Die St. Nikolauskirche zu Moskau.

In keiner Stadt der Welt gibt es verhältnismäßig so viele dem Gottesdienste geweihte Gebäude, wie in Moskau; wohin man blickt, wimmelt es von zahllosen goldenen, silbernen oder altersgrauen Kuppeln und Türmchen der Kirchen und Kapellen.

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Dennoch konnte sich bis jetzt kein nationalrussischer Baustil entwickeln; die Gotteshäuser sind der Sophienkirche in Konstantinopel, der Markuskirche in Venedig oder anderen italienischen Tempeln nachgebildet. Weicht einmal ein russischer Architekt bedeutender und freier von seinen Vorbildern ab, so tritt der Mangel an wahrhaft schöpferischem Genie nur um so auffallender hervor. Auch die Nikolauskirche (siehe Bild S. 328) ist ein zwar ziemlich origineller, aber kein eigentlich schöner Bau. Halb Turm, halb Haus, fehlt ihr die organische Gliederung einer vorwaltendcn Idee, Zweck und Form durchdringen sich nicht zur harmonischen Einheit. Als Dom ist der Grundriss des Gebäudes zu eng, zu turmartig, als Turm betrachtet nicht hoch genug, um unsere Gedanken von der Erde weg gegen Himmel zu erheben. In den einzelnen Teilen dagegen tritt das Talent der vergessenen Baumeister glänzend zu Tage. Die Pfeiler, Bögen, Säulen und Stützen, die Treppen und Hallen, die Skulpturwerke, die Ornamentik und Ausschmückung ist oft charakteristisch erdacht und musterhaft ausgeführt. Leider wird durch diese Vortrefflichkeit des Details der Mangel eines gewaltigen, es beherrschenden Prinzips nicht verdeckt und nicht ersetzt. Die Russen scheinen es trotz dem Reichtum an Erfindung, trotz alles Fleißes in der Architektur höchstens zum Massenhaften, zum Kühnen und vielleicht Verwegenen zu bringen, aber nicht zum Erhabenen und wahrhaft Schönen.
Merkwürdig ist der große Glockenturm der St. Nikolauskirche, 1600 vollendet, welcher 32 Glocken enthält. Am Fuße desselben, auf unserem Bilde nicht sichtbar, steht auf einem 3' hohen, 20' breiten Mauerkranze die berühmte Riesenglocke von 1.420 Zentnern Gewicht.