Die Kunst. 31. Band - Symbolische Darstellung des Krieges

Monatshefte für freie und angewandte Kunst. Der dekorativen Kunst XXX. Jahrgang
Autor: Bredt, E. W., Erscheinungsjahr: 1915

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Krieg, Krieger, Gesellschaft, Angst vorm Krieg, Kriegsherr, Feldherr, kriegsbeginn, Kriegsführung, Kriegsfolgen, Elend, Not, Tod, Qualen, Sorgen, Heldentum, Macht, Sieg, Brutalität, Friedenszeit, Kriegshandwerk, Weltkrieg, Befreiung, Frieden, Gefangene, Gefallene, Verderben, Lorbeer, Ruhm, Ehre, Künstler, Maler, Gewalt
Wie der Krieg aussieht — wer wusste das noch?

Unsere Generation kannte den Krieg, die Angst vorm Krieg nur vom Hörensagen. So oft auch vom kommenden Weltkrieg die Rede war, niemand ahnte das Furchtbare, Gewaltige, Grausenhafte und Große, das wir inzwischen alle gesehen, gehört, erlebt.

Jetzt vermag sich jeder ein freilich nur wirres Bild zu machen von Kriegsbeginn, Kriegsführung, Kriegsfolgen: Elend, Not, Tod, Qualen, Sorgen — aber auch vom Heldentum und der Macht, die Sieg bringt.

Wunderbar, dass starke Künstler in Friedenszeiten doch das zum Bilde zu gestalten vermochten, was wir jetzt als Krieg erleben, was immer der Krieg den Menschen sein wird.

Freilich Allegorien sind nicht allgemein beliebt bei Künstlern. Ganz recht. Durch all die Frauen- und Männergestalten des Fleißes, der Industrie, des Friedens usw. auf unzähligen und fast immer schlechten Vereinsdiplomen und Plakaten schlimmster Art wurde ein Gestaltungsgebiet künstlerisch verwüstet, verpönt.

Und doch ist das Vermögen, Vorstellungen zu einem Bilde, zu einer Figur zu kristallisieren, allein schon Zeugnis künstlerischer Schöpferkraft.

Unsere Bilder mögen Beweise liefern, wie alt die Aufgabe, welche Kraft von künstlerischen Allegorien ausstrahlen kann.

Den Griechen wurde alle Vorstellung zum menschlichen Ereignis, zur menschlichen Gestalt. Der Krieg — Ares — Mars, das war ein starker, kraftstrotzender, listig-kluger, brutaler, schwertgegürteter Mann.

Nichts übermenschlich, nichts tierisch — nur groß, mächtig. Ob das ein zutreffendes Licht wirft auf die Unempfindlichkeit der Griechen und Römer für all die Brutalitäten des Krieges? —

So oder so — die Verkörperung genügte — sie genügte Rubens und Velasquez (Abb. 003 u. 015). Braucht Velasquez’ „Mars" erst eine Unterschrift?

Die Gestalten des Mars eines Rubens und Velasquez überragen weit die des Etienne de Laune (Abb. 010). Aber selbst bei dessen zierlichen Kriegsgestalten wusste jeder, was die Gestalt kündet.

Rubens genügt nicht die eine Figur. Aber sie beherrscht alles, und nie wird Rubens als Kriegsallegoriker, Illustrator oder Erzähler, nie kunstwidriger Worte- und Gedankendreher.

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Die Bilder vom Tode und vom Kriege werden oft genug eines. Das Motiv der apokalyptischen Reiter lebt auf in den Bildern Böcklin's (Abb. 004) und Kolb's (Abb. 008 u. 011).

Gleichgültig, unbarmherzig, ruhig, schleicht Dürers berittener Tod über die Welt (Abb. 014) — ein Ahne von dem starren bleichen Tode Stucks, der über Leichen wegtrottet (Abb. 005).

Der Krieger-Tod Stefano della Bella's aber (Abb. 002) stürmt leichter dahin und fast lustig — das Bild einer Zeit, da das Kriegshandwerk ein einträgliches Geschäft war und eine Schule des Leichtsinns wie keine sonst.

