Die Seebadekuren
Handbuch der Balneotherapie
Autor: Flechsig, Robert Ferdinand Dr. (?) deutscher Badearzt und Publizist
Themenbereiche
Mecklenburg-Vorpommern Thematisch Gemischtes Seebäder, Kurbäder und Heilbäder Gesundheit, Medizin, Homöopathie
Enthaltene Themen: Seebadekuren, Seebadeorte, Ostseebäder, Nordseebäder, Badekur, Badearzt, Baderegeln, Strandbad, Gesundheit
Vorrede zur zweiten Auflage.
Die Veränderungen, welche die neue Auflage erlitten hat, sind mehrfacher Art. Sie betreffen teils die allgemeine, teils die spezielle Balneotherapie, teils den balneographischen Abschnitt. Bezüglich der allgemeinen Balneotherapie sei zunächst bemerkt, dass auf die veränderten Anschauungen hingewiesen wurde, welche aus den verschiedenen neuesten physiologisch-chemischen Forschungen hervorgegangen sind und die Balneotherapie beeinflusst haben. Es gilt dies besonders von den neueren Arbeiten über die Art der Eisenwirkung auf die Blutbildung, über den Einfluss des Kochsalzes auf die funktionelle Thätigkeit des Magens, über die Wirkungsweise der Alkalien auf den Stoffwechsel u a. m. Die treffliche Studie von Robin über die Wirkungsweise der Soolbäder kam leider zu spät in unsere Hände. Im Weiteren wurde die Verschiedenheit der Nord- und Ostseebäder, sowie anderer Seebäder in physikalischer und therapeutischer Beziehung, die therapeutische Bedeutung der Seeluft und diejenige der Arsen- und Lithionwässer dargelegt und endlich noch auf die therapeutischen Beziehungen hingewiesen, welche erhöhter oder verminderter Luftdruck, die elektrische Beschaffenheit der Atmosphäre, ihre Reinheit, ihr Ozongehalt und andere atmosphärische Einflüsse zu dem kranken menschlichen Organismus haben. Die Binnen-Seebäder, welche den eigentlichen Seebädern angereiht waren, wurden von diesen getrennt und der Hydrotherapie zugewiesen, zu welcher sie jedenfalls in näherer Verwandtschaft stehen, als zu ersteren. Auch verschiedene neuere Kurmittel, wie Moorextraktbäder, Rindenbäder, das Kneipp'sche Verfahren u. a. m wurden abgehandelt. Endlich wurden noch die beigegebenen analytischen Tabellen revidiert, zum großen Teil nachgerechnet, wo Zweifel gegen die Richtigkeit der Angaben bestanden und veraltete, wenig brauchbare Analysen durch neue und zuverlässigere ersetzt. Auch einige neue Tabellen sind hinzugekommen. Sie beziehen sich vorzugsweise auf den Gehalt verschiedener Mineralwässer an kohlensaurem Lithion, an Chlorlithium und an Arsenverbindungen.
Die spezielle Balneotherapie erhielt einige Zusätze, indem einzelne bisher unbeachtet gebliebene Krankheiten, wie die Basedow'sche Krankheit, Neurasthenie des Herzens und andere mehr in den Indikationskreis der Balneotherapie hereingezogen wurden. Auch in diesem Abschnitte fanden die neueren veränderten Ansichten über das Wesen einzelner Krankheiten und deren Therapie ihre volle Berücksichtigung.
Im Balneographischen Teile sind die Veränderungen nachgetragen worden, welche verschiedene Kurorte erfahren hatten, soweit diese zur öffentlichen Kenntnis gelangten. Ganz besonders geschah dies in Bezug auf neue Einrichtungen und Verbesserungen im Badebetriebe; auch einige wichtige Kurorte, die früher keine Berücksichtigung hatten finden können, wurden aufgenommen und eingereiht. Besondere Beachtung fand die Literatur der Kurorte, von welcher alle neueren bekannt gewordenen Monographien und bemerkenswerten Journalartikel notiert wurden, soweit dies nicht schon im allgemeinen Teile geschehen war, die therapeutischen Eigentümlichkeiten der einzelnen Kurorte noch mehr hervorgehoben, um Vergleiche mit anderen Kurorten, die ähnliche Indikationen haben, leichter zu ermöglichen. Zu weiterer Informierung verweisen wir auf die zweite Auflage unseres Bäderlexikons.
Schließlich sei noch bemerkt, dass alle Anstöße der Kritik, die die erste Auflage erfuhr, soweit sie zu meiner Kenntnis kamen und beachtenswert erschienen, durch Umarbeitung der betreffenden Abschnitte ihre Erledigung gefunden haben.
Möge diese neue Ausgabe die gleiche günstige Beurteilung erfahren, wie die erstere sie fand.
Bad Elster, im Februar 1892.
Der Verfasser.
Die Veränderungen, welche die neue Auflage erlitten hat, sind mehrfacher Art. Sie betreffen teils die allgemeine, teils die spezielle Balneotherapie, teils den balneographischen Abschnitt. Bezüglich der allgemeinen Balneotherapie sei zunächst bemerkt, dass auf die veränderten Anschauungen hingewiesen wurde, welche aus den verschiedenen neuesten physiologisch-chemischen Forschungen hervorgegangen sind und die Balneotherapie beeinflusst haben. Es gilt dies besonders von den neueren Arbeiten über die Art der Eisenwirkung auf die Blutbildung, über den Einfluss des Kochsalzes auf die funktionelle Thätigkeit des Magens, über die Wirkungsweise der Alkalien auf den Stoffwechsel u a. m. Die treffliche Studie von Robin über die Wirkungsweise der Soolbäder kam leider zu spät in unsere Hände. Im Weiteren wurde die Verschiedenheit der Nord- und Ostseebäder, sowie anderer Seebäder in physikalischer und therapeutischer Beziehung, die therapeutische Bedeutung der Seeluft und diejenige der Arsen- und Lithionwässer dargelegt und endlich noch auf die therapeutischen Beziehungen hingewiesen, welche erhöhter oder verminderter Luftdruck, die elektrische Beschaffenheit der Atmosphäre, ihre Reinheit, ihr Ozongehalt und andere atmosphärische Einflüsse zu dem kranken menschlichen Organismus haben. Die Binnen-Seebäder, welche den eigentlichen Seebädern angereiht waren, wurden von diesen getrennt und der Hydrotherapie zugewiesen, zu welcher sie jedenfalls in näherer Verwandtschaft stehen, als zu ersteren. Auch verschiedene neuere Kurmittel, wie Moorextraktbäder, Rindenbäder, das Kneipp'sche Verfahren u. a. m wurden abgehandelt. Endlich wurden noch die beigegebenen analytischen Tabellen revidiert, zum großen Teil nachgerechnet, wo Zweifel gegen die Richtigkeit der Angaben bestanden und veraltete, wenig brauchbare Analysen durch neue und zuverlässigere ersetzt. Auch einige neue Tabellen sind hinzugekommen. Sie beziehen sich vorzugsweise auf den Gehalt verschiedener Mineralwässer an kohlensaurem Lithion, an Chlorlithium und an Arsenverbindungen.
Die spezielle Balneotherapie erhielt einige Zusätze, indem einzelne bisher unbeachtet gebliebene Krankheiten, wie die Basedow'sche Krankheit, Neurasthenie des Herzens und andere mehr in den Indikationskreis der Balneotherapie hereingezogen wurden. Auch in diesem Abschnitte fanden die neueren veränderten Ansichten über das Wesen einzelner Krankheiten und deren Therapie ihre volle Berücksichtigung.
