Die Yankeedoodlefahrt und andre Reisegeschichten (2)

Eine kleine Herbstreise im Automobil
Autor: Bierbaum, Otto Julius (1865-1910), Erscheinungsjahr: 1908
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Reisebeschreibung, München
Sobald ich nach München komme, werde ich vergnügt. Liegt das nun an den 500 Metern über Meer? Oder an der „Kunstatmosphäre“? Oder an der „Gemütlichkeit“? Oder an dem, was ich hier Gutes erfahren habe von Freunden und Feinden? – Aber es ist mir hier schon so ergangen, wie ich das erstemal herkam als junger Student, der weder von wegen der Nerven auf Höhenklima reflektierte, noch einer Kunstatmosphäre oder bajuvarischer Gemütlichkeit bedurfte, um sich wohl zu fühlen, und der weder Freund noch Feind in dieser Stadt besaß. – Was war es also und was ist es? Ich glaube, es war und es ist ein wenig Autosuggestion dabei. München – das hieß für mich schon Heiterkeit, Freiheit, Frische, Natürlichkeit, eh’ ich es kannte. Ich ging hin, dies alles zu suchen, mit der Zuversicht im Herzen, daß ich es finden würde, und so fand ich es. Möglich, daß ich es mir manchmal erfand, aber gleichviel: ich kam auf die Rechnung meiner lebendigsten Wünsche. Und das wiederholt sich mir nun immer wieder. Schon im Hotelomnibus, der hier nicht weniger humpelt und knattert als anderswo, werde ich vergnügt, und, wenn ich dann in den Straßen herumstreife, erlebe oder ersehe ich mir wenigstens immer etwas, das mir Vergnügen macht. Das können Sachen sein, die man überall ebenso gut erleben oder sehen kann wie in München, aber ich für mein Teil finde, daß sie hier besonders Spaß machen. Heute war es dies: Auf dem völlig menschenleeren Karolinenplatz, an dem recht scheußlichen Obelisken, den der seltsame Logiker Ludwig der Erste seinen Bayern errichtet hat, die unter Napoleon in Rußland zugrunde gingen, weil auch sie „für des Vaterlandes Größe“ gestorben seien (nicht weit davon steht das Haus, das er der Lola Montez errichtete, die er in den drolligsten Versen besungen hat, die jemals der „teutschen“ Muse abgewaltsamt worden sind), also: am Fuße dieses sonderbaren Monuments stand ein bayrischer Infanterist, eng verbunden mit einem bayrischen „Kocherl“, dachte weder an des Vaterlandes Größe, noch an die deutsche Muse, noch an irgend etwas, sondern busselte nur ganz einfach seinen Schatz. Aber das geschah von beiden Seiten mit einer so vollkommenen Hingabe, so monumental intim, so gründlich und ordentlich, und der Wehrstand war mit dem Nährstand so innig verschlungen, das militärische Himmelblau mit dem Küchenweiß so lieblich enge gepaart, daß ich andächtigen Gemütes stehen blieb und meine liebe Seele die beiden mit einem herzlichen Spruche segnen ließ, der also lautete: