1. Der Donner rollte dumpf und drohend über den hohen Gipfeln der Ozarkgebirge hin...



Der Donner rollte dumpf und drohend über den hohen Gipfeln der Ozarkgebirge hin, schmetternd sein Echo fordernd aus den dunkeln Schluchten und die Nebel niederpressend in die engen, schroff in die Hänge gerissenen Thäler. Der Blitz zischte dabei grell und flammend an den Felsen nieder, der ganzen wilden Landschaft mit dem falben Lichte des scheidenden Tages eine eigene, unheimliche Beleuchtung gebend. Der Regen rasselte in Strömen auf die dichtbelaubten Eichen und Hickories nieder, wurde aber trotzdem von dem durstigen Boden aufgesogen, ehe er das tiefliegende Bett des kleinen Flüßchens „Hurricane“ erreichen konnte, in dem das Wasser selbst jetzt nur in einzelnen kleinen Lachen stand.


Da klommen, als das Gewitter gerade den höchsten Punkt erreicht zu haben schien und Schlag auf Schlag, von vielfältigem Echo verdoppelt, in den Schluchten dahinraste, zwei Jäger, in große, weiße wollene Decken gehüllt, die die ganze Figur, fast bis auf die befranzten Moccasins hinunter, bedeckten, an den steilen Seitenwänden nieder, welche den Hurricane von seinen Quellen bis dahin, wo er sich in den Mulberry ergießt, umgeben. Sie hielten auch nicht eher, als bis sie sich auf dem untersten, terrassenförmigen Vorsprung befanden, von dem aus sie das steinige Bett des Flusses, das dicht in die ihn starr und steil umgebenden Felsen eingezwängt liegt, übersehen konnten.

„Hol’ der Henker den Sturm!“ brach endlich der Aeltere von ihnen das Schweigen, indem er stehen blieb und, seine Decke zurückschlagend, das mit Leder bedeckte Schloß seiner Büchse untersuchte, ob es auch noch trocken und wohlverwahrt sei – „er tobt ja heute zwischen den alten Stämmen, als ob er den ganzen Wald mit der Wurzel ausreißen wollte; ich bin herzlich froh, daß wir den Fluß erreicht haben, denn mir sinken die Glieder fast von dem schnellen Marsch, und die scharfen Steine haben mir Moccassins und Füße zerrissen.“

„Also Du weißt sicher,“ fragte der Jüngere, dessen Name Thomson war, seinen wohl um zehn Jahre älteren Kameraden – „daß Du auf der richtigen Fährte bist? und daß die Spanier diesen Weg eingeschlagen haben?“

„Ich sah heute Morgen mit Tagesanbruch ihr Wachtfeuer unten an dem kleinen Schilfbruch, etwa anderthalb Meilen von hier, und hörte die Glocken ihrer Maulthiere,“ antwortete Preston.

„Und wie viel Männer glaubst Du, daß zu dem Zuge gehörten?“ fragte der Andere bedenklich.

„Ich habe Dir schon gesagt,“ entgegnete der Aeltere mürrisch, „daß, so oft diese Fremden nun schon hier gesehen worden sind, nie mehr als zwei Männer von der Mündung des Hurricane aufwärts gingen, obgleich acht oder neun, gewöhnlich am Ausfluß des Hurricane, die Rückkehr der beiden Erstgegangenen erwarten.“

„Ich kann aus der ganzen Geschichte nicht klug werden,“ antwortete Thomson kopfschüttelnd, „und lieb wär’ es mir, wenn Du mir jetzt einmal reinen Wein einschenktest und Alles, was Du davon weißt, erzähltest; denn da wir das Abenteuer zusammen bestehen wollen, möchte ich doch auch nicht gerne im Dunkeln tappen.“

„Gut,“ erwiderte sein Kamerad, „der Regen hat ziemlich nachgelassen; so wollen wir denn zum Wasser hinunter gehen und dort unser Lager aufschlagen; bei einem guten Feuer und gehörig gebratenen Stück Hirschfleisch erzählt sich die Sache viel besser, und aufrichtig gesagt, werden wir wohl zum morgenden Tag unsere Kräfte noch etwas gebrauchen. Es fängt auch schon an, recht dunkel hier unten zu werden, und wir möchten das schwache Licht nöthig haben, um schnell das nasse Holz in Brand zu bringen.“

Damit, und ohne die Antwort seines Gefährten abzuwarten, klomm er einen schmalen Hirschpfad, der an den Fluß hinunter führte, abwärts und stand bald, von Jenem gefolgt, an dem steinigen Bett des Hurricane, und zwar gerade da, wo dieser in einer Biegung, und in Folge einer unterirdischen Quelle, ein kleines Becken von tiefem, obgleich gegenwärtig durch den Regen etwas getrübtem Wasser enthielt.