Im Balneographischen Teile sind die Veränderungen nachgetragen worden, welche verschiedene Kurorte erfahren hatten, soweit diese zur öffentlichen Kenntnis gelangten. Ganz besonders geschah dies in Bezug auf neue Einrichtungen und Verbesserungen im Badebetriebe; auch einige wichtige Kurorte, die früher keine Berücksichtigung hatten finden können, wurden aufgenommen und eingereiht. Besondere Beachtung fand die Literatur der Kurorte, von welcher alle neueren bekannt gewordenen Monographien und bemerkenswerten Journalartikel notiert wurden, soweit dies nicht schon im allgemeinen Teile geschehen war, die therapeutischen Eigentümlichkeiten der einzelnen Kurorte noch mehr hervorgehoben, um Vergleiche mit anderen Kurorten, die ähnliche Indikationen haben, leichter zu ermöglichen. Zu weiterer Informierung verweisen wir auf die zweite Auflage unseres Bäderlexikons.
Schließlich sei noch bemerkt, dass alle Anstöße der Kritik, die die erste Auflage erfuhr, soweit sie zu meiner Kenntnis kamen und beachtenswert erschienen, durch Umarbeitung der betreffenden Abschnitte ihre Erledigung gefunden haben.
Möge diese neue Ausgabe die gleiche günstige Beurteilung erfahren, wie die erstere sie fand.
Bad Elster, im Februar 1892.
Der Verfasser.
Inhaltsverzeichnis
- Vorrede zur ersten Auflage
- Vorrede zur zweiten Auflage
IV. Die Seebadekuren
Die bekannteren Seebadeplätze sind
A. An der Nordsee
B. An der Ostsee
C. Am Canal (La Manche).
D. Am atlantischen Ocean
E. Am Mittelländischen Meere
IV. Die Seebadekuren.
Das kalte Seebad oder das Strandbad muss als ein in starker Bewegung begriffenes Soolbad von verschiedener Konzentration bezeichnet werden, welches in Gemeinschaft mit der Seeluft die Gesamtwirkung der Seebadekur begründet. Es ist sonach, wie Fromm (in Braun's Balneotherapie, 5. Aufl., 1887) sich ausdrückt, als eine klimatische Kur in Verbindung mit einer erregenden Form der Kaltwassermethode zu betrachten. Als charakteristisch gelten für ein Seebad im engeren Sinne eine tiefere Temperatur, als die der gewöhnlichen Bäder beträgt, welche man in Soolbädern zu nehmen pflegt, ein gewisser Salzgehalt des Wassers und die Bewegung desselben: der Wellenschlag. Diese drei Momente, welche in Verbindung mit der Seeluft die eigentlichen Faktoren jeder Seebadekur sind, dokumentieren zugleich die Abweichungen, welche die verschiedenen Seebäder und Seebädergruppen in therapeutischer Beziehung zu einander zeigen.
Vor allem charakterisiert sich das Seebad als eine mehr oder weniger hautreizende Badeform, welche durch den Salzgehalt des Wassers und durch dessen Kältereiz, den sie auf die Gewebe der Haut und peripherischen Nerven und von diesen auf das zentrale Nervensystem, sowie auf das Gefässsystem ausübt, eine stürmische Reaktion im ganzen Organismus hervorruft. Da aber das Seebad meist nur von sehr kurzer Dauer genommen wird, so überwiegt der Reiz der Kälte sehr über die chemische Reizwirkung des Seewassers und steht ebenso diese letztere der des Soolbades nach. Der Schwerpunkt seiner Wirkung ist daher mehr in den Reizeffekten zu suchen, welche Kälte und Wellenschlag hervorrufen.
Die mittlere Temperatur des Meerwassers ist zwar tatsächlich eine höhere als die der meisten Kaltwasserbäder, erscheint aber der Angabe Fromm's zufolge (Braun's Balneotherapie, 5. Aufl., 1887, S. 265) immerhin als eine kühlere, weil die Wärmeentziehung durch die beständige Bewegung des Wassers bedeutend gesteigert wird, welche immer neue kalte Wassermassen heranwälzt, durch welche die dem Körper anhängen den, schon erwärmten Wasserteilchen wieder losgerissen werden. Indess kommt dieser Verlust nach allgemeinen Angaben dem Badenden nicht voll zum Bewustsein, weil er zum großen Teil durch die mechanische Reizung des Wellenschlags verdeckt wird.
Der Wärmeverlust, den der Körper im Seebade erfährt, ist kein unbedeutender, wie aus den Untersuchungen, welche Beneke in Norderney machte, hervorgeht. Auch andere Experimentatoren kamen zu gleichen Resultaten. Es sei in dieser Beziehung auf die Versuche von Virchow, welche derselbe in Misdroy anstellte, hingewiesen. Diesen zufolge betrug die Herabsetzung der Körpertemperatur im Mittel von 19 Beobachtungen 1,59° C. Andere Ergebnisse seiner Versuche erlangte Zimmermann, welcher bei den in Helgoland genommenen Nordseebädern nur 0,15 bis 0,10° C. Differenz gegen die Normalteraperatur des Körpers nachweisen konnte.
Dieser Kältereiz, der die Primärwirkung des Seebades ist, bewirkt zunächst eine ausgedehnte Kontraktion der Hautgefäße, wodurch die Zirkulation in der Peripherie beschränkt und, wie oben bemerkt wurde, die Körpertemperatur herabgesetzt wird, während im Körperinnern eine lebhafte Wärmeproduktion stattfindet und dessen Temperatur wegen verringerter Zirkulation durch die abgekühlte Haut nicht reduziert werden kann. Mit Nachlass des Kältereizes verschwindet auch die Kontraktion der Hautgefässe wieder und es tritt unter normalen Verhältnissen eine vermehrte Zuströmung von Blut und zugleich eine vermehrte Wärmeproduktion auch in der Haut ein. Damit verbindet sich, wie Liebreich nachgewiesen hat, eine stärkere Kohlensäureausscheidung, welche im geraden Verhältniss zum Wärmeverlust steht, und nach Röhrig eine vermehrte Aufnahme von Sauerstoff, wobei, wie Voit dargetan hat, eine gesteigerte Verbrennung von Feit, nicht aber von Eiweisskörpern stattfindet. Daraus erklärt es sich auch, dass abgemagerte, fettarme und anämische Individuen kalte Seebäder weit weniger gut, als wohlgenährte, fettreichere vertragen und ihre Zuflucht zu erwärmten Seebädern nehmen müssen, bei welchen dieser Kältereiz sich nicht geltend machen kann.
Bei der Wichtigkeit der Temperaturverhältnisse der Seebäder wollen wir noch die Bemerkung anschließen, dass der Wärmegrad des Wassers in den verschiedenen Europäischen Meeren während der Sommerzeit ein sehr verschiedener ist und die zu Badezwecken geeignete Temperatur zu verschiedener Zeit eintritt. Während das Mittelländische Meer die Temperatur von mindestens 18 bis 19° C. meist schon im Juni erreicht, ist dies bei der Nordsee im Juli, bei der Ostsee im August der Fall.
