Die Insel Wollin und das Seebad Misdroy - 06. Wollin als herzoglich pommersche Burg und Castellanei im Anfange des zwölften Jahrhunderts. Der heidnische Tempel zu Wollin.
Historische Skizze
Autor: Raumer, Georg Wilhelm von (1800-1856) preußischer Verwaltungsbeamter und Direktor des geheimen Staatsarchivs, Erscheinungsjahr: 1851
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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Pommern, Insel Wollin, Fischerdorf Misdroy, Seebad, Handelsstadt, Oder, Ostsee, Lokalgeschichte, Landesgeschichte, Kulturgeschichte, Norddeutschland, Lebensweise, Landbau, Landwirtschaft, Ackerbau, Gutsbesitzer, Forstwirtschaft, Ackerwirtschaft, Volk, Volkswirtschaft, Gesellschaft, Produktion, Ursache und Wirkung, Bodenkultur, Inselbewohner, Ostseestrand, Badeort, Seebad
Als um das Jahr 1095 sich viele aus Dänemark Vertriebene nach Wollin geflüchtet hatten und von da aus Seeraub trieben, sandten die Dänen eine Flotte hin, belagerten die Stadt und zwangen sie, die in ihre Mauern geflüchteten Seeräuber auszuliefern und eine Geldstrafe zu bezahlen, doch musste nachher König Erich von Dänemark noch mehrere Züge nach Wollin unternehmen, um die Hartnäckigkeit der slawischen Bewohner zu brechen und die Seeräuberei zu bändigen. Zu dieser Zeit schon war Wollin von seiner alten Größe hinabgesunken und, wiewohl, immer noch eine mächtige und wichtige Stadt, doch nicht mehr der weltberühmte Handelsort, als welchen wir ihn im vorigen Jahrhundert haben kennen lernen. Gleichzeitig mit dem Sinken der Stadt beginnt das Ansehen der Landesherrn aufzutauchen, denn um diese Zeit ist es, wo die Geschichtsschreiber zuerst der Herzoge von Pommern (Duces Pomeraniae oder Slaviae) erwähnen, nämlich des Ältesten aus der herrschenden Familie, welche in mehrere Dynastenlinien geteilt war, deren gemeinschaftliches Sinnbild aber, unter dem sie vom Volk verehrt wurden, in einem Vogel Greif bestand, der daher später das Wappen der Herzoge von Pommern wurde. Die alten slawischen Bewohner von Pommern bezeichneten den Herzog mit dem Namen Knees, Kneze *), der deutsche Herzogtitel gehört einer späteren Zeit an. Der Herzog von Pommern hatte seine Hauptresidenz von jeher in Stettin, wo sich der oberste Tempel des Landes befand, denn es bestand eine Hierarchie unter den verschiedenen Göttertempeln, auch ist schon bemerkt, dass die Autorität des Herzogs hauptsächlich im religiösen Glauben wurzelte, das Herzogsgeschlecht galt als von den Göttern abstammend, und die Zusammenkünfte aller freien Männer des Landes bei Gelegenheit der feierlichen Opferfeste galten zugleich als politische Zusammenkünfte, als eine Art von Landtag. In den Haupttempeln waren auch die geraubten Schätze aufbewahrt, welche zugleich, wie bei den alten Römern, als Staatsschatz für den Fall der Not dienten, und deshalb befand sich überall da, wo ein Haupttempel des Landes stand, auch eine landesherrliche Residenz, in welcher der Herzog, gleichsam der Priesterfürst, mit einem zahlreichen Gefolge vom Adel zu Pferde auftrat. Außer diesen Hauptresidenzen gab es überall im Lande landesherrliche Burgen, befestigte Plätze oder Grods, in denen der Herzog eine Besatzung hatte, welche unter einem castellanus stand; ein bestimmter Bezirk war zur Unterhaltung dieser Besatzung und der Burg selbst zugewiesen und somit war das ganze Land nach polnischer Sitte in Burgbezirke (Castellaneie, Woiwodschaften) eingeteilt, aus denen die jetzigen landrätlichen Kreise mit hervorgegangen sind.
*) Man erfleht dies aus Urkunden, wonach das signum des Knezen in eine Grenzeiche eingehauen war.
Einen solchen Castellaneibezirk bildete denn auch im zwölften Jahrhundert die Insel Wollin, und die Handelsstadt Wollin schloss nicht nur einen ansehnlichen und begüterten Tempel in ihre Mauern ein, von dem sogleich mehr die Rede sein wird, sondern es war darin auch eine stattliche landesherrliche Burg, und da der Herzog in jeder Castellanei einen eignen Sie hatte *), so hatte er insbesondere in Wollin ein Residenzschloss (palatium), das mit einem Asylrecht versehen war, so dass jeder der hinein flüchtete, von Verfolgung frei wurde, was offenbar mit der Götterverwandtschaft und Heiligkeit des Herzogs zusammenhing.