Das Gewitter ließ jetzt nach; weit im fernen Norden verhallte der Donner, und an vielen Stellen schaute der blaue, azurne Himmel durch die weißlich grauen Wolkenschleier, die, von einem frischen Südostwind gejagt, in langen, wehenden Streifen über das Thal hinwegzogen.

Wenig aber schienen sich die beiden Männer des schönen Abends zu erfreuen, sondern waren nur eifrig bemüht, ein Feuer anzumachen, um sowohl bei der erwärmenden Gluth Schutz gegen die keineswegs milde Nachtluft zu finden, als auch einige Stücke rohes Hirschfleisch, das Preston in einem frisch abgestreiften Fell umhängen hatte, zum Abendessen zuzubereiten. Thomson schlug jetzt Feuer an und entzündete einen, wohl mit Pulver eingeriebenen Lappen, während Preston kleine trockene Späne herbeibrachte, die er mit seinem Tomahawk aus einem umgestürzten, verdorrten Baume herausgehauen hatte. In wenigen Minuten flackerte auch, durch vereintes Blasen und Schwenken erweckt, eine schwache Flamme empor, die, durch schnell und sorgsam nachgelegte Stücke genährt, bald zur hohen, erwärmenden Gluth emporloderte.

Die Jäger hingen nur ihre Decken zum Trocknen an in den Boden gestoßene Stangen, sammelten von den umherliegenden, oft schon halb verfaulten Stämmen einige Rinde, die sie auf die Erde breiteten, um nicht auf dem nassen Boden liegen zu müssen, steckten dann dünn geschnittene Scheiben Hirschfleisch auf zugespitzte Hölzer nahe an die glühenden Kohlen, und suchten die Zeit, in welcher das Fleisch briet, zu benutzen, sich selbst ein wenig zu trocknen und auszuruhen.

Beide Männer waren in einfache, dunkelblaue Jagdhemden, aus grobem wollenen Zeug verfertigt, gekleidet, doch hatte der Jüngere noch eine Art Garnitur von kurzen, hellgelben Fransen an dem seinigen, mit der es am Kragen, an den Aermeln und an allen Nähten besetzt war. Sie trugen lederne Leggins oder Gamaschen und Moccasins, und in ihren ledernen Gürteln, welche die Jagdhemden zusammenhielten, staken die breiten, langen Bärenmesser. – Preston’s Kopf war mit einem alten, abgetragenen Filzhut bedeckt, während Thomson ein hellfarbiges Tuch fest um die Schläfen gebunden hatte, daß sein dunkles, lockiges Haar sich oben hindurchdrängte.

Ihre langen Büchsen, mit darüber hinhängenden Kugeltaschen, hatten sie an einen jungen Baum gelehnt, und warfen sich nun selbst, müde und matt von der gehabten Anstrengung, auf die Rindenstücke an’s Feuer, daß die verdunstende Feuchtigkeit ihres Anzuges in dichten Dampfwolken von ihnen emporstieg.

„Nun, Preston,“ begann Thomson nach einiger Zeit, nachdem er sich eins der mit Fleisch besteckten Hölzer hingenommen, von den rohen Stücken die gargekochten, dünnen Streifen abgeschnitten hatte, und das Uebrige wieder zum Feuer zurück steckte; „rücke mit Deiner absonderlichen Erzählung einmal heraus, nenne die Gefahren und sage den möglichen Gewinn, dann werde ich Dich auch wissen lassen, ob ich mit von der Partie bin oder nicht.“

„Wissen lassen – Partie sein oder nicht?“ fragte verwundert der also Angeredete, indem er sich auf einem Ellbogen emporhob und den jüngeren Kameraden staunend anschaute. – „Sind wir denn hier in Sturm und Ungewitter hergekommen, damit Du jetzt noch zweifelhaft wärest, was Du thun oder lassen solltest? Wartest Du vielleicht nur noch darauf, eine etwas weniger günstige Beschreibung des Ganzen zu hören, um wieder ruhig heimzukehren und mir allein die Entdeckung zu überlassen, an die ich, wie Du weißt, nun einmal mein Leben gesetzt habe?“

„Nun, nun,“ lachte Thomson, „nur nicht so hitzig; heraus mit der Sprache; Du weißt, ich bin gewöhnlich der Letzte, der einen einmal gefaßten Beschluß wieder aufgiebt. Also klar und deutlich denn – was haben wir zu hoffen? damit wir schnell und kräftig unsere Maßregeln treffen können.“

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Silbermine in den Ozark-Gebirgen in Nordamerika.