Im Allgemeinen beträgt die durchschnittliche Sommerwärme des Meeres im Mittelmeere 22 bis 23° C., im Meerbusen von Biscaya 23° C., im Adriatischen Meere 22 bis 27° C., im Atlantischen Ozean vom Meerbusen von Biscaya bis zum Canal „la Manche“ 20 bis 23° C, in der Nordsee vom Kanal bis Bergen 14,24 bis 18,00° C., in der Ostsee 13,86 bis 18,98° C. Die Tagesschwankungen der Wassertemperatur sind oft nicht unbedeutend, namentlich gilt dies von der Differenz zwischen Morgen- und Mittagstemperatur. Solche Unterschiede sind aber wohl zu beachten.
Ebenfalls wichtig für die Praxis sind die Differenzen zwischen Wasser- und Lufttemperatur. Mess (Valentiners Handbach der Balneotherapie, 1876, S. 484) hat dieselben in Bezug auf die Nordsee resp. auf die Umgebungen von Scheveningen zusammengestellt und gefunden, dass die durchschnittliche Differenz der Wassertemperatur im letzten Dritteile des Juni — 4,21° C., Mitte Juli — 6,9° C., Anfangs August — 6,1° C. und gegen Ende September + 4/2° C. beträgt, so dass in diesem Monate resp. im Herbste die Wassertemperatur die Lufttemperatur übersteigt.
In ähnlicher Weise wie der Kältereiz verhält sich auch das mechanische Moment der Seebadewirkung, der Wellenschlag, Durch de Anschlag und Anprall der Wellen erfährt der Oberkörper des Badenden einen mehr oder weniger kräftigen Schlag, zu dem noch die Reibung der Haut durch die aufgewühlten Sandkörner hinzukommt, während die untere Körperhälfte durch die zurückweichende Woge in ähnlicher Weise mechanisch betroffen wird. Hierdurch wird eine bedeutende Reizung der sensiblen Hautnerven bedingt, durch welche in Verbindung mit der Einwirkung auf die Gefäßnerven das anfängliche Kältegefühl des Badenden alsbald in ein wohltuendes Wärmegefühl verwandelt wird. Nicht zu unterschätzen ist hierbei, dass der Badende, um sich gegen den Anprall der Wogen zu schützen, ziemlich starke Muskelanstrengungen machen muss, durch welche ebenfalls eine höhere Wärmeproduktion herbeigeführt wird und der Oberkörper bald dem Wasser, bald der Luft ausgesetzt ist, wodurch, namentlich wenn die Luft kälter als das Wasser ist, ein nicht unerheblicher Reiz auf die sensiblen Hautnerven hervorgebracht wird
So sehr nun auch die Effekte des Kälte- und des mechanischen Reizes beim Seebade in den Vordergrund treten, so darf man doch den Reiz, welchen der Salzgehalt des Seewassers auf den Badenden ausübt, nicht für bedeutungslos halten. Nach Fromm wirkt dieser letztere in zweifacher Beziehung, einmal indem er die mechanische Reibung des Wassers an der Oberfläche der Haut erhöht, andererseits chemisch, indem die Salzteilchen, namentlich solche, die auch nach dem Bade in den obersten Schichten der Epidermis liegen bleiben, teils einen erregenden Einfluss auf die Ernährungsvorgänge in den feinsten Nervenverzweigungen ausüben, der zu den Zentralorganen fortgeleitet wird, teils ein stärkeres Zuströmen des Blutes nach der Peripherie hervorrufen und dadurch den Eintritt der Reaktion beschleunigen. Bei der Kürze der Zeit aber, mit welcher ein Seebad genommen wird, lässt sich nicht wohl erwarten, dass der durch die auf der Haut zurückgelassenen Salzteilchen ausgeübte Reiz auf die peripheren und zentralen Nerven eine wesentliche Wirkung ausübt, da die Imbibition in die Epidermisschichten keine so tiefe sein dürfte, dass die Endkolben der sensiblen Nerven davon berührt werden könnten. Jedenfatls fällt dem Momente der Reibung der Hauptanteil zu, welchen der Salzgehalt des Meerwassers in seiner reizenden Eigenschaft auf den Badenden ausübt. Dieses Moment ist ein quantitativ verschieden wirkendes, je nach der Höhe des Salzgehaltes des Meeres. Den höchsten Gehalt an Salz hat das Mittelländische Meer, welches durchschnittlich 3,2 bis 4,1 pCt. an solchem besitzt; die Nordsee hat einen solchen von 3,0 pCt., der Allantische Ozean von 3,0 bis 3,7 pCt, und die Ostsee von 0,4 bis 1,9 pCt., welche ihre höheren Ziffern mit der größeren Annäherung an die Nordsee erreicht. Es repräsentieren sich sonach in den verschiedenen Meeren und Meersesteilen die verschiedenen Abstufungen zwischen starken, mittelstarken und schwachen Soolen.
Diese Reizeinwirkungen nun, welche Kälte, Wellenschlag und Salzgehalt des Seewassers in ihrer Gemeinschaft auf die Hautnerven äußern, werden auf centripetalem Wege zu den Zentralorganen des Nervensystems übertragen, und von hier aus wird im Organismus eine Kette von Erscheinungen ausgelöst, welche für die Wirkungen der Seebäder charakteristisch sind.
Die eben geschilderte Wirkungsweise der Seebäder wird nicht unwesentlich durch die Seeluft beeinflusst, welche als ein gleichwertiger Faktor zu betrachten ist und, wie bereits hingedeutet, in Gemeinschaft mit dem Seebade erst die Wirkungen der Seebadekuren vervollständigt. Ihre speziellen Eigenschaften sind verschiedenartige. Zunächst ist für sie eine zwar niedrigere Temperatur, als sie das Binnenland aufweist, dabei aber eine größere Gleichmäßigkeit derselben charakteristisch, welche die Tatsache zum Teil wenigstens erklärt, dass man an der See sich weniger erkältet, als dies im Innern des Landes und im Gebirge zu geschehen pflegt. Nicht diese Gleichmäßigkeit, wie sie in Bezug auf Temperatur hervortritt, beobachtet man am Stande der Quecksilbersäule des Barometers, denn viel bedeutendere Barometerschwankungen beobachtet man am Strande, als im Binnenlande. Dagegen gehört ein sehr hoher Luftdruck, mithin eine größere absolute Dichtheit der Atmosphäre zu den Eigenthümlichkeiten des Seeklimas, welche jedenfalls bedeutungsvoller für den menschlichen Organismus ist, als die Barometerschwankungen. Ihr Einfluss auf denselben gibt sich durch Verlangsamung der Pulsschläge und Vertiefung der Athmung besonders zu erkennen, ob aber damit eine größere Ausscheidung von Kohlensäure durch die Lungen erfolgt, wie man ohne Weiteres anzunehmen geneigt, erscheint sehr zweifelhaft, wenn man sich der Versuche von Speck erinnert (Zeitschr. f. klin. Medizin, 1887, XII, S. 6), aus welchen hervorgeht, dass die Kohlensäureausscheidung von der Sauerstoffaufnahme sehr unabhängig ist und diese letztere nach dem Sättigungsgrade des Hämoglobins und der chemischen Affinitäten mit Sauerstoff reguliert wird.
Auch größere Reinheit in Bezug auf organische Zersetzungsprodukte und höherer Ozongehalt werden der Seeluft zugeschrieben. Dies gilt besonders von der Luft auf hoher See und auf tief im Meere gelegenen kleinen Inseln. Nur hier findet sich völlige Keimfreiheit und gänzlicher Mangel oxydabler organischer Materie in der Luft vor, ein Umstand, dem die Inselbäder in erster Linie den Vorzug vor den Küstenbädern zu danken haben. Im Weiteren sehe man das Kapitel über Klimatotherapie.
