Die Schotten in Pommern im 16 und 17. Jahrhundert und ihr Kampf mit den Zünften

Aus: Zeitschrift für Preußische Geschichte und Landeskunde. Band 3
Autor: Riemann, Heinrich Herrmann (1793-1872) mecklenburgischer Theologe, Lehrer, Pastor, Politiker und Burschenschafter, Erscheinungsjahr: 1866
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Pommern, Landesgeschichte, Schotten, Zünfte, Hausierhandel, Einwanderer, Einwanderung, Zunftwesen, Sitten und Gebräuche, Bürgerecht
[Das Material zu vorliegendem Bruchstück aus einer pommerschen Kulturgeschichte ist zum größten Teile ungedruckten Akten des Pommerschen-Provinzialarchivs entnommen. Für gewöhnlich sind nur anderweitige Quellen zitiert.]

Zu den Völkern, welchen die Natur den Wandertrieb tief in das Blut gelegt hat, gehören auch die Schotten. Als ein altes Zeugnis dafür könnten wir schon die Pilgerfahrten jener Missionare ansehen, die unter dem Namen „Schotten“, zwar aus Irland stammend, aber doch auch dem gälischen Volke angehörig, zur Merovinger Zeit Deutschland und Frankreich erfüllten, in entlegener Waldwildnis als Einsiedler lebten, oder Klöster gründeten und dies in solcher Zahl, dass man von einer Kongregation schottischer Klöster auf dem Festlande hat sprechen können.

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Fast das ganze Mittelalter hindurch setzt sich diese Einwanderung fort, und noch heute haftet ihr Name noch an manchen Örtlichkeiten in Deutschland, wie in Regensburg am Schottenkloster und in Wien am Schottentor und Schottengymnasium. Dieselbe Wanderlust, welche neben dem Glaubenseifer jene aus der Heimat trieb, ist auch von jeher ihren Stammverwandten im eigentlichen Schottland eigen gewesen. Früh schon zeigt sich bei diesen die Neigung, das, was ihnen die Dürftigkeit des öden, in ewige Nebel gehüllten Hochlandes und die Überfülle der Bevölkerung versagt hat, Wohlstand und die Genüsse einer feineren Gesittung, in der Fremde zu suchen. Tüchtige Kriegsmänner, dienten sie im Mittelalter als Reisläufer. Seit Roberts des ersten Stuarts Zeit bildeten sie die Leibwache der französischen Könige; in den Heeren der skandinavischen Fürsten bestanden im 15. und 16. Jahrhundert ganze Regimenter aus Schotten; der schottische Adel liebte es, seine Jugend im französischen Kriegslager, oder am französischen Hofe zu verleben bis zu der Zeit hin, wo die alte Verbindung sich löste, und die Reformation das schottische Volk in einen scharfen Gegensatz zu Frankreich brachte. Aber nicht nur die Hochschotten, die reineren Nachkommen jener Galen, zogen dem Kampf mit der undankbaren Scholle des Vaterlandes die Auswanderung vor, auch das aus keltischen und germanischen Bestandteilen gebildete Mischvolk mit einer von der englischen nur dialektisch verschiedenen Sprache, welches in den Lowlands, der fruchtbarsten Landschaft von Schottland, Lothian, und den östlichen Küstenebenen wohnt, folgte gerne den Lockungen der Fremde; es ist, als ob sich in ihm keltische und germanische Wanderlust vereinigt hätte. Gute Seefahrer, mit großer Rührigkeit und der Fähigkeit ausgestattet, „das Fremde leicht zu ergreifen und sich ihm anzubequemen“, haben diese Schotten besonders in der Absicht das Ausland gesucht, um dort durch Handelsbetrieb ihr Glück zu machen. Diesen Teil der Bevölkerung jenes Landes hat Pufendorf vorzugsweise im Auge, wenn er die Eigenart des schottischen Volks in folgender Weise zu erklären sucht: „Sie sind sehr fruchtbar, ihr Land aber ist nicht geschickt genug, um so viel Volk bequem zu ernähren, deshalb laufen sie, um ihr Brot zu gewinnen, weit und breit um und suchen sich überall einzunesteln.“ Noch heute ist ihnen dieser Wandertrieb verblieben; noch durchziehen sie als Krämer und Händler England, und die Pedlars, die in den Staaten der Union mit ihrem Warenkasten von Farm zu Farm ziehen, sind oft schottischer Abkunft.

Ganz besonders stark zeigt sich jene Neigung bei den Schotten gleich nach der Reformation. Damals fand eine Auswanderung nach dem Festlande statt, welche sich aus der Eigentümlichkeit des Volkes nicht genügend erklären lässt. Es müssen noch andere Ursachen wirksam gewesen sein. Wir haben diese ohne Zweifel in den kirchlichen Verhältnissen des Landes zu suchen. Die erste reformatorische Bewegung daselbst, die, von England und Deutschland ausgehend, lutherisch war, hatte sich doch nicht stark genug gezeigt, der Regentin Schottlands, „der glaubenseifrigen Tochter des Guise’schen Hauses“ gegenüber, das katholische Kirchenwesen zu stürzen. Patrick Hamilton, der bei Luther in Wittenberg und dann in Marburg für die neue Lehre gewonnen war, wurde als Märtyrer des evangelischen Glaubens 1528 zu St. Andrews verbrannt; noch einmal befestigte sich die Herrschaft der katholischen Kirche. Die blutige Verfolgung trieb viele Lutheraner aus ihrer Heimat, manche, unter ihnen gelehrte Männer, entflohen nach England, Italien, Frankreich, und auch dort bald in der freien Übung ihrer Religion gestört, in die Schweiz, von wo Knox den Kalvinismus in sein Vaterland zurückbrachte, andere wandten sich nach Deutschland und hier vorzugsweise nach dem religionsverwandten Pommern. Diese zunächst aus religiösen Ursachen hervorgegangene Auswanderung muss aber auch auf die Masse des Volks zurückgewirkt und in dieser den alten abenteuernden Wandertrieb mit verdoppelter Stärke wieder wachgerufen haben. Schon um das Jahr 1546 müssen Schotten in großer Anzahl in Pommern vorhanden gewesen sein, denn in diesem Jahre ist das erste herzogliche Mandat gegen sie erlassen worden. Wir finden sie hier in der verschiedenartigsten Tätigkeit, als Männer von hohem Rufe, Gelehrte, Professoren, im Gegensatz dazu in untergeordneten dienstlichen Verhältnissen, als Gaukler und Wundermänner, vorzugsweise aber suchen sie als Händler, Krämer und Haustier in den verschiedensten Zweigen des Handels ihren Erwerb.

