Die Krim und Odessa.

Reiseerinnerungen aus dem Tagebuch des Professor Dr. Karl Koch.
Autor: Koch, Karl Heinrich Emil Dr. med. (1809-1879) deutscher Botaniker, Professor, Völkerkundler, Erscheinungsjahr: 1854

Exemplar in der Bibliothek ansehen/leihen
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Russland, Krim, Petersburg, Katharina II., Halbinsel, Tataren, Nomaden, Sebastopol, Scheindörfer,
Es gibt vielleicht kein Land in Europa, was so häufig verkannt wird, als gerade die Krim. Selbst in Russland, und zumal in Petersburg, hat man eben so irrige Ansichten, als bei uns. Als Katharina II. sie in Besitz nahm und die wegen der großen Fruchtbarkeit sowohl als auch wegen der romantischen und schönen Gegenden gerühmte Halbinsel selbst kennen zu lernen wünschte, täuschte man die große Kaiserin während ihres Aufenthaltes daselbst aus mir unerklärbaren Gründen absichtlich und legte allerhand Scheindörfer an, wo der kaiserliche Zug durchging. Wahrscheinlich hätte sie aber doch bei einem längeren Aufenthalte Gelegenheit gehabt, sich von den wahren Zuständen zu überzeugen, wenn sie nicht plötzlich ihr unscheinbares Häuschen in Sebastopol hätte verlassen müssen, um möglichst schnell den ruchlosen Plänen fanatisierter Tataren zu entgehen.

***********************************************
Inhaltsverzeichnis
  1. Erstes Kapitel. Abreise von Taman; Kertsch.
    1. Allgemeine Betrachtungen; Gastfreundschaft der Kaukasier;
So hat sich von Jahrzehnt zu Jahrzehnt die irrige Meinung von der großen Fruchtbarkeit der Krim erhalten und ist selbst durch die bessern Reisebeschreibungen, besonders zweier Männer, des leider zu früh verstorbenen Dubois de Montpereux und des Fürsten Anatol Demidoff, noch nicht hinlänglich widerlegt worden. Es kommt noch dazu, dass man auf den größeren Karten, welche jetzt durch die Umstände veranlasst, schnell bearbeitet und herausgegeben wurden, selbst die in Paris von der Demidoff'schen großen reduzierten nicht ausgeschlossen, zahlreiche Ortschaften eingetragen findet, die zum größten Teil gar nicht existieren, aber ganz dazu geeignet sind, die falsche Ansicht von der großen Fruchtbarkeit der Halbinsel zu bestärken. Der Irrtum erklärt sich dadurch, dass die Tataren der Ebene den größten Teil des Jahres noch Nomaden sind und in kurzen Zwischenräumen, je nach dem ihren Herden das nötige Futter geboten wird, ihre Aufenthaltsorte ändern. Auf den Karten sind nun meistens alle diese Orte nicht allein als Dörfer eingetragen, sondern man findet sogar auch eine Menge Namen aufgeführt, welche noch aus der Zeit stammen, wo die Krim unter der Herrschaft der Tatarchane stand.

Die Schilderung einer Reise in diesen, die Aufmerksamkeit Europas so sehr in Anspruch nehmenden Gegenden, welche, frei von politischen Raisonnements, nur einfach über die Zustände dieses interessanten Landes belehrt, dürfte daher Manchem nicht unwillkommen sein. Ich glaubte am besten eine klare Ansicht von der Beschaffenheit und den Zuständen der Krim zu geben, wenn ich denselben Weg einschlüge, den ich in meinen früheren Reisewerken verfolgt habe, und mit Treue nur das wiedergäbe, was ich mit eigenen Augen gesehen und beobachtet hatte. Mag Manchem diese sehr genaue Schilderung der Reiseroute schleppend und dagegen eine pikantere Aufeinanderfolge wünschenswert erscheinen, so glaube ich doch, dass mein Verfahren allein es Jedem möglich macht, eine richtige Kenntnis von der Halbinsel zu erhalten. Zum besseren Verständnisse habe ich noch in zwei Anhängen allgemeine naturhistorische Beschreibungen der Krim und der Nordküste des Schwarzen Meeres gegeben, die wohl im Stande sind, meine Schilderungen hier und da zu ergänzen. Eben so wird durch die ideellen Profile der verschiedenen Hebungen die eigentümliche Bildung des Krim'schen Küstengebirges auch den Laien klarwerden.

So will ich nun dieses Werkchen, was gleichsam den Schlussstein meiner Reiseberichte enthält, derselben freundlichen Nachsicht empfehlen, deren sich meine früheren Arbeiten erfreuten. Die Anerkennung, die meinem Streben geworden, sind mir eine große Genugtuung für all' die mannigfachen Opfer, welche ich freiwillig der Wissenschaft und zunächst der Kenntnis wenig, zum Teil gar nicht, von Europäern besuchter Gegenden des in jeglicher Hinsicht gewichtigen Orients brachte.

Berlin, den 16. Oktober 1854. Karl Koch.

Ein Sommertag auf dem Lande

Ein Sommertag auf dem Lande

Bäuerinnen warten auf den Briefträger

Bäuerinnen warten auf den Briefträger

105 Tataren von der Südküste der Krim

105 Tataren von der Südküste der Krim

106 Ländliche Wohnung in der Krim

106 Ländliche Wohnung in der Krim

107 Zigeunerfamilie in der Krim

107 Zigeunerfamilie in der Krim

108 Moschee im Palast der Tatarenkhane zu Bachtschi-Sarai

108 Moschee im Palast der Tatarenkhane zu Bachtschi-Sarai

109 Karaiten und Tataren

109 Karaiten und Tataren

110 Karaiten- und Tatarenfrauen

110 Karaiten- und Tatarenfrauen