Das Vorhandensein von suspendiertem Chlornatrium und anderen Salzen ist nach Fromm eine unbestreitbare Tatsache und soll der Seeluft ihre die Respirationsschleimhaut mild anregende und die Expectoration erleichternde Eigenschaft verleihen. Auch zur Steigerung des Stoffwechsels und Neubildung von Blutkörperchen soll nach den Ansichten von Cazin und Mettenheimer das durch die Lungen in das Blut gelangte Salz durch Aufsaugung von Wasser und vermehrte Ausscheidung beitragen, indess haben neuere Untersuchungen, die von D. Knuth in Kiel auf der Insel Sylt gemacht wurden, und die von Friedrich-Dresden ausgeführten, freilich im Gegensatz zu aus J. Storp's Aschenanalysen gezogenen Schlussfolgerungen, ergeben, dass die Seeluft unter normalen Verhältnissen kein Kochsalz enthält und Salzwasserteilchen nur aus der Gischt der Brandung aufnimmt, welche meist an der Düne sich niederschlagen. Es erklärt sich daher die Angabe, dass die oben gerühmte sanitäre Bedeutung der Seeluft, in soweit sie durch Beimengung von Kochsalz und auch wohl von Ozon bedingt ist, nur auf die Luft kleinerer Inseln sich bezieht, und dass diese schon von ½ Stunde Entfernung von der See weg landeinwärts aufhört.
Ein ganz besonderes Gewicht legt Fromm noch auf die größere Intensität der Luftströmung, die am Meere stattfindet. Sie bringe stets, wenn sie auch schwach vorhanden ist, dem Körper selbst bei hoher Sommertemperatur Kühlung und schütze vor der erschlaffenden Einwirkung der Wärme, während ihre stärkere Beweglichkeit eine Bedingung für ihre abhärtende Wirkung sei, die den Aufenthalt am Strande selbst beim windigen Wetter stundenlang in sitzender Stellung ohne Nachteil ertragen lässt.
Von noch größerer Bedeutung ist der hohe Feuchtigkeitsgehalt der Seeluft, welcher den der Landluft um etwa den dritten Teil übersteigt. Bekanntlich wird durch einen solchen die Perspiration der Haut sehr vermindert und die Harnausscheidung und mit dieser zugleich der Abgang verbrauchter Stoffe gefordert, aber auch eine sedative Wirkung auf die Athmungswerkzeuge und das Nervensystem herbeigeführt, welche einerseits bei chronischen Catarrhen des Kehlkopfs und der Bronchien, andererseits bei nervösem Asthma und allgemeiner nervöser Reizbarkeit sich vorteilhaft geltend macht
Auf diesen eben genannten Eigenschaften beruht die Indikation und die Kontraindikation der Seeluft, deren dynamischer Grundcharakter Erhöhung des rückbildenden und anbildenden Stoffwechsels ist. Diesem entsprechend erscheint die Seeluft vorzugsweise indicirt bei Anämie, Hautschwäche, allgemeiner Atrophie, Scrophulose, Rheumatismus und Gicht, bei Neurosen sensibler und motorischer Art, Spinalirritation, Neurasthenie, Krankheiten der Verdauungsorgane, welche von einer fehlerhaften Tätigkeit des Nervensystems ausgehen; obenan stehen aber in der Liste der Indicationen: Scrophulose, konstitutionelle Schwächezustände, Neurasthenien, Catarrhe der Respirationswege, Emphysem mit Asthma, pleuritischc Exudate und beginnende phthisische Prozesse der Athmungsorgane. Als notwendige Bedingung eines Kurerfolges wird Integrität der Assimilationsorgane angesehen, welche Bürgschaft für den Wiederersatz der verbrauchten organischen Materie zu gewähren geeignet ist. Erhebliche organische Veränderungen derselben und der Organe des Kreislaufs, wie der Respiration sind hingegen ausgesprochene Gegenanzeigen für den Gebrauch der Seebäder.
Zu möglichst ausgedehntem Genuss der Seeluft haben englische und amerikanische Ärzte vielfach längere Seereisen empfohlen, Lindsay-Belfast (americ. Joarn. of med. Sc, April 1890), und Doyle (the Lancet 1890 No. 3492 p. 226) die sich über sie in längeren Artikeln verbreiten, bemerkten in Bezug auf ihre sanitäre Bedeutung, dass alle diejenigen Personen Heilung und Besserung durch sie finden, welche physisch ermüdet sind und solche, welche an Lungenschwindsucht leiden. Die bessere Prognose haben selbstverständlich die ersteren Kranken, aber auch Phythisiker, wenn sie noch im Anfangsstadium stehen oder im Stillstand der Krankheit sich befinden, völlig fieberfrei sind und weder an Nachtschweißen noch an Diarrhoen leiden, erfahren meist eine wesentliche Besserung, während Kranke mit laryngealer und fortgeschrittener Phthise von Seereisen nur Nachteil haben. So wurden nach J. B. und T. Williams 89 pCt. solcher Kranken gebessert, 5,5 pCt. blieben unverändert und 5,5 pCt. erfuhren Verschlimmerungen.
Als den Stoffwechsel lebhaft anregendes Mittel fordert das Seebad eine gewisse Leistungsfähigkeit des Gesamtorganismus, wo diese aber fehlt, wird es nach dem übereinstimmenden Urteile von an Seebadeplätzen tätigen Ärzten nur Überreizung, Schwächung und Abmagerung herbeiführen. Es muss daher vor Allem festgehalten werden, sagt Fromm, dass das Seebad an sich kein Stärkungsbad ist, sondern dass es erst dazu wird, wenn durch die Reize, die es in sich birgt, eine erhöhte Tätigkeit der organischen Prozesse hervorgerufen und die durch die Wärmeentziehung bedingten Stoffverluste nicht bloß bis zu dem entzogenen Maße, sondern über dasselbe hinaus ersetzt werden. Das Seebad ist, wenn das Gleichniss von Runge für die Kaltwasserkur angebracht ist, für den menschlichen Körper, was die Peitsche beim Tiere ist.
Es erübrigt norh auf die wichtigen Unterschiede hinzuweisen, welche zwischen den Seebädern im Allgemeinen bestehen. Es kommen hierbei in erster Linie die Bäder der Nord- und Ostsee, die des Ozeans und des Mittelmeeres in Betracht.
Bereits oben wurde bemerkt, dass die therapeutischen Grundbedingungen alier Seebäder in dem Wärmegrade des Wassers, in dessen Salzgehalt und Bewegung und in der Seeluft zu suchen sind. Zahlreiche Beobachtungen haben nun ergeben, dass der Reiz, den Salzgehalt und Wellenbewegung auf den Badenden ausüben, in den Bädern der Nordsee, des Ozeans und des Mittelmeeres ein ziemlich gleich starker ist, dass dieser aber in den Bädern der Ostsee an Intensität stetig abnimmt, ferner dass der Kältereiz des Wassers in allen diesen Bädergruppen mit Ausnahme der Mittelmeerbäder kein wesentlich verschiedener ist und endlich, dass nur die Seeluft an den Gestaden des Mittelmeeres, sowie an der südfranzösichen und spanischen Küste besonders bemerkenswerte Abweichungen von der Luft der übrigen oben genannten Seebädergruppen zeigt.
Aus diesen physiologischen Wirkungen der Seebäder hat man nun unter Berücksichtigung der lokalen Verhältnisse der Einzelbäder die Folgerung gezogen, dass nur reaktionskräftige, gut genährte Individuen, besonders wenn sie einer kräftigen Anregung und Belebung bedürfen, für Nordsee- und Ozeanbäder sich eignen, Rheumatiker und mehr der Wärme bedürftige Personen für das Mittelmeer besser passen und schwache, reizbare Konstitutionen und im kindlichen Alter noch stehende, der Schonung bedürftige Kranke sich namentlich für die Ostsee qualifizieren.
Für Deutschland kommt besonders die Wahl zwischen Nord- und Ostseebädern in Betracht. Als hauptsächlichste Unterschiede zwischen diesen beiden Bädergruppen bezeichnet man gewöhnlich, dass die Nordseebäder als kalte Soolbäder, welche wesentlich durch die Kälte wirken, aufzufassen sind, während warme Nordseebäder den Soolbädern des Festlandes vollkommen gleichen, durch Zusatz von Seesalz leicht zu den stärksten Soolquellen umgeformt werden können. Durch ihre Eigenschaft als Inselbäder, das Vorherrschen echter Seewinde, Entfernung von der Küste werden sie zu wichtigen Luftkurorten, welche durch chemische Reinheit, Staub- und Keimfreiheit der Luft, Gleichmäßigkeit und Stetigkeit der Luftbewegung und gleichmäßigere Luftwärme vor den Kurorten des Festlandes sich auszeichnen. Die Ostseebäder werden gewöhnlich nur als Kaltwasserbäder mit geringem Salzgehalt, die lediglich durch die Kälte wirken, angesehen und bilden mehr den Übergang zu den Nordseebädern. Als Küstenbäder stehen sie den Nordseebädern sowohl hinsichtlich des Klima, als auch der Reinheit der Luft und Gleichmäßigkeit der Luftbewegung mehr oder weniger nach, haben aber den Vorzug größerer landschaftlicher Schönheit und eignen sich besonders zu Sommerfrischen und Erholungsorten, sie besitzen vor den Orten des Binnenlandes den Vorzug eines kühleren Sommers, einer viel reineren Luft und einer freieren Luftbewegung.
Dies sind hauptsächlich die von Hiller (Über die Wirkungsweise der Seebäder. Berlin 1890) aufgestellten, im Allgemeinen als zutreffend angesehenen Kriterien. Abweichend sind von ihnen die Angaben Kraner's, zu deren weiterer Kenntnissnahme auf das Verhandlungsprotokoll der 13. Versammlung deutscher Balneologen (1891. P. 103.) hingewiesen sei und die Ansichten der übrigen an der Ostsee tätigen Badeärzte, Winkler's (Balneolog. Centralbl. 1891 No. 22) u. A., nach welchen Ost- und Nordseebäder nur graduell, nicht generell verschieden sind. Medio tutissimus ibis.
Die warmen Seebäder haben den Charakter der Soolbäder und weichen nur darin in ihrer Wirkung von diesen letzteren ab, dass sie mit der Eigenschaft starker Soolbäder den Genuss der Seeluft vereinigen. Sie eignen sich daher besonders für jene Krankheitszustände, bei welchen neben der Soolewirkung es erwünscht ist, noch etwas eingreifender auf die Vorgänge des Stoffwechsels einzuwirken, als es beim alleinigen Gebrauche des Soolewassers möglich ist.
Auch zu Trinkkuren wurde in neuerer Zeit das Meerwasser benutzt, Lebert (Correspondenzbl. d. Schweiz. Ärzte, V., 19, 1876) empfiehl! es auf eine 3 bis 5 proz. Salzgehalt normiert und mit Kohlensäure imprägniert, gegen Obstruction, Abdominalplethora, Neigung zu Congestionen und derartigen Krankheitszuständen. In Schweden und Norwegen scheint diese Gebrauchweise desselben häufiger zu sein als in Deutschland, wohl weil es daselbst an Kochsalztrinkquellen fehlt. Schönberg in Christiania (Norsk Mag. for Lägevidensk., 3 R., S. X., 10, Forh. i det med. Selskab., S. 150, 1879) wandte es häufig bei Scrophulose und Drüsenleiden und Ebbesen (a. a. O., S. 151) als leichtes Abführungsmittel, besonders in der Kinderpraxis an. Auch in Varberg wird das Meerwasser mit Kohlensäure imprägniert, nach den Mitteilungen von A. Levertin (Hygieina, XLVIL, 8, Svenska läkaresällsk. Förh., S. 138, 1885) zu Trinkkuren benutzt.
Die Seebadekuren an Binnenseen übergehen wir hier. Es fehlen ihnen die wichtigsten Kardinalbedingungen einer solchen und gehören aus diesem Grunde mehr in das Gebiet der Hydrotherapie im engeren Sinne, wo sie auch die nötige Berücksichtigung gefunden haben.
Das kalte Seebad oder das Strandbad muss als ein in starker Bewegung begriffenes Soolbad von verschiedener Konzentration bezeichnet werden, welches in Gemeinschaft mit der Seeluft die Gesamtwirkung der Seebadekur begründet. Es ist sonach, wie Fromm (in Braun's Balneotherapie, 5. Aufl., 1887) sich ausdrückt, als eine klimatische Kur in Verbindung mit einer erregenden Form der Kaltwassermethode zu betrachten. Als charakteristisch gelten für ein Seebad im engeren Sinne eine tiefere Temperatur, als die der gewöhnlichen Bäder beträgt, welche man in Soolbädern zu nehmen pflegt, ein gewisser Salzgehalt des Wassers und die Bewegung desselben: der Wellenschlag. Diese drei Momente, welche in Verbindung mit der Seeluft die eigentlichen Faktoren jeder Seebadekur sind, dokumentieren zugleich die Abweichungen, welche die verschiedenen Seebäder und Seebädergruppen in therapeutischer Beziehung zu einander zeigen.
Vor allem charakterisiert sich das Seebad als eine mehr oder weniger hautreizende Badeform, welche durch den Salzgehalt des Wassers und durch dessen Kältereiz, den sie auf die Gewebe der Haut und peripherischen Nerven und von diesen auf das zentrale Nervensystem, sowie auf das Gefässsystem ausübt, eine stürmische Reaktion im ganzen Organismus hervorruft. Da aber das Seebad meist nur von sehr kurzer Dauer genommen wird, so überwiegt der Reiz der Kälte sehr über die chemische Reizwirkung des Seewassers und steht ebenso diese letztere der des Soolbades nach. Der Schwerpunkt seiner Wirkung ist daher mehr in den Reizeffekten zu suchen, welche Kälte und Wellenschlag hervorrufen.
Die mittlere Temperatur des Meerwassers ist zwar tatsächlich eine höhere als die der meisten Kaltwasserbäder, erscheint aber der Angabe Fromm's zufolge (Braun's Balneotherapie, 5. Aufl., 1887, S. 265) immerhin als eine kühlere, weil die Wärmeentziehung durch die beständige Bewegung des Wassers bedeutend gesteigert wird, welche immer neue kalte Wassermassen heranwälzt, durch welche die dem Körper anhängen den, schon erwärmten Wasserteilchen wieder losgerissen werden. Indess kommt dieser Verlust nach allgemeinen Angaben dem Badenden nicht voll zum Bewustsein, weil er zum großen Teil durch die mechanische Reizung des Wellenschlags verdeckt wird.
Der Wärmeverlust, den der Körper im Seebade erfährt, ist kein unbedeutender, wie aus den Untersuchungen, welche Beneke in Norderney machte, hervorgeht. Auch andere Experimentatoren kamen zu gleichen Resultaten. Es sei in dieser Beziehung auf die Versuche von Virchow, welche derselbe in Misdroy anstellte, hingewiesen. Diesen zufolge betrug die Herabsetzung der Körpertemperatur im Mittel von 19 Beobachtungen 1,59° C. Andere Ergebnisse seiner Versuche erlangte Zimmermann, welcher bei den in Helgoland genommenen Nordseebädern nur 0,15 bis 0,10° C. Differenz gegen die Normalteraperatur des Körpers nachweisen konnte.
Dieser Kältereiz, der die Primärwirkung des Seebades ist, bewirkt zunächst eine ausgedehnte Kontraktion der Hautgefäße, wodurch die Zirkulation in der Peripherie beschränkt und, wie oben bemerkt wurde, die Körpertemperatur herabgesetzt wird, während im Körperinnern eine lebhafte Wärmeproduktion stattfindet und dessen Temperatur wegen verringerter Zirkulation durch die abgekühlte Haut nicht reduziert werden kann. Mit Nachlass des Kältereizes verschwindet auch die Kontraktion der Hautgefässe wieder und es tritt unter normalen Verhältnissen eine vermehrte Zuströmung von Blut und zugleich eine vermehrte Wärmeproduktion auch in der Haut ein. Damit verbindet sich, wie Liebreich nachgewiesen hat, eine stärkere Kohlensäureausscheidung, welche im geraden Verhältniss zum Wärmeverlust steht, und nach Röhrig eine vermehrte Aufnahme von Sauerstoff, wobei, wie Voit dargetan hat, eine gesteigerte Verbrennung von Feit, nicht aber von Eiweisskörpern stattfindet. Daraus erklärt es sich auch, dass abgemagerte, fettarme und anämische Individuen kalte Seebäder weit weniger gut, als wohlgenährte, fettreichere vertragen und ihre Zuflucht zu erwärmten Seebädern nehmen müssen, bei welchen dieser Kältereiz sich nicht geltend machen kann.
Bei der Wichtigkeit der Temperaturverhältnisse der Seebäder wollen wir noch die Bemerkung anschließen, dass der Wärmegrad des Wassers in den verschiedenen Europäischen Meeren während der Sommerzeit ein sehr verschiedener ist und die zu Badezwecken geeignete Temperatur zu verschiedener Zeit eintritt. Während das Mittelländische Meer die Temperatur von mindestens 18 bis 19° C. meist schon im Juni erreicht, ist dies bei der Nordsee im Juli, bei der Ostsee im August der Fall.
Im Allgemeinen beträgt die durchschnittliche Sommerwärme des Meeres im Mittelmeere 22 bis 23° C., im Meerbusen von Biscaya 23° C., im Adriatischen Meere 22 bis 27° C., im Atlantischen Ozean vom Meerbusen von Biscaya bis zum Canal „la Manche“ 20 bis 23° C, in der Nordsee vom Kanal bis Bergen 14,24 bis 18,00° C., in der Ostsee 13,86 bis 18,98° C. Die Tagesschwankungen der Wassertemperatur sind oft nicht unbedeutend, namentlich gilt dies von der Differenz zwischen Morgen- und Mittagstemperatur. Solche Unterschiede sind aber wohl zu beachten.
Ebenfalls wichtig für die Praxis sind die Differenzen zwischen Wasser- und Lufttemperatur. Mess (Valentiners Handbach der Balneotherapie, 1876, S. 484) hat dieselben in Bezug auf die Nordsee resp. auf die Umgebungen von Scheveningen zusammengestellt und gefunden, dass die durchschnittliche Differenz der Wassertemperatur im letzten Dritteile des Juni — 4,21° C., Mitte Juli — 6,9° C., Anfangs August — 6,1° C. und gegen Ende September + 4/2° C. beträgt, so dass in diesem Monate resp. im Herbste die Wassertemperatur die Lufttemperatur übersteigt.
In ähnlicher Weise wie der Kältereiz verhält sich auch das mechanische Moment der Seebadewirkung, der Wellenschlag, Durch de Anschlag und Anprall der Wellen erfährt der Oberkörper des Badenden einen mehr oder weniger kräftigen Schlag, zu dem noch die Reibung der Haut durch die aufgewühlten Sandkörner hinzukommt, während die untere Körperhälfte durch die zurückweichende Woge in ähnlicher Weise mechanisch betroffen wird. Hierdurch wird eine bedeutende Reizung der sensiblen Hautnerven bedingt, durch welche in Verbindung mit der Einwirkung auf die Gefäßnerven das anfängliche Kältegefühl des Badenden alsbald in ein wohltuendes Wärmegefühl verwandelt wird. Nicht zu unterschätzen ist hierbei, dass der Badende, um sich gegen den Anprall der Wogen zu schützen, ziemlich starke Muskelanstrengungen machen muss, durch welche ebenfalls eine höhere Wärmeproduktion herbeigeführt wird und der Oberkörper bald dem Wasser, bald der Luft ausgesetzt ist, wodurch, namentlich wenn die Luft kälter als das Wasser ist, ein nicht unerheblicher Reiz auf die sensiblen Hautnerven hervorgebracht wird
So sehr nun auch die Effekte des Kälte- und des mechanischen Reizes beim Seebade in den Vordergrund treten, so darf man doch den Reiz, welchen der Salzgehalt des Seewassers auf den Badenden ausübt, nicht für bedeutungslos halten. Nach Fromm wirkt dieser letztere in zweifacher Beziehung, einmal indem er die mechanische Reibung des Wassers an der Oberfläche der Haut erhöht, andererseits chemisch, indem die Salzteilchen, namentlich solche, die auch nach dem Bade in den obersten Schichten der Epidermis liegen bleiben, teils einen erregenden Einfluss auf die Ernährungsvorgänge in den feinsten Nervenverzweigungen ausüben, der zu den Zentralorganen fortgeleitet wird, teils ein stärkeres Zuströmen des Blutes nach der Peripherie hervorrufen und dadurch den Eintritt der Reaktion beschleunigen. Bei der Kürze der Zeit aber, mit welcher ein Seebad genommen wird, lässt sich nicht wohl erwarten, dass der durch die auf der Haut zurückgelassenen Salzteilchen ausgeübte Reiz auf die peripheren und zentralen Nerven eine wesentliche Wirkung ausübt, da die Imbibition in die Epidermisschichten keine so tiefe sein dürfte, dass die Endkolben der sensiblen Nerven davon berührt werden könnten. Jedenfatls fällt dem Momente der Reibung der Hauptanteil zu, welchen der Salzgehalt des Meerwassers in seiner reizenden Eigenschaft auf den Badenden ausübt. Dieses Moment ist ein quantitativ verschieden wirkendes, je nach der Höhe des Salzgehaltes des Meeres. Den höchsten Gehalt an Salz hat das Mittelländische Meer, welches durchschnittlich 3,2 bis 4,1 pCt. an solchem besitzt; die Nordsee hat einen solchen von 3,0 pCt., der Allantische Ozean von 3,0 bis 3,7 pCt, und die Ostsee von 0,4 bis 1,9 pCt., welche ihre höheren Ziffern mit der größeren Annäherung an die Nordsee erreicht. Es repräsentieren sich sonach in den verschiedenen Meeren und Meersesteilen die verschiedenen Abstufungen zwischen starken, mittelstarken und schwachen Soolen.
Diese Reizeinwirkungen nun, welche Kälte, Wellenschlag und Salzgehalt des Seewassers in ihrer Gemeinschaft auf die Hautnerven äußern, werden auf centripetalem Wege zu den Zentralorganen des Nervensystems übertragen, und von hier aus wird im Organismus eine Kette von Erscheinungen ausgelöst, welche für die Wirkungen der Seebäder charakteristisch sind.
Die eben geschilderte Wirkungsweise der Seebäder wird nicht unwesentlich durch die Seeluft beeinflusst, welche als ein gleichwertiger Faktor zu betrachten ist und, wie bereits hingedeutet, in Gemeinschaft mit dem Seebade erst die Wirkungen der Seebadekuren vervollständigt. Ihre speziellen Eigenschaften sind verschiedenartige. Zunächst ist für sie eine zwar niedrigere Temperatur, als sie das Binnenland aufweist, dabei aber eine größere Gleichmäßigkeit derselben charakteristisch, welche die Tatsache zum Teil wenigstens erklärt, dass man an der See sich weniger erkältet, als dies im Innern des Landes und im Gebirge zu geschehen pflegt. Nicht diese Gleichmäßigkeit, wie sie in Bezug auf Temperatur hervortritt, beobachtet man am Stande der Quecksilbersäule des Barometers, denn viel bedeutendere Barometerschwankungen beobachtet man am Strande, als im Binnenlande. Dagegen gehört ein sehr hoher Luftdruck, mithin eine größere absolute Dichtheit der Atmosphäre zu den Eigenthümlichkeiten des Seeklimas, welche jedenfalls bedeutungsvoller für den menschlichen Organismus ist, als die Barometerschwankungen. Ihr Einfluss auf denselben gibt sich durch Verlangsamung der Pulsschläge und Vertiefung der Athmung besonders zu erkennen, ob aber damit eine größere Ausscheidung von Kohlensäure durch die Lungen erfolgt, wie man ohne Weiteres anzunehmen geneigt, erscheint sehr zweifelhaft, wenn man sich der Versuche von Speck erinnert (Zeitschr. f. klin. Medizin, 1887, XII, S. 6), aus welchen hervorgeht, dass die Kohlensäureausscheidung von der Sauerstoffaufnahme sehr unabhängig ist und diese letztere nach dem Sättigungsgrade des Hämoglobins und der chemischen Affinitäten mit Sauerstoff reguliert wird.
Auch größere Reinheit in Bezug auf organische Zersetzungsprodukte und höherer Ozongehalt werden der Seeluft zugeschrieben. Dies gilt besonders von der Luft auf hoher See und auf tief im Meere gelegenen kleinen Inseln. Nur hier findet sich völlige Keimfreiheit und gänzlicher Mangel oxydabler organischer Materie in der Luft vor, ein Umstand, dem die Inselbäder in erster Linie den Vorzug vor den Küstenbädern zu danken haben. Im Weiteren sehe man das Kapitel über Klimatotherapie.
Das Vorhandensein von suspendiertem Chlornatrium und anderen Salzen ist nach Fromm eine unbestreitbare Tatsache und soll der Seeluft ihre die Respirationsschleimhaut mild anregende und die Expectoration erleichternde Eigenschaft verleihen. Auch zur Steigerung des Stoffwechsels und Neubildung von Blutkörperchen soll nach den Ansichten von Cazin und Mettenheimer das durch die Lungen in das Blut gelangte Salz durch Aufsaugung von Wasser und vermehrte Ausscheidung beitragen, indess haben neuere Untersuchungen, die von D. Knuth in Kiel auf der Insel Sylt gemacht wurden, und die von Friedrich-Dresden ausgeführten, freilich im Gegensatz zu aus J. Storp's Aschenanalysen gezogenen Schlussfolgerungen, ergeben, dass die Seeluft unter normalen Verhältnissen kein Kochsalz enthält und Salzwasserteilchen nur aus der Gischt der Brandung aufnimmt, welche meist an der Düne sich niederschlagen. Es erklärt sich daher die Angabe, dass die oben gerühmte sanitäre Bedeutung der Seeluft, in soweit sie durch Beimengung von Kochsalz und auch wohl von Ozon bedingt ist, nur auf die Luft kleinerer Inseln sich bezieht, und dass diese schon von ½ Stunde Entfernung von der See weg landeinwärts aufhört.
Ein ganz besonderes Gewicht legt Fromm noch auf die größere Intensität der Luftströmung, die am Meere stattfindet. Sie bringe stets, wenn sie auch schwach vorhanden ist, dem Körper selbst bei hoher Sommertemperatur Kühlung und schütze vor der erschlaffenden Einwirkung der Wärme, während ihre stärkere Beweglichkeit eine Bedingung für ihre abhärtende Wirkung sei, die den Aufenthalt am Strande selbst beim windigen Wetter stundenlang in sitzender Stellung ohne Nachteil ertragen lässt.
Von noch größerer Bedeutung ist der hohe Feuchtigkeitsgehalt der Seeluft, welcher den der Landluft um etwa den dritten Teil übersteigt. Bekanntlich wird durch einen solchen die Perspiration der Haut sehr vermindert und die Harnausscheidung und mit dieser zugleich der Abgang verbrauchter Stoffe gefordert, aber auch eine sedative Wirkung auf die Athmungswerkzeuge und das Nervensystem herbeigeführt, welche einerseits bei chronischen Catarrhen des Kehlkopfs und der Bronchien, andererseits bei nervösem Asthma und allgemeiner nervöser Reizbarkeit sich vorteilhaft geltend macht
Auf diesen eben genannten Eigenschaften beruht die Indikation und die Kontraindikation der Seeluft, deren dynamischer Grundcharakter Erhöhung des rückbildenden und anbildenden Stoffwechsels ist. Diesem entsprechend erscheint die Seeluft vorzugsweise indicirt bei Anämie, Hautschwäche, allgemeiner Atrophie, Scrophulose, Rheumatismus und Gicht, bei Neurosen sensibler und motorischer Art, Spinalirritation, Neurasthenie, Krankheiten der Verdauungsorgane, welche von einer fehlerhaften Tätigkeit des Nervensystems ausgehen; obenan stehen aber in der Liste der Indicationen: Scrophulose, konstitutionelle Schwächezustände, Neurasthenien, Catarrhe der Respirationswege, Emphysem mit Asthma, pleuritischc Exudate und beginnende phthisische Prozesse der Athmungsorgane. Als notwendige Bedingung eines Kurerfolges wird Integrität der Assimilationsorgane angesehen, welche Bürgschaft für den Wiederersatz der verbrauchten organischen Materie zu gewähren geeignet ist. Erhebliche organische Veränderungen derselben und der Organe des Kreislaufs, wie der Respiration sind hingegen ausgesprochene Gegenanzeigen für den Gebrauch der Seebäder.
Zu möglichst ausgedehntem Genuss der Seeluft haben englische und amerikanische Ärzte vielfach längere Seereisen empfohlen, Lindsay-Belfast (americ. Joarn. of med. Sc, April 1890), und Doyle (the Lancet 1890 No. 3492 p. 226) die sich über sie in längeren Artikeln verbreiten, bemerkten in Bezug auf ihre sanitäre Bedeutung, dass alle diejenigen Personen Heilung und Besserung durch sie finden, welche physisch ermüdet sind und solche, welche an Lungenschwindsucht leiden. Die bessere Prognose haben selbstverständlich die ersteren Kranken, aber auch Phythisiker, wenn sie noch im Anfangsstadium stehen oder im Stillstand der Krankheit sich befinden, völlig fieberfrei sind und weder an Nachtschweißen noch an Diarrhoen leiden, erfahren meist eine wesentliche Besserung, während Kranke mit laryngealer und fortgeschrittener Phthise von Seereisen nur Nachteil haben. So wurden nach J. B. und T. Williams 89 pCt. solcher Kranken gebessert, 5,5 pCt. blieben unverändert und 5,5 pCt. erfuhren Verschlimmerungen.
