genommen haben, Verhältnisse nicht unzart berührt wissen, welche der Adel nicht gern berührt wissen wollte. Es waren das die gutherzigen, sich echt deutsch-bürgerlich selbst dem Adel unterordnenden bürgerlichen Ritter, welche sehr viel auf den freundnachbarlichen Umgang, mit dem sie der Adel beehrte, gaben, und welche dieser Ehre, zur Gesellschaft des Adels gezogen zu werden, mit ihm ein Spiel zu machen, nicht durch Undankbarkeit verlustig gehen wollten. Den bürgerlichen Rittern blieben bis auf die neueste Zeit ihre ihnen doch ausdrücklich durch landesherrliche Verleihung mit ihren Rittergütern überlassenen Rechte und Vorzüge bestritten — bis auf das gleiche Uniform- und Degentragen herunter. Als der Sturm von 1848 einbrach, fanden sich beide Ritterkorps in schärfster Abneigung gegen einander. Nicht viel anders steht das Verhältnis noch nach dem Verbrausen des Sturms heut zu Tage.
Paul Friedrich tat redlich und wohlmeinend, was er tun konnte: er nahm, trotz des Widerstands des Adels, die von Pogge-Zierstorf im patriotischen Vereine angeregten Bauernversammlungen, ihren Zweck und Nutzen klar erkennend, so kräftig in Schutz, dass der Widerstand verstummte; er ließ sich von der vornehmen Geringschätzung, mit der der Adel von diesen Bauernversammlungen, als „einem elenden Waldstamm, auf den man ein Edelreis setzen wolle", sprach, gar nicht beirren, er wies die Behörden ausdrücklich an diese Versammlungen tunlichst zu unterstützen. Dem edeln Pogge rannen, als er zu Doberan über die Hebung des Bauernstandes sprach, vor Rührung die Tränen über die Wangen: die adeligen Ritter rümpften die Nasen, spotteten und medisierten. Noch schlimmer, als der Adel, bezeigten sich aber bei dieser Gelegenheit nicht nur, sondern überhaupt die bürgerlichen Gutsbesitzer und Pächter, die reich gewordenen Parvenüs, die Kornjuden. „Als Pogge-Zierstorf, ein mecklenburgischer Gutsbesitzer, aber nicht vom gewöhnlichen Kaliber in der Versammlung der Land- und Forstwirte zu Doberan den Vorschlag zur geistigen Erhebung des Bauernstandes machte, war es interessant, die langen verlegenen verblüfften Gesichter der mecklenburgischen Gutsbesitzer und Pächter in der Versammlung zu studieren, höchst lehrreich aber nachher auf dem Kampe die von abgeschmacktem, borniertem Hochmut zeugenden Bemerkungen zu hören. „Ob sie mit den Bauern aus einem Glase trinken sollten?" fragten sich die Pächter entrüstet; „nein, Ständeunterschied muss sein und bleiben; jeder bleibe bei seinem Stande", war der Refrain" *). Paul Friedrich suchte bei einem dieser hochmütigen bürgerlichen Gutsbesitzer die mangelnde Humanität durch ein ernstes Exempel der Wiedervergeltung, das er an ihm statuierte, zu erwecken. Ein armer Kätner war zweimal in der Ernte vergebens in sein Gericht, wohin er bestellt worden war, gegangen und zum dritten Termine beordert worden, er lief endlich in seiner Ungeduld nach Schwerin und klagte beim Großherzog persönlich. Dieser zitierte den Gerichtsherrn an den Hof, ließ ihn drei Tage lang vergebens antichambrieren und notifizierte dem nicht wenig Betroffenen beim endlich am dritten Tage gewährten Eintritt in sein Kabinett, dass er ihn mit Fleiß habe warten lassen, um ihm fühlen zu lassen, wie das tue.