Die Juden in Europa

Aus: Lehrbuch der Kirchengeschichte für Studierende
Autor: Kurtz, Johann Heinrich (1809-1890) Professor der Theologie, Erscheinungsjahr: 1874

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Juden, Judentum, Judenhass, Antisemitismus, Judenverfolgung, Mittelalter, Religion, Christen, Christentum, Judengasse, Schicksal, Glauben, Geschichte, Bildung, Gesittung, Bürgertum, Unwissenheit, Kreuzzüge, Klerus, Politik, Macht, Handel, Vertreibung, Flucht, Mord, Todschlag, Nation, Volk, Heimat, Weisheit, Leben, Ideale, Mut, Gottesfurcht, Geist, Freude
Durch Handel, Zins und Wucher gelangten die Juden zu fast alleinigem Besitze des baren Geldes, der ihnen zwar oft großen Einfluss, aber noch öfter Bedrückung und Gewalttat bei geldbedürftigen Fürsten und Großen zuzog.

Teurer noch als ihr Geld war ihnen jedoch ihr Glaube, und ärger als die Tortur scheuten sie die Taufe.

Jede Seuche erneuerte den Wahn der Brunnenvergiftung durch die Juden; man erzählte sich, dass sie geweihte Hostien raubten, um sie mit Nadeln zu durchstechen, und Christenkinder, um sie am Osterfest zu schlachten.

Von Zeit zu Zeit explodierte die Volkswut und Tausende von Juden wurden dann hingemordet.

Auch die Kreuzheere begannen häufig ihre Heldentaten noch auf heimischem Boden mit Judenschlächtereien.

In Spanien hatten die Juden mit den unterjochten Mauren und Moriskos gleiche Schicksale.

Der heilige Bernhard und mehrere Päpste, Gregor VII., Alexander III. und Innocenz III. etc. nahmen sich ihrer in besonderen Verordnungen an, verboten gewaltsame Bekehrung und wiesen auf ihren Beruf hin, leibhaftige Beweise für die Wahrheit des Evangeliums bis zum Ende der Tage zu sein.

Auch die deutschen Kaiser nahmen die Juden in ihren besonderen Schutz, indem sie dieselben mit dem (auf Vespasian und Titus zurückgeführten) Titel kaiserlichen Kammergutes (servi camerae nostrae speciales) unter den Königsfrieden stellten.

Auch in England und Frankreich galten sie als Mancipium der Krone.

Seit dem 13. Jahrhundert zwang man sie fast in allen Ländern schimpfliche Abzeichen (den so genannten Judenhut, eine gelbe trichterförmige Kopfbedeckung, und ein Rad von rotem Tuche oder Filze auf der Brust etc.), zu tragen und pferchte sie in den Städten in so genannte Judenviertel (ital.: Ghetto) ein, die oft noch von einer besonderen Mauer umschlossen waren.

Zur wissenschaftlichen Bekämpfung und Belehrung der Juden wurden eine Menge apologetisch-polemischer Schriften abgefasst, die aber ebenso wie die öfter veranstalteten Disputationen ihres Zweckes verfehlten, da die jüdischen Gelehrten den christlichen in der Art der Schriftauslegung, auf die hier doch Alles ankam, an Gelehrsamkeit, Scharfsinn und Geübtheit weit überlegen waren.

Ein sehr interessantes Beispiel, wie sich ein Jude in aufrichtigem Ringen nach Erkenntnis der Wahrheit zur vollen Überzeugung von der vollen Göttlichkeit des Christen- und Kirchentums jener Zeit (um 1150) durcharbeiten konnte, liefert die von ihm selbst abgefasste Bekehrungsgeschichte des nachmaligen Prämonstratensers Hermann im Kloster Kappenberg in Westfalen. (Vgl. F. M. Weber, Herm. d. Pramonstr. od. d. Juden in d. K. d. M.-A. Nördl. 1861.)

Andererseits liegen aber auch vereinzelte Beispiele eines, noch dazu, wie es scheint, überzeugungstreuen Übertritts zum Judentum vor. Das erste bekannte Beispiel der Art bietet im Jahr 839 ein Diakon Boso, der nach der Beschneidung den Namen Eleazar annahm, eine Jüdin heiratete und in das sarazenische Spanien übersiedelte, wo er einen glühenden Bekehrungseifer für seine neue Religion, entfaltete.

Ein zweiter derartiger Fall zu Kaiser Heinrichs II. Zeiten war der Übertritt eines Klerikers Wecelinus, dessen Berichterstatter seinem Entsetzen in den Worten: Totus contremisco et horrentibus pilis capitis terrore concutior Ausdruck gibt.

Lehrbuch der Kirchengeschichte Titel

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