Die Mondscheinnacht auf dem Königsstuhl auf Rügen

Aus: Meine Reise durch Schlesien, Galicien, Podolien nach Odessa, der Krim, Konstantinopel und zurück über Moskau, Petersburg, durch Finnland und die Insel Rügen im Sommer 1832. Zweiter Teil. Leipzig, 1834.
Autor: Behr, August von (?-?), Erscheinungsjahr: 1834
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Insel Rügen, Reisebeschreibung, Aale, Neuendorf, Pommern, Arkona, Jasmund, Wiek, Greifswald, Putbus, Stubbenkammer
Ein treffliches Abendbrot, dessen Bestandteile Aal und Wildpret, erschien uns als nicht zu verachten, wir taten ihm Ehre an und glaubten nach den Strapazen des Tags - und nachdem wir seit dem Dejeuner nichts zu uns genommen – es wohl verdient zu haben. Nach dem Essen gleich den Schlaf zu suchen, hier neben dem Königsstuhl bei Vollmond! - diesse Sünde kam uns nicht in den Sinn; wir wickelten uns in unsere Mäntel, und genossen des herrlichen einzigen Schauspiels der prachtvollen Mondbeleuchtung über die Kreidefelsen und über das schäumende Meer von diesem hohen, isolierten Standpunkte herab.

***************************************
Es war einer der wenigen Lichtpunkte des Lebens, einer der genussreichsten Tage und Abende meines Lebens, und immer werde ich sein mit dankbarer Erinnerung gedenken. Zu überraschender Freude für meinen Sohn, dem dies Getränk nie unangenehm war, barg ich eine Bouteille guten Jackson, Champagner nebst Gläsern in meiner Manteltasche. Er wärmte uns in der kühlen Herbstnacht, und erhöhte unsere poetische Stimmung. Wie der König von Tule, erschien ich mir auf diesem hohen Königssitz am Meer; wir weihten mit kräftiger Stimme Toaste dem Andenken unserer Lieben, dem ersehnten baldigen Wiedersehen von Frau und Mutter, Kindern und Geschwistern - den Freunden im Vaterlande – denen, die wir erst kürzlich mit betrübten Herzen verließen, und zu denen wir, nur vom Meer getrennt, gerade hinschauten; der flimmernde Mondstrahl schien uns die Verbindungslinie und wir meinten, dass Wind und Wellen ihnen - unsere freundlichen Grüße überbrächten. Dem deutschen Vaterlande, der deutschen Treue und Redlichkeit, brachten wir auf der schönsten Nordspitze Deutschlands treue Wünsche und Gelübde dar, die gewiss noch lange in der Seele des Jünglings wiederklingen und von ihm so leicht nicht werden vergessen werden, und ich warf endlich – wie der König von Tule den Becher – Flasche und Glas in die schäumenden Wellen der Ostsee, dass nie wieder ein unheiliger Mund sie berühren möchte, und sie Kunde von uns brächten unseren Lieben in Petersburg.

Es waren herrliche Momente, in welchen das Leben sich im Glanzpunkte, erhaben über Zeit und Raum, gestaltet; unsere Augen füllten sich mit Wasser, Hand und Mund gelobte sich feste Treue im Guten und in der Liebe, und erst um Mitternacht konnten wir von diesem schönen Punkte uns losreißen.

Nach kurzem aber erquickenden Schlaf, sahen wir noch von eben diesem Punkte, mit Freuden der Szene der verflossenen Nacht gedenkend, den herrlichen Sonnenaufgang, wanderten hinüber nach der kleinen Stubbenkammer, die in ihrer Art ebenso schön ist, als die große, und noch den Vorzug hat, dass man den schönen isolierten Fels des Königsstuhls besser übersieht, und traten dann die Weiterfahrt durch Rügen, zuerst nach Arkona, an.