Unter den ersteren nennen wir besonders Alexander Dume aus Edinburg in Schottland. Anfangs Pastor an St. Jakobi in Greifswald, wird er 1545 als magister liberalium artiuman der Universität eingeschrieben, zusammen mit einem andern Schotten, Alex. Sinapius, Pietate et doctrina praestans wird er zwei Jahre später, zugleich mit Knipstrow, dem späteren Landessuperintendenten, zum Doktor der Theologie promoviert und 1549 von dem Lehrstuhl der Universität zum Pastor an St. Jakobi in Stralsund berufen, wo er unter andern, einer schrofferen Ansicht gegenüber, den Satz verteidigt, dass Hochzeiten am Sonntage nicht durch die heilige Schrift verboten seien. Schon vor ihm im J. 1520 wird unter den in Greifswald immatrikulierten Studenten ein Schotte, Namens Russael, genannt. Andrer Männer dieser Richtung, wie des Dr. Pommeresch, Dr. Schöner, der Erskin, die zum Teil zu hohen Würden und Ämtern gekommen sind, wird in der Geschichte der schottischen Gesellschaft in Greifswald ausführlicher Erwähnung geschehen. Hin und wieder wurde auch wohl einer aus diesen Klassen des Volkes auf ein Dorf verschlagen: so findet sich um die Mitte des 17. Jahrhunderts in Wachholtzhagen bei Treptow a. d. Rega ein Pastor, Namens Florian Hamilton, in Rügenwalde von schottischen Eltern geboren. Das Geschlecht der Hepburns (Hebrons), von dem Mitglieder später in den Heeren Gustav Adolfs, Wallensteins und Ludwig XIII. dienten, war in Pommern durch alle Stände verzweigt; Damnitz bei Stolpe wurde ein Lehn dieser Familie, welche im Besitze desselben bis z. J. 1717 blieb, wo Alex. v. Hebron es an den Generalleutnant v. Hainsky verkaufte, und „ein nicht jungfräulicher Spross“ desselben, Anna Hepburns, spielt in dem Injurienprozess eine Rolle, welcher zur Entscheidung des Schicksals der bekannten Sidonia Bork beitrug.

Ganz besonders aber verdienen die Schotten unsre Aufmerksamkeit, welche der Handelserwerb in die pommerschen Städte lockte. — Feindliche wie friedliche Beziehungen zwischen Schottland und Pommern reichen bis in das Mittelalter zurück. Als Jakob IV. von Schottland seinen kecken Ausliegern gestattete, als Kaper in dänische Dienste zu treten, und diese nun in der Ostsee den hanseatischen Schiffen großen Schaden taten, rüsteten drei Kolberger Bürgermeister und mehre Ratmannen, unter ihnen Hans Schlieff, der Enkel „des großen Hans“, im J. 1500 auf eigene Kosten mehre Orlogschiffe aus, zu deren Bewaffnung sie aus dem Gemeindeschutzhaus sechs Stücke Geschütz entlehnten, und kreuzten mit Glück gegen die Feinde. Und dass auch friedliche Handelsverbindungen schon lange bestanden, beweist ein Brief desselben Jakobs an den Herzog Bogislav von Pommern aus dem Jahre 1519. Zwei Anklamer Kaufleute, Hans Knacke und Hans Steffen sind hiernach in Schottland nach ihrer Angabe widerrechtlich ihrer Güter beraubt worden. Dafür ist auf herzogliche Anordnung gegen schottische Kaufleute aus St. Andrews Vergeltung geübt, ihre Güter sind mit Beschlag belegt, sie selbst in Gefangenschaft gesetzt worden. Um den Herzog zu überzeugen, dass das Verfahren gegen die Anklamer nicht unbegründet gewesen sei, sendet der König die Akten des Prozesses mit der Bitte an denselben, die harten Verordnungen gegen seine Untertanen zurückzunehmen, damit diese nicht gezwungen seien, die gewohnten Märkte zu meiden und mit ihren Waren andere Länder, aufzusuchen. Der Streit muss ausgeglichen sein, denn noch im Anfang des 17. Jahrhunderts folgen die Schotten den altgewohnten Bahnen des Seeverkehrs, noch 1623 fahren ihre Kaufleute die Wiek von Greifswald hinauf mit demselben Rechte, „das andere fremde Kaufleute haben, die zur See kommen, ihre Waren zu verkaufen, aber nicht aufzulegen und also mit demselben Schiffe, damit sie gekommen sind, alsofort wieder abzureisen und nicht länger zu verweilen“. — Der Verkehr der Schotten bleibt nun in dieser Zeit nicht auf den Seehandel und die Küstenstädte beschränkt, wir treffen sie nun auch überall im Binnenlande. Einige durchziehen als Tabuletkrämer das Land; ohne an einem bestimmten Orte ansässig zu sein, wandern sie mit ihrem Warenballen von einem Edelhofe zum andern, manche sind auch im Besitz eines Einspänners, dann haben sie ihre Frauen bei sich, die jene in den Städten zurücklassen. Obdach finden sie in den Städten in niedrigen Wirtshäusern, auf dem Lande überall bei Bauern und Edelleuten, denen sie stets willkommene Gäste sind. — Andere lassen sich in den Städten nieder; anfänglich nur geduldet, gewinnen sie allmählich trotz des Widerstrebens der Zünfte das Bürgerrecht und — meistens erst auf herzoglichen Befehl — die Erlaubnis, bestimmte Gegenstände feil zu haben. Von ihrem Niederlassungsorten aus treiben sie oft in der ausgedehntesten Weise ihre Geschäfte. Zum Teil bilden sie auch größere Genossenschaften, die mit vereintem Kapital arbeiten, wie der Schotte Andreas Zander in Warp an der Spitze einer solchen stand. Sie halten sich umlaufende Burschen in großer Zahl, welche die Waren auf dem Lande vertreiben, und wohl oft mit jenen nichtansässigen Schotten verwechselt wurden. Jener Andreas Zander war, ohne Zweifel in Folge des Hausierens seiner umlaufenden „Müßiggänger“, mit der märkischen Stadt Falkenberg in Streit geraten und besaß die Keckheit, der Stadt mit seiner Gesellschaft einen förmlichen Absagebrief zu schicken. Auf Betrieb des märkischen Amtmanns Melchior Krause wurde er zu Colberg auf dem Jahrmarkte gefänglich eingezogen, doch von dem Markgrafen in Betracht seines armen Weibes und seiner Kinder begnadigt und nach geleisteter Urfehde wieder auf freien Fuß gestellt. In Greifenberg sind 1558 schon einige angesiedelt, ihre Zahl vermehrt sich im Laufe des Jahrhunderts wie überall, 1613 sind dort folgende acht als Bürger ansässig: Olof Robertson, Atinson, Wilhelms, Wasse, Baldewin, Jakob Korte, Jakob Nedal, Reimar Buntink; in Treptow sind um 1590 Andreas Schmidt und Hans Ballentin im Besitz des Bürgerrechts, und nach hartem Kampfe mit den Zünften gewinnt es auch Hans Möringk. (Ihre zum Teil deutsch klingenden Namen dürfen bei der Verwandtschaft des Angelsächsischen mit dem Niederdeutschen nicht auffallen.) Die Mehrzahl derselben sind Krämer, sie handeln, wie die Klageschriften der Zünfte ergeben, mit den verschiedenartigsten Gegenständen und nehmen es nicht immer genau damit, ob sie auch durch ihre Privilegien dazu berechtigt sind. Sie verkaufen Gewürze, Seide, Samt, Wolle, Salz, Hanf, Wachs, Honig, Hering, Flachs, Tuch, Eisenwaren, Stahl, Blei und Zinn, sie treiben Kornhandel, beschäftigen sich mit dem Aufkaufen von Fellen, die sie in den Städten an die betreffenden Zünfte mit Vorteil wieder verkaufen, oder auch außer Landes führen, sie gerben Rauchfelle, färben Otterfelle, verkaufen gefütterte Hüte, Männer- und Frauenmützen, einige befassen sich mit der Brauerei, und hier und da arbeiten sie auch als Handwerker. Der oben genannte Buntink ist ein Färber und Nedal ein Goldschmied; den Beschwerden der Zünfte gegenüber behauptet er, dass er kein Handwerk, sondern eine freie Kunst treibe. Als ein Elias Otto (Flemming) aus Hof 1566 nach Ungarn gezogen war, mussten seine Verwandten für ihn unter andern Posten noch 17 Thlr. bezahlen als Rest einer Summe, die er dem Schotten David für Rüstung und zwei Pferde schuldig geworden war. Manche finden wir auch in dienstlichen Verhältnissen verschiedener Art. Ein Schotte, der 1566 in Stralsund von einem Joachim Toller mit einem „Totzhaken“ so verwundet wird, dass er daran stirbt, war „Diener“ von Jakob Kleriten, dem Schwiegersohne des bekannten Sastrow; der Mörder wird durch seine Freunde der gerichtlichen Ahndung entzogen. Jener Hans Möringk in Treptow, der lange vergeblich das Bürgerrecht zu gewinnen suchte, hatte Fürsten und Herrn, wie er selbst sagt, wider den Erbfeind der Christenheit und gegen die „Muschewiter“ gedient und sich vom Rate der Stadt Treptow bei Erbhuldigungen, Beilager und andern Festlichkeiten als Trabant fleißig und treulich brauchen lassen.

Es gab auch Leute unter ihnen, die sich nicht scheuten, sich zu Geschäften herzugeben, deren Betrieb das Gesetz bei strenger Strafe untersagte. So war der durch das ganze Reich verbreitete, von den Regierungen scharf verfolgte, oft aber auch selbst betriebene heimliche Handel, mit gemünztem Metall, der aus den verwirrten Münzzuständen dieser Zeit emporwucherte, in Pommern vorzugsweise in ihren Händen, sie kauften für schlechtere Stücke die vollwichtigeren Münzen im Lande auf, um sie auszuwippen und einzuschmelzen, und brachten so schlechteres Geld in Umlauf. Dass sie sich auch mit wirklicher Falschmünzerei befasst haben, wird ihnen wenigstens von ihren Gegnern in den Zünften zur Last gelegt. Dies Verbrechen war in dieser Zeit auch in Pommern nicht selten, auch hier fanden sich „kunstreiche“ Männer, die es verstanden, Münzstempel zu graben, Schillinge von Kupfer zu schlagen und sie dann in Weinstein zu sieden, dass sie das Ansehen von echten erhielten. Da sie so auf jede Weise ihr Glück zu machen suchen und selbst einen unredlichen Erwerb nicht verschmähen, kann es nicht Wunder nehmen, dass wir sie auch sonst in zweideutigen und niedrigen Verhältnissen finden. Wallenstein steht im Jahre 1631 in Greifswald mit einem nicht genannten Schotten in Verbindung, der einen nicht näher bezeichneten heimlichen Streich gegen Gustav Adolf, vermutlich gegen sein Leben ausführen soll. Einer der ersten Schotten, deren überhaupt in Pommern Erwähnung geschieht, ist ein Wundermann, der, sonst normal gestaltet, oberhalb des Nabels mit einem doppelten Leibe versehen ist, er lässt sich in den pommerschen Städten für Geld sehen und tritt schon 1520 in Colberg auf. Dass auch sonst unter den Pommern durchstreifenden Gauklern und Abenteurern Schotten gewesen sind, beweisen mehrere herzogliche Befehle, welche die Amtleute und Landreiter anweisen, auf Schotten, Zigeuner und Wahrsager ein wachsames Auge zu haben.

Wenn ein Volk sich so massenhaft in einem fremden Lande niederlassen kann, so müssen hier besondere örtliche Verhältnisse obwalten. Das zahlreiche Eindringen der Juden in die slawischen Länder, besonders in Polen, wäre nicht möglich gewesen, wenn nicht in den gesellschaftlichen Zuständen des in Adel und Leibeigene auseinanderklaffenden Volkes eine Lücke gewesen wäre. Die Juden vertraten hier die jedem Staatswesen unentbehrliche Tätigkeit des gewerbetreibenden Mittelstandes. Auch in Pommern mussten besondere örtliche Verhältnisse sein, welche der Einwanderung der Schotten günstig waren. — Nach der letzten großen geistigen Erhebung des deutschen Volks in der Reformation bereiteten sich schon die Zustände vor, die dasselbe zuletzt in staatlicher, wissenschaftlicher und gewerblicher Beziehung vom Auslande abhängig machen sollten. Wie die Handelsmacht der deutschen Nord- und Ostseestädte bereits im Sinken begriffen war, wie neben den hanseatischen schon keck fremde Flaggen wehten, die Adventurers an der Nordseeküste vergeblich sogar durch Reichstagsbeschlüsse bekämpft wurden, so gestatteten auch selbst im Lande die Zunftverhältnisse in Pommern fremder Betriebsamkeit ein erfolgreiches Mitwerben.

Noch immer war ein guter Kern im Bürgertum vorhanden, und die guten Geister des deutschen Hauses hatten noch immer eine Stätte auch am Herde des pommerschen Handwerkers. Noch hämmert und hobelt in den Werkstätten der mühsame deutsche Fleiß, das alte Erbteil unseres Volkes, und jene pommersche Herzogin, welche morgens um fünf aussteht, beim Ankleiden mit ihren Frauen geistliche Lieder singt, dann, nachdem sie ihrem Gemahl aufgewartet, ihre Arbeit in die Hand nimmt und den ganzen Tag nicht feiert, die sogar auf der Suche, bis das Wild herangetrieben ist, neben den Männern im Grase sitzend mit ihren Frauen strickt, wüflet und näht, findet ihr Abbild noch in den Frauen vieler Bürgerhäuser, und Frau Holle hat nicht nötig, den faulen Spinnerinnen den Flachs anzuzünden oder den Fluch ins Haus zu werfen. Aber der gute Kern ist bereits von einer Krankheit angefressen, die ihn allmählich zerstören soll. Das Zunftwesen, das sonst dem Einzelnen Halt und ein wohlbefestigtes Dasein gab, wird jetzt ein Schuh für die Trägheit, die sich hinter den Zunftprivilegien versteckt, um sich der Mühe zu überheben, mit Anderen im Betriebe zu wetteifern, und die Kraft des an und für sich schon wenig unternehmungslustigen, gern im hergebrachten Geleise bleibenden Volks der Pommern gebunden hält. Die Leistungen der Zünfte sind daher häufig stümperhaft und unmodisch, das grobe Tuch entspricht nicht mehr den Ansprüchen der höheren Stände und des Adels, der eben aus der bäuerlichen Einfachheit seiner Lebensweise heraustritt; häufig wiederholen sich die Klagen, dass die städtischen Handwerker sich nicht bemühen, den Wünschen der Käufer nachzukommen, dass die Tuche der städtischen Wollweber nicht zu Aufwartungen bei Hofe und bei Leichenbestattungen zu gebrauchen sind. Die Käufer müssen die schlechten Kramwaren in den Städten teuer bezahlen, „mit Geld aufwiegen“. „Oft ist das, was der Adel aus den Städten holen lassen will, für Geld gar nicht zu haben, und das andere muss ohne Abdingung bezahlt werden. Dagegen vereinigen sich Kaufleute und Städter vorher, wie teuer ein Jedes gekauft werden soll, an Butter, Wolle und andern Waren, und wer darüber tut, der wird von ihnen gestraft.“ Überhaupt steht die Güte der Waren in keinem Verhältnisse zu dem Preise derselben, denn die Käufer müssen natürlich die Unkosten mitbezahlen, welche den Zunftgenossen die Aufnahme in die Zunft, die teuren Werkkosten, der „gute Montag“ und andere Festlichkeiten auferlegt. Wenn im Anfange des 16. Jahrhunderts die Bischöfe von Trier, Speier, Straßburg, Freisingen und Würzburg und andere Große mit einander eins wurden, sich ihres Gelübdes „alles Fluchen beim Zutrinken zu unterlassen“, für die Fälle zu überheben; wo sie an den Höfen der Fürsten von Mecklenburg, Pommern, Brandenburg und Sachsen auf Trinkgelagen sein würden, indem man da nicht umhin könne, unter Fluchen und gotteslästerlichen Reden Bescheid zu tun, so ist das ein Beweis, wie es in jener Zeit mit der Tugend der Mäßigkeit an jenen Höfen bestellt war. Auch in den Zünften war die alte Neigung der Deutschen, die Gemütlichkeit des Beisammenseins durch einen guten Trunk zu heben, zu wüster Völlerei und zynischer Rohheit entartet, an und für sich die Kräftigung des Volkswohlstandes hindernd. Auszüge aus einer in Betreff des Zunftwesens vom Rate der Stadt Demmin um 1550 erlassenen Ordnung „der Ämter in Demmin, Misbruk und Ordenung widder dagegen“ mag dazu dienen, den an und für sich sattsam bekannten Tatsachen einige charakteristische Züge hinzuzufügen. Schildert jene Schrift zunächst auch nur die Zustände einer Stadt, so ist doch, wie die Klagen der Räte anderer Städte beweisen, das Zunftwesen überall in gleicher oder ähnlicher Weise verrottet und verwildert. Bei der Aufnahme in die Zunft der Wollenweber hat der junge Bruder, der das Meisterstück geliefert hat, zu der Kollation für die ganze Zunft zu beschaffen 1 Ochsen, 8 Schafe, 48 Hühner, 6 Tonnen Bier, Zwiebeln, Butter, Pfeffer und andere Gewürze für 18 Mark, am zweiten Tage Wecken, Butter und Käse für 25 M. Heiratet er außerhalb des Amts, muss er die Frau durch eine Köste, die 20 Gulden kostet, in dasselbe einführen, und abgesehen von den gewöhnlichen 5 M. Amtgeld für jede Frau, muss die fremde noch 8 (?) Gulden zu Käse geben. Darunter sind die eigentlichen Ehekosten noch nicht begriffen, welche sich allein auf 70 bis 80 Gulden belaufen. Die Gesamtsumme aller Unkosten beträgt 262 Mark! Was ein junger Mann allmählich zusammengekratzt und erworben hat, muss er auf einmal vertun, und soll er Wolle kaufen, so hat er nichts; wenn sich aber einer durch Fleiß wieder aufhilft, so wird ihm das missgönnt, und um ihn wieder in Kosten zu stürzen, legt sich Jung und Alt bei ihm zu Gast auf. Bei Irrungen zwischen Amtsbrüdern sind sie gleich bei der Hand, die Parteien vor die Morgensprache zu fordern, um ihnen Brüche aufzulegen, damit sie etwas zu schlemmen bekommen. Für die Anschaffung von Harnischen, Büchsen, Hellebarden ist lein Geld in der Lade.“ Die Wollenweber scheinen es am ärgsten getrieben zu haben, doch haben auch andere Zünfte große Missbräuche. Bei den Schustern darf ein Witwer oder eine Witwe, welche wieder freien und im Amte bleiben wollen, drei Viertel Jahre keine Schuhe machen. „Die Schneider machen selten etwas Gutes und verderben den Leuten ihre Kleider. Einigen Zünften, den Haken (Hökern) und den Krämern, „einem aus Beutlern, Riemenschneidern und Krämern zusammengeflickten Amte“, spricht der Rat selbst die Lebensfähigkeit ab. Sie „beschinnen“ beide die Armut und nehmen nicht nur die Hälfte, sondern drei und vielfältigen Wucher. Wenn sie ihr „beschinnen und beschaben“ nicht lassen, sollen sie aufgehoben werden. — Was die Zünfte durch ihre Erpressungen zusammenbringen, das verschlemmen sie an den großen Festen, dem Sonntag nach Trinitatis, „Fastlabend“, und besonders am Pfingstfest; auch ist, um die Zahl der Festtage noch zu vermehren, bei allen Zünften die Unsitte eingeführt, dass das Amt der Alterleute jährlich wechselt.

Manch fröhlicher Brauch aus alter Zeit schaut noch aus dem verwilderten Wesen hervor, oft zu wüster Rohheit verzerrt. Bei den Zusammenkünften der Zünfte wählen auch die Frauen ihre Gildemeisterschen, welche für Wecken und Käse Sorge zu tragen haben. Wenn die Dreger ihren Altermannswechscl feiern, muss jedes Mitglied der Zunft einen großen Eierkäse geben, paarweise hinter einander, oft bei 40 Paar ziehen sie dann, jeder seinen mit Rosinen Mandeln, Safran und Gewürzen zugerichteten Eierkäse auf einer Schüssel in den Händen tragend, in Prozession durch die Straßen.

Die wüstesten Zechgelage finden zur Zeit des „lustigsten und fröhlichsten aller Feste“ (wie jene Ratsordnung sagt), des in Stadt und Land durch Volkslustbarkeiten aller Art gefeierten Pfingstfestes statt. Auch hier treiben es die Wollenweber am ärgsten. Sie beginnen die Feier schon 14 Tage vor Pfingsten und setzen sie noch 14 Tage lang über die gewöhnliche Festzeit hinaus fort, so dass ihre „Schlemmereien“ fünf Wochen dauern; selbst an den Festtagen ziehen sie, anstatt der Spendung des heiligen Geistes zu gedenken, mit Pfeifen und Trummen an der Kirche vorüber. Ihnen eifern die Mühlen- und Bauknechte nach; sie erlauben sich ähnliche Aufzüge während des Gottesdienstes; „durch den Lärm der Pfeifen und Trummen, durch Jauchzen und Schreien zwingen sie den Prediger, inne zu halten, bis der wilde Schwarm vorüber ist, so dass also Gottes Wort bösen Buben weichen muss. Das wüste Treiben wird vom Rate bei schwerer Ahndung untersagt, auf die Unsitte, beim Fastnachtslaufen, wo man Wurst, Fleisch, Brot auf Stöcken aus den Häusern zusammenbettelte, sich zu vermummen, oder sich zu bemalen und zu besudeln“ und das nach Gott geschaffene Antlitz dem Teufel gleich zu machen, wird sogar die Strafe der Enthauptung gesetzt.

Bei solchen Zuständen des Bürgertums werden die schottischen Händler bald gefährliche Konkurrenten der Zünfte. Sie kommen den Neigungen des Publikums überall entgegen, sie halten sich bessere Waren, namentlich die vom Adel vielbegehrten feineren Tuche, sie ziehen auf die großen Messen ins Reich und holen ihre Waren aus Nürnberg, Frankfurt, Leipzig. Sie können ihre Waren schon deshalb billiger verkaufen, weil sie einfacher und mäßiger leben: „Ein genau Volk, das kärglich lebt“, nennt S. Frank schon die Schotten. Ein pommerscher Landtagsabschied sagt von ihnen: „sie wissen sich genau zu behelfen und solcher Zehrung nicht zu gebrauchen, wie sie jetzt in den Städten einreißt.“ „Sie reißen mit falsch Gewicht und Elle Alles an sich!“ klagen die Greifenberger Krämer, d. h. sie geben mehr fürs Geld, als die Zunftgenossen. So bringen sie es durch ihre Ausdauer im kleinen Verdienst, durch ihre Schmiegsamkeit und Sparsamkeit oft zu Wohlhabenheit und Reichtum, und mit dem Reichtum scheint sich bei ihnen auch der Fehler eingestellt zu haben, den die Engländer noch heute an ihnen rügen, der Hochmut. „Sie wollen für mehr als andere gehalten sein und tun sich brünstiglich hervor“, heißt es in einer Beschwerdeschrift über sie, und ein Greifenberger Schotte hat ein so großes Einkommen, dass er „vor Übermut sich Fischteiche, Gärten und Lusthäuser anlegt“.

Mit aller Macht stemmen sich die Zünfte, die sich von dem Unternehmungsgeiste der fremden Händler überflügelt sehen, gegen die gefährlichen Nebenbuhler, sie rufen gegen sie den Schutz der städtischen Räte, der Landtage, der Regierungen an, sie suchen die Niederlassung derselben und die Gewinnung des Bürgerrechts zu hintertreiben, und wenn sie dazu nicht im Stande sind, ihnen wenigstens das Hausieren zu legen und Schwierigkeiten anderer Art zu bereiten. Mit der Übertreibung, die den Klagen jener Zeit überhaupt eigen ist, schreien sie, „dass ihnen das Brot aus den Mäulern gerissen werde, sie könnten ihre Kinder nicht mehr redlich ernähren und müssten an den Bettelstab geraten. Früher wären ihnen im Herbst und zur Schlachtzeit so viel Häute in die Städte gebracht, dass sie das ganze Jahr damit versorgt gewesen waren, jetzt könnten sie von Adel und Bauern keine Häute mehr bekommen und müssten sie teuer von den Schotten und andern Umläufern kaufen.“ Hier und da kommt es auch wohl zu tumultuarischen Auftritten gegen dieselben; in Treptow nehmen die Krämer jenem Hans Möringk Kessel und andere Waren weg und drohen, ihm die am Fenster aufgestellten Sachen zu zerschlagen. Eine Reihe von Dekreten, teils einzelne Städte, teils das ganze Land betreffend, werden gegen sie erlassen. Das erste Mandat gegen sie v. J. 1546 betrifft die Woll- und Fellkauferei. Weil den in den Fürstentümern angesessenen Handwerkern die Nahrung verkümmert wird, sollen die Schotten und andere, die nicht zu Bürgerrecht angesessen sind, bei Verlust der Waren keine Wolle und Fellwerk im Lande aufkaufen, die aber, welche damit zu handeln berechtigt sind, sollen beides erst aus dem Lande führen, wenn sie dasselbe in der nächsten Stadt zu offenem Kauf gebracht und den Handwerkern, die solche Rohstoffe zu ihrem Geschäfte brauchen, zum Kauf angeboten haben.“ Ähnliche Verbote enthalten eine Verordnung Philipps vom Jahre 1555, und die Schäfer- und Bauernordnungen vom Jahre 1569 und 1616. Besonders sind es die Beschwerden der Schuster, Kürschner, Riemer, Beutler, Weißgerber und Krämer, welche jene Mandate veranlassen. In vielen Städten wurden besondere Lokalverordnungen erlassen, in Wollin 1590, 1593, 1612, 1623 in Anklam, 1606 gegen die Tabuletkrämer, 1555, 1584 und 1613 gegen die Fellkäufer, 1605 und 1606 gegen die schottischen Krämer, denen das Hausieren innerhalb der Stadt auf die freien Märkte beschränkt wird, während es ihnen auf dem Lande gestattet ist, 1612 in Stralsund, 1604 und 1612 in Colberg in der „Willkür“ der Kürschner; in Greifenberg ist schon 1558 ad instantiam der Krämer inhibitio gegen die Schotten erkannt, in Bergen 1576, in Wolgast 1585. Man sieht aus der sich mehrenden Zahl, der Verbote, dass die Einwanderung gegen das Ende des Jahrhunderts zugenommen hat. Insbesondere verfolgen die Zünfte die nicht ansässigen Wanderschotten, die keine Landesbürden tragen; nach einer Verordnung von 1623 sollen sie in Greifswald überhaupt gar nicht mehr geduldet, sondern von den Wirten abgewiesen werden, im Fall des Zuwiderhandelns sollen diese für jede Nacht 10 Thlr. Strafe geben, jene nach Gelegenheit in willkürliche Strafen genommen werden.

Doch waren diese, immer wieder aufgefrischten Mandate gegen die Schotten, im Ganzen wirkungslos. Wurden dieselben auch hier und da, wie in Wollin und Lauenburg, von den Kanzeln herab bekannt gemacht, auch hier und da einem schottischen Händler sein Warenbündel oder sein Wagen von einem Gardevogt, Landreiter oder einem von den Zünften ausgesandten Späher mit Beschlag belegt, so trieben sie doch in der Hauptsache ihre Geschäfte ungestört weiter. Sie hatten die unwiderstehliche Macht für sich, mit der jedes wirkliche Bedürfnis sich geltend macht. Sie fanden Freunde an den Landbewohnern, und besonders mächtige Gönner an dem Adel, bisweilen selbst an den Herzogen. — Der pommersche Adel war dem Buschreiter- und Freibeuterwesen nie in dem Grade verfallen gewesen, wie der Adel anderer deutschen Länder, im Mittelalter stehen Adel und Städte meist zusammen gegen die Landfriedensbrecher; in den Fehden der Städte unter einander, wie Treptows und Greifenbergs, parteit sich der Adel selbst, je nach seinen Beziehungen zu den Städten, für oder gegen dieselben, denn Mitglieder der Adelsgeschlechter saßen ja überall in den Räten der Städte.

Während Joachim I. von Brandenburg noch die strengsten Mittel anwenden musste, um die raubritterlichen Neigungen seiner Edelleute zu zügeln, kam in Pommern selten ein Landfriedensbruch vor, hier hatte der Adel seine wilden Gewohnheiten schon abgestreift. Aus den Städten hatte er sich schon meistens auf das Land gezogen; dort bewirtschaftet er seine Güter selbst und sucht den bei der unfreien Arbeit geringen Ertrag derselben durch Errichtung von Meierhöfen und Schäfereien aus gelegten Bauerhufen zu steigern, „oder er behilft sich mit den Zinsen und Renten, die einen güldenen Boden haben, und befleißigt sich ehrlicher und unnachteiliger Sparsamkeit.“ Der Adel am Hofe des gebildeten und nach dem Geschmack jener Zeit auch kunstsinnigen Fürsten Philipps II. zeigt sich auch höherer Bildung zugänglich, „es gibt unter ihnen viel Gelehrte und im Kriegswesen versuchte Rittersleute“, schreibt Hainhofer, der feingebildete Korrespondent des Herzogs aus Augsburg, der einer Einladung desselben Folge leistend, am Hofe und von dem Adel mit großer Auszeichnung behandelt wurde. Es kann uns deshalb auch nicht Wunder nehmen, dass wir in diesem Stande mitunter einer vorurteilsfreieren Bildung und einer tieferen Einsicht in die Zustände begegnen, als wir sie gewöhnlich in den Städten finden. Es gibt Männer darunter, welche nicht bloß die Missbräuche des Zunftwesens bekämpfen, sondern auch den Wert der Zunftverfassung selbst anzweifeln. Ein Herr v. Mildenitz auf Nibbekard sagt in einem Beschwerdeschreiben gegen die Greifenberger Schneiderzunft: „viele sagen, wo freier Handel ist, da geht das Werk viel besser zu, da lobt das Werk den Meister.“

Freilich stimmt hier das freiere Urteil mit dem eigenen Vorteil zusammen. Denn der adlige Grundherr, der die Produkte seiner gesteigerten Tätigkeit nun auch besser verwerten will, als er es in den Städten vermag, der sich überall von den Zunftprivilegien beschränkt und gebunden sieht, liegt schon lange in geheimer Fehde gegen den lästigen Zwang der Zünfte, von dem er sich frei zu machen sucht, und es ist eine bessere Fehde, als seine Ahnen sie gegen die Städte geführt haben. Hierbei nun findet er in den Schotten brauchbare Bundesgenossen. Sonst musste er die Erzeugnisse seiner Wirtschaft auf die städtischen Märkte bringen, stundenlang mit den Zunftgenossen um den Preis feilschen; er war den willkürlichen Bestimmungen von geschlossenen Gemeinschaften unterworfen, welche im Voraus den Preis der Waren festgesetzt hatten und jeden bestraften, der es wagte, darüber hinauszugehen, während er selbst den Krämern und Handwerkern das Geforderte ohne Abdingung bezahlen musste. Dieses lästigen Zwanges überhebt ihn der schottische Händler und Tabletkrämer, er führt ihm die Waren vor sein Haus, bietet ihm auch die kleinen Bedürfnisse des Haushalts bequem und für einen billigeren Preis, als er sie von den Stadtkrämern erhält, „er braucht nicht mehr um ein Loth Seide in die Stadt zu schicken, wodurch Unkosten und Botenlohn sich schon höher belaufen, als die Waren selbst“, er tauscht sie auch um für die Produkte der Wirtschaft, oder zahlt für die Butter, Korn, Felle etc. einen höheren Preis, als die Städter. Darum ist er auf dem Lande ein immer gern gesehener Gast, bei Edelleuten und Bauern stets willkommen geheißen. Und wenn vielleicht der Herzog selbst geneigt ist, dem Drängen der Zünfte nach durchgreifenden Verboten nachzugeben, so ist es immer die Ritterschaft, welche dies verhindert. In dem Bedenken der Ritterschaft über die herzoglichen Resolutionen auf die gravamina der Stände von 1601 heißt es: „die Schotten abzustellen, würde einer Ritterschaft Vorteil nicht sein, könnten es auch als ihnen hochnachteilig nicht bewilligen.“ Es wird daher den Städten auch nur der wenig sagende gute Rat gegeben, die Zünfte sollen sich so bezeigen, dass die Leute auf dem Lande mehr Lust gewinnen, mit ihnen, als mit den Schotten zu handeln, oder wie es anderswo heißt: „die Handwerker sollen unter sich christliche, billige Satzungen und Wardierungen machen, damit nicht der gemeine Mann mit unbefugter Teuerung übernommen werde; auch sollten die Handwerker und Kaufleute den Leuten, so ihre Waren zu Markte brächten, nicht trotzen, sondern was recht und billig sei und was sie von den Schotten und anderen bekommen würden, ihnen auch geben und zahlen.“ Auf Betrieb des umwohnenden Adels erhält z. B. der J. Körte in Greifenberg die Erlaubnis, neben seinem Seidenhandel auch gutes, feines Tuch, das in Greifenberg nicht zu haben sei, und das man aus fernliegenden Städten holen müsse, um einen billigen Preis feil zu haben, auch Bier zu brauen und es in ganzen oder halben Tonnen zu verkaufen. Die Krämer sollen ihn nicht hindern. Nur in einem Punkte stimmt auch die Ritterschaft den Beschwerden der Zünfte bei, auch sie will den betrügerischen Handel der Schotten mit gemünztem Metall, das „Auswechseln“ des Silbers und das Ausführen desselben aus dem Lande streng verboten haben.

Schließlich verdient noch eine besondere Erwähnung die schottische Gesellschaft, im Jahre 1590 in der Stadt, in welcher das schottische Element von Anfang an am stärksten vertreten war, in Greifswald, von den in dieser Stadt ansässigen Bürgern schottischer Nation gegründet: „Gott zu Ehren, dessen Kirche und armen notleidenden Leuten zum Besten, und um ein gutes Vertrauen unter denen von schottischem Geblüt und Abkunft zu unterhalten.“ *) Unter den Gründern werden genannt: David Gipson (Givson), Hans Levenstohn, Dr. Johannes Pommereschen. Später in Greifswald einwandernde Mitglieder des Volkes schließen sich dem Vereine an, wie 1597 Walter Erskin (Esken), Seidenhändler und bald angesehener Bürger in der Stadt, dann Thomas Murray mit zahlreicher Verwandtschaft, unter diesen Wilhelm Murray und ein zweiter Thomas Murray, der 1617 zugleich mit Alexander Ersken beitritt. (Alex. Escheim oder Erskein bei Kosegarten, Gesch. d. Greifsw. Univ. 1, 252), dem späteren Freiherrn und Kriegs- und Hofgerichtspräsidenten der Krone Schweden. „Die Zinsen bestimmter von der Sozietät zusammengebrachter Gelder und andere derselben zufallende Einkünfte sollen Kirchen, Armenhäusern und anderen piis locis zufallen.“ Die Gesellschaft ist zunftartig organisiert mit Alterleuten an der Spitze; die größere Zahl der Mitglieder besteht aus Krämern und Seidenhändlern. Wie anderswo die Schotten, so leben sie auch hier in stetem Streit mit den Zünften. Sämtliche Alterleute und Brüder der Krämerzunft beschweren sich über sie, dass sie sich mit der Vorkäuferei befassen und ihrer Krämerrolle zuwider außerhalb der offenen freien Märkte sich unterstehen, ihre Ware feil zu haben und die Eingebornen in ihrer Nahrung zu stören. Ein Prozess mit jener Zunft geht sogar an das Reichskammergericht. Da das fürstliche Hofgericht, welches ohne Zweifel gegen sie entschieden hat, die Prozessakten auszuliefern zögert, bitten die Schotten den Herzog im Jahre 1602, „dem kaiserlichen Compulsoriale zu Folge die Beschaffung derselben gnädigst befehlen zu wollen, widrigenfalls sie sich beschweren und acriores compulsoriales erbitten müssten, womit sie als arme Leute und gehorsame Untertanen das fürstliche Hofgericht nicht gerne beschweren möchten.“ Unterzeichnet ist: „Thomas Elison und andere Konsorten schottischer Nation.“ Über den weitern Verlauf des Prozesses schweigen die Akten.

*) Ich verdanke die Kenntnis der diese Gesellschaft betreffenden Urkunden Herrn Stud. Phil. Zöller in Greifswald, der so freundlich gewesen ist, sie für mich zu kopieren.

Der Streit mit den Krämern hält sie freilich nicht ab, die beschränkenden Zunftbestimmungen zum Vorteil Einzelner gegen einander zu benutzen. J. Kerckeles, Greifswalder Bürger, beklagt sich um dieselbe Zeit bei dem Herzoge, dass einige Leute seiner Nation, Walter Esten, Walter Linston (?), David Brusse sich den Handel mit schottischem Salz, den ihm sein Schwiegervater übergeben, angemaßt hätten, um ihm denselben aus den Händen zu reißen. „Bei keinem wohlbestellten Regiment dürften Krämer und andere Amtleute, welche ihre Rollen hätten, Kaufmannschaft treiben, der Krämer solle bei der Kramerei, der Kaufmann bei der Kaufmannschaft bleiben, keiner dem andern die Nahrung entziehen. Da bei den Zwistigkeiten zwischen Rat und Bürgerschaft nichts auszurichten sei, solle der Herzog befehlen, dass jene sich der Salzhandlung enthielten.“

Um die Mitte der zwanziger Jahre des 17. Jahrhunderts erreichte der Verein seine höchste Blüte, 1624 kaufte er ein eigenes, in der Fischerstraße gelegenes Haus für 1.300 Gulden, von denen er 600 sogleich bezahlte, in der Hoffnung, auch den Rest bald abtragen zu können. Aber die traurige Zeit der kaiserlichen Einquartierung, in welcher die ganze Stadt durch Steuern und Plünderung verarmte und verödete, hinderte das weitere Gedeihen desselben. Wenn er auch die Jahre der Drangsal überlebte, so schmolz er doch durch das Hinsterben vieler Mitglieder sehr zusammen, während zugleich aus Schottland seit dieser Zeit kein Ersatz mehr kam. Noch einmal suchte Dr. Joh. Schöner, „medic. Dr. in Greifswald und berühmter Practicus, auch königlicher Estasmedicus aus Edinburg (wo sein Vater, Martin Schöner, Arzt aus Thüringen, sich niedergelassen hatte), als Gemahl der Katharina Ersken zur schottischen Verwandtschaft gehörig, den Verein neu zu beleben. Auf seinen Betrieb nahmen sich Dr. Pommeresch, Stiefsohn des 1617 beigetretenen Th. Murray, Professor der Universität und beider Rechte Doktor, und Thomas Murray, Ratsverwandter der Stadt, eifrig desselben an, und Freiherr Alex. v. Erskein, Schwedischer Kriegs- und Hofgerichtspräsident, gab zur Tilgung der auf dem Hause haftenden Schulden einen freiwilligen Beitrag von 100 Thlr. — Aber trotz der auch von Dr. Pommeresch gebrachten Geldopfer wollte es nicht gelingen, den Verein wieder emporzubringen, und da das durch den Verfall der beiden Nebenhäuser selbst baufällig gewordene Haus die Miete durch die Baukosten verzehrte, und dadurch der ursprüngliche Zweck, den piis locis eine Beisteuer zu geben, vereitelt wurde, so beschloss derselbe im Jahre 1676, das Haus der Marienkirche zu schenken, um es — nicht unter 600 Gulden — zu verkaufen und das gelöste Kapital zu verschiedenen Schul-, Kirchen- und Armenzwecken zu verwenden, 200 Gulden davon auf Acker zinsbar anzulegen und unter dem Titel „der löblichen schottischen Compagnie Administratoren Dr. Joh. Pommereschen und Th. Murray Donation alle Jahre richtig zu berechnen.“

Seit dieser Zeit wird die schottische Gesellschaft in Greifswald nicht mehr erwähnt; sie muss sich bald aufgelöst haben.

Um dieselbe Zeit, in welcher diese schottische Gesellschaft in Greifswald zu der höchsten Blüte gekommen war, hat auch die schottische Einwanderung in Pommern, wie die Zahl der gegen sie erlassenen Mandate erweist, ihren Höhepunkt erreicht. Dieselbe Ursache, welche das Gedeihen jener Gesellschaft gestört hat, die Verwirrung des Pommern schwer heimsuchenden dreißigjährigen Kriegs, hat auch der Einwanderung der Schotten in Pommern überhaupt ein Ziel gesetzt. Ohne weitere Verbindung mit der alten Heimat, nicht mehr gekräftigt und unterstützt in ihrem nationalen Bewusstsein durch neue Zuwanderung, verlieren sich die Reste derselben bald unter der übrigen Bevölkerung, und nur die Namen Wasse, Nedel, Buntink (von denen, wie ausdrücklich bemerkt wird, die Bontin abstammen) etc. bleiben als letzte Erinnerung an das Land, aus dem die Vorfahren jener Familien einst eingewandert sind.

001. Goldschmiedewerkstatt

001. Goldschmiedewerkstatt

002. Enge Gasse

002. Enge Gasse

003. Steinmetzen

003. Steinmetzen

004. Glockengießer

004. Glockengießer

005. Wundarzt

005. Wundarzt

006. Fahrendes Volk

006. Fahrendes Volk

007. Rathausplatz

007. Rathausplatz

008. Prozession vor dem Dom

008. Prozession vor dem Dom

009. Dom-Inneres

009. Dom-Inneres

010. Gerichtszene

010. Gerichtszene

011. Bauern bei der Arbeit

011. Bauern bei der Arbeit

012. Bauerfamilie zum Markt ziehend

012. Bauerfamilie zum Markt ziehend

Deutsche Kulturbilder - Stadtansicht

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