Die Eroberung von Neubrandenburg im März 1631

Autor: Redaktion Ostmecklenburgische Heimat. Rudloff, Erscheinungsjahr: 1928
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg, 30jähriger Krieg, Wallenstein, Tilly, Neubrandenburg, Eroberung, Plünderung
Aus: Ostmecklenburgische Heimat. Halbmonatszeitschrift der „Teterower Nachrichten“ für ostmecklenburgische Heimatwerte und Landeskunde. Verantwortlich für den gesamten Inhalt: Studienrat Dr. Gerhard Böhmer. — Druck und Verlag von Hermann Decker, Teterow, Malchiner Straße 15. — Erscheinungsort Teterow. (Mecklenburgische Schweiz) 1. Jahrgang. 1928. [im Bestand des Stadtarchivs der Stadt Teterow]

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Eine Heimatzeitschrift „Ostmecklenburgische Heimat“ gab der Verlag Hermann Decker, Inhaber Ernst Vick, in den Jahren 1928 bis 1945 regelmäßig heraus. Die Auflage betrug 3000, später 4000 Exemplare.(Aus: Kurt Bernhard, Die Zeitungs- und Zeitschriften –Verlage in Mecklenburg, 1982/83) F. Herholz

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Als Wallenstein Mecklenburg in Besitz nahm, musste ihm im Jahre 1628 auch die Stadt Neubrandenburg huldigen und eine kaiserliche Besatzung einnehmen. Dieselbe wurde aber im Februar 1631 vom Schwedenkönig Gustav Adolf, welcher zum Schutze des deutschen Protestantismus die Waffen ergriffen hatte, genötigt, auf freien Abzug zu kapitulieren. Die Stadt erhielt nun eine Besatzung von 2.000 schwedischen Soldaten, Deutschen und Schotten.

Da zog im März, während Gustav Adolf mit der Belagerung von Kolberg beschäftigt war, der kaiserliche General Tilly mit 18.000 Mann von der Mark Brandenburg heran und erschien am 14 März vor der Stadt, um sie den Schweden wieder zu entreißen. Da der Kommandant die Übergabe weigerte, so begann die Beschießung am 17. März. Sie dauerte drei Tage lang, 1.080 Schüsse wurden auf die Stadt und ihre Befestigungswerke abgegeben. In die Mauer ward gleich am ersten Tage der Beschießung nahe bei dem Neuen Tore eine breite Bresche gelegt, die zwar von der Bürgerschaft in den folgenden Nächten mit Brettern, Balken und Erde ausgefüllt, vom Feinde aber am Tage wieder geöffnet ward. Die Stelle dieser Bresche ist noch heute kenntlich an drei Kanonenkugeln, die in die Mauer eingelassen sind.

Am 19. Mittags um 12 Uhr verstummte plötzlich die Kanonade, und zugleich brach ein Regiment der Tillyschen aus den Laufgräben an drei Orten gegen die Stadt vor; es ward zurückgeschlagen, ebenso ein zweites; als aber beide durch ein drittes und durch Reiterei verstärkt wurden, eroberten sie den Wall am Friedlandschen Tore. 92 Leichen zählte man hier, übereinanderliegend, nach Beendigung des Kampfes auf einem Platze von etwa 30-40 Fuß im Umfang. Die Kaiserlichen drangen dann den Wall entlang nach der Bresche am Neuen Tore, stiegen hier über die Mauerreste und ergossen sich in alle Straßen der Stadt. obgleich die Königlichen tapfer für ihr Leben stritten, so behielten doch die Tillyschen wegen ihrer großen Übermacht überall die Oberhand.

Mit entsetzlicher Grausamkeit begannen sie nun gegen die Feinde, auch gegen die Bürger, obgleich diese nicht mitgekämpft hatten, zu wüten. Die Gefallenen wurden der Kleider beraubt, mit Degen an die Erde gespießt und ihnen mit Äxten und Beilen der Kopf gespalten. Vielen, besonders Offizieren, auch solchen, die noch Lebenszeichen von sich gaben, ward auf den Leib, unter die Arme und rings umher Pulver gestreut und dies angezündet.

Ein Teil der Bürger, dazu viele vom Adel, die in die Stadt geflohen waren, nebst den Frauen und Töchtern der Bürger waren um die Zeit des Sturmes in der Kirche, wo während der Belagerung täglich Gottesdienst und Abendmahl gehalten ward, auch andere Bürger und Soldaten flüchteten sich hinein, aber die Feinde folgten ihnen und metzelten Soldaten wie Bürger in der Kirche nieder, misshandelten Frauen und Kinder und plünderten die Kirche aus, wobei sie auch die Güter der Waisen und Armen raubten, die ist der Kirche in einem verschlossenen Kasten niedergelegt waren. So ward auch die ganze Stadt ausgeplündert. Erst als eine Feuersbrunst entstand, ließ Tilly bei Trommelschlag für die Bürger und Soldaten Pardon ausrufen, wenn sie beim Löschen des Feuers behilflich wären.

Er zog dann mit dem größten Teil seiner Armee wieder ab nach Stargard, kam aber am nächsten Tage wieder und ließ alle Festungswerke der Stadt schleifen. In der Stadt blieben einige Kompagnien noch drei Tage lang als Besatzung; diese trieben, obgleich ihnen befohlen war, vom ferneren Rauben, Plündern und Morden abzustehen, den ärgsten Mutwillen, marterten und peinigten die armen Bürger mit Daumenschrauben, knotigen Stricken, mit Erhengen und auf andere Weise, damit sie ihnen geständen, wo sie ihr Geld und Gut vergraben oder versteckt hätten. Viele zwangen sie, sich in die Brunnen hinabzulassen und, was sie darin verborgen hatten, selbst herauszuholen. Dies Treiben dauerte bis an den dritten Tag, an dem die Kaiserlichen nach Süden abzogen. Am 10. April ward die Stadt von den Schweden wieder besetzt.

Von den 3-400 Bürgern, die Neubrandenburg, durch die Drangsale des Krieges schon vorher stark mitgenommen, vor der Erstürmung noch gehabt hatte, waren 164 erschlagen worden, die übrigen verwundet bis aus 40 oder 50, die unbeschädigt davongekommen waren; von den schwedischen Soldaten waren nur etwa 50 gefangen, alle übrigen niedergemacht; doch sollen auch von den Kaiserlichen gegen 1.500 bei dem Sturme gefallen sein.

Die Schweden nahmen für die Niedermetzelung der Neubrandenburger Besatzung bald darauf bei der Erstürmung von Frankfurt a. d. O. am 13. April blutige Rache, indem sie die kaiserlichen Soldaten, die Pardon begehrten, mit dem Rufe: "Neubrandenburgisch Quartie" niederhieben.

In der Stadt Neubrandenburg selbst aber blieb die Furcht vor jenen wilden Horden so groß, dass im Jahre 1637, als die Kaiserlichen sich wieder in der Nähe blicken ließen, die gesamte Bevölkerung aus der Stadt flüchtete und 14 Tage lang außerhalb derselben weilte, während sie inzwischen gänzlich ausgeplündert ward.

Lange Zeit hindurch feierte man zur Erinnerung an den 19. März 1631 alljährlich in Neubrandenburg am Mittwoch nach dem Sonntag Reminiscere einen Buß- und Bettag unter dem Namen des Tilly-Tages.

Wallenstein

Wallenstein

Gustav Adolf

Gustav Adolf

Neubrandenburg, Das Treptower Tor

Neubrandenburg, Das Treptower Tor

Neubrandenburg, Wickhäuser in der Stadtmauer

Neubrandenburg, Wickhäuser in der Stadtmauer

Neubrandenburg, Dangel-Turm

Neubrandenburg, Dangel-Turm

Neubrandenburg, Das Neue Tor

Neubrandenburg, Das Neue Tor

Neubrandenburf, Das Stargarder Tor

Neubrandenburf, Das Stargarder Tor

Neubrandenburg, Rathaus

Neubrandenburg, Rathaus

Neubrandenburg, Tollensesee

Neubrandenburg, Tollensesee