Zu dem Schloss gehörten Wirtschaftsgebäude (curtis) und umliegende Dörfer, von denen der Unterhalt des Hofes, wenn der Herzog anwesend war, bestritten wurde und die namentlich Fische liefern mussten. Auf den Vormerken und Viehhöfen befanden sich Meier (villici), welche die Wirtschaft beaufsichtigten. Die Herzoge pflegten mit ihrem Gefolge von Burg zu Burg, von Castellanei zu Castellanei zu ziehen um zu verzehren, was dort aufgespeichert war, um in den unermesslichen Forsten zu jagen und um Recht zu sprechen und Festgelage mit dem benachbarten Adel zu halten. Dazu war im sehr festen und mit einem dicken Balkenzaun umgebenen Schloss zu Wollin **) ein großer Saal, die stuba pyrale, bestimmt, in dem sich auch, um das kalte Klima zu beseitigen, ein kolossaler Ofen befand und dessen Decke aus geschnitzten Balken war. Im Sommer lebte man statt dessen in einer offenen Laube oder Halle. Dieser Art von Opulenz entsprachen die Sitten, aus ungeheuren Trinkbechern trank man Meth und Bier und die Vornehmeren kleideten sich in Pelze, der gemeine Mann trug grobes Tuch und nach slawischer Sitte Hüte.
Mit einer so wichtigen Burg, wie Wollin, war eine Hebestätte landesherrlicher Gefälle ***), sowohl an Gelde wie an Naturalien, verbunden, wozu besonders die auf dem platten Lande gelegenen Krüge vermöge des Verkehrs, den die Reisenden erzeugten, beitrugen, daher Krüge (tabernae) immer zu den Einnahmequellen gerechnet werden.
*) Propria sedes in singulis castris.
**) Nach der Vita Ottonis.
***) Census principi terrae persolvendus.
Endlich wurde in Wollin auch ein Schiffszoll von den vorbeifahrenden Schiffen und ein Brückgeld von der über die Dievenow führenden Brücke erhoben.
So haben wir also die Castellanei Wollin und den dazu gehörigen Bezirk kennen lernen, auch werden in sehr früher Zeit Castellane von Wollin in Urkunden erwähnt *), die benachbarten Castellaneien aber waren die von Usedom, Camin, Colberg.
Es bleibt noch übrig, einiges von dem heidnischen Tempel zu Wollin zu sagen. Dass derselbe, wiewohl dem Stettiner Tempel untergeordnet, ein Haupttempel des Landes war, ist bereits erwähnt. Er lag in der Stadt in einem Sumpfe grade da, wo jetzt die St. Georgenkirche steht und war von Holz, in ihm stand eine sehr große Säule von Holz, dem Julius Caesar, als dem Erbauer von Wollin gewidmet **), und auf der Säule war die wegen des hohen Alters von Rost schon fast verzehrte Lanze des Julius Caesar befestigt und daneben stand ein Idol, ein dreiköpfiges Götterbild des Triglaff, auch standen mehrfache kleinere Idole von Gold und Silber umher. In der Nähe befand sich die sogenannte Gontine ***) der Wohnsitz der Priester und zugleich eine große Halle, in der jedes Frühjahr bei großem Zusammenlauf des Volks das Fest des Gottes mit Festgelagen, Spielen und Festtänzen nach heidnischer Art gefeiert wurde. Dass dieses Fest zugleich eine Art politischer Zusammenkunft, ein Landtag war und dass im Tempel oder in der Gontine viel Schätze aufbewahrt wurden, ist bereits erwähnt. Es nahte sich indessen die Zeit, in welcher der Wolliner Tempel und das ganze Heidentum zerstört werden sollten.
*) Vealmiensium praeses beim polnischen Kronisten Martinus Gallus.
**) Die alten Pommern dachten wohl nicht an Julius Caesar, sondern an irgend einen andern altheidnischen Gott als Stifter des Tempels, den Julius Caesar haben die deutschen Chronisten hineingebracht.
***) Vermutlich war diese, gleich der Stettiner, mit Abbildungen von Menschen, Tieren und Vögeln schön und bunt bemalt.
*) Man erfleht dies aus Urkunden, wonach das signum des Knezen in eine Grenzeiche eingehauen war.