Als den Stoffwechsel lebhaft anregendes Mittel fordert das Seebad eine gewisse Leistungsfähigkeit des Gesamtorganismus, wo diese aber fehlt, wird es nach dem übereinstimmenden Urteile von an Seebadeplätzen tätigen Ärzten nur Überreizung, Schwächung und Abmagerung herbeiführen. Es muss daher vor Allem festgehalten werden, sagt Fromm, dass das Seebad an sich kein Stärkungsbad ist, sondern dass es erst dazu wird, wenn durch die Reize, die es in sich birgt, eine erhöhte Tätigkeit der organischen Prozesse hervorgerufen und die durch die Wärmeentziehung bedingten Stoffverluste nicht bloß bis zu dem entzogenen Maße, sondern über dasselbe hinaus ersetzt werden. Das Seebad ist, wenn das Gleichniss von Runge für die Kaltwasserkur angebracht ist, für den menschlichen Körper, was die Peitsche beim Tiere ist.
Es erübrigt norh auf die wichtigen Unterschiede hinzuweisen, welche zwischen den Seebädern im Allgemeinen bestehen. Es kommen hierbei in erster Linie die Bäder der Nord- und Ostsee, die des Ozeans und des Mittelmeeres in Betracht.
Bereits oben wurde bemerkt, dass die therapeutischen Grundbedingungen alier Seebäder in dem Wärmegrade des Wassers, in dessen Salzgehalt und Bewegung und in der Seeluft zu suchen sind. Zahlreiche Beobachtungen haben nun ergeben, dass der Reiz, den Salzgehalt und Wellenbewegung auf den Badenden ausüben, in den Bädern der Nordsee, des Ozeans und des Mittelmeeres ein ziemlich gleich starker ist, dass dieser aber in den Bädern der Ostsee an Intensität stetig abnimmt, ferner dass der Kältereiz des Wassers in allen diesen Bädergruppen mit Ausnahme der Mittelmeerbäder kein wesentlich verschiedener ist und endlich, dass nur die Seeluft an den Gestaden des Mittelmeeres, sowie an der südfranzösichen und spanischen Küste besonders bemerkenswerte Abweichungen von der Luft der übrigen oben genannten Seebädergruppen zeigt.
Aus diesen physiologischen Wirkungen der Seebäder hat man nun unter Berücksichtigung der lokalen Verhältnisse der Einzelbäder die Folgerung gezogen, dass nur reaktionskräftige, gut genährte Individuen, besonders wenn sie einer kräftigen Anregung und Belebung bedürfen, für Nordsee- und Ozeanbäder sich eignen, Rheumatiker und mehr der Wärme bedürftige Personen für das Mittelmeer besser passen und schwache, reizbare Konstitutionen und im kindlichen Alter noch stehende, der Schonung bedürftige Kranke sich namentlich für die Ostsee qualifizieren.
Für Deutschland kommt besonders die Wahl zwischen Nord- und Ostseebädern in Betracht. Als hauptsächlichste Unterschiede zwischen diesen beiden Bädergruppen bezeichnet man gewöhnlich, dass die Nordseebäder als kalte Soolbäder, welche wesentlich durch die Kälte wirken, aufzufassen sind, während warme Nordseebäder den Soolbädern des Festlandes vollkommen gleichen, durch Zusatz von Seesalz leicht zu den stärksten Soolquellen umgeformt werden können. Durch ihre Eigenschaft als Inselbäder, das Vorherrschen echter Seewinde, Entfernung von der Küste werden sie zu wichtigen Luftkurorten, welche durch chemische Reinheit, Staub- und Keimfreiheit der Luft, Gleichmäßigkeit und Stetigkeit der Luftbewegung und gleichmäßigere Luftwärme vor den Kurorten des Festlandes sich auszeichnen. Die Ostseebäder werden gewöhnlich nur als Kaltwasserbäder mit geringem Salzgehalt, die lediglich durch die Kälte wirken, angesehen und bilden mehr den Übergang zu den Nordseebädern. Als Küstenbäder stehen sie den Nordseebädern sowohl hinsichtlich des Klima, als auch der Reinheit der Luft und Gleichmäßigkeit der Luftbewegung mehr oder weniger nach, haben aber den Vorzug größerer landschaftlicher Schönheit und eignen sich besonders zu Sommerfrischen und Erholungsorten, sie besitzen vor den Orten des Binnenlandes den Vorzug eines kühleren Sommers, einer viel reineren Luft und einer freieren Luftbewegung.
Dies sind hauptsächlich die von Hiller (Über die Wirkungsweise der Seebäder. Berlin 1890) aufgestellten, im Allgemeinen als zutreffend angesehenen Kriterien. Abweichend sind von ihnen die Angaben Kraner's, zu deren weiterer Kenntnissnahme auf das Verhandlungsprotokoll der 13. Versammlung deutscher Balneologen (1891. P. 103.) hingewiesen sei und die Ansichten der übrigen an der Ostsee tätigen Badeärzte, Winkler's (Balneolog. Centralbl. 1891 No. 22) u. A., nach welchen Ost- und Nordseebäder nur graduell, nicht generell verschieden sind. Medio tutissimus ibis.
Die warmen Seebäder haben den Charakter der Soolbäder und weichen nur darin in ihrer Wirkung von diesen letzteren ab, dass sie mit der Eigenschaft starker Soolbäder den Genuss der Seeluft vereinigen. Sie eignen sich daher besonders für jene Krankheitszustände, bei welchen neben der Soolewirkung es erwünscht ist, noch etwas eingreifender auf die Vorgänge des Stoffwechsels einzuwirken, als es beim alleinigen Gebrauche des Soolewassers möglich ist.
Auch zu Trinkkuren wurde in neuerer Zeit das Meerwasser benutzt, Lebert (Correspondenzbl. d. Schweiz. Ärzte, V., 19, 1876) empfiehl! es auf eine 3 bis 5 proz. Salzgehalt normiert und mit Kohlensäure imprägniert, gegen Obstruction, Abdominalplethora, Neigung zu Congestionen und derartigen Krankheitszuständen. In Schweden und Norwegen scheint diese Gebrauchweise desselben häufiger zu sein als in Deutschland, wohl weil es daselbst an Kochsalztrinkquellen fehlt. Schönberg in Christiania (Norsk Mag. for Lägevidensk., 3 R., S. X., 10, Forh. i det med. Selskab., S. 150, 1879) wandte es häufig bei Scrophulose und Drüsenleiden und Ebbesen (a. a. O., S. 151) als leichtes Abführungsmittel, besonders in der Kinderpraxis an. Auch in Varberg wird das Meerwasser mit Kohlensäure imprägniert, nach den Mitteilungen von A. Levertin (Hygieina, XLVIL, 8, Svenska läkaresällsk. Förh., S. 138, 1885) zu Trinkkuren benutzt.
Die Seebadekuren an Binnenseen übergehen wir hier. Es fehlen ihnen die wichtigsten Kardinalbedingungen einer solchen und gehören aus diesem Grunde mehr in das Gebiet der Hydrotherapie im engeren Sinne, wo sie auch die nötige Berücksichtigung gefunden haben.