Die anderen Bilder dieser Art sprechen selbst gar viel von der Künstler und der Zeiten verschiedener Art, vom Gemeinsamen und vom Trennenden verschiedener künstlerischer Vorstellungswelten.

Kubin's Krieg (Abb. 007) wird man vorläufig schlechtweg für die stärkste Allegorie des Kriegs erklären müssen, die je geschaffen wurde. Diese Darstellung führt zu einer Gruppe von Allegorien, die formal nicht so geschlossen sein wollen wie antike Personifikationen. Die „Panik" des Julius Diez (Abb. Jahrg. 1905/6, S. 465) gehört zu dieser Gruppe dramatisch reicherer Bilder. Ein höchstes der Art bleibt aber das Bild des Todes, das Pieter Brueghel geschaffen und den Prado auszeichnet (Abb. 009). Brueghel macht den Tod zu Armeen, die von allen Seiten aufmarschieren, die feste Mauern und Schanzen bilden, Mauern voll Tod und Verderben. Ist Kubins Tod das stärkste durch eine Figur — so ist Brueghels Bild vom Krieg und Tod wohl nie, auch nicht von Bosch, nicht vom Meister des Campo Santo zu Pisa an dramatischer vielgestaltiger Phantastik übertroffen worden.

Ein Meister der allegorischen Vignette bleibt Adolf von Menzel (Abb. 008). Diese Vignetten wollen besonderen Gedanken, den Gedanken an bestimmte Kriege Form geben und die Form, die Menzel diesen literarisch fein ziselierten Gedanken Friedrichs II. gab, bleibt Zeugnis höchster künstlerischer Empfindung.

Da sprengt der Kriegsgott die Pforten des Janustempels auf: d. h. der König erhebt sich 1741 zum Krieg gegen Russland, England, Polen und Holland. Dort zeichnet Menzel, auf welchen Prinzipien die preußische Regierung beruht: Der Kompass des Ruhms und der Ehre liegt auf gekreuzten Schwertern, durch deren Griffe Lorbeer sich schlingt. Und den Frieden von Breslau, der dem blutigen Sieg von Chotusitz folgte, signiert Menzel mit einem Schwerte, dessen Blut eine kräftige Hand mit Lorbeerbüscheln abwischt.

Wer immer Allegorien von bleibendem Werte schaffen will, muss Künstler sein, muss seinen Geist vielfach genährt haben. Aus Bildern der Bibel und der Antike wird auch der deutscheste Künstler eine Fülle von Anregungen gewinnen. Wer wird z. B. heute nicht, zumal wenn er den Weltkrieg unserer Tage allegorisieren will, an Davids Triumph über Goliath erinnert, oder an so manche Tat des Helden Herkules, des Einen im Kampf gegen so Viele.

001 Der Krieg, W. Strang

001 Der Krieg, W. Strang

002 Der Krieg, Stefano Della Bella

002 Der Krieg, Stefano Della Bella

003 Die Folgen des Krieges, Rubens

003 Die Folgen des Krieges, Rubens

004 Der Krieg, A. Böcklin

004 Der Krieg, A. Böcklin

005 Der Krieg, F. von Struck

005 Der Krieg, F. von Struck

006 Der Krieg, K. Strathmann

006 Der Krieg, K. Strathmann

007 Der Krieg, Alfred Kubin

007 Der Krieg, Alfred Kubin

008 Das blutige Schwert, Menzel, aus den Illustrationen zu den Werken Friedrich des Großen

008 Das blutige Schwert, Menzel, aus den Illustrationen zu den Werken Friedrich des Großen

008 Die Pforten des Janustempels, A. Menzel

008 Die Pforten des Janustempels, A. Menzel

009 Der Krieg, Alois Kolb

009 Der Krieg, Alois Kolb

010 Triumph des Todes, P. Brueghel

010 Triumph des Todes, P. Brueghel