Einen solchen Castellaneibezirk bildete denn auch im zwölften Jahrhundert die Insel Wollin, und die Handelsstadt Wollin schloss nicht nur einen ansehnlichen und begüterten Tempel in ihre Mauern ein, von dem sogleich mehr die Rede sein wird, sondern es war darin auch eine stattliche landesherrliche Burg, und da der Herzog in jeder Castellanei einen eignen Sie hatte *), so hatte er insbesondere in Wollin ein Residenzschloss (palatium), das mit einem Asylrecht versehen war, so dass jeder der hinein flüchtete, von Verfolgung frei wurde, was offenbar mit der Götterverwandtschaft und Heiligkeit des Herzogs zusammenhing.
Zu dem Schloss gehörten Wirtschaftsgebäude (curtis) und umliegende Dörfer, von denen der Unterhalt des Hofes, wenn der Herzog anwesend war, bestritten wurde und die namentlich Fische liefern mussten. Auf den Vormerken und Viehhöfen befanden sich Meier (villici), welche die Wirtschaft beaufsichtigten. Die Herzoge pflegten mit ihrem Gefolge von Burg zu Burg, von Castellanei zu Castellanei zu ziehen um zu verzehren, was dort aufgespeichert war, um in den unermesslichen Forsten zu jagen und um Recht zu sprechen und Festgelage mit dem benachbarten Adel zu halten. Dazu war im sehr festen und mit einem dicken Balkenzaun umgebenen Schloss zu Wollin **) ein großer Saal, die stuba pyrale, bestimmt, in dem sich auch, um das kalte Klima zu beseitigen, ein kolossaler Ofen befand und dessen Decke aus geschnitzten Balken war. Im Sommer lebte man statt dessen in einer offenen Laube oder Halle. Dieser Art von Opulenz entsprachen die Sitten, aus ungeheuren Trinkbechern trank man Meth und Bier und die Vornehmeren kleideten sich in Pelze, der gemeine Mann trug grobes Tuch und nach slawischer Sitte Hüte.
Mit einer so wichtigen Burg, wie Wollin, war eine Hebestätte landesherrlicher Gefälle ***), sowohl an Gelde wie an Naturalien, verbunden, wozu besonders die auf dem platten Lande gelegenen Krüge vermöge des Verkehrs, den die Reisenden erzeugten, beitrugen, daher Krüge (tabernae) immer zu den Einnahmequellen gerechnet werden.
*) Propria sedes in singulis castris.
**) Nach der Vita Ottonis.
***) Census principi terrae persolvendus.
Endlich wurde in Wollin auch ein Schiffszoll von den vorbeifahrenden Schiffen und ein Brückgeld von der über die Dievenow führenden Brücke erhoben.
So haben wir also die Castellanei Wollin und den dazu gehörigen Bezirk kennen lernen, auch werden in sehr früher Zeit Castellane von Wollin in Urkunden erwähnt *), die benachbarten Castellaneien aber waren die von Usedom, Camin, Colberg.
Es bleibt noch übrig, einiges von dem heidnischen Tempel zu Wollin zu sagen. Dass derselbe, wiewohl dem Stettiner Tempel untergeordnet, ein Haupttempel des Landes war, ist bereits erwähnt. Er lag in der Stadt in einem Sumpfe grade da, wo jetzt die St. Georgenkirche steht und war von Holz, in ihm stand eine sehr große Säule von Holz, dem Julius Caesar, als dem Erbauer von Wollin gewidmet **), und auf der Säule war die wegen des hohen Alters von Rost schon fast verzehrte Lanze des Julius Caesar befestigt und daneben stand ein Idol, ein dreiköpfiges Götterbild des Triglaff, auch standen mehrfache kleinere Idole von Gold und Silber umher. In der Nähe befand sich die sogenannte Gontine ***) der Wohnsitz der Priester und zugleich eine große Halle, in der jedes Frühjahr bei großem Zusammenlauf des Volks das Fest des Gottes mit Festgelagen, Spielen und Festtänzen nach heidnischer Art gefeiert wurde. Dass dieses Fest zugleich eine Art politischer Zusammenkunft, ein Landtag war und dass im Tempel oder in der Gontine viel Schätze aufbewahrt wurden, ist bereits erwähnt. Es nahte sich indessen die Zeit, in welcher der Wolliner Tempel und das ganze Heidentum zerstört werden sollten.
*) Vealmiensium praeses beim polnischen Kronisten Martinus Gallus.
**) Die alten Pommern dachten wohl nicht an Julius Caesar, sondern an irgend einen andern altheidnischen Gott als Stifter des Tempels, den Julius Caesar haben die deutschen Chronisten hineingebracht.
***) Vermutlich war diese, gleich der Stettiner, mit Abbildungen von Menschen, Tieren und Vögeln schön und bunt bemalt.